(erschienen in VELOPLAN, Nr. 03/2025, September 2025)

Streetscooter-Wurzeln

Lastenrad ZET will Gamechanger für Stadtverkehr sein

Das Team der ZETmobil GmbH aus Köln will mit dem vierrädrigen Lastenrad ZET die Lücke zwischen Fahrrad und Auto noch besser schließen. Die Produktion soll im nächsten Jahr beginnen.

Das vierrädrige Lastenrad ZET soll laut den Entwicklern Familien, Pendler und alle, die klimafreundlich und clever unterwegs sein wollen, überzeugen. Das Fahrzeug bietet einen komfortablen Einstieg, eine bequeme Sitzposition, viel Stauraum für Mitfahrende, Einkäufe oder Gepäck und soll vor der Witterung schützen sowie sicher sein.
Technisch setzt das Team aus Köln auf seriellen Hybrid, bei dem keine Kette nötig ist, sondern ein Generator die auf die Pedale gebrachte Energie in Strom umsetzt. Diese verschleiß- und wartungsarme Konstruktion habe zusätzlich den Vorteil, dass auch an Ampeln weiter Strom produziert werden kann. Die Reichweite der entnehmbaren Batterie liegt je nach gewählter Größe zwischen 60 und 130 km. Für den Antrieb sorgt ein (optional zwei) Elektromotor am Hinterrad. Die Räder sind einzeln aufgehängt, was für Komfort sorgen soll. Bei der Konstruktion wurde drauf geachtet, möglichst wenige bewegliche Bauteile einzusetzen und den Wartungsaufwand dadurch gering zu halten. Zur weiteren Ausstattung zählen Blinker, Tagfahr- und Bremslichter, Spiegel, Hupe und ein Display zur Anzeige von Akkustand und Geschwindigkeit sowie ein Rückwärtsgang für einfaches Rangieren und eine verstellbare Sitzposition. Bald soll noch eine App hinzukommen und weitere Informationen bieten.

Expertise aus Auto- und Fahrradindustrie

Das Gründungsteam der ZETMobil GmbH vereint über 80 Jahre Berufserfahrung in Entwicklung, Produktion und Vertrieb in der Automobil- und Fahrradindustrie. Seine Mitstreiter*innen Irina Grünwald (Qualität und Marketing) und Stefan Breil (Produktion, Anlaufplanung) hat Geschäftsführer und Entwickler Klaus Schorn beim Elektrotransporter-Hersteller Streetscooter kennengelernt.
Aus dem Automobilsektor wurden auch in der Entwicklung Konzepte übernommen, etwa der Zentralrohrrahmen, die Schwingarme und Federelemente. Das Chassis soll neue Maßstäbe setzen können mit Blick auf Haltbarkeit und Funktionalität sowie Kosten. Das Rad ist mit vielen verschiedenen, schnell wechselbaren Aufbauten und in unterschiedlichen Konfigurationen erhältlich und richtet sich an private wie gewerbliche Zielgruppen. Kindersitze oder Transportboxen lassen sich jederzeit nachrüsten. Die Preise starten bei 7790 Euro.
Bei den Verschleißteilen kommen ausschließlich Fahrradkomponenten zum Einsatz. So soll der Service in einem Netzwerk an Fahrradwerkstätten stattfinden können, welches das Team gerade aufbaut. Wenn die Produktion angelaufen ist und ein klares Bild über die Kosten besteht, wolle man zudem anfangen, Fachhändler für den Vertrieb zu suchen, heißt es auf Nachfrage von velobiz.de von Klaus Schorn. Die Produktion soll im nächsten Jahr anlaufen. Das Ziel lautet, 2026 430 Lastenräder, dann 920 (2027) und 960 (2028) Lastenräder pro Jahr zu produzieren. Anschließend sollen neue Produktionslinien die Kapazitäten erweitern.

(sg)


Preisverleihung in Frankfurt

„Deutschlands fahrradfreundlichste Schule“ ausgezeichnet

Auf der Eurobike wurden von der AKTIONfahrRAD und der Deutschen Verkehrswacht Schulen ausgezeichnet, die in Sachen Fahrradfreundlichkeit vorangehen. Zudem wurden noch zwei Sonderpreise vergeben.

Das Julius-Echter-Gymnasium aus Elsenfeld in Bayern wurde als fahrradfreundlichste Schule 2025 ausgezeichnet. Die weiterführende Schule stellte innerhalb von vier Jahren etliche nachhaltige Fahrradprojekte für die und mit den Schülerinnen auf die Beine. Ob Fahrrad als Wahlunterricht, der Aufbau eines Bikeparks oder die breite Kooperation mit Werkstätten und Sportvereinen, die Jury war überzeugt, dass hier das Fahrrad einen festen Platz im Schulalltag bekommen hat. Überreicht wurden die Auszeichnungen von der Mountainbike-Olympiasiegerin und zweifachen Weltmeisterin Sabine Spitz. Ein persönliches Video-Grußwort an die Gewinnerschule kam vom Schirmherrn Cem Özdemir. An die Friedrich-Spee-Gesamtschule in Paderborn wurde der Sonderpreis „Innovativ“ verliehen. Ausschlaggebend war die gesamte Planung und eigenverantwortliche Durchführung der Landesschulmeisterschaft NRW, mit der auch Qualifikationsplätze zur Deutschen Schulsportmeisterschaft vergeben wurden. Der Sonderpreis „Beginners“ ging an das Carl-Friedrich-von Siemens-Gymnasium in Berlin, das seit 2023 Teil der „Bike-fit“-Initiative ist. Zu Beginn des Schuljahres 2024/25 erhielten über 120 Schülerinnen der neuen 7. Klassen eine Radfahrausbildung. Radfahren ist zudem fester Bestandteil des Sportunterrichtes. Eine Parcours-Anlage und Fahrrad-AGs ergänzen das Freizeitangebot.
AKTIONfahrRAD-Geschäftsführer Ulrich Fillies: „Radfahren ist eine einfache Lösung für viele gesellschaftliche Probleme. Darum müssen wir das Radfahren in die Köpfe und die Menschen auf den Sattel bringen. Vor allem aber müssen wir damit früh anfangen und Kinder und Jugendliche begeistern. Unsere fahrradfreundlichsten Schulen machen genau das. Sie sind die Vorreiter für ein notwendiges Umdenken und zeigen mit einfachen Mitteln und engagierten Menschen, was alles gehen kann, wenn die Überzeugung und der Wille da sind.“


(pm)


Zukunft Fahrrad fordert:

Fahrräder nicht mit Scootern gleichstellen

Die Verordnung für Elektrokleinstfahrzeuge (eKF) soll so verändert werden, dass diese mit Fahrrädern gleichgestellt werden. Dem Verband Zukunft Fahrrad geht dieser Schritt zu weit.

Von Zukunft Fahrrad heißt es, dass es den grundlegenden Unterschieden der Fahrzeugarten nicht gerecht würde, wenn eKF, also vor allem E-Scooter, mit Fahrrädern gleichgestellt würden. Wasilis von Rauch, Geschäftsführer von Zukunft Fahrrad erklärt diesen Standpunkt: „E-Scooter und Fahrräder sind nicht das gleiche, und sie werden sehr verschieden genutzt. Das Fahrrad als zentrale Säule der aktiven Mobilität hat positive gesundheitliche, ökologische und ökonomische Effekte. E-Scooter hingegen sind Kraftfahrzeuge. Die Unterschiede müssen sich auch in der Straßenverkehrsordnung widerspiegeln. Ein Beispiel: Das Gehweg-Parken von Sharing-Scootern führt immer wieder zu Problemen. Beim Bikesharing kommt das in diesem Maß kaum vor. Bikesharing hat zudem einen sehr hohen Nutzen für die urbane Mobilität, es ist günstig und immer mehr Menschen nutzen es. Hier beide Sharing-Systeme gleichzusetzen und damit auch stationsloses Bikesharing zu verhindern, verschärft Konflikte an anderen Stellen. Ja, wir brauchen klare Regeln für Elektrokleinstfahrzeuge, Kommunen müssen nach ihren Bedürfnissen regeln können. Pauschale Einschränkungen für Bikesharing sind aber ein Fehler.“
Grundsätzlich begrüße der Wirtschaftsverband die Initiative des BMV, rechtliche Vereinfachungen und Maßnahmen anzustoßen, um die Verkehrssicherheit zu verbessern, heißt es weiter.

(sg)


Tourismus x Panasonic

Mobility Hub in Gmund am Tegernsee offiziell eröffnet

Hochwertige E-Bikes kontaktlos buchen und ausleihen unabhängig von Geschäftszeiten: Das ist ab sofort in Gmund am Tegernsee möglich. Mit im Sattel: E-Antriebsspezialist Panasonic und weitere Akteure aus der Branche.

Anfang August wurde der Mobility Hub am Bahnhof von Gmund am Tegernsee offiziell eröffnet. Der Mobility Hub bietet insgesamt zwölf hochwertige E-Bikes, die für alle Ansprüche und Größen geeignet sind. Die Bikes können bequem rund um die Uhr online unter mobility-hub.bayern reserviert werden, was eine einfache und kontaktlose Buchung ermöglicht. Die Fahrräder werden von Panasonic Cycle Technology Europe mit dem aktuellen GX-Power-Plus-System ausgestattet, das ein Drehmoment von 95 Nm liefert. Ab dem Jahr 2026 sollen auch E-Bikes mit der GXM Drive Unit von Panasonic verfügbar sein, um das Angebot weiter zu verbessern. Beim offiziellen Akt dabei waren neben dem Mobility-Hub-Team mit Ralf Jirgens und Andres Stetefeld auch Ralph Büttner und CEO Johannes Spatz von Panasonic Industry Europe.
Mit im Sattel sind übrigens auch Helmanbieter KED, dessen Helme kostenlos mit ausgeliehen werden können, und Schlossanbieter Abus.


(jw)


Kuratorium für Verkehrssicherheit

Österreich diskutiert über eine Helmpflicht bei E-Bike und E-Scooter

In Österreich ist eine öffentliche Diskussion über die Einführung einer Helmpflicht bei E-Bikes und E-Scootern entbrannt. Ausgelöst wurde sie durch eine entsprechende Forderung des Kuratoriums für Verkehrssicherheit im Rahmen der Veröffentlichung der Unfallstatistik für das Jahr 2024.

Der E-Bike-Verkauf boomt auch in Österreich in den vergangenen Jahren. Im Jahr 2024 hatten 57 Prozent aller verkauften Fahrräder einen E-Antrieb. Die E-Bike-Dichte steigt und mit ihr auch die Zahl der Personen, die nach E-Bike-Unfällen in Österreich im Krankenhaus behandelt werden müssen. 9800 waren dies laut jetzt veröffentlichten Daten des Kuratoriums für Verkehrssicherheit (KFV) im Jahr 2024 und damit zehn Prozent mehr als im Jahr zuvor.
Das KFV hat zudem tödliche E-Bike-Unfälle im Straßenverkehr ausgewertet. Das waren laut KFV im Jahr 2024 insgesamt 20. 59 Prozent der Getöteten haben keinen Fahrradhelm getragen, so die Feststellung. Noch alarmierender sei die Situation bei E-Scootern, wo sogar 90 Prozent der Getöteten keinen Helm getragen haben. Dipl.-Ing. Klaus Robatsch, Leiter der Verkehrssicherheit im KFV, appelliert daher an den Gesetzgeber die vom KFV seit längerem geforderte Helmpflicht für E-Bikes und E-Scooter endlich umzusetzen. „Selbst die von uns befragten E-Bike-Fahrenden befürworten zu 65 Prozent die Einführung einer Helmpflicht. Und wie wir aus einer anderen KFV-Erhebung wissen, tragen 67 Prozent bereits einen Helm.
Bei den verbleibenden 33 Prozent könnten wir die Überlebenschancen im Fall eines Unfalls durch die Einführung einer Helmpflicht spürbar verbessern. Denn ohne Helm trägt man ein siebenmal so hohes Risiko für Schädel-/Hirnverletzungen als mit Helm“.
Eine kontroverse Diskussion für und wider eine Helmpflicht ist entbrannt, nachdem auch der Verkehrsminister Peter Hanke (SPÖ) den Ball aufgenommen und entsprechende Pläne angekündigt hat. Besonders Sharing-Anbieter wie Dott, Lime oder Voi sprechen sich gegen eine solche Helmpflicht aus und fordern vielmehr, die Radverkehrsinfrastruk-tur deutlich zu verbessern.
Zuletzt hatte auch eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in Österreich Diskussionen ausgelöst. Laut dem Urteil lässt sich Menschen, die auf dem E-Bike keinen Helm tragen, eine Mitschuld an eigenen Verletzungen ankreiden, auch wenn sie schuldlos in den Unfall verwickelt wurden. Dadurch kann Schmerzensgeld vermindert werden.

(jw)


Studie veröffentlicht

Women in Cycling macht strukturelle Barrieren sichtbar

Wie ist die Situation von Frauen in der Fahrradwirtschaft? Dieser Frage ging eine Studie nach, die Women in Cycling gemeinsam mit Partnern durchgeführt hat. Im Juli wurden die Ergebnisse veröffentlicht.

In vielen Bereichen der Fahrradwirtschaft sind Frauen präsent. Technik, Führung und faire Bezahlung bleiben jedoch oft unerreichbar für sie. So fasst die Organisation Women in Cycling die Ergebnisse der Studie „Arbeitsbedingungen in der Fahrradbranche“ zusammen. An dieser nahmen 680 Personen, davon 44 Prozent Frauen, teil. Ziel der Studie ist es, strukturelle Barrieren sichtbar zu machen und Unternehmen und der Politik Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Neben Women in Cycling waren der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) sowie die Universität Kassel und die Hochschule RheinMain an der Umfrage beteiligt.

Handel, Vertrieb und Produktion männlich dominiert

Nur 30 Prozent der Top-Management-Positionen in der Fahrradwirtschaft sind laut der Studie weiblich besetzt. Im Handel und in der Produktion sind es sogar nur 22 bis 23 Prozent. Zudem konnten die Stu-dienmacher*innen eine gläserne Decke beim Einkommen identifizieren. In höheren Gehaltsklassen sind Frauen deutlich unterrepräsentiert und empfinden Benachteiligung, wenn es um Gehalt und Aufstieg geht. Zu den Erwartungen der Frauen zählen höhere und gleichberechtigte Bezahlung, flexible Arbeitszeitmodelle und sichtbare Vorbilder. Insbesondere in Handel, Vertrieb und Produktion seien Aufgaben unfair verteilt und strukturelle Hürden besonders groß.
Auch positive Zeichen bieten die Studienergebnisse. 65 Prozent der Frauen wollen sich weiterqualifizieren, 35 Prozent streben aktiv Führungspositionen an. Die Kehrseite: Nur 14 Prozent möchten in ihrer derzeitigen beruflichen Situation verbleiben. Jede zehnte Frau denkt laut der Studie über einen Branchenwechsel nach, was es als Warnsignal und Auftrag zu verstehen gilt.

Von links nach rechts: Prof. Dr. Angela Francke, Andrea Kurz, Dr. Sandra Wolf, Anke Schäffner und Isabell Eberlein

Frauen wissen, was sie brauchen

Frauen wissen, was sie brauchen, lautete bereits das Resümee eines entsprechenden Panels auf der Eurobike. Die Studienmacher*innen fassen zusammen: „Wer Vielfalt und Gleichstellung jetzt nicht aktiv angeht, riskiert Fachkräfte, Innovationskraft – und Glaubwürdigkeit.“ Um Entwicklungen nachvollziehen zu können, soll die Studie künftig regelmäßig wiederholt werden.
Anke Schäffner vom ZIV sagt: „Für uns als Verband ist klar: Diversität und Frauenförderung müssen in die Breite getragen werden. Dafür braucht es stärkere Vernetzung in der Branche und mit externen Partnern. Wir als ZIV tragen die Botschaft nach außen, sehen uns aber auch in der Verantwortung, Allianzen zu schmieden. Eine solide Datengrundlage ist essenziell, damit wir mit klaren Zahlen arbeiten und echte Veränderungen anstoßen können. Diversität ist kein Frauenthema, sondern betrifft alle Menschen. Unser Appell: gemeinsam handeln für eine vielfältige und zukunftsfähige Branche.”
Von Women in Cycling lautet der Appell für eine diskriminierungsfreie Branche, dass sich die Fahrradwirtschaft professionalisieren muss. Bei der Organisation gehe die Arbeit jetzt erst richtig los, sagt Isabell Eberlein von Velokonzept: „Wir haben die Datengrundlage, wir wissen, dass es einen enormen Gender-Daten-Gap gibt. Das heißt, wir müssen jetzt in Formate investieren, in Networking, in Mentoring, in Weiterbildung und uns Frauen fit machen. Aber nicht nur das, sondern auch die strukturelle Ebene. Und es gibt Unternehmen wie JobRad, es gibt Unternehmen wie Riese & Müller – die zeigen uns, wie es gehen kann. Das müssen wir jetzt in die Breite tragen. Also legen wir los!”

(sg)


Urban Mobility Barometer

Generation Z fährt viel Rad

Der Sport- und Outdoor-Händler Decathlon hat junge Erwachsene in sechs europäischen Ländern nach ihrem Mobilitätsverhalten befragt. In Deutschland fahren junge Menschen demnach im Vergleich am meisten Rad. Sie wünschen sich dennoch konkrete Verbesserungen.

87 Prozent der befragten jungen Erwachsenen fühlen sich beim Radfahren grundsätzlich sicher. Jedoch bezeichnen nur 50 Prozent ihre Stadt als fahrradfreundlich.

Über 4000 Menschen im Alter von 18 bis 28 Jahren hat Decathlon in Frankreich, dem Vereinigten Königreich, Deutschland, Italien, Polen und Spanien befragt. Das Stimmungsbild zeigt, dass die Generation Z zunehmend Fahrräder in ihren Alltag inte-griert. 75 Prozent fahren regelmäßig Fahrrad, 58 Prozent mindestens einmal in der Woche. In Deutschland als Spitzenreiter sind es gar 66 Prozent, die das Fahrrad mindestens einmal pro Woche nutzen. 22 Prozent nutzen hierzulande täglich ihr Rad, auch das ist Spitzenwert. In der gesamten Umfrage liegt der Wert bei 16 Prozent.
Am häufigsten nutzen berufstätige junge Erwachsene in den untersuchten Ländern das Rad (66 Prozent). Studierende fahren weniger (39 Prozent). Die häufigsten Beweggründe sind, fit und gesund bleiben zu wollen (79 Prozent), Freiheit und den Fahrspaß zu genießen (68 Prozent), Zeit zu sparen und Staus zu vermeiden (68 Prozent) sowie Geld zu sparen im Vergleich zu anderen Verkehrsmitteln (67 Prozent).
Wer das Fahrrad als Verkehrsmittel der Umweltbewussten sieht, liegt ein Stück weit falsch, wie das Barometer zeigt. Während 80 Prozent der Deutschen Gesundheit als Motivator zum Radfahren angeben, ist der am seltensten genannte Faktor, den eigenen ökologischen Fußabdruck zu reduzieren. Vor allem in der Freizeit (60 Prozent) und für den Sport (45 Prozent) nutzen junge Erwachsene das Fahrrad und weniger für den Weg zur Arbeit, zur Uni oder für Erledigungen. In Deutschland liegen Freizeitaktivitäten bei 55 Prozent, Sport und Training bei 52 Prozent.

Hürden trotz Sicherheitsgefühl

87 Prozent fühlen sich beim Radfahren im Schnitt der untersuchten Länder und in Deutschland grundsätzlich sicher. Nur 50 Prozent bezeichnen ihre Stadt jedoch als fahrradfreundlich. In Deutschland liegt dieser Wert bei 90 Prozent. In Europa geben jedoch auch 61 Prozent an, sich nicht vollständig sicher zu fühlen, wenn sie ihr Rad nutzen. Der Anteil dieser Gruppe aus Deutschland nennt riskantes Verhalten von Autofahrerinnen und anderen Verkehrsakteurinnen als Hauptgrund (61 Prozent). Das starke Verkehrsaufkommen führen mit 52 Prozent die zweitmeisten Befragten hierzulande als Argument an.
Einigkeit besteht länderübergreifend darin, was es braucht, um die Situation für Radfahrende zu verbessern. Am häufigsten genannt wurden mehr geschützte und getrennte Radwege (54 Prozent), sichere Abstellmöglichkeiten für Fahrräder (43 Prozent) sowie bessere Beschilderung und Karten für Radwege (36 Prozent).
Das Unternehmen Decathlon resümiert: „Das Barometer sendet eine klare Botschaft: Die Generation Z ist bereit, aufs Rad zu steigen, und erwartet von Städten und Gemeinschaften, dass sie Radfahren im Alltag einfacher, sicherer und sichtbarer machen.“


(sg)


Bundeshaushalt 2026

ADFC begrüßt geplante Erhöhung der Radwegemittel

Der Ende Juli im Kabinett verabschiedete Entwurf zum Bundeshaushalt 2026 sieht eine deutliche Erhöhung der Mittel für den Radverkehr vor. Der Fahrradclub ADFC begrüßt den Schritt, fordert an einer Stelle jedoch Nachbesserungen.

Im Vergleich zum Jahr 2025 will der Bund die Mittel für den Radverkehr erhöhen – und zwar von 442 Millionen Euro auf rund 620 Millionen. Dazu erklärt ADFC-Bundesgeschäftsführerin Dr. Caroline Lodemann: „Wir sehen darin durchaus ein Signal, dass die Regierung das Fahrrad als zukunftsgerichtetes Verkehrsmittel ernst nimmt. Jetzt kommt es darauf an, die Mittel für den bundesweiten Radwegeausbau langfristig zu sichern und am Bedarf auszurichten. Hierfür ist auch die geplante Anschaffung von Spezialfahrzeugen, die den Zustand von Radwegen schnell und systematisch erfassen können, ein wichtiger Schritt.“
An einer Stelle äußert die ADFC-Frontfrau deutliche Forderungen: „Nachbesserungsbedarf sehen wir bei der Finanzierung von Fahrradparkhäusern an Bahnhöfen. Hier hat es die Bundesregierung versäumt, das 2024 kurzfristig gestoppte Förderprogramm wieder aufzunehmen. Es fehlen nach wie vor über eine Million Fahrradabstellplätze an Bahnhöfen. Dafür braucht es ein langfristig ausfinanziertes Programm.“
Die Bereitstellung von finanziellen Mitteln ist die eine Sache. Wichtig sei jetzt aber auch, dass sie abgerufen und eingesetzt werden. Dazu sagt Caroline Lodemann: „Damit der Radverkehr vor Ort von den Bundesmitteln profitiert, sind die Länder und Kommunen gefragt. Wichtig ist genügend qualifiziertes Personal für die Planung und den Ausbau von Radwegen. Der ADFC-Fahrradklima-Test hat kürzlich erneut gezeigt, dass die Menschen in Deutschland mit der Qualität und Sicherheit der Radwege nicht zufrieden sind.“

(jw)


Abschließbare Box

Chike erweitert Einsatzzwecke für das E-Cargo Pro

Der Anbieter für kompakte E-Lastenfahrräder Chike präsentiert das E-Cargo Pro jetzt mit einer abschließbaren Box auf dem bewährten, kompakten Chassis mit seinem Neigefahrwerk. Damit wird das Modell für Lieferdienste und Gewerbetreibende attraktiv.

Die Box hat ein Volumen von 320 Litern und fasst sechs Euroboxen im Grundformat 30 x 40 cm. Dieses Format haben ebenfalls Getränkekisten oder spezielle Werkzeugboxen.
Auf die hintere, etwas tiefere Ebene passen vier Boxen mit einer Höhe von 25 cm, im vorderen Bereich kommen zwei Boxen mit einer Höhe von bis zu 35 cm unter. Alternativ können im vorderen Bereich Dinge über Gurte und Airline-Schienen fixiert werden, ganz ähnlich wie auf der Plattform des E-Cargo.
Der Deckel ist so konzipiert, dass er eine große Öffnung bietet und per Gasdruckfeder leichtgängig geöffnet und geschlossen wird. Abgeschlossen wird die Box über ein hochwertiges Zylinderschloss. Ähnlich angenehm wie beim E-Cargo ist die Ladehöhe beim E-Cargo Pro zum Be- und Entladen, wobei die niedrige Ladekante ein Vorteil ist.

Fertigung in Norddeutschland

Hergestellt wird die Box in einem Rotationsverfahren aus Polyethylen, einem recyclebaren Kunststoff. Das Fertigungsverfahren ermöglicht gleichmäßig dünne Wandstärken und die individuelle Form der Box. Individuelle Farben sind übrigens schon in kleinen Serien möglich. Mit der Produktion in Norddeutschland erfüllt die E-Cargo-Pro-Box einen weiteren Punkt im Lastenheft: Wie alle weiteren Boxen ist diese ebenfalls komplett in Deutschland gefertigt.
In dem Aufbau mit dem schließenden Deckel ist die Box regen- und spritzwasserdicht, und obendrein wirkt sie schalldämpfend. Ihre Seitenflächen bieten sich geradezu als Werbefläche an.
Zur endgültigen Montage hat es die E-Cargo-Pro-Box nicht weit, denn das neue Modell wird jetzt schon in der Hartje-Manufaktur in Hoya gefertigt – und ist somit bereits bestellbar.
Es wird wie alle anderen Chike Modelle in zwei Varianten angeboten: Mit Shimano-EP6-Cargo-Motor, Riemenantrieb und 630-Wh-Akku sowie der elektronisch schaltenden Shimano Nexus 5E Di2 oder in der SE-Version mit dem Shimano-E6100-Cargo-Antrieb, 418-Wh-Akku, Kette und Shimano-Nexus-5-Gang-Nabenschaltung.

(jw)


Konferenz auf der Eurobike

Radlogistik zeigt sich robust

Trotz einiger Hürden stehen die Zeichen bei der deutschen Radlogistikbranche auf Wachstum. Das beweisen neue Marktdaten, die gemeinsam mit Diskussionen über wichtige Handlungsspielräume die Radlogistikkonferenz auf der Messe Eurobike Ende Juni prägten.

Ein wichtiger Gegenstand der Konferenz war der Branchenreport 2025, welchen der Radlogistik-Verband Deutschland in Zusammenarbeit mit der Technischen Hochschule Wildau bereits Anfang dieser Woche veröffentlichte. Dr. Tom Assmann, der als Vorsitzender des Verbands das Event moderierte, sprach von herausfordernden Jahren, aus denen die Branche kommt. Weiteres Wachstum gibt es trotzdem, wie die Marktzahlen belegen. 2024 waren ungefähr 6000 Personen im Ökosystem Radlogistik beschäftigt. Das entspricht einem Zuwachs von 12 Prozent gegenüber dem Vorjahr. 40 Prozent der Unternehmen erwarten für 2025 eine wachsende Zahl an Beschäftigten. Das Ökosystem umfasst mittlerweile 254 identifizierte Institutionen, von operativen Radlogistikern über Hersteller bis hin zu spezialisierten Dienstleistern.
Der Gesamtumsatz der 43 befragten Unternehmen stieg 2024 ebenfalls an. Mit 190 Millionen Euro lag er 4 Prozent über Vorjahres-Niveau.
Sehr erfreulich ist aus Verbandssicht, dass die Unfallzahlen im Zusammenhang mit Radlogistik gering sind. „Radlogistik schafft nicht nur sichere Jobs auf dem Sattel, sondern macht auch die Jobs von anderen auf der Straße sicherer“, betont Assmann. Das insgesamt niedrige Unfallgeschehen zeige, dass Radlogistik eine stadt- und sozialverträgliche Alternative im urbanen Wirtschaftsverkehr darstellt. Hinzu kommt, dass auch Menschen ohne Führerschein einen Job in der Logistik ausüben können und so in den Arbeitsmarkt integriert werden.

Radverkehr fördern heißt Radlogistik fördern

Mitautor der Studie, Prof. Christian Rudolph, adressiert die Forderungen der Branche, um sich künftig positiv entwickeln zu können: „Der Appell an die Politik bleibt: Bessere Rahmenbedingungen für die Radlogistik-Branche müssen geschaffen werden.“ Konkret wollen die befragten Unternehmen, dass bei öffentlichen Ausschreibungen ein „Sustainable-first“-Prinzip angewandt wird. Weiter fordern sie, klimaschädliche Subventionen wie das Dieselprivileg zu stoppen und bundesweit einheitliche Regelungen für Mikro-Hubs zu treffen. Als Hauptforderung steht weiterhin im Fokus, die Fahrradinfrastruktur konsequent auszubauen und die Mittel für mindestens zwei Meter breite, durchgehende Radwege im Sondervermögen vorzusehen. Ein weiterer Schmerzpunkt: Gewerbliche Lastenräder mit Leasing-Verträgen sind weiterhin nicht förderfähig.
Kernthema des RLVD bleibt weiterhin die Frage, wie E-Cargobikes reguliert werden. Vor Kurzem positionierte sich der Verband bereits zu dieser Frage, velobiz.de berichtete und lud zum Austausch im Ausklang des Konferenzformats ein. Für mehr Klarheit möchte der Verband nun mit einem Begriff für schwere Lastenräder sorgen. Diese sollen künftig Commercial Cargo Bikes heißen, wie ein offener und partizipativer Prozess innerhalb der Arbeitsgruppe Technik & Standardisierung ergab. „Mit dem Begriff Commercial Cargo Bike schaffen wir eine gemeinsame, verständliche Sprache für Fahrzeuge, die täglich wirtschaftlich im Einsatz sind – ob in der Paketzustellung, im Handwerk oder bei kommunalen Diensten. Der Begriff betont den professionellen Nutzen und hebt sich bewusst von Freizeit- oder Privatnutzung ab“, erklärt Sebastian Bächer, Fachvorstand Technick & Standardisierung beim RLVD. Gemeint sind Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 250 bis maximal 600 Kilogramm, wie sie die europäische Norm DIN EN 17860:4 definiert.

„Kommunen sind Marktgestalter für Radlogistik.“

Dr. Tom Assmann, Radlogistik Verband Deutschland

Lastenräder schlagen Vans in Brüssel

Eine Studie, die Larry vs. Harry gemeinsam mit dem belgischen Radlogistiker Urbike und Kale AI durchgeführt hat, zeigte, wie viel effizienter Radlogistik gegenüber der herkömmlichen Van-Logistik ist. Dafür wurden Daten in der Praxis gesammelt, die dann mit simulierten Daten für Van-Lieferungen verglichen wurden. Das Ergebnis zeigt, dass Cargobikes nicht nur viele Ressourcen einsparen können, sondern in Brüssels Stadtverkehr mit 16 km/h schneller als Vans waren (11,3 km/h). Im sechswöchigen Untersuchungszeitraum lieferten sie 10,1 Pakete pro Stunde aus, was mehr als doppelt so viel wie die simulierten Lieferwagen ist (4,9). Die Referenten von Urbike und Larry vs. Harry betonten, dass es viele Studien zum Potenzial der Radlogistik gebe, aber zu wenig Evidenz aus echten Anwendungsfällen.
Ein Schlüsselfaktor für erfolgreiche Radlogistik sind Arbeitskräfte. Input gab es dazu von einem Radlogistikunternehmen aus Paris, den Cargonautes. Die Vertreter des Unternehmens sprachen von guten Bewerberzahlen bei ihren offenen Stellen vor allem in den Sommermonaten und davon, dass der Job als Kurier Radfahrende und mittlerweile zumindest etwas häufiger auch Frauen anspreche. Gehälter 25 Prozent über Mindestlohn und Mitarbeiterleistungen seien wichtig für das Unternehmen, um Mitarbeiterinnen zu halten. Hilfreich seien weiter auch hybride Rollen, bei denen Kuriere beispielsweise auch im Vertrieb eingesetzt werden. Insgesamt sei Radlogistik als Arbeitsbereich positiv besetzt. Gerade in der Fahrradstadt Paris gibt es zudem auch Vorteile für Radlogistik, die die höheren Gehälter möglich machen. Die Stadt ist mit 19.000 Einwohnern pro km² (Berlin: 4100 Personen pro km²) äußerst dicht besiedelt und hat insbesondere in den zentralen Stadtteilen viele wohlhabende Einwohnerinnen.
Stephan Fuchs vom Verbund Service und Fahrrad bemängelte, dass junge Menschen zu wenig Bescheid wissen über Arbeitsmöglichkeiten in der Fahrradbranche. Die 2019 ins Leben gerufene Website fahrrad-berufe.de solle das ändern, scheitere dabei aber zum Teil an der Finanzierung. Als Positivbeispiel stellte Fuchs mit zwei Vertreterinnen von Riese & Müller ein gemeinsames Projekt vor, durch das Angestellte des E-Bike-Herstellers ohne Berufsabschluss diesen in 14 Monaten berufsbegleitend erarbeiten können. Für ähnliche Kooperationen wolle man neue Partner finden, so Fuchs.

Kommunen als essenzieller Baustein

„Kommunen sind Marktgestalter für Radlogistik“, fasste Tom Assmann die Bedeutung kommunaler Rahmenbedingungen für die Branche zusammen. Internationale Beispiele auf der Konferenz zeigten, wie der Support seitens der Kommunen sich strukturieren lässt. Das kann finanzielle Förderung sein, wie ColisActiv sie in Frankreich bietet. Im Schnitt werden Radlogistikunternehmen dabei mit 50 Cent pro Lieferung in den ersten zwei bis vier Jahren unterstützt. Essenziell sind außerdem die Rahmenbedingungen für Radverkehr und Mikro-Depots. In vielen Kommunen fehlt es an Wissen über Potenzial und Praxis der Radlogistik. Das zeigt das Projekt iKnowRadlogistik, welches die Verantwortliche Luise Braun in Frankfurt vorstellt. In Städten, in denen es einen Wirtschaftsverkehrsbeauftragten gibt, sei die Lage etwas besser. Die Website Atlas der Radlogistik hilft Kommunen mit fortlaufenden Informationen, Radlogistik zu fördern.
Zum Abschluss des Fachprogramms, auf das noch eine Tour und ein Netzwerk-Event folgten, sprach Assmann sich dafür aus, auf europäischer Ebene zusammenzuarbeiten und eine zukunftsfähige Welt zu schaffen. Für ihn war die Konferenz sicher ein besonderes Event. Für ihn dürfte es der letzte Auftritt als Vorsitzender des Verbandes gewesen sein. Nach vier Jahren wolle er das Amt abgeben.

(sg)


Bilder: ZETmobil, AKTIONfahrRAD, WIC Germany, Decathlon

Das Auto dominiert die Mitarbeiter-Mobilität in Deutschland. Doch Unternehmen haben schon jetzt einen ganzen Köcher an Maßnahmen, um der Belegschaft das Fahrrad und andere Alternativen schmackhafter zu machen.

(erschienen in VELOPLAN, Nr. 03/2025, September 2025)


65 Prozent der Pendlerinnen fahren laut dem in diesem Jahr veröffentlichten Mikrozensus des Statistischen Bundesamts in der Regel mit dem Auto zur Arbeit. Dieser Wert ist gegenüber der Erhebung von 2020 immerhin um 3 Prozentpunkte gesunken. Das dürfte zu einem großen Teil am Deutschland-Ticket liegen, das dazu beigetragen hat, dass 2 Prozent mehr (nun 16 Prozent) den ÖPNV für ihren Weg zur Arbeit wählen. Das Fahrrad liegt als Verkehrsmittel laut den Datensätzen auf dem dritten Platz mit 10 Prozent Pendlerinnen-Anteil. Gegenüber 2020 ist dieser Wert jedoch unverändert geblieben. Wie lässt sich diese Stagnation überwinden? Für diese Frage lohnt es, die Hebel näher zu betrachten, die Unternehmen betätigen können, um das Fahrrad als Fahrzeug für Pendler*innen zu stärken.
Wer als Unternehmen das Fahrrad als Fahrzeug angemessen fördert, kann sich vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club e.V. (ADFC) als fahrradfreundlicher Arbeitgeber zertifizieren lassen. Projektleiterin Sara Tsudome weiß, dass es viele verschiedene Werkzeuge gibt, um das Radfahren in der Belegschaft zu fördern. „Ein sehr wichtiger Bereich sind die Abstellanlagen. Arbeitgeber, die sich damit schon beschäftigt haben, sind im Vorteil“, erklärt Tsudome das in ihren Augen größte Handlungsfeld für viele Unternehmen. Wer sein Fahrrad nicht richtig abstellen kann, bringt es aus Sorge um Beschädigungen oder Diebstahl oft gar nicht erst mit. „Felgenklemmer“, die nur die Vorderräder abstützen, reichen nicht aus, so Tsudome. Unterschätzt sei als Maßnahme, dass auch Spezial- oder Lastenräder Stellplätze brauchen, für die reguläre Fahrradbügel nicht die richtigen Ankerpunkte oder zu schmale Stellflächen bieten. An diese Fahrzeuge würden viele Unternehmen nicht denken.

Auch während der Arbeit können Fahrräder in der Mitarbeitermobilität zum Einsatz kommen.

55 Maßnahmen fürs Zertifikat

Abstellanlagen sind eine der Maßnahmen, die sich nicht von heute auf morgen umsetzen lassen und je nach Unternehmensgröße eine kostenintensive Investition darstellen können. Andere Werkzeuge sind hingegen schneller umsetzbar. 55 Maßnahmen hat der ADFC in einem Handbuch gesammelt, das auch als Grundlage dafür dient, die Betriebe zu zertifizieren: „Die Maßnahmen lassen sich in sechs verschiedene Felder einordnen. Wer sich zertifizieren lassen möchte, muss in allen Feldern Maßnahmen nachweisen können.“ Die Aktionsfelder (AF) zeigen, dass Betriebe vielfältige Möglichkeiten haben. Sie können die Radfahrerinnen im Betrieb vernetzen oder belohnen (AF Information, Kommunikation und Motivation), Räder, Lastenräder oder Fahrradanhänger für betriebliche Transporte anschaffen (AF Koordination und Organisation) oder Fahrrad-Check-Tage und Gesundheitsangebote anbieten (AF Service). Außerdem ließen sich Trockenräume und Duschen installieren (AF Infrastruktur), Dienst-Pkw reduzieren (HF Parkraum-Management und Komplementärmaßnahmen) und eine Fahrrad-Service-Box für Besucherinnen oder Kundinnen einrichten (AF Kundenverkehr). Die einzelnen Maßnahmen wirken am besten zusammen, weil sie ineinandergreifen und ihre Wirkung wechselseitig verstärken können. Wer das Zertifikat als fahrradfreundlicher Arbeitgeber erlangen will, muss in allen Handlungsfeldern Aktivitäten vorweisen können. Wenn es eine gute Infrastruktur gibt, aber keine Motivation in der Belegschaft, diese zu nutzen, ist wenig gewonnen, erklärt Tsudome. Andersherum kann sich eine geschaffene Motivation nicht entfalten, wenn es keine konkreten Angebote gibt. Wichtig sei zudem, eine Person im Betrieb zu benennen, die sich des Themas annimmt, und ein langfristiges Konzept zu erarbeiten. Hilfreich ist weiter, über die Maßnahmen zu informieren: „Gerade bei größeren Betrieben oder Organisationen kann es schnell passieren, dass Leute überhaupt nicht wissen, welche Angebote es gibt.“ Die Informationen gilt es wiederholt in der Belegschaft bekannt zu machen. In den meisten Betrieben gibt es schließlich regelmäßig neue Mitarbeiterinnen oder eine veränderte Lebenssituation bei bestehenden Team-Mitgliedern, etwa wenn deren Kinder anfangen, alleine zur Schule zu fahren.
Ob die Mitarbeiter*innen das Fahrrad nutzen können und damit komfortabel, schnell und sicher unterwegs sind, haben nicht nur die Unternehmen in der Hand, sondern auch die Kommunen und Kreise. Gerade in Industriegebieten auf der grünen Wiese ist es eine Frage des Glücks, ob diese das Radwegenetz bis dorthin mitplanen. Doch Tsudome sagt: „Wir bestärken die Arbeitgeber auch darin, dass sie mit ihren Kommunen und ihren Kreisen ins Gespräch gehen.“ So können sich Unternehmen allgemein für den Radverkehr an ihrem Standort starkmachen oder konkrete Lückenschlüsse, Querungshilfen und Co. an schwierigen Stellen einfordern.
„Das Interesse an den Zertifizierungen steigt weiter an“, resümiert Tsudome. Die Zertifikate ermöglichen es, als Arbeitgeber positiv aufzufallen. Das Interesse sei insbesondere da hoch, wo Branchen es schwer haben, Leute zu finden, sagt Tsudome.

Sechs Aktionsfelder sieht der ADFC, um als Unternehmen fahrradfreundlich zu werden. Wer entsprechend zertifiziert werden möchte, muss in allen Bereichen Maßnahmen umsetzen.

Leasing ist verbreiteter Benefit

Die Studie „Berufliche Mobilität neu gestalten“ des Future Mobility Lab, an der unter anderem die Universität St.Gallen und Jobrad beteiligt waren, hat bestätigt, dass Arbeitgeber großen Einfluss darauf haben, wie Arbeitnehmerinnen ihre Mobilität gestalten. Zudem attestiert sie, dass in diesem Bereich vieles in Bewegung ist. Die Ende März veröffentlichte Umfrage unter knapp 1000 Arbeitgebern und knapp 3000 Arbeitnehmerinnen ergab, dass 59 Prozent der Unternehmen ihre Mobilitätsangebote in den letzten Jahren geändert hatten oder zum Zeitpunkt der Studie änderten. Beliebte Maßnahmen bei diesem Anteil der Befragten waren, Flotten zu elektrifizieren (72 Prozent) und mehr Homeoffice-Tage zu gestatten (62 Prozent).
Spitzenreiter unter den umgesetzten Instrumenten (77 Prozent) war es, Dienstrad-Leasing einzuführen. Alex Han ist Leiter Dienstrad-Leasing und Head of Sales MicroMobility bei Kazenmaier Leasing GmbH. Das Unternehmen hat seine Ursprünge in der Autovermietung und bietet umfangreiche Leasing-Angebote an, von Fahrrädern und Rollern bis hin zu Bussen und Lkws. Er erklärt den Reiz dieser Finanzierungsform: „Sowohl im Auto- als auch im Fahrrad- oder Rollerbereich ist ein Leasing-Modell über Entgeltumwandlung für Mitarbeiter ein Vorteil, weil rein theoretisch jeder davon profitieren kann. Davon profitieren nicht nur ausgewählte Mitarbeiter, wie beim Dienstwagen, sondern die breite Masse.“
Wer nicht nur einen Minijob hat oder kurz vor dem Renteneintritt steht, kann bei einem abgeschlossenen Rahmenvertrag des Arbeitgebers üblicherweise mit einer Laufzeit von 36 Monaten Leasing-Verträge abschließen. „Leasing wird in Deutschland immer populärer“, so Han. Für Unternehmen könne der Benefit dazu beitragen, Mitarbeiterinnen zu motivieren und zu halten. Die Nachfrage sei hoch. Genauso freuen sich viele Arbeitgeber, den Service anbieten zu können, erklärt Han: „Den Arbeitgeber kostet das Leasing praktisch gar nichts, weil er die Sozialversicherungsbeiträge spart. Dadurch kann er zum Beispiel im Fahrrad-Leasing auch die Kosten für eventuelle Pakete übernehmen. Insgesamt spart das Unternehmen aber immer noch ein paar Euro.“ Dass Mitarbeiterinnen beim Leasing Geld sparen, führt mit Blick auf die Fahrräder und E-Bikes dazu, dass sie sich hochwertigere Fahrzeuge anschaffen können. Laut einer Studie von Zukunft Fahrrad und Deloitte lag der Durchschnittspreis im vergangenen Jahr bei 3720 Euro für ein geleastes E-Bike und 2600 Euro für ein geleastes Fahrrad. Diese Fahrzeuge dürften mehr Freude bereiten, länger halten und insgesamt stärker zum Radfahren motivieren. Für ein Dienstrad gilt: „Die Mitarbeitenden müssen es nicht zum Pendeln nutzen“, so Han. Für Betriebe bestünden jedoch Möglichkeiten, zu fördern, dass die angeschafften Räder auch auf dem Weg zur Arbeit zum Einsatz kommen. Apps wie Stadtradeln, ByCycling, Radbonus, DB Rad+ und Co. erlauben es, die gefahrenen Kilometer festzuhalten. Arbeitgeber könnten diese Services für einen Wettbewerb nutzen. „So was steht gerade erst am Anfang. Aber es wird immer mehr Thema werden“, meint Han.

Mobilitäts-Budget hat viel Potenzial

Die Studie des Future Mobility Lab brachte noch eine weitere Erkenntnis zur betrieblichen Mobilität hervor. Rund 40 Prozent der befragten Unternehmen wissen nur sehr wenig über die Mobilitätsbedürfnisse und das Mobilitätsverhalten ihrer Mitarbeitenden. Außerdem sind viele von ihnen unsicher hinsichtlich regulatorischer Bestimmungen. (Steuer-)Rechtliche Fragen hindern 43 Prozent daran, ihre Angebote weiterzuentwickeln, gefolgt von Budget-Fragen (44 Prozent) und dem Finden von passenden digitalen Lösungen zur Prozessabwicklung (26 Prozent). In diese Kerben will das Unternehmen Fast2Work GmbH schlagen. Geschäftsführer Ronald Bankowsky erläutert: „Die Fast2Work verfolgt die Aufgabe, mit belastbaren Zahlen das Mobilitätsverhalten infrage zu stellen. Erst, wenn du weißt, was du wirklich machst, kannst du es verändern.“
Zu diesem Zweck haben Bankowsky und sein Team eine Software entwickelt, mithilfe derer sie Benefits in einer App sichtbar machen können. Wer als Unternehmen die Dienstleistung wahrnimmt, erhält zunächst über eine Umfrage Einblicke, wie das aktuelle Mobilitätsverhalten der Mitarbeiterinnen ist. Auch die Mitarbeiterinnen selbst können sehen, welche Kosten und welcher CO2-Ausstoß mit den eigenen Fortbewegungsgewohnheiten verbunden ist.
Bankowsky, der vor Fast2Work schon die Mein Dienstrad GmbH gegründet hat, meint, dass Dienstrad-Leasing vor allem jene Leute interessiere, die ohnehin das Fahrrad nutzen. Mehr Potenzial, Mitarbeitende vom Auto wegzulocken, sieht er in dem Konzept eines Mobilitäts-Budgets: „Das ist das weitergedachte Dienstrad sozusagen. Damit lassen sich mehr Leute erreichen.“ Noch zu Zeiten der Ampelkoalition gab es einen politischen Vorstoß, der den rechtlichen Rahmen für Mobilitäts-Budgets vereinfachen sollte. Das Vorhaben scheiterte an der nötigen Mehrheit im Bundesrat. Bankowsky: „Es gab eine große Initiative im letzten Jahr dafür, dass das Mobilitäts-Budget im Gesetz verankert wird, sodass jedes Unternehmen seinen Mitarbeitern eine gewisse Summe pauschal besteuert zur Verfügung hätte stellen können.“ Bankowsky rechnet damit, dass der nächste Gesetzesentwurf noch in dieser Legislaturperiode kommen wird. Dann wollen er und sein Team mit der Verwaltung von Mobilitäts-Budgets durchstarten.

Fast2Work visualisiert Benefits in einer App. Außerdem bietet das Unternehmen eine Bezahlkarte für Sachbezüge.

Wer Verantwortliche benennt und das Fahrrad durch Wettbewerbe und andere Aktionen zum Teil der Unternehmenskultur macht, kann so fördern, dass die Belegschaft umsteigt.

600 Euro jährlich

Bis das Mobilitäts-Budget richtig Fahrt aufnimmt, nützt die Anwendung von Fast2Work vor allem dafür, bestehende Benefits für Mitarbei-terinnen sichtbar zu machen. Dazu zählen etwa Essensgutscheine oder das Deutschland-Ticket. Dazu kommt ein wichtiges, flexibel einsetzbares Instrument, wie der Geschäftsführer erklärt: „Im Augenblick gibt es den Sachbezug. Das sind 50 Euro im Monat, die nicht besteuert werden. Damit kannst du Mobilität bezahlen oder ins Fitness-Studio gehen.“ Den Sachbezug können Unternehmen mit einer speziell dafür ausgelegten Bezahlkarte umsetzen, die Fast2Work anbietet. 600 Euro im Jahr lassen sich dafür ohne Lohnnebenkosten zur Verfügung stellen. Das Budget lässt sich über Monate hinweg ansparen. Die Betriebe können festlegen, wofür und wo die Mitarbeitenden das Geld ausgeben. Denkbar sind zum Beispiel Lebensmittel aus Bioläden, Schutzkleidung und Zubehör fürs Radfahren oder eben Mobilitätsangebote. Für Mitarbeiter-Benefits, beispielsweise auch das Deutschlandticket, betont Bankowsky, dass es wichtig sei, diese strategisch einzusetzen. Nicht jedes Angebot sei für alle Mitarbeiterinnen relevant. Manche bräuchten Alternativen. Bankowsky plädiert dafür, das Verhalten der Mitarbeiterinnen differenziert über Bonus- und Malus-Systeme zu steuern. Man könne etwa Parkplätze für jene Teile der Belegschaft verteuern, die eine gute Möglichkeit haben, mit dem ÖPNV oder Rad anzureisen, und sie kostenlos anbieten für jene, die es nicht können. Eine weitere Möglichkeit sieht er darin, das Radfahren generell oder bei Regen und im Winter mit einer Prämie zu belohnen. Persönliches Verhalten zu ändern, sei oft ein träger Prozess, meint Bankowsky. „Man hat seine Komfortzone und einen festen Ablauf.“ Hilfreich können Positiverlebnisse außerhalb des beruflichen Kontexts sein, etwa die sonntägliche Radfahrt zum Bäcker oder die Tour im Urlaub. Finanzielle Steuerungselemente werden dann wirksamer, wenn man Einsparungen oder Bonus-Zahlungen konkreter erscheinen lässt. Viele Menschen wüssten etwa gar nicht genau, was ihr Auto sie eigentlich kostet, weil sie keine Vollkostenrechnung machen. Bankwosky: „Wenn man die Ersparnisse als Familienurlaub oder als 50 Restaurant-Besuche sieht, klingt das schon ganz anders.“ Allgemein gilt laut Bankowsky, wenn Menschen ihr persönliches Verhalten ändern sollen: Sie müssen sehen, dass es andere Wege gibt, diese ausprobieren und dafür gewürdigt werden. Unternehmen haben mehr als einen Schlüssel in der Hand, um ihre Mitarbeiterinnen dabei zu unterstützen. Aber auch die Rahmenbedingungen vor Ort und in der Politik müssen stimmen. Letzteres hat das Dienstrad-Leasing bereits erfolgreich bewiesen. Es bleibt abzuwarten, ob auch das Mobilitäts-Budget durch rechtliche Vereinfachungen bald dazu kommen wird, sein Potenzial für die Mobilitätswende endlich auszuschöpfen.


Bilder: Andreas Bittner, Grafik: Fahrradfreundliche Arbeitgeber, Brunsbüttel Ports GmbH, Fast2Work GmbH, HS Ansbach

An einigen Orten, darunter Großstädte und hügelige Gegenden, ist Deutschland fahrradfreundlicher geworden. Doch das Miteinander im Verkehr bereitet Sorgen. Das zeigen die Ergebnisse des elften Fahrradklimatests, die der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) im Juni in Berlin vorgestellt hat.

(erschienen in VELOPLAN, Nr. 03/2025, September 2025)


Frank Masurat, Bundesvorsitzender des ADFC, hat die Kernergebnisse des Fahrradklimatests Mitte Juni in einer Pressekonferenz mit dem Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder vorgestellt. Im Anschluss ehrte Schnieder, dessen Ministerium die elfte Auflage des Fahrradklimatests gefördert hat, die fahrradfreundlichsten Städte. Neu auf den ersten Plätzen ihrer Größenklassen sind die Städte Frankfurt und Tübingen. Münster, Erlangen, Baunatal und Wettringen konnten die ersten Plätze ihrer jeweiligen Größenordnung verteidigen. In der Gesamtbewertung liegt das Fahrradklima 2024 bei 3,92, im Vergleich zu 3,96 in der letzten Erhebung. Tübingen und Auerbach im Vogtland zeigen laut dem ADFC, dass auch hügelige Städte fahrradfreundlicher werden können.

Frank Masurat, Bundesvorsitzender des ADFC und Bundeverkehrsminister Patrick Schnieder haben den Fahrradklimatest gemeinsam in Berlin vorgestellt.

Aufholer und Ausbaupotenzial

Die Befragung, an der 213.000 Bürgerinnen und Bürger teilnahmen, zeigt, dass die Fahrradförderung in den Großstädten zunehmend positiv bewertet wird. 10 von 15 Großstädten konnten sich in der Wahrnehmung der Radfahrenden verbessern. Am meisten aufgeholt hat Nürnberg (+0,17). Als weitere Aufholer identifizierte der ADFC Bochum, Siegen, Witten, Rheinbach und Frankenberg an der Eder. Fortschritte lassen sich insgesamt bei Fahrradparkplätzen erkennen, die über alle Größenklassen hinweg um 0,14 besser bewertet wurden.
Ausbaupotenzial gibt es dennoch, etwa bei der Fahrradförderung in kleinen Kommunen und im ländlichen Raum. Insgesamt geben 70 Prozent der Befragten an, sich auf dem Rad im Straßenverkehr nicht sicher zu fühlen. Explizite Herausforderungen stellen zu schmale oder zugeparkte Radwege dar, die weiterhin am schlechtesten bewertet wurden (4,7). Schlechter als das Fahrradklima insgesamt bewerteten die Befragten mit 4,05 das Miteinander im Verkehr, welches Thema einiger Zusatzfragen war. Besonders negativ fällt der Überholabstand auf, den 77 Prozent der Befragten als zu eng sehen (Note 4,6). Doch auch mit Blick auf Konflikte gibt es positivere Beispiele. Die Stadt Aachen erhielt einen Sonderpreis, weil der Faktor Sicherheit im Verkehr in der Stadt mit 3,6 sogar besser als die allgemeine Fahrradfreundlichkeit (3,8) bewertet wurde. Frank Masurat erklärt: „Mehr als zwei Drittel der Radfahrenden fühlen sich im Straßenverkehr nicht sicher. Am meisten stresst es, wenn Radwege zu schmal oder zugeparkt sind. Oder wenn man auf Straßen ohne eigenen Radweg mit zu geringem Abstand überholt wird. Das muss sich ändern: An Hauptverkehrsachsen und Landstraßen braucht der Radverkehr eigene, separate Führung, eingebunden in ein zusammenhängendes Radwegenetz. Dann klappt auch das Miteinander im Verkehr und die Verkehrssicherheit steigt. Damit sichere Radwege in den Städten und auf dem Land durchgängig gebaut werden können, brauchen die Kommunen Mut zur Veränderung und eine verlässliche, langfristige Förderung von den Ländern und vom Bund.“

Viele deutsche Metropolen konnten im Fahrradklimatest von 2022 bis 2024 ihre Noten verbessern. Spitzenreiter ist nicht mehr Bremen, sondern Frankfurt am Main.

Zwischenevaluation NRVP 3.0 kommt

Bundesminister Patrick Schnieder sah bei der Pressekonferenz in Berlin zumindest stellenweise Grund zur Freude. Denn: „Der ADFC-Fahrradklimatest zeigt uns: Gute Maßnahmen vor Ort steigern die Zufriedenheit im Radverkehr.“ Die wertvollen Erkenntnisse aus dem Fahrradklimatest sollen in die Zwischenevaluation zur Umsetzung des NRVP 3.0 einfließen, den Schnieder für Ende des Jahres angekündigt hat. Schnieder: „Für mehr Zufriedenheit braucht es weiterhin die Anstrengungen aller Beteiligten – nicht nur in den Großstädten, sondern auch in kleineren Gemeinden und in ländlichen Regionen. Mit guter, möglichst getrennter Infrastruktur verbessert sich beispielsweise sowohl das Verkehrsgeschehen als auch das Miteinander – und das nicht nur auf dem Rad, sondern für alle Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer gleichermaßen.“
Der ADFC-Fahrradklimatest ist eine der weltweit größten Umfragen zur Zufriedenheit der Bevölkerung mit dem Radverkehr und wird alle zwei Jahre durchgeführt. Der Test umfasst 27 Fragen mit gegensätzlichen Aussagen, die auf einer sechsstufigen Skala („Bewertungsnote“) bewertet werden. Die Städte werden in sechs Größenklassen eingeteilt, um faire Vergleiche zu ermöglichen. Laut dem Verband sind die Ergebnisse nicht statistisch repräsentativ, aber haben dank der hohen Beteiligung dennoch eine hohe Aussagekraft.


Bild: ADFC – Deckbar, Grafik: ADFC

(erschienen in VELOPLAN, Nr. 03/2025, September 2025)


Carina Heinz

Referentin Deutsches Institut für Urbanistik

Aus kommunaler Sicht liegt im Einsatz von Fahrrädern und insbesondere Lastenrädern in der betrieblichen Mobilität ein erhebliches ungenutztes Potenzial. Viele innerstädtische Fahrten, die heute mit Pkw oder Kleintransportern durchgeführt werden, könnten effizienter, kostengünstiger und umweltfreundlicher mit dem Rad erledigt werden. Davon profitieren nicht nur Betriebe, sondern auch Städte insgesamt: weniger Verkehr, geringere Emissionen und eine bessere Nutzung des öffentlichen Raums.
Um dieses Potenzial zu heben, sind Kommunen in einer Schlüsselrolle: Sie sind Treiber! Einerseits können sie selbst mit gutem Beispiel vorangehen – etwa durch die Integration von Lastenrädern in kommunale Eigenbetriebe, Stadtwerke oder Verwaltungsfuhrparks. Andererseits können sie die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, damit auch Unternehmen auf das Rad setzen: durch die Ausweisung geeigneter Liefer- und Ladezonen, sichere Abstell- und Ladeinfrastruktur, gezielte Förderprogramme sowie die Unterstützung von betrieblichen Mobilitätsmanagement-Prozessen.
Zugleich können Kommunen als Moderatoren wirken, indem sie Netzwerke und Modellprojekte initiieren, in denen Betriebe, Logistikunternehmen und Verwaltung gemeinsam Lösungen entwickeln. So lassen sich gute Beispiele verstetigen und Wissen verbreiten.
Mit diesen Maßnahmen tragen Kommunen dazu bei, das Fahrrad in der betrieblichen Mobilität zu einem zentralen Baustein nachhaltiger Stadtentwicklung zu machen – mit Vorteilen für Unternehmen, Beschäftigte, die Stadtgesellschaft und das Klima.

Sarah-Helene Sowa

Head of Sustainability bei Riese & Müller

Das E-Bike hat für Unternehmen ein enormes Potenzial, das bislang oft noch nicht voll ausgeschöpft wird. Es eröffnet Mitarbeitenden die Möglichkeit, auch längere Pendelstrecken und Arbeitswege problemlos zurückzulegen und dabei aktiv, aber dennoch entspannt am Arbeitsplatz anzukommen. Gerade im städtischen Umfeld zeigt sich der Vorteil sehr deutlich: keine Staus, kein langes Suchen nach Parkplätzen und in vielen Fällen sogar deutlich schnellere Wege als mit dem Auto. Lastenräder erweitern dieses Spektrum zusätzlich, weil sie den nötigen Stauraum für Arbeitsmaterial oder private Erledigungen bieten.
Damit solche Lösungen im Alltag tatsächlich genutzt werden, braucht es zunächst die passende Infrastruktur – also Abstellanlagen, Lademöglichkeiten und Duschen – und attraktive Angebote wie Dienstrad-Leasing. Wichtig ist aber, auch den ersten Schritt zu erleichtern. Angebote wie Test-Bikes oder eine kleine Leihflotte schaffen die Chance, dass Mitarbeitende den Nutzen einmal selbst erfahren können. Und diese persönliche Erfahrung wirkt meist stärker als jede theoretische Argumentation.
Eine wesentliche Rolle spielt zudem das Management: Wenn Führungskräfte selbst aufs Rad steigen, senden sie ein klares Signal: Nachhaltige Mobilität ist nicht nur ein Konzept, sondern Teil einer gelebten Unternehmenskultur.

Axel Schäfer

Geschäftsführer Bundesverband Betriebliche Mobilität e. V.

Das Fahrrad hat im betrieblichen Mobilitätsmix noch deutlich ungehobenes Potenzial. Unsere Befragung – der BBM Mobility Survey – zeigt: Mehr als ein Viertel aller Beschäftigten hat einen Arbeitsweg von maximal fünf Kilometern – ideale Bedingungen also für Rad- oder E-Bike-Nutzung. Die Ergebnisse zeigen aber auch, dass heute noch mehr Menschen mit dem Pkw unterwegs sind als mit dem Fahrrad. Gleichzeitig planen 21 Prozent der Arbeitnehmenden, ihr Mobilitätsverhalten in den kommenden Jahren zu ändern, wobei das Fahrrad eine zentrale Rolle spielt. Die Bereitschaft, auf das Fahrrad umzusteigen, ist damit gegeben – doch es bedarf gezielter Maßnahmen, um dieses Potenzial voll auszuschöpfen.
Was können wir tun? Die Befragten nennen bessere und sichere Radwege sowie Abstellmöglichkeiten als wichtigste Hebel, um ihr Mobilitätsverhalten nachhaltig zu verändern. Unternehmen können dieses Potenzial erschließen, indem sie Radfahren aktiv erleichtern: Dienstrad-Leasing, sichere Stellplätze, Ladeinfrastruktur für E-Bikes sowie Duschen und Umkleiden am Arbeitsplatz sind zentrale Faktoren. Entscheidend ist aber auch, dass die Kommunen für durchgängige und sichere Radwege sorgen. Erst die Kombination aus Arbeitgeberangeboten und guter Infrastruktur schafft die Grundlage, damit das Fahrrad zur echten Alternative im Arbeitsalltag wird.

Eileen Niehaus

Geschäftsführerin Cargobike.jetzt

Wir sehen enormes Potenzial in der Nutzung des Fahrrads im gewerblichen Bereich. Das heißt, kleine und größere Gewerbe profitieren vom Einsatz des (Lasten-)Fahrrads oder Fahrradanhängers für Service- oder innerstädtische Lieferfahrten mit mittelschwerem und nicht allzu sperrigem Transportgut. Insbesondere als Ergänzung zum bestehenden Fuhrpark bietet das Fahrrad enorme Vorteile: zeitliche Einsparungen durch Stauumfahrungen und wegfallende Parkplatzsuche, Ersparnisse in Anschaffung und Unterhalt, Mitarbeitende ohne Führerschein sind einsetzbar und vieles mehr. Es gibt Wege im Betrieb, die sich gut oder sogar besser mit dem Rad umsetzen lassen. Handwerksbetriebe oder Elektriker*innen beispielsweise müssen nicht immer viel Material mitnehmen. Aber selbst größere Gegenstände und Leitern sind mit dem Rad beziehungsweise Anhänger transportierbar. Es gibt etliche Modelle oder spezielle Firmen auf dem Markt, die für unterschiedliche Gewerbe passende Aufbauten anbieten.
Das Potenzial lässt sich durch das Lückenschließen von fehlender Information erschließen. Dafür haben wir im Rahmen eines Förderprojekts die Website cargobikes4business.com erstellt. Sie liefert Gewerbetreibenden von A–Z alle Infos zum Thema Lastenrad und Anhänger für den Betrieb. Sie gibt Hinweise, welcher Rad- oder Anhängertyp für meinen Einsatzzweck am besten geeignet wäre. Außerdem sehen wir einen Hebel im Ausprobieren. Wenn Betriebe Fahrräder oder Anhänger testen, können sie am besten erkennen, wie sinnvoll der Einsatz ist und dass es sogar Spaß macht.

Berthold Schröder

Präsident der Handwerkskammer (HWK) Dortmund

Statistiken zeigen: In Deutschland legen Menschen zunehmend mehr Wege und längere Strecken mit dem Fahrrad zurück. Auch in Handwerksbetrieben nimmt die Radnutzung zu. Dennoch gibt es weiterhin bei der Mitarbeitermobilität sowie im Werkverkehr ungenutzte Potenziale.
Einige Betriebe, sowohl im urbanen als auch im ländlichen Bereich, bieten ihren Beschäftigten bereits ein Dienstrad an. Die Gründe dafür sind vielfältig. Neben Umwelt- und Gesundheitsaspekten kann ein solches Angebot die rbeitgeberattraktivität stärken – ein wichtiger Faktor im Wettbewerb um Fachkräfte.
Ob das Fahrrad für den Arbeitsweg geeignet ist, hängt von den Rahmenbedingungen ab.
Besonders vielversprechend ist die Möglichkeit, verschiedene Verkehrsmittel zu kombinieren. Solche vernetzten Konzepte gilt es weiterzuentwickeln.
Im Werkverkehr nutzen vor allem Gewerke wie Bäcker oder Schornsteinfeger schon länger das Rad. Leistungsfähige Technik und vielfältige Ausstattung machen es auch für andere Gewerke interessant. Entscheidend ist auch hier, Verkehrsmittel effizient zu kombinieren – nicht „entweder oder“, sondern „sowohl als auch“.
Der MobilityHub Handwerk, gefördert vom Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr NRW, wirbt gemeinsam mit beteiligten Handwerkskammern, zu denen auch die Handwerkskammer Dortmund gehört, für das Fahrrad als Teil eines nachhaltigen Mobilitätsmixes.

„Entscheidend sind die Menschen, die Begeisterung ins Unternehmen tragen.“

Amelie Suttner, Velokonzept

Amelie Suttner

Projektleiterin Konferenzen & Community Velokonzept

Das Fahrrad gewinnt im betrieblichen Mobilitäts-Management immer mehr an Bedeutung. Damit es sein volles Potenzial entfalten kann, braucht es jedoch mehr als Abstellanlagen, Umkleiden oder Leasingmodelle. Entscheidend sind die Menschen, die Begeisterung ins Unternehmen tragen – Botschafterinnen und Motivatorinnen, die Kolleg*innen mitnehmen, inspirieren und Lust aufs Radfahren machen.
So entsteht Schritt für Schritt eine Mobilitätskultur, in der das Radfahren selbstverständlich wird – und aus Angeboten ein echter (Verhaltens-) Wandel.


Bilder: difu, Riese & Müller, BBM, Cargobike.jetzt, HWK Dortmund, Stefan Haenel

Das Dienstrad-Leasing hat es schon vielen Menschen in Deutschland ermöglicht, die erstklassige Mobilität hochqualitativer Fahrräder zu nutzen. Zum ersten Mal in seiner noch jungen Geschichte musste der Leasing-Markt für Diensträder zuletzt jedoch einen Umsatzrückgang verkraften. Das schmerzt und führt zu einigen Turbulenzen für die Leasing-Provider. Potenzial gibt es noch reichlich. Doch wo liegt es?

(erschienen in VELOPLAN, Nr. 03/2025, September 2025)


Seit das Leasing für Fahrräder eingeführt wurde, hat ein außerordentliches Erfolgsmodell in die Fahrradwelt Einzug gehalten. Sogenannte Diensträder leasen zu können, ermöglicht allen Beteiligten, was sie schon immer haben wollten: entweder einen Zugang zu besseren Fahrzeugen (aus Kundensicht) oder zu besseren Umsätzen (alle anderen).
Doch aktuell erlebt die Leasing-Welt ihre erste große Herausforderung. Das gewohnte Wachstum der vergangenen Jahre ist nicht mehr vorhanden. Wenig überraschend funktioniert auch das Leasing-Geschäft nicht völlig unabhängig von der allgemeinen Fahrradkonjunktur.
Der Unterschied zu dieser besteht darin, dass im Leasing ganz andere Ansätze bestehen, das Geschäft und damit nicht zuletzt auch die Fahrradnutzung anzukurbeln, als es für die klassische Fahrradwirtschaft der Fall ist. Eine aktuelle Studie des Beratungsunternehmens Deloitte und des Branchenverbands Zukunft Fahrrad gibt viele Einblicke, wo das Leasing gerade steht. Daraus lässt sich auch ableiten, was als Nächstes wohl geschehen wird, muss, soll.

Chance 1: Die KMUs

Die große, noch brachliegende Chance für das Fahrrad-Leasing ist die Gewinnung von Neukunden. Über die vergangenen zehn Jahre hat man sich von oben nach unten vorgearbeitet. Angefangen wurde mit den größten Firmen und Konzernen, die man als Erste besonders für ein Leasing-Angebot begeistern wollte. Die Logik ist einleuchtend. Mit einem Arbeitgebervertrag erreicht man auf einen Schlag viele Tausend Arbeitnehmerinnen. Doch inzwischen gilt der Markt der Großunternehmen als weitgehend abgegrast. Wer im Dax gelistet ist, hat inzwischen ein Dienstrad-Leasing für die Angestellten im Angebot. Wenn heute noch große Ausschreibungen vergeben werden, dann stammen sie in der Regel von der öffentlichen Hand, die sich lange gesträubt hat, den Beschäftigten eine Fahrrad-Leasing-Option in die Hand zu geben. Auch das gibt die Studie von Deloitte und Zukunft Fahrrad an: Gerade einmal fünf Prozent der aktuellen Kundinnen im Fahrrad-Leasing arbeiten im öffentlichen Dienst beziehungsweise bei staatlichen Organisationen. Doch auch hier schließen sich die Lücken derzeit.
Keineswegs gilt aber für die kleineren und mittelständischen Unternehmen, dass sie bereits vollständig in der Dienstrad-Leasing-Welt angekommen wären. Hier gibt es erhebliche Lücken in der Verbreitung.
Dabei ist dieser Bereich besonders wichtig. Schon jetzt machen Unternehmen mit weniger als 50 Beschäftigten 78 Prozent des gesamten Leasing-Marktes aus – ein Wachstum um 3 Prozent binnen eines Jahres. Doch in Deutschland sind 97 Prozent der Betriebe Klein- und Kleinstunternehmen. Eine der zentralen Einsichten der Studie ist, dass sie damit immer noch deutlich unterrepräsentiert sind.

Chance 2: Das Folgeleasing

Was geschieht eigentlich, wenn ein abgeschlossener Leasing-Vertrag nach drei Jahren Laufzeit endet? In aller Regel bekommen die Leasing-Nehmer*innen ein Übernahmeangebot für das Fahrzeug. Für einen Betrag, der heute meist zwischen 17 und 30 Prozent des Neupreises liegt, können sie das Fahrrad oder E-Bike abkaufen. Diese Möglichkeit wird derzeit von der überwältigenden Mehrheit genutzt. Bei über 90 Prozent liege die Übernahmequote meistens, heißt es von Leasing-Seite. Aber eben nicht von allen: Je nach Anbieter geben bis zu 10 Prozent ihr einst geleastes Bike wieder zurück. Dazu kommen jene, die während der Leasing-Laufzeit ihren Arbeitsplatz wechseln. Auch diese Räder kommen wieder zu den Leasing-Gesellschaften zurück.
Selbst wenn ein Bike am Ende des Leasings übernommen wird, heißt das nicht, dass diejenige Person nie wieder ein Fahrrad leasen wird. Eher im Gegenteil könnte die Erfahrung als besonders positiv wahrgenommen worden sein. Denn im Leasing profitieren die Radfahrenden ja von umfangreichen Service-Leistungen wie Versicherung und Werkstattoptionen. Auch könnte es sein, dass das Rad innerhalb der Familie oder im Freundeskreis weitergegeben oder gar mit Gewinn weiterverkauft wird. Es ist also sehr sinnvoll, allen wieder ein neues Leasing-Angebot zu unterbreiten. Auch denen, die ihr Rad übernehmen.
Im Moment gilt als offenes Geheimnis in der Fahrradbranche, dass trotzdem nur rund 10 bis 15 Prozent ein Folge-Leasing abschließen, also nahtlos einen neuen Leasing-Vertrag eingehen. Das ist ein krasser Gegensatz zur Automobilwelt, wo praktisch alle, die können, immer wieder neu leasen.
Die Hoffnung der Leasing-Gesellschaften und im Grunde auch der restlichen Fahrradwirtschaft lautet, dass sich dieser Anteil noch deutlich steigern ließe. Auf Automobilwerte wird man wohl nie kommen, doch selbst wenn man von 10 auf 20 Prozent Folge-Leasing käme, würde das pro Jahr eine hohe fünfstellige Zahl an hochwertigen Fahrrädern und E-Bikes bedeuten, die zusätzlich auf den Markt und schließlich auf die Straßen kämen.

Chance 3: Die Mitarbeitenden-Aktivierung

Ebenfalls eine Baustelle für die Leasing-Gesellschaften ist die Belegschaft eines Unternehmens. Wenn einmal ein Betrieb für das Dienstrad-Leasing begeistert werden konnte, alle Verträge ausgearbeitet und unterschrieben sind, können die Mitarbeitenden zur Tat schreiten und sich ihr Wunschrad leasen. Das tun aber bislang längst nicht alle. Ende 2024 stand das Fahrrad-Leasing potenziell 18,7 Millionen Menschen zur Verfügung. Einen laufenden Leasing-Vertrag haben aber „nur“ 2,1 Millionen, also etwa 11 Prozent dieser Gruppe. Bislang wuchs das Leasing-Geschäft so schnell, dass den Gesellschaften das Wachstum wichtiger war als eine bestmögliche „Abschöpfung“ des Potenzials. Das ändert sich gerade.
Würde man es schaffen, statt einen von zehn Arbeitnehmerinnen plötzlich zwei für das Fahrrad-Leasing zu begeistern, hätte sich der Markt verdoppelt.
Die Leasing-Welt hat also mächtige Stellschrauben, um ihr Geschäft und damit die Fahrradwirtschaft wieder anzukurbeln. Es gibt aber auch Tendenzen, die den Leasing-Erfolg bedrohen.

Das Leasing-Geschäft mit Fahrrädern erlebt gerade eine erste herausfordernde Phase. Lösungsansätze gibt es einige, um die Umsätze wieder anzukurbeln.

Das Licht im Schatten

Trotz der jüngsten Umsatzeinbrüche profitiert der Fahrradfachhandel nach wie vor stark von der Möglichkeit zum Dienstrad-Leasing. Zwar ärgert sich der Fachhandel massiv über Provisionen, die er an die Leasing-Gesellschaften abtreten muss, aber ohne das Leasing-Geschäft wären die aktuelle und auch schon die letzte Saison deutlich schlechter verlaufen, als sie es ohnehin sind. Wie schlecht es aussehen könnte, wird klar, wenn man den Blick auf die Länder wirft, in denen das Fahrrad-Leasing nicht verbreitet ist.
Je nach Quelle verlor der stationäre Fachhandel in Deutschland schon im Jahr 2023 etwa 3 bis 4 Prozent Umsatz. Im Jahr 2024 ging es weitere 7 bis 11 Prozent nach unten. Damit ist man zum einen immer noch deutlich über den Umsätzen vor der Corona-Phase, was als harter Indikator gilt, dass die Branche gar nicht so schlecht dastehen würde, hätte sie sich nicht ein hartnäckiges und sehr belastendes Warenproblem eingekauft.
Zum anderen steht man viel besser da als andere Fahrradnationen, wo die Durchschnittspreise in den Elektrosegmenten viel niedriger liegen als in Deutschland. In den Niederlanden sind die Preise für E-Bikes über 30 Prozent niedriger als in Deutschland. Das Leasing ermöglicht es vielen Menschen, hochwertige Fahrzeuge anzuschaffen, auf die sie ansonsten verzichten würden, weil sie verzichten müssten. Ob das so bleibt, ist allerdings offen. Jüngst sind auch in Deutschland die Durchschnittspreise für E-Bikes gesunken, was an den hohen Rabatten liegt, die aktuell gewährt werden. Das ist über alle Märkte festzustellen.
Die Studie von Deloitte und Zukunft Fahrrad geht davon aus, dass der Leasing-Markt schon in 2025 wieder in die Spur kommen und seinen Umsatz auf 3,3 Milliarden Euro steigern können wird. Damit wäre ein neues Rekordhoch erreicht. Die Prognose für 2026 liegt noch mal höher. Dann erwartet die Studie einen weiteren Anstieg um 5 Prozent auf 3,6 Milliarden Euro Leasing-Umsatz. Ob das tatsächlich so kommt, sei dahingestellt. Ansatzpunkte gibt es jedenfalls reichlich, um diese Ziele zu erreichen.


Bilder: Bikeleasing-Service GmbH & Co. KG – Sebastian Werder

Wenn das Bike spielerisch mit Autos im Stadtverkehr mithalten kann, dann beginnt die Verkehrswende und damit die Freiheit. So könnte man das Versprechen des S-Pedelecs interpretieren. Doch sind Autofahrende bereit, die Straße zu teilen? Oder werden S-Pedelec-Nutzende zum Freiwild? Fahrstil-Herausgeber Gunnar Fehlau startete für die neue Ausgabe des Radkulturmagazins einen Selbstversuch.

(erschienen in VELOPLAN, Nr. 03/2025, September 2025)


Der erste Blick auf ein S-Pedelec offenbart fürs ungeschulte Auge fast keinen Unterschied zum klassischen Pedelec. Widmen wir uns darum kurz den inneren Werten: Während das „klassische“ Pedelec die Beine bis 25 km/h unterstützt, „schiebt“ das S-Pedelec bis 45 km/h mit. Aus einem gemütlichen Radwegrad wird so ein Verkehrsmittel mit Tour-de-France-Tempo. Dass dieses Fahrzeug – denn es ist juristisch kein Fahrrad mehr – auf deutschen Straßen fahren darf, ist kein Ergebnis eines planvollen, politischen Gestaltungsverfahrens, sondern vielmehr Konstruktions- und Regulationsslalom durch die Anforderungen und Ausschließungen bestehender Fahrzeugklassifizierung. Die ersten S-Pedelecs auf die Straßen zu bringen, war in den Nullerjahren exakt so kompliziert, wie es hier klingt, und hing nicht selten vom Wohlwollen einzelner Institutionen und Personen ab. Was an einem Ort legal in den Verkehr gebracht werden konnte, wurde an anderer Stelle abgewiesen. Diese wilde Phase wich vor gut zehn Jahren einem weitgehend einheitlichen bundesweiten Vorgehen.

Vom Fahrrad zum Fahrzeug

Mit der rechtlichen Transformation vom Fahrrad zum Fahrzeug (Kleinkraftrad, Klasse L1e B bei zweirädrigen bzw. L2e bei dreirädrigen Fahrzeugen) gehen viele kleine und große Unterschiede einher. Das Gesetz schreibt Details und Ausstattungsmerkmale vor, wie eine bestimmte Form der Bremshebel, die Ausführung des Seitenständers, die Lichtfunktionen oder auch seitliche orange-farbene Reflektoren, um nur einige zu nennen. Das Fahrzeug muss versichert und mit entsprechenden Kennzeichen gefahren werden. Bei Nutzung, Wartung, Unterhalt und Modifikation muss umgedacht werden.

Das Straßenschild „S-Pedelec frei“ findet man bisher nur in und um Tübingen.

Wo die Freiheit fahren darf

Alle, die ihre Teenage-Jahre vor der Jahrtausendwende erlebten, sind beim S-Pedelec-Verstehen im Vorteil. Sie können auf die Mofa-Lebensrealität ihrer Jugendzeit referenzieren. Das hat eine gewisse juristische Unschärfe, trifft aber in vielen Aspekten den Punkt. Etwa bei der Streckenwahl. Das S-Pedelec ist ein Kraftfahrzeug. Damit sind Waldwege, Stadtparks und auch Radwege tabu, so sie nicht explizit für die Nutzung mit dem „Leichtkraftrad“ freigegeben sind. Der Umkehrschluss: Mit dem S-Pedelec muss man auf der Straße fahren.

Gut behütet

Während beim Fahrrad die Entscheidung zum Helmtragen eine individuelle und freiwillige ist, schreibt die StVO schon seit vielen Jahren für Vehikel der Fahrzeugklassen, die auch das S-Pedelec umfassen, einen „geeigneten Helm“ vor. Auch hier zeigte sich, dass einzelne Akteurinnen den Begriff „geeignet“ anfangs extrem unterschiedlich auslegten. So kam es zu Verkehrskontrollen, in denen Polizistinnen monierten, dass auf dem S-Pedelec ein Motorrad-Integralhelm zu tragen sei. Hier hat ein Interessenvermittlungsprozess zwischenzeitlich für Klarheit und entsprechende „Normierung“ gesorgt. Es gibt S-Pedelec-konforme Helme, die in Erscheinung und Nutzungserleben (Gewicht, Tragekomfort, Rundumsicht usw.) nahe am Fahrradhelm sind und deren Sicherheits-Niveau der S-Pedelec-Geschwindigkeit Rechnung trägt. Es gilt aber rigoros: kein Helm, kein Fahren!

Traumgeschwindigkeiten im Ruhepuls

Hersteller Stromer hat mir zum Praxistest für diesen Artikel ein „ST5“ zur Verfügung gestellt. Jetzt ist Zeit, mal auf das Rad zu steigen und in den Alltag zu fahren: mittleren Unterstützungsmodus und mittleren Gang eingelegt und reingetreten. Heidewitzka, geht da die Luzie ab! Der Bolide beschleunigt unter sportivem Antritt fast spielerisch auf 40 km/h. Dem Reflex, nach links in die Fahrradstraße abzubiegen, muss ich widerstehen: nicht mein legales Terrain! Ich kurve auf die Hauptstraße und reihe mich in den Autoverkehr ein. Ein paar beherzte Pedalumdrehungen und Gangwechsel, schon erreiche ich die 45-km/h-Schallmauer. Will ich schneller fahren, so geht dies nur per Muskelkraft oder mit Gravitationsunterstützung. Dennoch bin ich legal nicht zu überholen und schwimme im Autoverkehr mit.

Ballert wie ein starkes Peloton

Der Stromer dekalibriert alles Gelernte zum Verhältnis von Reintreten und Fahrgeschwindigkeit. Was sonst das Pedalieren um die 25 km/h ist, verschiebt sich um gut 15 bis 20 Stundenkilometer. Im Positiven wie im Negativen. Man tut gut daran, sich sehr schnell an den längeren Bremsweg, die notwendigen Reaktionszeiten und schrägeren Kurvenlagen zu gewöhnen, sonst wird es für alle brenzlig. „Schneller“ jedoch grundsätzlich mit „gefährlicher“ gleichzusetzen, wäre zu kurz betrachtet.
Die Argumentation der Beschleunigungsreserve, mit der Petrol-Heads gern die Wahl starker Motorisierungen erklären, leuchtet mir, auf dem S-Pedelec sitzend, durchaus ein. Außerdem sollten wir hier über das Phänomen der Differenzgeschwindigkeit sprechen: Das S-Pedelec, das dank seiner höheren Geschwindigkeit im Verkehr mitschwimmt, wird im Verkehrsgeschehen seltener überholt werden – das vermeidet Engstellen und Gefahrenmomente. Genau aus dieser Argumentation heraus sprechen sich manche Verkehrsexpert*innen für eine Angleichung der maximalen Unterstützungsgeschwindigkeit beim Pedelec und S-Pedelec an die gängigen Geschwindigkeitslimits (30 und 50 km/h) aus. Allerdings nur hinter vorgehaltener Hand: „Diese Anpassung ist politisch nicht diskutier- und umsetzbar“, heißt es.

Innerer Paradigmenwechsel

Radfahrerinnen fahren ja häufig so schnell, wie sie können. Das herkömmliche Pedelec macht in dieser Logik „untrainierte Radfahrende“ zu trainierten, aber im eigentlichen Sinne nicht zu „besonders schnellen“. Anders das S-Pedelec: Es hebelt halbwegs fitte Radfahrende in jene Geschwindigkeitsgefilde, die abseits starken Gefälles nur in Radrennen erreicht werden. Daran müssen sie und Verkehrsteilnehmende sich erst einmal gewöhnen. Nicht nur deshalb tun S-Pedelec-Pilotinnen gut daran, nicht weiterhin stets so schnell zu fahren, wie sie können, sondern so, wie es der jeweiligen Verkehrssituation angemessen ist. Auf dem Rad ist das für viele eine völlig neue Betrachtungsweise – auch wenn sie sie im Kfz längst verinnerlicht haben.

Bereitschaftsspanne

Wer die Alltagsmobilität mit dem S-Pedelec erledigt, ist auf den gleichen Strecken unterwegs, die andere noch aus Gewohnheit oder frei von besserem Wissen mit dem Auto zurücklegen. Die Spanne der Bereitschaft, der Vorstellung davon, wie sehr man das eigene Verhalten zu ändern in der Lage ist, ist hierzulande noch recht schmal, scheint es. Doch das S-Pedelec bietet eine ganze Reihe von Ansätzen, die die Änderungsbereitschaft unterstützen – es ist die Verkehrswende zum Selbsteinschalten. Motivation (und finanzielle Möglichkeiten) vorausgesetzt!

Selbst ein prominent angebrachtes Versicherungskennzeichen heißt nicht für alle sofort: Der darf gar nicht auf den Radweg!

Das Wissen der anderen

Als sportlicher Radfahrer, der oft unter dem Zustand von Radwegen leidet, juble ich mit dem S-Pedelec auf: Endlich kann ich legal auf der Straße flitzen, statt über den Radwege-Acker zu holpern! Doch der Jubel ist verfrüht. Das Fahren mit dem S-Pedelec auf der Straße ist nur so lange entspannt, wie es keine anderen Verkehrsteilnehmerinnen gibt. Damit ist nicht der Umstand ihrer Existenz gemeint. Wir Radfahrenden sind Autos auf Straßen und Wegen gewohnt. Auch, dass diese – da ist die Studienlage eindeutig – häufig zu eng überholen. Doch das rechtskonforme S-Pedelec-Fahren auf der Straße „triggert“ Autofahrende besonders außerorts, wenn sich neben der Straße ein Radweg befindet. All die 40 Millionen Fußballbundestrainerinnen, die es besser zu wissen glauben als Julian Nagelsmann, sind nämlich durchweg auch „Zivilpolizist*innen mit unzureichendem Regelwissen“, die meinen, S-Pedelec-Fahrende maßregeln zu dürfen: Sie hupen, fluchen, gestikulieren wild, sie drängeln und schneiden. „Die Hölle, das sind die anderen“, sagte der französische Philosoph Jean-Paul Sartre, und das beschreibt das S-Pedelec-Fahren im deutschen Straßenverkehr bestens.

Emotionale Abnutzungseffekte

Die Freude, mit einer ungekannten Leichtigkeit im Verkehrsgeschehen mitschwimmen zu können, verzückt mich vom ersten Meter an. Da ist zum einen der profane Rausch der Geschwindigkeit, dem zu erliegen mir eine fast kindliche Freude bereitet. Das hat aber auch eine emanzipierende, empowernde Komponente: „Endlich dazugehören! Nicht mehr am Rand rumeiern, sondern mittendrin sein und dabei!“ Der Stromer hat „echt Wumms“ und damit durchaus Verkehrswendepotenzial. Nach einigen Fahrten nutzt sich meine rohe Freude an der formidablen Beschleunigung zwar etwas ab und weicht einer Selbstverständlichkeit, einer Gewöhnung. Das ist aber auch gut, weil meine Aufmerksamkeit damit wieder ins Außen, also ins Verkehrsgeschehen geht. Das neue Tempo auf Alltagswegen sorgt dafür, dass ich die Wegzeiten neu kalkuliere und so meinen Tagesablauf anpassen kann. Und ist der Wecker einmal auf später gestellt, gewöhnt man sich umgehend daran.
Doch einen großen Haken hat die Sache: Die Einschränkung in der Streckenwahl mit dem S-Pedelec schmerzt mich stark. Statt auf dem breiten Waldweg autofern, zügig und direkt vorwärtszukommen, muss ich den Wald meiden, darf die Radwege nicht nutzen und bin auf Landstraßen angewiesen. Ein Terrain, das Autofahrende nur ungern teilen und dies auch lautstark mitteilen. Und als Fahrzeug darf man ein S-Pedelec auch nicht im Zug mitnehmen.
Spitze ich meine Erfahrungen zu, so könnte ich sagen, dass mein Pulsschlag eher vom Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmenden abhängt als von der Intensität meines Pedalierens. Für den Status quo des (S-Pedelec-)Radverkehrs kein gutes Zeugnis!

„Damit S-Pedelec-Fahrende nicht zum Freiwild in einer Autowelt werden, benötigen sie bessere Rahmenbedingungen.“

Gunnar Fehlau

Die Freiheit jenseits der Grenzen

Andere Länder haben das anders geregelt. So dürfen in der Schweiz S-Pedelecs sehr wohl auf Radwegen fahren. Freilich nicht mit 45 km/h, aber das ist auch nicht die Prio der Fahrenden. Sie wollen und können spielerisch/situativ entscheiden, ob sie in „üblicher Fahrradgeschwindigkeit“ auf dem Radweg pedalieren oder mit bis zu 45 km/h auf der Straße. S-Pedelecs haben dort auch deshalb einen 35-mal höheren Marktanteil, verglichen mit Deutschland (0,5 gegenüber 18 Prozent der verkauften E-Räder). Auch Belgien hat seine Gesetzgebung ähnlich angepasst und seither boomen S-Pedelecs dort. Belgien war auf deutschem Niveau und nähert sich schweizerischen Verhältnissen.

Freiheit braucht Struktur

Verschiedene Sozialwissenschaften erklären, dass Freiheit Struktur braucht und dass Verhältnisse Verhalten prägen. Beides kann sicherlich auch fürs S-Pedelec gelten.
Das S-Pedelec braucht eine geeignete Infrastruktur, es braucht praxisgerechte Gesetze und die Verhältnisse im Straßenverkehr müssen so geregelt werden, dass sie sicheres Verhalten für alle Verkehrsteilnehmenden von allen Verkehrsteilnehmenden hervorbringen oder zumindest nicht unterminieren.

Verkehrswende zum Selberstarten

Als erste Stadt hat Tübingen 2019 den Schritt gewagt und ein Radwegenetz für S-Pedelec-Nutzer*innen freigegeben. In Zusammenarbeit mit der Landesregierung von Baden-Württemberg ist so ein spezielles Verkehrsschild entstanden, das auf die Freigabe von S-Pedelecs auf diversen Verkehrsflächen hinweist. Rund 100 dieser Schilder sind mittlerweile im Stadtgebiet installiert und das so entstandene S-Pedelec-Wegenetz umfasst ca. 80 Kilometer. Außerdem wurden Geschwindigkeitsbeschränkungen an sicherheitsrelevanten Knotenpunkten eingeführt. Die Bilanz bislang: Es gibt keine polizeilich gemeldeten S-Pedelec-Unfälle und keine Beschwerden aus der Öffentlichkeit.

Der Autor und sein Leih-Bolide.

Sowas wie ein Fazit

Dies ist kein Test des Stromer ST5. Allerdings wollte ich sehr wohl „die Idee S-Pedelec“ auf den Prüfstand stellen. Ich muss festhalten, dass die Fahrzeuggattung absolut das Zeug hat, die Zwangsläufigkeit der Gleichung „Mobilität = Auto“ für mancherlei Anwendungsszenario zu durchbrechen. Das S-Pedelec schrumpft Pendeldistanzen und reduziert Fahrzeiten gehörig.
Damit S-Pedelec-Fahrende nicht zum Freiwild in einer Autowelt werden, benötigen sie bessere Rahmenbedingungen aus geeigneter Infrastruktur, angepasster Gesetzgebung und kooperativer Umgangskultur. Damit beschreibt das S-Pedelec im Brennglas, was auch dem gemeinen Fahrrad(fahren) in dieser Gesellschaft fehlt. Und dennoch: Mit ein wenig Besonnenheit macht es schon jetzt richtig viel Spaß!


Bilder: Stromer – Elstner Ruben, Gunnar Fehlau, Frank Stefan Kimmel

Andreas Hombach ist als Projektreferent beim IHK-Netzwerkbüro Betriebliche Mobilität NRW (IHK BEMO) für die Weiterbildung zuständig. Im Interview mit Veloplan gewährt er Einblicke in die Lehrgänge und kommentiert die aktuelle Dynamik in der betrieblichen Mobilität. Unternehmen und Kommunen, so findet Hombach, müssten enger zusammenarbeiten.

(erschienen in VELOPLAN, Nr. 03/2025, September 2025)


Welche Rolle spielen Arbeitgeber Ihrer Einschätzung nach bei der Mobilitätswende?
Andreas Hombach: Aus meiner Sicht haben Arbeitgebende da eine absolut wichtige Rolle. Alleine die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte machen rund ein Fünftel des gesamten Personenverkehrs in Deutschland aus. Auf der anderen Seite haben auch Dienstreisen einen hohen Anteil – für weit über die Hälfte aller Dienstreisen wurde zuletzt das Auto genutzt. Wenn man das alles kumuliert und dann noch das Thema Logistik und Fuhrpark hinzunimmt, ist das ein ganz bedeutsamer Punkt.

Sind die Arbeitnehmer*innen ihren Arbeitgebern voraus und fordern bestimmte Angebote ein? Oder nehmen eher die Arbeitgeber eine leitende Funktion ein?
Zum einen kann man als Arbeitgeber Bedarfe wecken, zum anderen geht es um das Thema Motivation. Man sagt ja allgemein: „Wer Straßen baut, wird Verkehr ernten.“ Das kannst du eigentlich auch auf das Mobilitäts-Management übertragen. Wenn Unternehmen eine motivierende Fahrradinfrastruktur schaffen, durch Duschen, Reparaturstationen, entsprechende Aktionen und nah gelegene, sichere und witterungsgeschützte Abstellanlagen und andere Dinge, wird das dazu führen, dass immer mehr mit dem Fahrrad zur Arbeit kommen. Auch für andere Verkehrsformen gibt es gute Beispiele. Wenn ich meinen Mitarbeitenden eine Ladeinfrastruktur zur Verfügung stelle, unterstützt das natürlich auch die Antriebswende.
Generell gibt es im betrieblichen Mobilitäts-Management drei Möglichkeiten, Verkehre zu verändern. Das ist zum einen das Verlagern, zum Beispiel vom Pkw auf den Umweltverbund, also Fahrrad, ÖPNV und Bahn, dann das Verhindern von Verkehren, zum Beispiel durch umfassende Homeoffice-Regelungen und Videocalls statt Präsenzterminen, und der dritte große Bereich ist, Verkehr zu verbessern. Das kann zum Beispiel bedeuten, Fahrgemeinschaften zu bilden, anstatt sich allein ins Auto zu setzen. Es ist äußerst wichtig, dass Unternehmen erste Schritte machen. Von den Mitarbeitenden geht erfahrungsgemäß leider selten die Bereitschaft zur Veränderung aus. „My home is my castle“ gilt auch beim Auto.

Die Mitarbeiter*innen fordern also zu wenig ein?
So pauschal kann man das auch nicht sagen – es hängt auch vom Umfeld ab. In Köln oder anderen Großstädten Deutschlands ist es schon so, dass Mitarbeitende sich ihren Arbeitgeber danach aussuchen, wie die Infrastruktur vor Ort ist. Da haben ganz viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer überhaupt kein Auto. Der ÖPNV vor Ort ist aber häufig überlastet und teilweise auch aus anderen Gründen nicht zumutbar. Hier nehmen dann aber viele von sich aus das Fahrrad.

Mobilität verlagern, verhindern oder verbessern: Andreas Hombach von IHK BEMO hat als Projektreferent alle drei Ansätze des betrieblichen Mobilitäts-Managements im Blick.

Auf der Website von IHK BEMO erklären Sie, dass nachhaltigebetriebliche Mobilität Nutzen für das Unternehmen und Vorteile für Mitarbeitende bietet. Woran kann sie dann überhaupt scheitern, wenn beide Seiten profitieren?
Das ist relativ einfach erklärt: Meistens liegt es an der Unwissenheit, welche Vorteile ein Wechsel der Mobilität hat. Fürs Unternehmen liegt eigentlich auf der Hand, dass man dadurch mit den Verkehren effizienter wird und etwa durch eine Reduktion oder bessere Auslastung des Fuhrparks sogar Kosten spart, auch wenn es etwas Aufwand ist, ein entsprechendes Konzept für betriebliche Mobilität einzuführen.
Auch die Gesundheit der Mitarbeitenden liegt im Interesse der Unternehmen. Mitarbeitende, die Fahrrad anstatt ÖPNV oder Auto fahren, sind statistisch gesehen gesünder, weil sie an der frischen Luft sind, das Herz-Kreislauf-System stärken und die Wirbelsäule bewegen. Das ist natürlich auch für die Mitarbeitenden selbst super. Und auch sie können Kosten und teilweise auch Zeit einsparen.

Ich unterstelle Ihnen als Anbieter des Lehrgangs „Betriebliches Mobilitäts-Management“ (BMM) mal, dass eine so ausgebildete Person der Best Case für Unternehmen ist, um ihre Mobilität zu transformieren. Wie verbreitet ist diese berufliche Tätigkeit in Deutschland?
Entscheidend ist erst mal, dass das Unternehmen erkennt, wie wichtig das ist und welche Vorteile es hat. Wir haben einen erheblichen Anteil an Kleinst- und Kleinunternehmen in Deutschland. Da wird es schwer möglich sein, eine bestimmte Person für das Mobilitäts-Management zu benennen. Das läuft dann nebenher. Alternativ kann man mit externen Dienstleistern das Thema bespielen. Bei mittelständischen und großen Unternehmen sieht das ganz anders aus. Sie sparen Kosten, wenn sie die Rolle selbst besetzen, und sind viel effizienter. Jemand im Unternehmen kennt die Bedarfe sehr viel besser als jemand, der erst hinzukommt von außen. Aber die Person muss auch entsprechend Zeit und Mittel zur Verfügung haben.

Aus welcher Position heraus und mit welchem beruflichen Hintergrund kommen Menschen zu Ihnen in den Lehrgang?
Die Motivation ist vollkommen verschieden. Es gibt welche, die das Thema von der Geschäftsleitung zugeschoben bekommen haben. Viele kommen aber aus intrinsischer Motivation und haben die Geschäftsleitung davon überzeugen können, dass das Thema wichtig ist. Sie kommen aus den verschiedensten Unternehmensbereichen, zum Beispiel aus dem Personal-Management, der Geschäftsleitung, der Beschaffung, der Nachhaltigkeit oder der Logistik.

Wie verankert man das betriebliche Mobilitäts-Management am besten in einem Unternehmen und warum ist das so wichtig?
Die Verankerung ist deshalb so wichtig, weil man das Ganze dadurch verstetigt. Betriebliches Mobilitäts-Management ist ein fortlaufender Prozess. Teil einer ISO-Zertifizierung, die das Unternehmen einleitet, muss es vielleicht nicht unbedingt sein. Das Thema muss aber so verankert sein, dass man es im Intranet und in Aushängen wiederfindet, dass es Informationsveranstaltungen und eine fortlaufende Evaluation gibt. Man muss die Maßnahmen immer wieder prüfen und gegebenenfalls überarbeiten.
Ganz wichtig ist auch, erst mal die Bedürfnisse der Mitarbeitenden zu hinterfragen. Das macht man idealerweise durch eine Beschäftigtenbefragung. Dabei stellt man fest, wie aktuell der Stand ist. Durch Fluktuation und Veränderungen im Unternehmen ändert sich das immer mal. Alle zwei, spätestens drei Jahre ist es erforderlich, die Befragungen zu wiederholen, miteinander zu vergleichen und das Konzept an die aktuellen Bedingungen anzupassen.

„Beim kooperativen Mobilitäts-Management probiert man, möglichst viele Stakeholder an einen Tisch zu bekommen und das Thema gemeinsam anzugehen.“

Andreas Hombach, IHK BEMO

Arbeiten Sie in den Lehrgängen mit konkreten Positivbeispielen aus der Praxis?
Der Lehrgang hat ein festgeschriebenes Currikulum, das wir den externen Referent*innen mitgeben. Diese Inhalte müssen vermittelt werden, wie das dann läuft, ist denen überlassen. Hier hat es sich etabliert, dass häufig Best-Practice-Beispiele in den Lehrgang integriert werden. Dort, wo die Lehrgänge stattfinden, gibt es meist schon Unternehmen, die Mobilitätskonzepte implementiert haben. Es ist dann durchaus üblich, diese Unternehmen zu besuchen oder sich eine Person aus dem Unternehmen einzuladen. Es kommt ohnehin immer wieder vor, dass Unternehmen uns von ihren Erfolgen berichten. Aber es gibt eine Herausforderung: Kein Unternehmen ist wie das andere. Es macht auch einen großen Unterschied, ob man ein Unternehmen im ländlichen oder städtischen Raum hat. Die Konzepte der Unternehmen sind in der Regel nur bedingt miteinander vergleichbar.

Welche Rolle spielt das Fahrrad in der betrieblichen Mobilität?
Das Fahrrad ist einer der Gamechanger in der betrieblichen Mobilität. Das liegt einfach daran, dass ein Großteil der Mitarbeitenden in einem Umkreis von 10 bis maximal 15 Kilometern von ihren Arbeitgebern entfernt wohnt. Weitpendlerinnen und -pendler sind eher die Ausnahme. Deshalb muss man nur noch dafür sorgen, dass die Menschen entsprechend gute Wege vorfinden. Da ist kooperatives Mobilitäts-Management mit den Kommunen gefragt. Man kann in den Kommunen durchaus etwas anstoßen, wenn man etwa einen sicheren Radweg ins Gewerbegebiet braucht.

Was verstehen Sie unter kooperativem Mobilitäts-Management?
Wir sind bisher immer auf einzelne Unternehmen zugegangen und haben versucht, mit denen das betriebliche Mobilitäts-Management vor Ort zu verbessern. Dabei hat sich herausgestellt, dass kein Unternehmen für sich allein besteht. Es gibt viele Stakeholder: die Beschäftigten selber, die Kommunen und benachbarte Betriebe. Also probiert man beim kooperativen Mobilitäts-Management, möglichst viele dieser Stakeholder an einen Tisch zu bekommen und das Thema gemeinsam anzugehen. Nehmen wir als Beispiel das Bike-Sharing: Wenn du mehr als ein Unternehmen in einem Gewerbegebiet hast, das Potenzial für ein Bike-Sharing-System sieht, dann wird sich ein Sharing-Unternehmen deutlich leichter tun, dies auch anzubieten. Das ist kooperatives Mobilitäts-Management. Die Beratung verlagert sich aktuell weg von Einzelunternehmen, das ist eher im Nachgang wichtig, um die spezifischen Herausforderungen des Unternehmens noch mal unter die Lupe zu nehmen. Hin geht es zu Gewerbegebietsgesprächen. Das machen wir in Nordrhein-Westfalen häufig mit unseren Partnern: Zukunftsnetz Mobilität für die Kommunen und Mobility Hub des Handwerks für die Handwerksbetriebe.

Wie ist die Stimmung in den Betrieben, wenn es darum geht, die Mobilität weiterzuentwickeln?
Die Nachfrage der Unternehmen zum Thema Nachhaltigkeit geht nachweislich überall zurück. Im Bereich des BMM merken wir das an rückläufigen Anmeldungen für unsere Zertifikatslehrgänge. Früher hatten wir teilweise Kurse, die wir schließen oder bei denen wir Teilnehmer an andere Stellen verweisen mussten. Fragt man nach – und das gilt generell für den Bereich Nachhaltigkeit – hört man: „Ja, das ist wichtig, aber wir haben zurzeit andere Herausforderungen.“ Damit ist zum einen die Kostensituation gemeint, die viele Unternehmen gerade prägt. Aber es ist auch die Verunsicherung durch verschiedene kaum beeinflussbare Faktoren gemeint, etwa der Ukraine-Krieg oder die Zoll-Politik, aber auch die Rücknahme von eigentlich bereits vereinbarten Nachhaltigkeitszielen oder -regulatorien auf EU-Ebene.

An welchen gesetzlichen Stellschrauben müsste dringend gedreht werden?
Aus meiner Sicht macht es keinen Sinn, dass die Politik Themen aus den Bereichen Klimaschutz und Nachhaltigkeit wieder infrage stellt, für die es eigentlich einen Konsens gab. Unternehmen brauchen vor allen Dingen Klarheit. Die Bereitschaft zur Transformation ist in der Gesellschaft und in den Unternehmen da. Aber man darf nicht immer wieder alles infrage stellen oder aufschnüren und doch wieder verkomplizieren, sondern muss tatsächlich auch mal umsetzen.


Bilder: www.racktime.com – pd-f, IHK BEMO

Auf der Straße sind Lastenräder immer noch eher eine Randerscheinung. Aber in politischen Debatten sind sie eine beliebte Zielscheibe konservativer Politiker*innen. Es lohnt sich, nachzufragen, woran das liegt.

(erschienen in VELOPLAN, Nr. 03/2025, September 2025)


Bei X, in Talkrunden und Interviews stürzen sich konservative und rechte Politikerinnen aufs Lastenrad wie ein Pitbull auf seinen neuen Kauknochen. Für sie ist das Rad mit der Transportbox der Inbegriff grüner Klientelpolitik. „Mit dem Lastenrad lässt sich keine Zukunft gestalten“, wetterte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder im Februar auf X. Friedrich Merz spottete im Handelsblatt-Interview: „Sollen die Urlauber zukünftig mit dem Lastenrad nach Mallorca fahren?“ Und selbst Lastenradbesitzer und Welt-Autor Marcel Leubecher, nennt es „Das Arschgeweih des Alnatura-Adels“ und keilt damit kräftig gegen die eigene Ehefrau, die die „E-Wuchtbrumme“, den „Stromkoloss“, das »Eisenschwein« unbedingt haben wollte. Das Lastenrad hat das Fahrrad als Feindbild der Konservativen abgelöst. Wann immer sich die Gelegenheit bietet, schießen CDU-, CSU- und FDP-Politikerinnen gegen das Rad mit Transportbox. Das überrascht, denn mit gerade mal rund 1,1 Millionen Exemplaren sind Lastenräder in Deutschland immer noch eine Randerscheinung. Auf den Straßen sind deutlich mehr Mopeds (1,7 Mio.) unterwegs, Motorräder (5 Mio.), Autos (48 Mio.) und Fahrräder (84 Mio.) Doch anders als Moped und Motorrad stehen Lastenräder für einen Wandel im Verkehr. Aber reicht tatsächlich schon der Anflug von Veränderung, um Konservative derart aufzubringen? Und welche Angriffsfläche bieten Hersteller den Lastenradkritiker*innen?

„Da rationale Argumente gegen das Lastenrad fehlen, wird eine emotionale Rhetorik genutzt.“

Stefan Gössling, Professor für Verkehr und Nachhaltigkeit

Lastenrad als Projektionsfläche

„Die Polemik richtet sich eigentlich nicht speziell gegen das Fahrrad“, stellt Stefan Gössling fest, Professor für Verkehr und Nachhaltigkeit und Autor des Buches „The Psychologie of the Car“. Das Lastenfahrrad diene eher als Projektionsfläche für eine diffuse Wut in Teilen der Bevölkerung, als Feindbild des Progressiven. Denn es ist bewiesen, dass Lastenräder Autofahrten ersetzen, Staus vermeiden und Emissionen senken. „Da rationale Argumente gegen das Lastenrad fehlen, wird eine emotionale Rhetorik genutzt“, sagt Gössling.
„Das Fahrrad taugt schon lange nicht mehr als Zielscheibe, weil inzwischen fast jeder im Alltag oder in der Freizeit mit Rad oder E-Bike unterwegs ist“, erklärt der Wissenschaftler. Selbst Söder inszenierte sich 2021 in einem Wahlwerbespot mit E-Bike in bayerischer Natur. Allerdings verändere der Verkehr sich in einigen Kommunen massiv, sagt Gössling. Zwar dominiere das Auto weiterhin den Straßenraum, aber in vielen Städten wachse der Anteil des Fahrrads am Gesamtverkehr. Städte bauten geschützte Radspuren in Kfz-Spurbreite und Autoparkplätze werden in Lastenradstellplätze umgebaut. Das ärgert viele Autofahrerinnen. „In der Wahrnehmung der Autofahrer verlieren diese real an Platz“, sagt Gössling, „verstehen allerdings nicht, dass ein Lastenrad im Vergleich zum Auto weniger Fläche beansprucht.“ Außerdem müssen sie Rücksicht nehmen und sich an den komplexer werdenden Verkehr anpassen. Das sei anstrengend. Und nun kommen auch noch die Lastenräder: massig, präsent, schnell. Sie werden echte Konkurrenten auf der Straße. „Nichts ärgert Autofahrer mehr als jemand, der schneller ist, denn die höhere Geschwindigkeit ist ja auch eine Rechtfertigung für das Auto“, weiß Gössling. Hinzu kommt: Lastenräder sind Lastenesel. Sie transportieren Kinder und sperrige Gegenstände. „Damit entfällt für viele Menschen noch eine Ausrede, warum sie das Auto brauchen“, sagt Gössling. Doch etwas anderes bringt Autofahrerinnen noch mehr auf die Palme: „Lastenradfahrer wirken oft entspannt und gut gelaunt, wenn sie mit ihren Kindern durch die Stadt fahren und sich dabei unterhalten“, sagt Gössling. Fast scheint es so, als meisterten sie das Leben leichter. Zu dem Ärger über die Neuen geselle sich also auch noch Neid. „Das triggert Autofahrer und Politiker“, sagt er.
Das vermeintliche Familienglück der Lastenradfahrer*innen ist für den Kommunikationsexperten Matthias Riegel ein zentraler Reizpunkt. „Das Lastenrad riecht für viele nach Luxus, nach Prenzlauer Berg und Latte macchiato“, sagt er – nach den Gutverdienenden, die nicht nur ein Lastenrad besitzen, sondern auch ein Auto haben und eine Photovoltaikanlage auf dem Dach.

„Für sie ist Elektromobilität vor allem etwas für Reiche – für Anwälte und Ärzte.“

Nico Jungel, Geschäftsführer Velofracht

Lifestyle versus Alltagstauglichkeit

Die Branche befeuert dieses Klischee mit ihrer Bildsprache. „Lastenradwerbung zeigt überwiegend glückliche Familien in der Natur oder im Urbanen“, sagt Riegel. Es gehe vor allem um Lifestyle und weniger um Alltagstauglichkeit. Menschen wie seine Eltern oder selbst seine Schwester, die jeden Tag mit ihrem E-Bike zur Arbeit fahre, werden mit dieser Werbung nicht unbedingt angesprochen. „Man muss schon sehr aufgeschlossen und fahrradaffin sein, um sich überhaupt fürs Lastenrad zu interessieren“, stellt Riegel fest.
Abschreckend findet er auch die Fahrzeugbezeichnung: Lastenrad, Transportrad oder Cargobike. „Das klingt schwerfällig und nach Arbeit“, sagt er. Ganz anders das E-Bike: Der Begriff wirkt modern, leicht, innovativ. Allerdings war auch beim E-Bike der Start holprig. In den Anfangsjahren sprach man in Deutschland von Pedelecs, während der Rest der Welt E-Bikes sagte. Aber das zeigt immerhin: Veränderung und Nachjustieren sind möglich.

Niedrigschwellige Angebote fehlen

Riegel vermisst jedoch die niedrigschwellige Kontaktaufnahme zum Lastenrad im Alltag. Seine erste Fahrt fand im Urlaub auf Ameland auf einem Leihrad statt. „Wer einmal mit seinen Kindern Lastenrad gefahren ist, will vermutlich nie wieder anders unterwegs sein“, sagt er lachend. In Deutschland sei das Ausprobieren im Alltag jedoch nur schwer möglich.
In einigen Städten wie Hamburg können die Bewohner Lastenräder inzwischen über das städtische Verleihsystem mieten. Die Initiative „Forum freie Lastenräder“ bietet mittlerweile in über 100 Städten 450 Räder für kostenlose Fahrten an. Außerdem gibt es immer mehr Baumärkte und Discounter, die ihren Kundinnen Lastenräder zum Transport des Einkaufs anbieten, und die Cargobike-Roadshow tingelt jedes Jahr durch verschiedene Kommunen. Aber all diese Angebote sind ebenfalls eher die Ausnahme und nicht die Regel und finden häufig im urbanen Umfeld statt. Ein einfacher Zugang für alle sieht anders aus. Das gilt allerdings auch für viele andere Angebote jenseits des Privatwagens. Dennoch ist das Stadt-Land-Gefälle ein relevantes Problem. Nico Jungel, Geschäftsführer von Velofracht, erlebt die Diskrepanz, wenn er im ländlichen Brandenburg mit Nachbarinnen und Bekannten spricht. „Für sie ist Elektromobilität vor allem etwas für Reiche – für Anwälte und Ärzte“, sagt er. Außerdem etwas, das in der Stadt funktioniere, aber nicht auf dem Land. Dort sei aus ihrer Sicht der Diesel für Landmaschinen, Lkw und Autos unverzichtbar, in der Vergangenheit und in Zukunft. „Das Lastenrad wird nicht als leichtes Elektromobil oder weitere Möglichkeit wahrgenommen“, sagt er. Es fehle der Bezug des Fahrzeugs zur Lebenswelt seiner Nachbarn und Freunde.
Jungel, dessen Firma Aufbauten für Lastenräder entwickelt, kann ihre Haltung in Teilen nachvollziehen. „Politiker fürchten den Wählerfrust und Unternehmer treffen auf Blockadehaltung ihrer Mitarbeitenden – so kann oftmals der Transporter nicht durch das Lastenrad ersetzt werden“, sagt er. Obwohl Studien zeigen, dass es in den Innenstädten, auf kurzen Distanzen und vollen Straßen, die bessere Wahl sei. „Es fehlen häufig das Wissen und der Mut zum Wechsel“, sagt er. „Und so wird trotz unproportionalem Ressourcenverbrauch und einer Klimakrise wider besseres Wissen an der Vergangenheit festgehalten.“
Allerdings gibt es auch Vorreiterstädte wie Hamburg, die es bereits anders machen. Dort sind seit Jahren in der Innenstadt rund um den Jungfernstieg Lastenräder statt Transporter unterwegs. Für Politikerinnen, den Einzelhandel und Zustellerinnen ist das Lastenrad dort eine echte Alternative.
Damit Spott und Häme der Konservativen aufhören, muss das Lastenrad seinen Exotenstatus verlieren. „Wenn die Medien nicht mehr über den ‚exotischen’ Bestatter berichten, der den Sarg mit dem Lastenrad zur Beerdigung bringt, ist die Wende geschafft“, sagt Riegel.
Um das zu erreichen, braucht das Lastenrad laut Riegel aber deutlich mehr Reichweite und mehr Berührungspunkte mit der Bevölkerung. Gäbe es noch „Wetten, dass …?“, könnte eine absurde Wette mit dem Lastenrad als Hauptdarsteller helfen. „Oder ein Auftritt im nächsten James Bond, wenn Bond mit der Heldin in der Transportbox den Schüssen der Verfolger entkommt“, sagt er.
Aber trotz aller politischen Debatten zeigt der Blick in die Statistik: Das Lastenrad rollt langsam, aber stetig Richtung Mitte der Gesellschaft. Fast jeder fünfte Deutsche (17 Prozent) zwischen 14 und 69 Jahren zieht zumindest den Kauf eines solchen Rads in Betracht. Laut dem Fahrradmonitor 2023 des Sinus-Instituts ist das Interesse im „konservativ-gehobenen Milieu“ sogar größer als im „neo-ökologischen Milieu“. Also die Gruppe, die konservative Politiker*innen wie Merz und Söder eigentlich ansprechen und deren Interessen sie vertreten wollen.
Vielleicht kutschiert Ministerpräsident Söder in ein paar Jahren in einem Wahlwerbespot die Enkelkinder im Lastenrad durch die bayerische Natur. Spätestens dann ist das Lastenrad in der Bevölkerung angekommen.


Illustrationen: stock.adobe.com – Hilbrand Bos

Ai Iga kommt aus Japan, hat aber eine Zeit lang in Deutschland gelebt. Ihre Erfahrungen machen deutlich, welche groben und feinen Unterschiede es in der Fahrradkultur der weit entfernten Länder gibt.

(erschienen in VELOPLAN, Nr. 03/2025, September 2025)


Anfang des Jahres hat die European Cyclists’ Federation (ECF) bekannt gegeben, dass die jährliche Velo-city im Jahr 2027 erstmals in Japan stattfinden wird. Die Präfektur Ehime auf der Insel Shikoku muss sich nun auf eine der weltweit größten Radverkehrskonferenzen vorbereiten. Nach Taiwan (2016) kommt die Velo-city damit zum zweiten Mal nach Asien und verlässt nach Rio de Janeiro (2018) Europa erneut. Doch welche Rolle spielt das Fahrrad im Alltagsleben der Japaner*innen? Um diese Frage zu beantworten, hilft schon ein Blick nach Düsseldorf. Dort gibt es einen linksrheinischen Stadtteil, in dem man stellenweise glauben könnte, in Japan zu sein. Dort finden sich japanische Kindergärten, Schulen, Supermärkte, Ärzte und ein buddhistischer Tempel. Die zu einem großen Teil japanischen Anwohnerinnen legen ihre Wege zwischen dieser Infrastruktur und ihren Wohnungen zurück. Mittlerweile gehört das zum typischen Bild dieses Stadtteils.
Die etwa 15.000 Menschen umfassende japanische Gemeinde in Düsseldorf hat eine lange Geschichte. Nach dem Zweiten Weltkrieg kamen viele Japaner*innen wegen des wirtschaftlichen Wachstums an den „Schreibtisch des Ruhrgebiets“ und eröffneten dort ihre Unternehmensstandorte für Europa. Seitdem wurde Stück für Stück diese Infrastruktur für den täglichen Bedarf der Expats aufgebaut. Noch heute ist sie die Grundlage dafür, dass japanische Expats mit ihren Familien für eine oft begrenzte Zeit dort leben können. Eine der Japaner*innen, die ihr tägliches Leben eine Zeit lang in Düsseldorf gestaltet hat, ist Ai Iga. Sie lebte in Düsseldorf mit ihrer Familie, da ihr Ehemann beruflich nach Deutschland versetzt wurde. Während er als Angestellter arbeitete, kümmerte sie sich um den Haushalt und ihre drei Kinder. Ihr Partner fuhr mit seinem Dienstwagen zur Arbeit. Sie hingegen legte komplexe Wege im „Little Tokyo“ Düsseldorfs mit ihrem Fahrrad zurück, das sie aus Japan mitgebracht hatte. Es handelte sich um ein „Mamachari“-Rad, das in Japan das gängigste Fahrrad für den Alltag ist. Es ist vergleichbar mit dem in den Niederlanden beliebten „Omafiets“.

Der Radtyp Mamachari ist in Japan beliebt. Ihn machen die kleinen Laufräder, die aufrechte Sitzposition und der große Korb aus.

Die Fahrradviertel Japans

Ai Iga ist in den 1980er-Jahren in einer Stadt der Präfektur Osaka aufgewachsen. Im Alter von fünf oder sechs Jahren, so schätzt sie, lernte sie das Fahrradfahren direkt vor ihrem Haus. Dabei wurde sie wie viele andere Kinder in ihrer Nachbarschaft von ihren Eltern unterstützt. Seitdem erweitert das Fahrrad ihren Handlungsspielraum.
Der Radverkehrsanteil in Japan liegt bei 13 Prozent und damit über dem vieler anderer Länder, aber unter dem Anteil der Spitzenreiter Niederlande und Dänemark. Die alltägliche Fahrradkultur wurde durch die Motorisierung fast überall zerstört, aber in diesen Ländern überlebte sie zusammen mit dem alltäglichen Fahrradtyp, der auf dem britischen Roadster basiert. Die Niederlande und Dänemark investierten massiv in die Radverkehrsinfrastruktur und erreichten so Radverkehrsanteile von über 25 Prozent. In Japan ist dies (noch) nicht passiert, doch es gibt dort sogenannte Fahrradviertel, die zu dem relativ hohen Radverkehrsanteil beitragen.
Diese „Fahrradviertel“ sind keine Ergebnisse bewusster Planungen, sondern eher zufällig entstanden. Japanische Wohngebiete in städtischen Räumen entwickelten sich historisch meist rund um Bahnhöfe. Die für den Alltag wichtigen Einrichtungen befinden sich in der Nähe des Bahnhofs oder innerhalb eines Viertels, das man in etwa 15 Minuten mit dem Fahrrad erreichen kann. Igas Gewohnheit, das Fahrrad als Hauptverkehrsmittel zu nutzen, stammt genau aus solchen Verhältnissen, die im weitesten Sinne einer 15-Minuten-Stadt entsprechen. Das lässt sich auch daran erkennen, dass sie ihre Fahrten mit dem Rad meist in Minuten beschreibt, nicht in Kilometern.

Der Radverkehrsanteil Japans liegt bei 13 Prozent. Seit 1970 ist Radfahren auch auf dem Fußweg erlaubt. In vielen japanischen Städten gibt es eher zufällig entstandene Fahrradviertel, in denen der Alltag sich mit kurzen Wegen unter 15 Minuten bestreiten lässt.

Ein Fahrrad im Container

Die Japanerin ist schon immer gern Fahrrad gefahren, erst zur Schule und später auch zur Arbeit. Während ihrer Zeit auf der weiterführenden Schule pendelte sie zunächst mit der Bahn, stellte später aber komplett auf das Fahrrad um, da dies für sie zeiteffizienter war.
Igas Partner war bereits ein halbes Jahr vor ihr in der damals neuen Heimat Düsseldorf angekommen – ohne Fahrrad. Aufgrund seiner Einschätzung, dass die flache Stadt sich zum Radfahren eigne, traf sie die Entscheidung, ein Rad aus Japan mitzubringen.
Nach der Geburt ihres zweiten Kindes hatte Iga ein „Mamachari“-Rad mit elektrischer Unterstützung erworben. An diesen Moment erinnert sie sich gern. Das E-Mamachari wurde zum neuen Eckpfeiler ihrer Mobilität, mit dem sie ihre beiden Kinder transportieren konnte. Nach Deutschland nahm sie das Rad nicht mit, da die Lithium-Ionen-Batterie nicht mit dem Schiff transportiert werden durfte. Stattdessen ließ sie ein unmotorisiertes Mamachari-Rad in den Container laden, um vor Ort gleich mobil sein zu können. Bis zu ihrer Abreise in Japan wenige Monate später nutzte sie dort noch das E-Bike. Die technischen Besonderheiten ihres Mamachari-Rads: kleine Laufräder, der große Korb und die verlässliche, für Japan ungewöhnliche Rücktrittbremse.

Über den Rhein und zurück

In ihrem Umfeld in Japan genoss Ai Iga den Ruf, sehr schnell mit dem Rad unterwegs zu sein. In Deutschland hingegen wurde sie oft überholt, erzählt die Japanerin. In Düsseldorf musste sie mitunter längere Wege auf sich nehmen als in Japan, zog das Rad aber dennoch gegenüber U-Bahn und Co. vor, insbesondere um einzukaufen. Sie könne klare Unterschiede Fahrradfahren zwischen Japan und Deutschland feststellen, meint Iga. Hier habe sie genauer auf Verkehrsregeln geachtet als in Japan und fühle sich Radfahrerin im Straßenverkehr mehr wahrgenommen und respektiert.
Als Folge der Motorisierung und des „Verkehrskriegs“ in Japan wurde das Fahrradfahren auf dem Gehweg mit der Novelle des Straßenverkehrsgesetzes von 1970 offiziell als Option genehmigt. Im gleichen Jahr wurde ein weiteres Gesetz bezüglich der Radverkehrsanlagen beschlossen, das ein Schlüssel sein könnte, um Japan auf den Weg zum Fahrradland wie die Niederlande zu bringen. Das ist jedoch bislang nicht geschehen. Der geschützte Radverkehrsraum führte dazu, dass das Radfahren zunahm und die Zahl der im Straßenverkehr getöteten Radfahrenden im Jahr 1980 im Vergleich zu 1960 halbiert wurde. Dennoch drängt die Priorisierung des fließenden Autoverkehrs die Radfahrer*innen weiterhin mit Fußgänger*innen in einem engeren Raum zusammen.
Im deutschen Radverkehrsraum fühlte Iga sich befreit, auch wenn sie manchmal unklare Situationen auf dem Rad erlebte. Sie habe versucht, möglichst das gute Radfahrverhalten der Düsseldorfer*innen nachzuahmen, etwa beim Handzeichen geben.
Im März dieses Jahres ist Iga mit ihren drei Kindern nach Japan zurückgekehrt, um ihrem ältesten Kind dort den Besuch der weiterführenden Schule zu ermöglichen. Ihr Mann bleibt noch etwas länger alleine in Deutschland. Iga hat ihr Fahrrad in Deutschland bis kurz vor der Abreise weiter benutzt und es dann der nächsten Expat-Familie überlassen. Nach ihrer Ankunft in Japan hat sie sich sofort ein neues Fahrrad gekauft. Was sie als Radfahrerin in Deutschland erlebt hat, sagt Iga, werde sie so schnell nicht vergessen.


Bilder: Wakako Obata

(erschienen in VELOPLAN, Nr. 03/2025, September 2025)


Wer Prozesse vereinfacht, spart bares Geld

In vielen Unternehmen werden Benefits und betriebliches Mobilitäts-Management noch immer über eine Vielzahl einzelner Systeme organisiert. Ein Anbieter für das Deutschlandticket, ein weiterer für Weiterbildungsbudgets, dazu eigene Prozesse für Reisekosten oder Gesundheitsangebote. Das Ergebnis sind fragmentierte Abläufe, hoher Abstimmungsaufwand und eine unklare Kostenkontrolle. Studien zeigen, dass gerade im administrativen Bereich erhebliche Effizienzpotenziale bestehen, wenn Prozesse zusammengeführt werden.

Zentralisierung reduziert Kosten und erhöht Steuerbarkeit

Mit fast2work lassen sich Mobilitäts-, Weiterbildungs-, Gesundheits- und Ausstattungsbudgets sowie Reisekosten und Sachbezüge in einem integrierten System abbilden. Unternehmen erhalten damit eine 360-Grad-Sicht auf ihre Benefit-Strategie. Die zentrale Datenbasis ermöglicht ein stringentes Controlling, konsistente Kennzahlen und eine verbesserte Budgetallokation. Entscheidungen können schneller, datengetrieben und auf Basis valider KPIs getroffen werden.

fast2work bietet Mobilitäts-, Weiterbildungs-, Gesundheits- und Ausstattungsbudgets sowie Reisekosten und Sachbezüge in einem integrierten System an.

Automatisierung ersetzt Routinetätigkeiten

Ein exemplarischer Business Case sind das betriebliche Mobilitäts-Management und das Reisekosten-Management. KI-gestützte Belegverarbeitung eliminiert manuelle Prüfschritte, reduziert Fehlerquoten und senkt die Durchlaufzeit pro Vorgang signifikant. Der Return on Investment ergibt sich aus eingesparten Arbeitsstunden, reduzierten Prozesskosten und einer optimierten Compliance. So werden Mitarbeitende in der Administration entlastet und können Kapazitäten auf wertschöpfende Tätigkeiten verlagern.

Transparenz erhöht Steuerungsfähigkeit

Wirtschaftlichkeit entsteht nicht allein durch effiziente Prozesse, sondern vor allem durch eine verlässliche Datenbasis und klare Steuerbarkeit. Wer Budgets zentral bündelt, schafft die Grundlage für konsistentes Controlling, bessere Forecasts und eine präzisere Kostenallokation. Unternehmen gewinnen damit Planungssicherheit, können Mittel gezielter einsetzen und Risiken in der Budgetsteuerung signifikant reduzieren.

Mehr als ein Benefit. Ein Steuerungsinstrument

Budgets und Benefits sind längst nicht mehr nur Instrumente der Mitarbeitendenbindung. Richtig eingesetzt, werden sie zu einem Steuerungshebel im Unternehmen. Weiterbildungs-Budgets fördern gezielt die Skill-Entwicklung, Gesundheits-Budgets können die Produktivität erhöhen und Mobilitäts-Budgets zahlen auf Nachhaltigkeitsziele sowie Employer Branding ein. Die zentrale Plattform ermöglicht es, diese Effekte sichtbar zu machen, Benchmarks zu setzen und eine klare ROI-Argumentation im Management vorzulegen.

Fazit

Die Bündelung von Benefits und Budgets auf einer Plattform ist ein Hebel zur Steigerung von Effizienz und Wirtschaftlichkeit. Unternehmen reduzieren Prozesskosten, erhöhen Transparenz und stärken ihre strategische Steuerungsfähigkeit. fast2work bietet dafür ein skalierbares, zukunftssicheres System, das Insellösungen ersetzt und einen klar messbaren Mehrwert im Unternehmensalltag generiert.


Bilder: Fast2Work GmbH

Mehr Informationen: https://www.fast2work.de/