Wie können Kommunen und Planer zu Radlogistik-Lösungen beitragen? Was sollten sie beachten? Wir haben für Sie einige Tipps und Anregungen zusammengestellt.(erschienen in VELOPLAN, Nr. 01/2019, Dezember 2019)
WSM-Konzeptstudie:
Umschlagstation und Mikrodepot für die letzte Meile
Zur Entlastung des Innenstadtverkehrs hat das Unternehmen WSM – Walter Solbach Metallbau das Konzept einer sogenannten „Logistic-Station“ als betriebsfertigen Micro-Hub entwickelt. Von dort aus könnten künftig entsprechende Lastenräder der KEP-Dienste die Haustürzustellung übernehmen. Die Logistic-Station ist modular zweigeschossig angelegt. Ebenerdig wird ein mobiles Raumsystem zur Organisation der Lagerfläche verbaut. Eine angebaute Überdachung bietet Regenschutz beim Umladen der Pakete vom Lkw ins Raumsystem und in die Cargobikes. Die Überdachung kann über ein Rolltor geschlossen werden, um dort die Cargobikes über Nacht sicher zu parken bzw. aufzuladen. Darüber ist ein zweites Geschoss mit Umkleide- und Pausenräumen sowie Sanitäranlagen für die Fahrer vorgesehen. Aktuell befindet sich die Station laut WSM im Konzeptstadium und soll zusammen mit Kunden und Kommunen weiterentwickelt werden.
www.wsm.eu
Universitätsprojekt:
Planungsleitfaden verfügbar
Ein interdisziplinäres Forschungsteam der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg hat im Oktober dieses Jahres einen „Planungsleitfaden für Lastenradumschlagsknoten“ vorgestellt. Er soll Kommunen und Wirtschaftsunternehmen bei der Planung sogenannter Micro-Hubs für den Einsatz von Lastenrädern in innerstädtischen Bereichen unterstützen. Der gemein-same Leitfaden der beiden Lehrstühle für logistische Systeme und Umweltpsychologie fokussiert dabei auf den Kurier-, Express- und Paketmarkt (KEP) und seine Akteure. Viele Erkenntnisse seien jedoch auch auf andere Bereiche und generell für die urbane Stadt-, Verkehrs- und Logistikplanung übertragbar, so die Wissenschaftler.
Inhalte u.a.:
Vermittlung von Überblickswissen zur Radlogistik in Logistikketten.
Empfehlungen aus logistischer, verkehrlicher und Akzeptanzsicht zu Umsetzung und Gestaltung der Komponenten und zur langfristigen Planung und Verbesserung der Rahmenbedingungen.
Der Leitfaden steht hier zum Download zur Verfügung: www.ilm.ovgu.de/inilm_media/Planungsleitfaden_Lastenrad.pdf
Gedruckte Versionen können per Mail bei tom.assmann@ovgu.de bestellt werden.
https://www.veloplan.de/wp-content/uploads/2023/02/28-0241-2020-wsm-logisticstation-240719-dh-scaled-e1676475378825.jpg12412560Reiner Kolberghttps://www.veloplan.de/wp-content/uploads/2019/08/veloplan-340x156-300x138.pngReiner Kolberg2019-12-16 16:40:282023-10-24 12:28:57Konzepte für Radlogistik und Micro-Hubs
Ein fester Termin in der Fahrradwelt ist die Leitmesse der Branche Eurobike, die in diesem Jahr wieder rund 40.000 Fachbesucher, über 21.000 Fahrradfans und Teilnehmer aus 99 Nationen anzog. Eines der Top-Messethemen: urbane Mobilitätslösungen.(erschienen in VELOPLAN, Nr. 01/2019, Dezember 2019)
Die Wurzeln der Eurobike liegen Anfang der Neunziger Jahre im damals jungen Mountainbike-Segment. Aber die „wilden Zeiten“, in denen Fahrradmessen vor allem etwas für eingefleischte Enthusiasten und Radsportler waren und Neuentwicklungen eher in der Nische stattfanden, sind längst vorbei. In den Medien, in der Gesellschaft und bei Verbrauchern nehmen Fahrräder und E-Bikes heute einen breiten Stellenwert ein.
Innovationsgeladene Mobilitäts-Show
Neue technische Entwicklungen, allen voran die Motorunterstützung, die inzwischen alle Gattungen durchdrungen hat, neue Designs und neue Modellvarianten haben aus dem vielfach belächelten Drahtesel längst ein hochattraktives Produkt gemacht. Das zeigte einmal mehr die Eurobike, die sich als Fachmesse mit gewandelt hat und sich in diesem Jahr unter anderem mit einer großen Cargo Area und Ausstellern aus den Bereichen Kleinstfahrzeuge, E-Mobility-Lösungen und E-Scootern präsentierte. „Die Eurobike 2019 war eine innovationsgeladene Mobilitäts-Show, auf der Hersteller aus aller Welt die Zukunft des Fahrrads mit all seinen Komponenten als Sportgerät wie auch begehrter Mobilitätsträger beleuchteten“, resümierte Messe-Geschäftsführer Klaus Wellmann zur 28. Eurobike in Friedrichshafen.
Messe unterstreicht deutsche Rolle als Leitmarkt
„Deutschland ist in Europa der größte Markt für Fahrräder und inzwischen auch mit Abstand der größte für E-Bikes“, unterstreicht der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV). Gerade bei der E-Bike-Technik gehören neben bekannten Branchengrößen wie Shimano oder dem E-Motor- und Batterie-Pionier Panasonic viele deutsche Unternehmen weltweit zu den Innovationsführern. Darunter mehr und mehr bekannte Namen aus der Automobil-Zulieferindustrie, wie Bosch, Brose, Mahle oder die ZF-Gruppe. Aber auch viele weitere international renommierte Unternehmen und Marken aus Deutschland und Europa gehören im Hinblick auf die Innovationskraft und Qualität weltweit zu den Marktführern. Auch im noch jungen Bereich der E-Cargo-Bikes, der sich dank Motorunterstützung gerade im Aufbruch befindet.
„Cargobikes zählen nach unserer Beobachtung gegenwärtig zu den am schnellsten wachsenden Produktkategorien im deutschen Fahrradmarkt.“
David Eisenberger, Zweirad-Industrie-Verband
Ausgerüstet mit Motor und hochbelastbaren Komponenten eignen sich Cargobikes auch für den professionellen Einsatz. Die Eurobike ist ein Treffpunkt für Inspiration und Information, zum Fachsimpeln und nicht zuletzt zum Ordern. Die Themen Nachhaltigkeit und faire Produktion spielen eine wichtige Rolle in der Fahrradindustrie, wie bei Fahrrädern mit Bambusrahmen.
Neue Lastenräder und Vernetzungslösungen
Ausgereifte elektrisch unterstützte Zweiräder revolutionieren laut ZIV die Freizeitnutzung und sorgen umweltfreundlich für „neue touristische Angebote und intensivere Erlebnisse für jeden Anspruch und alle Altersklassen“. Dem kann man beim Gang durch die Messehallen und bei den vielfältigen Gelegenheiten zu Testfahrten nur zustimmen. Auch im Bereich der Individualmobilität liefern Fahrräder, E-Bikes und neue Formen der Mikromobilität in allen Ausprägungen beste Voraussetzungen für die verkehrstechnischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Die Dynamik der Entwicklungen ist dank vielen Startups, Geldern von finanzkräftigen Investoren, Crowdfunding-Plattformen, einem hohen Tempo der etablierten Unternehmen und einer wachsenden Nachfrage nach innovativen Produkten so stark wie nie. Gerade beim Lastentransport zeichnet sich ein laut ZIV „noch kaum abzuschätzender Bedarf nach Cargo-E-Bikes ab“. Dazu kommen spezielle Angebote für Logistiker – ein noch sehr junger Markt, der vor allem individuelle Lösungen ins Auge nimmt. Eine Stärke der von kleinen und mittelständischen Unternehmen geprägten Branche. Neue Angebote und Mehrwerte zeichnen sich auch durch die fortgeschrittene Vernetzung ab. Die macht beispielsweise frei skalierbare Sharing-Lösungen für kleine Flotten per App möglich. Ideal unter anderem für Unternehmen, autofreie Wohngebiete oder Kleinlösungen auf dem Land.
Cargo boomt – auch auf der Eurobike
Die Absatzzahlen für Cargobikes gehen steil nach oben. Ein Trend, der sich in den Messehallen und den dazugehörigen Diskussions- und Informationsforen der Eurobike ebenso widerspiegelt, wie in den Verkaufszahlen. Für 2018 hat der Zweirad-Industrie-Verband die Cargobikes in seinem Marktbericht erstmals als eigene Kategorie erfasst und diesem Segment einen Anteil von vier Prozent innerhalb des E-Bike-Marktes attestiert. In Zahlen entspricht das einem Absatz von rund 40.000 E-Cargo-Bikes in Deutschland, die typischerweise in einem Preisbereich zwischen 4.000 und 8.000 Euro liegen. „Cargobikes zählen nach unserer Beobachtung gegenwärtig zu den am schnellsten wachsenden Produktkategorien im deutschen Fahrradmarkt“, so ZIV-Sprecher David Eisenberger. Auch in den Messehallen war der Trend unübersehbar: Neben vielen Angeboten der Hersteller am Stand gab es auch eine im Vergleich zum Vorjahr deutlich vergrößerte Sonderfläche mit 32 Spezialisten, darunter einige Newcomer. Das Angebot reicht dabei von der Familienkutsche mit bis zu drei Kindersitzen bis zu Heavy-Duty-Cargo-Bikes für den professionellen Einsatz. Vom Lieferdienst über den Handwerker, Entsorger oder Geschäftsbetrieb gibt es inzwischen für alle und jede(n) etwas – bis hin zu individuellen Aufbauten als Food- oder Coffee-Bike.
Globale Leitmesse über das Produkt Fahrrad hinaus
„Die Eurobike hat sich als globale Leitmesse des Bike-Business etabliert“, so Stefan Reisinger, Bereichsleiter der Eurobike. „Sie zieht das ‚Who is Who‘ der Szene nach Friedrichshafen und schafft als Netzwerk- und Knowhow-Plattform viele reale Mehrwerte über das Produkt hinaus. Viele der Newcomer sind etablierte Unternehmen aus dem Technologiesegment und bringen ihre Sicht auf den aktuellen Megatrend Mobilität ein.“
Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem. Dieser vielzitierte Satz gilt auch für den Bereich Radverkehr, wenn man sich ansieht, was es hier über die Jahre an Untersuchungen und Daten gibt.(erschienen in VELOPLAN, Nr. 01/2019, Dezember 2019)
Wer sich intensiver mit dem Datenmaterial zum Radverkehr beschäftigt, für den ergibt sich recht schnell ein Gesamtbild zur aktuellen Situation, zu Optionen und möglicherweise dringenden Handlungsfeldern. Beispielsweise sollte es die Politik bedenklich stimmen, wenn sich immer mehr Menschen für das Radfahren interessieren, aber sowohl die Bundesregierung, wie die Landesregierungen und die Kommunalpolitik laut „Fahrrad-Monitor Deutschland“ in puncto Fahrradfreundlichkeit in der Wahrnehmung der Bürger von Jahr zu Jahr schlechter abschneiden.
Abnehmende Sicherheit und Stagnation bei den Zahlen
Ebenfalls bedenklich stimmt, dass die gefühlte Sicherheit auf dem Fahrrad laut „ADFC-Fahrradklima-Test 2018“ auf einen neuen Negativrekord (Schulnote 4,16) gesunken ist. Ein Wert der nachvollziehbar ist, wenn man auf die Verkehrsentwicklung und weiterhin hohe Zahl an Unfällen mit Radfahrern oder die oftmals nicht nur gefühlt bedenklichen Bedingungen vor Ort schaut. Ernüchternd ist in diesem Zusammenhang die insgesamt stagnierende Entwicklung des Fuß- und Radverkehrsanteils, die man der Studie „Mobilität in Deutschland 2017“ im Vergleich mit den vorangegangenen Studien aus 2002 und 2008 entnehmen kann. Tatsächlich könnte es sogar sein, dass der in den vorangegangenen Studien festgestellte leichte Zuwachs durch die Korrektur des Mikrozensus rückwirkend nicht mehr belegbar ist – so Robert Follmer vom Bonner infas Institut im Februar bei der Vorstellung der Zahlen auf dem AGFS Kongress 2019 in Essen. Augenfällig sind dagegen die Zunahme der Wege per Fahrrad in den Städten, die längeren Wegstrecken mit Pedelecs und vor allem das, nicht zuletzt durch die Motorunterstützung, enorm gewachsene Interesse an Lastenrädern. Als kostengünstige, schnelle, platzsparende und nicht zuletzt umweltfreundliche und gesunde Alternative bieten sie sich nicht nur für Familien an, sondern auch für Gewerbetreibende und als Zustellfahrzeug für die letzte Meile.
Radpotenziale heben
Natürlich lassen sich die Ergebnisse nicht ohne weiteres von Kommune zu Kommune übertragen. Und auch Vergleiche mit Städten im Ausland hinken. Sie können aber zeigen, wo Probleme liegen, welche Potenziale es noch gibt und was alles machbar ist. Auch beim Vergleich zu unseren Nachbarn in den Niederlanden. Auch hier wird nach wie vor intensiv an weiteren Verbesserungen für mehr und sichereren Radverkehr gearbeitet – ganz selbstverständlich.
Nullsummenspiel: Starkes Wachstum in den Städten, deutlich sinkende Radnutzung in der Fläche.
Fahrrad-Monitor Deutschland 2019
Der Fahrrad-Monitor erhebt alle zwei Jahre das subjektive Stimmungsbild der Radfahrer in Deutschland. 3.000 Bürgerinnen und Bürger zwischen 14 und 69 Jahren werden dafür von der Sinus Markt- und Sozialforschung im Auftrag des BMVI befragt.
Radfahren beliebt, aber mit Wachstumshemmnissen
Insgesamt ist die Beliebtheit des Fahrrads im Jahresvergleich weiter gestiegen: 2019 gaben 65 Prozent der Befragten an, das Fahrrad als Verkehrsmittel gern oder sehr gern zu nutzen. Im Vergleich zu 2017 ist dies ein Zuwachs um ein und zu 2015 ein Zuwachs um zehn Prozentpunkte. Noch höher im Kurs steht das Fahrrad als Freizeitbeschäftigung. Hier geben 70 Prozent an dieses (sehr) gern zu nutzen. (2017: +7PP, 2015: +11 PP). In Zukunft wollen 41 Prozent der Befragten das Fahrrad häufiger nutzen. Bei den Jüngeren (14-19 Jahre) ist der Wunsch mit 63 Prozent besonders stark ausgeprägt. Nur etwa die Hälfte der Befragten (49 Prozent) gab allerdings an, dass ihnen das Fahrradfahren in ihrer Gemeinde Spaß macht. Nur 56 Prozent der Radfahrenden geben an, dass sie sich sehr sicher oder eher sicher fühlen. 44 Prozent fühlen sich eher weniger oder gar nicht sicher auf dem Fahrrad. Hauptgründe für die Unsicherheit: Zu viel Verkehr (68 %), rücksichtlose Autofahrende (68 %), zu wenig separate Radwege (59 %), zu schnelle Autos (56 %), plötzlich öffnende Autotüren (53 %), zu viel Schwerverkehr (46 %) und Radwegparker (42 %).
Rückenwind fürs Rad? Nur in großen Städten. Zur Steigerung der Personenkilometer tragen wohl vor allemPedelecs bei.
Wenig Pendler auf dem Rad
Augenfällig: Nur etwas weniger als ein Drittel der berufstätigen bzw. sich in Ausbildung befindlichen Befragten gaben an, das Fahrrad mindestens ein paar mal pro Woche auf dem Weg zur Arbeit bzw. Bildungsstätte zu nutzen. Häufiger wird das Fahrrad zum Pendeln bei jungen Menschen und in städtischen Räumen genutzt. Zu bequem? Befragte, die das Rad nicht zum Pendeln nutzen, gaben als Grund am häufigsten an, dass der Weg zu weit sei (42 %) oder sie Wind und Wetter ausgesetzt wären (41 %). Hier könnten auch Betriebe noch einiges unternehmen, denn Radpendler sind zum Beispiel deutlich weniger krank. Nicht sicher? 19 Prozent gaben an nicht mit dem Rad zur Arbeit-/Bildungsstätte zu fahren, weil es ihnen zu gefährlich sei. Hohe potenzielle Umsteigerquote: 37 Prozent der Nicht-Radpendler würden das Fahrrad nutzen, wenn es Radschnellwege auf ihrem Weg zur Arbeit/Bildungsstätte geben würde. 74 Prozent der bereits Pendelnden würden das Rad häufiger als bisher nutzen.
Fahrradfreundlich? Forderungen an die Politik
Genauso eindringlich wie konkret sind die Forderungen an die Politik in Sachen Fahrradverkehr: Die Fahrradfreundlichkeit der Kommunalpolitik wurde 2019 zwar besser bewertet, als die vom Land oder Bund, aber deutlich schlechter, als noch 2017: 47 Prozent vergaben hier die Note 4 und schlechter.
Forderungen an die Politik:
Mehr Radwege bauen (60 %)
Bessere Trennung der Radfahrenden von den Pkw-Fahrenden (53 %)
Bessere Trennung der Radfahrenden von den Fußgängern (45 %)
Mehr Schutz- und Radfahrstreifen einrichten (44 %)
Sichere Fahrrad-Abstellanlagen (44 %). Insbesondere an Bahnhöfen, Haltestellen und Schulen ist die Zufriedenheit mit der Abstellsituation weiterhin gering.
Mehr Informationen: „Dossier Radverkehr“ auf www.bmvi.de
Große Unterschiede Stadt vs. Land, in den Regionen und in den Milieus
In der Stadt wird das Fahrrad bzw. Pedelec häufiger als genutzt als auf dem Land. Und auch die Beliebtheit von Lastenrädern ist in der Stadt deutlich größer. Augenfällig sind aber auch die deutlichen Unterschiede je nach Region, soziodemografischen Daten und dem jeweiligen Milieu. Hier liefern die Studien wichtige Daten undLösungsansätze – nicht nur für die Radverkehrsplanung selbst, sondern auch für die Kommunikation.
Mobilität in Deutschland 2017
Die laut AGFK Baden-Württemberg wohl wichtigste und umfassendste Quelle für Daten zur Verteilung des Verkehrsaufkommens auf die verschiedenen Verkehrsmittel (Modal Split) ist die Erhebung „Mobilität in Deutschland“ (MiD).
Die bundesweite Befragung von Haushalten zu ihrem alltäglichen Verkehrsverhalten wird im Auftrag des BMVI durchgeführt und wurde zuletzt im Jahr 2018 und davor 2008 und 2002 vorgelegt. Die Querschnittsstudie bildet als Momentaufnahme das Mobilitätsverhalten der Bevölkerung in einem Kalenderjahr ab und folgt in ihren Grundzügen der seit den 1970er Jahren in Westdeutschland erhobenen „Kontinuierlichen Erhebungen zum Verkehrsverhalten” (KONTIV). Seit 2009 gibt es mit „Mobilität in Regionen“ (MiR) auch einen regionalen Ableger, wobei Auswertungen auf Landesebene aufgrund der Stichprobenumfangs nur begrenzt möglich und aussagekräftig sind. Für Kommunen ist laut AGFK Baden-Württemberg das „System Repräsentativer Verkehrserhebungen“ (SrV) die beste Erhebung. 2013 nahmen bundesweit über 100 Städte am SrV teil.
Pedelecs/E-Bikes fahren längere Strecken. Rund sechs Millionen sind laut Statista in Deutschland unterwegs. Jährlich kommt runde eine Million dazu.
Verkehrsaufkommen regional sehr unterschiedlich
Das Verkehrsaufkommen und die Verkehrsleistung sind insgesamt stabil geblieben – so heißt es im Kurzreport zu MiD 2018. Allerdings seien beide Werte insbesondere in den Großstädten nicht zuletzt wegen des Bevölkerungswachstums teilweise erheblich gestiegen. Eine grundlegende Änderung im Mobilitätsverhalten lässt sich laut MiD nicht feststellen. Es gäbe weiterhin einen „leichten Zuwachs bei den Pkw-Anteilen“ der Wegstrecken und nur „einen geringen Zuwachs“ bei den übrigen Verkehrsmitteln. Wobei die Entwicklungen bezogen auf Fahrräder und Pedelecs in der Stadt und auf dem Land gegenläufig sind. Bemerkenswert ist allerdings die Länge der Tagesdistanzen per Rad und Pedelec, die deutlich zugenommen hat (siehe Grafik oben). Sichtbar abgefallen ist der Anteilswert der nur zu Fuß zurückgelegten Wege sowohl in der Stadt, wie auf dem Land.
Von Verkehrswende kann keine Rede sein
Die Verkehrswende ist laut MiD Kurzreport „nur im städtischen Raum erkennbar, erreicht aber selbst dort noch nicht die erhoffte Gesamtdynamik“. Problematisch insbesondere für die Städte ist der immer höhere Pkw-Bestand und die wachsende Größe der Autos mit einem sprunghaft gestiegenen SUV-Anteil. Auch eine signifikante Führerscheinmüdigkeit lässt sich kaum belegen. Zwar sinkt der Anteil bei den unter 30-jährigen; laut MiD verfügen aber insgesamt 87 Prozent der ab 17-jährigen über einen Führerschein und damit ein Prozent mehr als 2008. Auch die Nutzung von Carsharing-Angeboten befindet sich bislang nur auf niedrigem Niveau.
170.000 Bürgerinnen und Bürger haben sich 2018 an der zweijährlichen nicht repräsentativen Umfrage des ADFC beteiligt (plus 40 Prozent zum Jahr 2016) und 683 Städte und Gemeinden bewertet. Die Ergebnisse sind für den ADFC alarmierend. Denn die Noten sanken wie in den vorangegangenen Jahren weiter. Bei der Fahrradfreundlichkeit auf eine 3,93 (im Jahr 2016 3,81) und beim Sicherheitsgefühl hat sich das subjektive Empfinden sogar auf die Note 4,16 verschlechtert. „Die Erwartungen der Radfahrenden und die empfundene Realität auf den Straßen entfernen sich immer weiter voneinander. Das sorgt für Frust bei vielen Radfahrenden“, kommentiert Rebecca Peters vom ADFC-Bundesvorstand. Immer mehr verlören den Spaß am Radfahren, seien unzufrieden mit der Förderung des Radverkehrs und fühlten sich als Verkehrsteilnehmende nicht ernst genommen.
Anwohnerparken ist in Deutschland laut dem Think Tank Agora Verkehrswende zu billig. Der Blick auf europäische Nachbarn zeigt, wie es anders laufen könnte.(erschienen in VELOPLAN, Nr. 01/2019, Dezember 2019)
Ineffizienz, die wir uns leisten
Statistiken zeigen, dass das Auto in Deutschland viel öfter, als beispielsweise in den Niederlanden für Kurzstrecken genutzt wird. Gerade hier gibt es ein hohes Verlagerungspotenzial auf das Fahrrad. Statistiken belegen zudem, dass Autos meist ungenutzt herumstehen. Im Durchschnitt werden sie nur rund 45 Minuten am Tag bewegt (Quelle: Mobilität in Deutschland MiD 2017).
Anwohnerparken ist für Kommunen ein Minusgeschäft
Die für ein Jahr ausgestellten Bewohnerparkausweise dürfen gemäß Bundesministerium für Verkehr nicht teurer als 30,70 Euro sein. Dieser Betrag liegt laut dem Think Tank Agora Verkehrswende, „offenkundig weit unterhalb des wirtschaftlichen Wertes des zugeführten Privilegs, in Wohnungsnähe einen (relativ sicheren) Dauerparkplatz in von hoher Parkraum- nachfrage geprägten Innenstadtgebieten zu besitzen.“ Die geringe Höhe werfe die Frage auf, ob die Städte mit den Einnahmen nicht sogar ein „planmäßiges Minusgeschäft“ machten. Kommunalen Verbände hielten deshalb verbreitet eine Erhöhung auf die Größenordnung von 200 Euro pro Jahr für angemessen. Zum Vergleich: In Amsterdam kostet das Bewohnerparken im Jahr 535 Euro, in Stockholm 827 Euro.
Metropolen reduzieren Parkangebote und setzen auf eine Citymaut
Kopenhagen: Mit dem Ziel, eine lebenswerte sowie wirtschaftlich und touristisch prosperierende Stadt zu schaffen, wird in Kopenhagen die Zahl der Kfz-Parkplätze seit Jahrzehnten mit Zustimmung der Bevölkerung reduziert. Jährlich um zwei bis drei Prozent.
Amsterdam: Hier wird ab diesem Jahr die Zahl der Anwohnerparkberechtigungen im Zentrum noch einmal deutlich reduziert. Bis zum Jahr 2025 sollen sukzessive bis zu 11.200 Anwohnerparkplätze (ca. zehn Prozent) entfernt und durch breitere Gehwege, Straßengrün und Radwege ersetzt werden.
In 14 europäischen Städten gibt es eine Citymaut zur Reduzierung und Steuerung des Autoverkehrs, vor allem durch Pendler. Darunter finden sich Metrolopen wie Oslo, Stockholm, London, Edinburgh, Bologna, Mailand, Rom, Prag oder Budapest.
Zum Vertiefen: Informationen und Argumente
„Öffentlicher Raum ist mehr wert“
Der Think Tank „Agora Verkehrswende“, eine Initiative der Stiftung Mercator und der European Climate Foundation hat unter dem Titel „Öffentlicher Raum ist mehr wert“ ein Rechtsgutachten zu den Handlungsspielräumen in Kommunen mit vielen Hintergründen, wissenswerten Informationen, Argumenten und Handlungsempfehlungen erstellt. (2. Auflage 2018)
„Umparken – den öffentlichen Raum gerechter verteilen.“
Übersichtliche und sehr gut grafisch umgesetzte Informationen liefert auch die im Auftrag der Agora Verkehrswende erstellte Broschüre „Umparken – den öffentlichen Raum gerechter verteilen Zahlen und Fakten zum Parkraummanagement.“ (2018)
https://www.veloplan.de/wp-content/uploads/2023/04/Parken_c_RK_zum-Austausch-scaled.jpg14842560Reiner Kolberghttps://www.veloplan.de/wp-content/uploads/2019/08/veloplan-340x156-300x138.pngReiner Kolberg2019-12-16 09:59:572023-10-24 12:15:24Zu viele Autos in den Städten