Hotel-Service rund um Fahrradmobilität: Unterkunft und Mobilität im Paket
Die Idee von Hotelbetreibern, zusätzlich zur Unterkunft spezielle Service-Leistungen für Radfahrende anzubieten, ist nicht ganz neu. Auch Angebote in Form von Leih-E-Bikes setzen sich heute immer mehr durch. Das Angebot diversifiziert sich, die Strukturen zwischen Hotel und Verleiher ebenso.
(erschienen in VELOPLAN, Nr. 01/2025, März 2025)
Es ist naheliegend für ein Hotel, Mobilitätskonzepte vor Ort anzubieten – egal ob die Gäste von außerhalb Urlauber*innen oder Business-Reisende sind. Für die Gäste sind E-Bike-Verleih und Co. zusätzliche Services, die bei einer Urlaubsreise nicht nur Nahmobilität ermöglichen. Sie können auch Event-Charakter haben und zum Beispiel die ersten Erfahrungen auf einem E-Bike bieten.
Viel Service für die E-Bike-Gäste
„In einem hart umkämpften Markt kann ein E-Bike-Verleih das entscheidende Alleinstellungsmerkmal sein, das Gäste dazu bewegt, sich für ein bestimmtes Hotel zu entscheiden. Es zeigt, dass das Hotel modern und zukunftsorientiert denkt und den Wünschen seiner Gäste nach mehr Mobilität und Aktivität nachkommt“, so ein Beitrag in einem Portal für die Hotel- und Tourismusbranche.
Das Landhotel Gasthof Cramer im sauerländischen Hirschberg nicht weit von Warstein vermietet E-Trekkingräder für Ausflüge oder um vor Ort mobil zu sein. Vor allem aber bietet es Service für Radwanderer und Radsportlerinnen, etwa abschließbare Unterkünfte, Reparaturmöglichkeit, Radkarten, Sportlerfrühstück und mehr. Fahrradverleihe in Hotels im städtischen Umfeld sind seltener. Der Wettbewerb der öffentlichen Sharing-Anbieter im City-Bereich ist stark. radelfreundliche Unterkünfte bieten lieber gesammelten Komfort für solche Reisende, die schon mit dem Fahrrad anreisen, wie etwa das Hotel Maingau mitten in Frankfurt. Dort gibt es sogar Bike-Pauschalangebote: vier Tage Frankfurt mit dem Fahrrad erkunden mit komplettem Service rund um Fahrrad und Fahrerin. Nur das E-Bike ist nicht im Preis enthalten. Im Zusammenhang mit dem Allgemeinen Deutschen Fahrradclub ADFC bietet das Hotel sogar geführte Touren an.

Nachhaltigkeit und Mobilität passen auch im Urlaub bestens zusammen. Wenn das Fahrrad dann noch etwas Außergewöhnliches ist, haben alle Seiten etwas davon.
So nachhaltig wie ungewöhnlich
Für Hotels kann es auch Anreiz sein, auf den Verleih spezieller Räder zu setzen und seinen Gästen damit Außergewöhnliches zu bieten. Auf dieser Idee fußen die Kooperationen von My Boo, einem Hersteller von Bambusfahrrädern mit rund 20 Partnerhotels. „Wir sind seit etwa sieben Jahren in diesem Bereich aktiv“, erzählt Antonia Schmidt aus dem Marketing des Unternehmens „Wir arbeiten vor allem mit Hotels in der Nord- und Ostsee-Region zusammen, gerne solche mit Bio-Ausrichtung. Die haben nicht nur Interesse an der Mobilität der Gäste, sondern auch Ansprüche an ihre Nachhaltigkeit. Dazu passt ein nachhaltig hergestelltes Bambusfahrrad ganz gut.“
Grundsätzlich mieten die Hotels die Räder bei My Boo selbst. Je nach Ausrichtung des Hotels sind die Radleihen in den Zimmerpreis inkludiert oder die Gäste zahlen separat. Für die Wartung ist My Boo zuständig: „Wir haben einen Mechatroniker, der für Wartung oder Reparaturen vorbeikommt“, so Schmidt.
Natürlich stecke hinter den Kooperationen auch die Idee, die Bambusräder und -E-Bikes auf der Straße sichtbar zu machen „und die My-Boo-Story zu erzählen“, ergänzt Schmidt.
„Jeder Hotelgast bekommt ein E-Mountainbike oder Mountainbike gratis gestellt.“
Torsten Kürbis, Sporthotel K1
Die Monster vom Berg
Hotelbesitzer Torsten Kürbis im sächsischen Oberwiesenthal hat 2005 mit dem Fahrradverleih angefangen. Die Zielgruppe: Schulklassen auf Klassenfahrten. Mittlerweile hat er in seinem Sporthotel K1 „den Verleihgedanken professioneller umgesetzt“ und einen Gast-raum im Betrieb zum Ski- und Bike-Verleih umgebaut. Heute, nach 18 Jahren, kann er 40 Räder anbieten. 30 davon sind E-Mountainbikes, 10 Mountainbikes ohne Motor.
„Um das Thema Bike noch besser zu platzieren, sind wir seit diesem Jahr ein „Bike inklusive Hotel“, erzählt Kürbis. „Jeder Hotelgast bekommt ein E-Mountainbike oder Mountainbike gratis gestellt.“ Für Radfahrerinnen, die ihr Bike mitbringen, gibt es unter anderem kostenlose Bike-Depot-Schränke. Dort können Fahrräder und E-Bikes auf kleinem Raum verstaut werden. Etwa 70 Prozent der Urlauberinnen nutzen hier ein E-Bike. „Trotzdem ist das Thema Radverleih hier derzeit eher Liebhaberei“, so Kürbis, „und nicht gleichwertig zum Wintergeschäft.“ Doch man muss Ersatz finden, denn der Klimawandel sorgt für einen Rückgang der Ski-Geschäfte. „Es fehlt ein Bikepark oder mehr ansprechende Trails“, erklärt er. Im eigens geschaffenen örtlichen Verein Ambition 2030 e.V. wird das Projekt „Fichtelberg 2030“ vorangetrieben. Unter anderem sollen familienfreundliche Single-Trails angelegt werden.
Als perfekte Sommerergänzung für Wintersporthotels sieht er die sogenannten Monsterroller an: Tretroller mit SUV-breiten Reifen, mit denen man, in Kombi mit der Bergbahn, verschiedene Waldwegstrecken vom Fichtelberg hinunterrauscht. Kürbis produziert die grünen, vom TÜV getesteten Bergabmonster mittlerweile selbst. Vor allem für Teamevents kaufen touristische Einrichtungen die Roller, die neben dem Design einfaches Handling und leichte Bedienbarkeit bieten sollen – „das Richtige auch für Familien.“

Wer sein Fahrrad mitbringt, bekommt im Sporthotel K1 einen Bike-Depot-Schrank. Dieser Schutz von Rad und Ausrüstung ist inklusive.
Der Leih-Verleiher
Oft aber werden die Leihräder vom Hotel selbst auch nur geliehen. Auf dieses Angebot spezialisiert hat sich das österreichische Unternehmen Kalevo. „Wir verleihen auf Saisonbasis“, erklärt Bernhard Mildner, Gründer und Geschäftsführer. Die Hotels leihen die Räder zu monatlichen Festpreisen von 110 Euro – die „Flatrate“ für Rad plus Ladegerät. Für 50 Euro mehr gibt es für das Hotel Service- und Reparaturleistungen dazu. Ist der Hotelpartner in der Region, werden diese dann vom Kalevo-Personal durchgeführt. Ab einer gewissen Entfernung greift man auf Werkstattpartner zurück. Nach zwei Saisons werden die Räder (zu 90 Prozent Mountainbikes) aus dem Verleihpool genommen und generalüberholt an Privatpersonen verkauft.
Pro Saison hat Kalevo rund 1000 Räder im Verleih. Etwa die Hälfte gehen an Hotels, die andere Hälfte an den verleihenden Sportfachhandel. Dabei sind die Partnerhotels zwar bunt gemischt, aber „eher ab vier Sterne aufwärts“, wie Mildner die Klientel definiert. Auch wenn die Geschäfte laufen, nehme man tendenziell einen Rückgang wahr. Während der Pandemie kauften sich viele Menschen selbst E-Bikes, auch für den Urlaub, erklärt er. Die Leihe auch auf andere Fahrzeuge wie etwa Scooter erweitern? Davon hält Mildner nichts, da ihn automatisierte Verleihstationen für den touristischen Bereich nicht überzeugen: „Der Kunde achtet wenig auf den Mietgegenstand, mangelnder Ladezustand oder Defekt kümmern ihn wenig, er kann ja bei Bedarf ein anderes Fahrzeug nehmen. Ich bin ein Fürsprecher von Verleih mit Menschen“, sagt er.
App statt Personal
Anders läuft es beim Sharing-Anbieter MietOn. Hier ist das Leihen komplett appbasiert. Sowohl für Städte als auch für Hotels stellt MietOn Fahrradleihflotten bereit. Unter Letzteren gehören vor allem Ketten zu den Partnern des in Dresden ansässigen Unternehmens. Derzeit läuft allerdings eine Umstrukturierung, die das komplette System betrifft: Durch die Fusion mit dem ebenfalls in Dresden zentral agierenden Verleihsystem RollOn, das ebenfalls Räder ohne Unterstützung verleiht, aber ohne App arbeitet, könne man derzeit keinerlei Angaben über die strukturelle Zukunft des entstehenden Unternehmens machen. Auch hieran sieht man: Der Markt ist in Bewegung.

Man muss das Leih-Angebot auffällig postieren und präsentieren, sonst nehmen Gäste es kaum wahr, so das Hotel Diehl in Koblenz.

Evhcle For You bietet breit angelegte Sharing-Lösungen an. Dazu arbeitet das Unternehmen schon in der Planungsphase mit Gemeinden und Bauherren zusammen.
Vom Hotel in die Quartiere
Zwei Hotelkunden betreut der Sharing-Komplettanbieter Evhcle For You GmbH derzeit, erklärt Richard Kemmerzehl, Geschäftsführer des 2019 von ihm gegründeten und E-Vehicle ausgesprochenen Unternehmens. „Es ist bemerkenswert, dass bislang wenige urbane Hotels den Gästen aktiv Carsharing-, Scooter- oder Bikesharing-Angebote machen. Wir haben festgestellt, dass viele Hotels Mobilität nicht als Teil ihres Gesamtangebots begreifen.“
Einer der Hotelpartner von Evhcle ist das familiengeführte Koblenzer Hotel Diehls. An Bord sind drei Scooter und zwei E-Bikes. „Die müssen gut sichtbar im Eingangsbereich stehen, sonst werden sie nicht wahrgenommen“, erklärt Nils Mehlhorn, Geschäftsführer und Inhaber des Hotels. Die Scooter stammen aus der Evhcle-Flotte, die E-Bikes vom örtlichen Fachhändler. „Die Leih-Infrastruktur der Räder wurde vom E-Bike-Klientel nicht so gut angenommen.“ Die tendenziell ältere Fahrrad-Klientel nutzt ungern Apps und vertraut mehr auf klassische Strukturen wie eine persönliche Ausgabe, so auch die Erfahrung Mehlhorns.
Die E-Bikes werden zu 90 Prozent touristisch genutzt, die Roller stehen eher für Mobilität vor Ort zur Verfügung, etwa zur Fahrt über die Rheinbrücke in die Innenstadt. Mehlhorn würde trotzdem eher die Radflotte erweitern: „Das ist unkomplizierter. Sind keine Scooter verfügbar, greifen die Gäste auch mal zum E-Bike.“ Umgekehrt sei das nicht der Fall. Im Sommer sind etwa 20 Prozent der Gäste E-Bike-Fahrer*innen.
Das Hotel bestimmt die Routenführung
Eine gute Idee hatte Radtouren-Fan Sara Steidinger 2013, als sich die Planung ihrer Tour auf dem Ostseeküsten-Radweg als extrem komplex erwies. Wie die Anfahrt mit der Bahn organisieren? Welche Hotels gibt es entlang des Radwegs, welche sind wirklich fahrradfreundlich – und welche davon haben am Termin noch ein Zimmer frei? Die Marketing-Studentin begann, eine Service-Seite zu basteln. 2020 dann ging die Website „Fahrrad-hotels.com“ online. „Eingestiegen sind wir mit dem Elberadweg“, erzählt Steidinger. „Bald kam die Bahn auf uns zu, sodass man sich jetzt auch die Bahnhöfe entlang der Route anzeigen lassen kann“ – eine große Hilfe in Sachen An- und Abreise und bei Pannen oder Schlechtwetter-Ausfällen.
Zwei Punkte bestimmten darüber, ob die Hotels vom Unternehmen als Partner auf der Internetseite eingetragen werden können: Die Reservierung für nur eine Nacht muss möglich und ein überdachter und abschließbarer Raum für die Fahrradunterstellung vorhanden sein. Dazu kommt eine Partnerschaft mit dem Buchungsservice Booking.com, denn Fahrrad-Hotels finanziert sich durch die Prämien bei der Online-Buchung. Mittlerweile werden 4000 Hotels aufgeführt. Wer über Fahrrad-hotels.com plant, kann jetzt in einer Maske auch seine Tages-Etappenlänge eingeben, sodass angezeigt wird, wo jeweils übernachtet wird – nebst den entsprechenden Unterkünften. Die sind dann für den angegebenen Termin bereits farblich als frei oder belegt gekennzeichnet. „Das nimmt auf jeden Fall den größten Stress bei der Planung“, sagt Steidinger. Fahrrad-hotels.com wurde 2025 der Deutsche Nachhaltigkeitspreis verliehen. Das Projekt zeigt, dass der Schulterschluss zwischen Hotels und Radmobilität weiterhin Bestand hat.

ADFC Bett+Bike: Mehr Service für Radfahrende
Seit 30 Jahren zertifiziert der Allgemeine Deutsche Fahrradclub (ADFC) Hotels, die Service für Radfahrer*innen bieten, unter dem Siegel Bett+Bike. Kriterien sind unter anderem die einzelne Übernachtung, der Trockenraum für nasse Bekleidung oder der Kontakt zu Werkstätten. Außerdem müssen drei weitere Service-Leistungen aus einem Forderungskatalog angeboten werden, das können zum Beispiel ein E-Bike-Verleih, ein Angebot an Fahrradtouren oder ein Lunchpaket sein. „Alles wird aufwendig vom ADFC geprüft“, erläutert Stephan Durant, seit einem Jahr Geschäftsführer von Bett+Bike. „Wir beraten und schulen die Betriebe auch.“ Neu ist die Bike & Sport-Zertifizierung. Eine eher an MTB-, Gravel- und Rennrad-Gästen orientierte Leistung, die wechselnde Tagestouren von derselben Unterkunft aus machen. 4330 Unterkünfte in Deutschland sind heute zertifiziert, 1570 im restlichen Europa. „Wir machen ein Qualitäts-Management“, erklärt Durant. „Und zertifizierte Häuser bekommen meist eine bessere Bewertung!“
Infos: www.bettundbike.de
Bilder: ADFC – PhilippHerfortPhotography,My Boo – Robert Strehler, Sporthotel K1 – Steve Dohle, Diehls, Evhcle For You GmbH, ADFC