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„Das Fahrrad ist einer der Gamechanger in der betrieblichen Mobilität“

Andreas Hombach ist als Projektreferent beim IHK-Netzwerkbüro Betriebliche Mobilität NRW (IHK BEMO) für die Weiterbildung zuständig. Im Interview mit Veloplan gewährt er Einblicke in die Lehrgänge und kommentiert die aktuelle Dynamik in der betrieblichen Mobilität. Unternehmen und Kommunen, so findet Hombach, müssten enger zusammenarbeiten.

(erschienen in VELOPLAN, Nr. 03/2025, September 2025)


Welche Rolle spielen Arbeitgeber Ihrer Einschätzung nach bei der Mobilitätswende?
Andreas Hombach: Aus meiner Sicht haben Arbeitgebende da eine absolut wichtige Rolle. Alleine die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte machen rund ein Fünftel des gesamten Personenverkehrs in Deutschland aus. Auf der anderen Seite haben auch Dienstreisen einen hohen Anteil – für weit über die Hälfte aller Dienstreisen wurde zuletzt das Auto genutzt. Wenn man das alles kumuliert und dann noch das Thema Logistik und Fuhrpark hinzunimmt, ist das ein ganz bedeutsamer Punkt.

Sind die Arbeitnehmer*innen ihren Arbeitgebern voraus und fordern bestimmte Angebote ein? Oder nehmen eher die Arbeitgeber eine leitende Funktion ein?
Zum einen kann man als Arbeitgeber Bedarfe wecken, zum anderen geht es um das Thema Motivation. Man sagt ja allgemein: „Wer Straßen baut, wird Verkehr ernten.“ Das kannst du eigentlich auch auf das Mobilitäts-Management übertragen. Wenn Unternehmen eine motivierende Fahrradinfrastruktur schaffen, durch Duschen, Reparaturstationen, entsprechende Aktionen und nah gelegene, sichere und witterungsgeschützte Abstellanlagen und andere Dinge, wird das dazu führen, dass immer mehr mit dem Fahrrad zur Arbeit kommen. Auch für andere Verkehrsformen gibt es gute Beispiele. Wenn ich meinen Mitarbeitenden eine Ladeinfrastruktur zur Verfügung stelle, unterstützt das natürlich auch die Antriebswende.
Generell gibt es im betrieblichen Mobilitäts-Management drei Möglichkeiten, Verkehre zu verändern. Das ist zum einen das Verlagern, zum Beispiel vom Pkw auf den Umweltverbund, also Fahrrad, ÖPNV und Bahn, dann das Verhindern von Verkehren, zum Beispiel durch umfassende Homeoffice-Regelungen und Videocalls statt Präsenzterminen, und der dritte große Bereich ist, Verkehr zu verbessern. Das kann zum Beispiel bedeuten, Fahrgemeinschaften zu bilden, anstatt sich allein ins Auto zu setzen. Es ist äußerst wichtig, dass Unternehmen erste Schritte machen. Von den Mitarbeitenden geht erfahrungsgemäß leider selten die Bereitschaft zur Veränderung aus. „My home is my castle“ gilt auch beim Auto.

Die Mitarbeiter*innen fordern also zu wenig ein?
So pauschal kann man das auch nicht sagen – es hängt auch vom Umfeld ab. In Köln oder anderen Großstädten Deutschlands ist es schon so, dass Mitarbeitende sich ihren Arbeitgeber danach aussuchen, wie die Infrastruktur vor Ort ist. Da haben ganz viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer überhaupt kein Auto. Der ÖPNV vor Ort ist aber häufig überlastet und teilweise auch aus anderen Gründen nicht zumutbar. Hier nehmen dann aber viele von sich aus das Fahrrad.

Mobilität verlagern, verhindern oder verbessern: Andreas Hombach von IHK BEMO hat als Projektreferent alle drei Ansätze des betrieblichen Mobilitäts-Managements im Blick.

Auf der Website von IHK BEMO erklären Sie, dass nachhaltigebetriebliche Mobilität Nutzen für das Unternehmen und Vorteile für Mitarbeitende bietet. Woran kann sie dann überhaupt scheitern, wenn beide Seiten profitieren?
Das ist relativ einfach erklärt: Meistens liegt es an der Unwissenheit, welche Vorteile ein Wechsel der Mobilität hat. Fürs Unternehmen liegt eigentlich auf der Hand, dass man dadurch mit den Verkehren effizienter wird und etwa durch eine Reduktion oder bessere Auslastung des Fuhrparks sogar Kosten spart, auch wenn es etwas Aufwand ist, ein entsprechendes Konzept für betriebliche Mobilität einzuführen.
Auch die Gesundheit der Mitarbeitenden liegt im Interesse der Unternehmen. Mitarbeitende, die Fahrrad anstatt ÖPNV oder Auto fahren, sind statistisch gesehen gesünder, weil sie an der frischen Luft sind, das Herz-Kreislauf-System stärken und die Wirbelsäule bewegen. Das ist natürlich auch für die Mitarbeitenden selbst super. Und auch sie können Kosten und teilweise auch Zeit einsparen.

Ich unterstelle Ihnen als Anbieter des Lehrgangs „Betriebliches Mobilitäts-Management“ (BMM) mal, dass eine so ausgebildete Person der Best Case für Unternehmen ist, um ihre Mobilität zu transformieren. Wie verbreitet ist diese berufliche Tätigkeit in Deutschland?
Entscheidend ist erst mal, dass das Unternehmen erkennt, wie wichtig das ist und welche Vorteile es hat. Wir haben einen erheblichen Anteil an Kleinst- und Kleinunternehmen in Deutschland. Da wird es schwer möglich sein, eine bestimmte Person für das Mobilitäts-Management zu benennen. Das läuft dann nebenher. Alternativ kann man mit externen Dienstleistern das Thema bespielen. Bei mittelständischen und großen Unternehmen sieht das ganz anders aus. Sie sparen Kosten, wenn sie die Rolle selbst besetzen, und sind viel effizienter. Jemand im Unternehmen kennt die Bedarfe sehr viel besser als jemand, der erst hinzukommt von außen. Aber die Person muss auch entsprechend Zeit und Mittel zur Verfügung haben.

Aus welcher Position heraus und mit welchem beruflichen Hintergrund kommen Menschen zu Ihnen in den Lehrgang?
Die Motivation ist vollkommen verschieden. Es gibt welche, die das Thema von der Geschäftsleitung zugeschoben bekommen haben. Viele kommen aber aus intrinsischer Motivation und haben die Geschäftsleitung davon überzeugen können, dass das Thema wichtig ist. Sie kommen aus den verschiedensten Unternehmensbereichen, zum Beispiel aus dem Personal-Management, der Geschäftsleitung, der Beschaffung, der Nachhaltigkeit oder der Logistik.

Wie verankert man das betriebliche Mobilitäts-Management am besten in einem Unternehmen und warum ist das so wichtig?
Die Verankerung ist deshalb so wichtig, weil man das Ganze dadurch verstetigt. Betriebliches Mobilitäts-Management ist ein fortlaufender Prozess. Teil einer ISO-Zertifizierung, die das Unternehmen einleitet, muss es vielleicht nicht unbedingt sein. Das Thema muss aber so verankert sein, dass man es im Intranet und in Aushängen wiederfindet, dass es Informationsveranstaltungen und eine fortlaufende Evaluation gibt. Man muss die Maßnahmen immer wieder prüfen und gegebenenfalls überarbeiten.
Ganz wichtig ist auch, erst mal die Bedürfnisse der Mitarbeitenden zu hinterfragen. Das macht man idealerweise durch eine Beschäftigtenbefragung. Dabei stellt man fest, wie aktuell der Stand ist. Durch Fluktuation und Veränderungen im Unternehmen ändert sich das immer mal. Alle zwei, spätestens drei Jahre ist es erforderlich, die Befragungen zu wiederholen, miteinander zu vergleichen und das Konzept an die aktuellen Bedingungen anzupassen.

„Beim kooperativen Mobilitäts-Management probiert man, möglichst viele Stakeholder an einen Tisch zu bekommen und das Thema gemeinsam anzugehen.“

Andreas Hombach, IHK BEMO

Arbeiten Sie in den Lehrgängen mit konkreten Positivbeispielen aus der Praxis?
Der Lehrgang hat ein festgeschriebenes Currikulum, das wir den externen Referent*innen mitgeben. Diese Inhalte müssen vermittelt werden, wie das dann läuft, ist denen überlassen. Hier hat es sich etabliert, dass häufig Best-Practice-Beispiele in den Lehrgang integriert werden. Dort, wo die Lehrgänge stattfinden, gibt es meist schon Unternehmen, die Mobilitätskonzepte implementiert haben. Es ist dann durchaus üblich, diese Unternehmen zu besuchen oder sich eine Person aus dem Unternehmen einzuladen. Es kommt ohnehin immer wieder vor, dass Unternehmen uns von ihren Erfolgen berichten. Aber es gibt eine Herausforderung: Kein Unternehmen ist wie das andere. Es macht auch einen großen Unterschied, ob man ein Unternehmen im ländlichen oder städtischen Raum hat. Die Konzepte der Unternehmen sind in der Regel nur bedingt miteinander vergleichbar.

Welche Rolle spielt das Fahrrad in der betrieblichen Mobilität?
Das Fahrrad ist einer der Gamechanger in der betrieblichen Mobilität. Das liegt einfach daran, dass ein Großteil der Mitarbeitenden in einem Umkreis von 10 bis maximal 15 Kilometern von ihren Arbeitgebern entfernt wohnt. Weitpendlerinnen und -pendler sind eher die Ausnahme. Deshalb muss man nur noch dafür sorgen, dass die Menschen entsprechend gute Wege vorfinden. Da ist kooperatives Mobilitäts-Management mit den Kommunen gefragt. Man kann in den Kommunen durchaus etwas anstoßen, wenn man etwa einen sicheren Radweg ins Gewerbegebiet braucht.

Was verstehen Sie unter kooperativem Mobilitäts-Management?
Wir sind bisher immer auf einzelne Unternehmen zugegangen und haben versucht, mit denen das betriebliche Mobilitäts-Management vor Ort zu verbessern. Dabei hat sich herausgestellt, dass kein Unternehmen für sich allein besteht. Es gibt viele Stakeholder: die Beschäftigten selber, die Kommunen und benachbarte Betriebe. Also probiert man beim kooperativen Mobilitäts-Management, möglichst viele dieser Stakeholder an einen Tisch zu bekommen und das Thema gemeinsam anzugehen. Nehmen wir als Beispiel das Bike-Sharing: Wenn du mehr als ein Unternehmen in einem Gewerbegebiet hast, das Potenzial für ein Bike-Sharing-System sieht, dann wird sich ein Sharing-Unternehmen deutlich leichter tun, dies auch anzubieten. Das ist kooperatives Mobilitäts-Management. Die Beratung verlagert sich aktuell weg von Einzelunternehmen, das ist eher im Nachgang wichtig, um die spezifischen Herausforderungen des Unternehmens noch mal unter die Lupe zu nehmen. Hin geht es zu Gewerbegebietsgesprächen. Das machen wir in Nordrhein-Westfalen häufig mit unseren Partnern: Zukunftsnetz Mobilität für die Kommunen und Mobility Hub des Handwerks für die Handwerksbetriebe.

Wie ist die Stimmung in den Betrieben, wenn es darum geht, die Mobilität weiterzuentwickeln?
Die Nachfrage der Unternehmen zum Thema Nachhaltigkeit geht nachweislich überall zurück. Im Bereich des BMM merken wir das an rückläufigen Anmeldungen für unsere Zertifikatslehrgänge. Früher hatten wir teilweise Kurse, die wir schließen oder bei denen wir Teilnehmer an andere Stellen verweisen mussten. Fragt man nach – und das gilt generell für den Bereich Nachhaltigkeit – hört man: „Ja, das ist wichtig, aber wir haben zurzeit andere Herausforderungen.“ Damit ist zum einen die Kostensituation gemeint, die viele Unternehmen gerade prägt. Aber es ist auch die Verunsicherung durch verschiedene kaum beeinflussbare Faktoren gemeint, etwa der Ukraine-Krieg oder die Zoll-Politik, aber auch die Rücknahme von eigentlich bereits vereinbarten Nachhaltigkeitszielen oder -regulatorien auf EU-Ebene.

An welchen gesetzlichen Stellschrauben müsste dringend gedreht werden?
Aus meiner Sicht macht es keinen Sinn, dass die Politik Themen aus den Bereichen Klimaschutz und Nachhaltigkeit wieder infrage stellt, für die es eigentlich einen Konsens gab. Unternehmen brauchen vor allen Dingen Klarheit. Die Bereitschaft zur Transformation ist in der Gesellschaft und in den Unternehmen da. Aber man darf nicht immer wieder alles infrage stellen oder aufschnüren und doch wieder verkomplizieren, sondern muss tatsächlich auch mal umsetzen.


Bilder: www.racktime.com – pd-f, IHK BEMO