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„Man muss am Puls der Zeit bleiben“

Christian Hoffmann ist seit gut zwei Jahren Präsident des Bundesamts für Logistik und Mobilität (BALM). Das Amt befindet sich mitten in einem Wandel zu einer dynamischen und entstaubten Behörde. Ein erklärtes Ziel ist dabei, Fahrradfreundlichkeit ganz nah an der Lebensrealität der Menschen erlebbar zu machen. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 04/2024, Dezember 2024)


Aus dem Bundesamt für Güterverkehr (BAG) wurde im vergangenen Jahr das BALM. Welche Veränderungen gingen mit der Umbenennung einher?
Es war eine Umbenennung, da haben Sie vollkommen recht. Wir haben keine organisationsinternen Umstrukturierungen vorgenommen, sondern haben in den letzten Jahren eine Veränderung der Aufgaben erlebt. Das ist im Bereich unserer Kon-trolldienste, die wir digital und modern weiterentwickeln, genauso festzustellen wie im Bereich der Ahndung, der Maut und der Verkehrswirtschaft, unsere klassischen Tätigkeitsfelder. Aber auch im Bereich des Krisenmanagements, mit welchem wir mit der Beförderung und Verteilung ukrainischer Geflüchteter als ad hoc reagierende Krisenmanagementbehörde durch das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BDMV) beauftragt wurden. Schließlich haben wir mit hoher Geschwindigkeit und Intensität den Bereich der modernen Mobilität ausgebaut. Das BALM ist als zentraler Projektträger zur Förderung des Radverkehrs im Auftrag des BMDV erste Anlaufstelle für viele Fragen zur Finanzierung und Förderung des Rad- und Fußverkehrs, des ÖPNV und betrieblichen Mobilitätsmanagements. So hat der neue Name, der ja auf den Minister zurückzuführen ist, eine neue Strahlkraft, die das gesamte Aufgabenportfolio vollumfänglich abbildet.

„Wir haben in den letzten Jahren eine Veränderung der Aufgaben erlebt.“

Christian Hoffmann, Präsident des Bundesamts für Logistik und Mobilität

Sie selbst sind schon seit 2005 beim BALM und seit gut zwei Jahren dessen Präsident. Was reizt Sie an diesem Aufgabenfeld?
Dass es sich immer dynamisch weiterentwickelt und nie Stillstand herrscht. Man kann daraus eine unheimlich starke Motivation ziehen. Sie gestalten hier mit. Gerade bei den Modellvorhaben und bei den Ideen, auch den längerfristigen kommunalen Investitionen. Wenn Sie da mit der Zeit gehen und Dinge unterstützen können, die dann in der Lebensrealität sichtbar sind und gesellschaftlichen Nutzen bringen, macht das ein Stück weit zufrieden.

Welche Bereiche und Kompetenzen des BALM machen sich denn in der Lebensrealität besonders bemerkbar?
Im Prinzip haben alle Bereiche und Kompetenzen des BALM konkrete Auswirkungen auf die jeweilige Lebensrealität. Wir sind als BAG mit hoheitlichen Überwachungsaufgaben gestartet, die heute so wichtig sind wie früher. Wir sorgen für Verkehrssicherheit auf den Straßen und einen fairen Wettbewerb in einer zunehmend unter Druck stehenden Branche.
Eine moderne, auf die zukünftigen Bedarfe ausgerichtete Mobilität zu fördern, steht ebenfalls für die konkrete Gestaltung von Lebensrealitäten. Wir haben in Köln ja selbst eine Innenstadtlage als Behörde. Viele meiner Kolleginnen und Kollegen kommen mit dem Rad zur Arbeit. Und das unterstützen zu können, dass es sichere, gut ausgebaute, schlaglochfreie Radwege gibt, ist ebenso Ansporn wie zu sagen: Wir fördern Modellvorhaben im Bereich des ÖPNV, die sowohl in den urbanen als auch in den ländlichen Raum ausstrahlen.


„Wenn Sie mit der Zeit gehen und Dinge unterstützen können, die dann in der Lebensrealität sichtbar sind und gesellschaftlichen Nutzen bringen, macht das ein Stück weit zufrieden.“

Christian Hoffmann, Präsident des Bundesamts für Logistik und Mobilität

Viele Fördermaßnahmen des Bundes mit Radverkehrsbezug werden vom BALM verwaltet. Das Amt sorgt mit der Transferstelle und der Förderfibel für etwas Durchblick. Ist die Förderlandschaft Ihrer Ansicht nach zu unübersichtlich?
Zu unübersichtlich ist sie nicht, aber zunehmend komplex, auch durch verschiedene Fördergeber mit unterschiedlichen Bedingungen für Förderung. Unser Anspruch ist es, mit der Förderfibel niederschwellig interaktive Angebote zu machen. Diese ist auch als Ergänzung zur Hotline, mit einem Förderlotsen als Ansprechpartner, zu verstehen.

Dass die Förderungen so komplex sind, ist aber unvermeidlich? Oder ließe sich das vereinfachen?
Das kommt drauf an. Es geht immer um den jeweiligen Förderbereich und die rechtliche Ausgestaltung der jeweiligen Förderrichtlinie. Soweit unsere Erfahrung uns in die Lage versetzt, beratend auf entsprechende Sachverhalte Einfluss zu nehmen, sprechen wir uns immer dafür aus, dass es so einfach wie möglich geht, damit die Mittel möglichst schnell zum Fördernehmer kommen. Wir fördern in der Regel Modellvorhaben, die eine Strahlkraft und eine Übertragbarkeit sicherstellen sollen.

Laut Christian Hoffmann ist Deutschlands Förderlandschaft nicht zu unübersichtlich, aber zunehmend komplex. Mit dem Förderlotsen und der Förderfibel will das BALM Abhilfe schaffen.

Haben Sie ein Beispiel für ein Förderprogramm, wo Sie im Vorfeld Einfluss nehmen konnten?
Das machen wir eigentlich bei allen Förderprogrammen, dass wir in guter Zusammenarbeit mit dem BMDV in den Austausch gehen. Es gibt manchmal auch Programme, bei welchen uns das nicht so möglich ist, weil sie zum Beispiel aus dem Parlament kommen und Abgeordnete bestimmte Vorstellungen haben, die wir umzusetzen haben. Natürlich haben wir durch langjährige Erfahrung die Expertise, Vorschläge zu machen, an welcher Stelle bestimmte prozessuale Schritte gekürzt werden können. Umgekehrt geben wir auch Hinweise, was man noch beachten sollte. Das ist völlig unabhängig vom Gegenstand gern gesehen vom BMDV. Wenn das Programm friktionsfrei durchlaufen kann, hat jeder was davon.

Wie macht man ein Programm friktionsfrei?
Wenn man investive Maßnahmen plant, also zum Beispiel den Bau eines Fahrradparkhauses, dann ist es nicht nur die Aufgabe der Förderrichtlinie, das Programm technisch umzusetzen. Sondern wir tragen auch die kommunikative Verantwortung, den Bedarfsträger und den Fördernehmer entsprechend zu informieren, welche Punkte und Komplikationen man am besten schon in einer Vorplanungsphase in den Blick nehmen müsste.
Im besten Fall funktioniert das über die Transferstelle und den Förderlotsen im Vorfeld, dass wir unsere Erfahrungen eben auch als nicht-monetäres Angebot formulieren und Best-Practice-Beispiele über Netzwerke zur Verfügung stellen. Da kommt immer wieder das Mobilitätsforum Bund ins Spiel, mit welchem wir in einem ersten Schritt in der Transferstelle Wege zeigen, wie Förderungen gelingen können. In einem zweiten Schritt bieten wir auch Wissensaufbau über Aus- und Fortbildungen an und nehmen diese Best-Practice-Beispiele als Orientierung.

Die Kernkompetenzen des Bundesamts für Güterverkehr, das zum BALM umstrukturiert wurde, lagen im Bereich der Verkehrswirtschaft, der Maut und der Ahndung. Heute ist das Aufgabenspektrum breiter.

Sie sind in Ihrer Arbeit ja in gewisser Weise von der Bundespolitik abhängig. Wenn das Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung zum Klima- und Transformationsfonds für Förderchaos sorgt oder die Regierung sich zerstritten zeigt, wie gehen Sie mit solchen Situationen um?
So gut wie möglich! Wir hängen ja als BALM nicht an der ganzen Bundesregierung, sondern am BMDV. Dort haben wir sehr gute Abstimmungsverhältnisse. Dort erfährt das, was wir hier vorantreiben, sehr viel Zuspruch und Unterstützung. Wir haben Diskussionen über die Auskömmlichkeit von Haushaltsmitteln geführt, aber nicht über die Sinnhaftigkeit der Förderprogramme. Das muss man klipp und klar so sagen. Natürlich hat das (Chaos um den Klima- und Transformationsfonds, Anm. d. Red.) insgesamt zu einer haushalterischen Mangellage geführt, aus der der Radverkehr aber budgetär vergleichsweise gut herausgekommen ist.

Wie gut werden die Fördermittel abgerufen und wie bekannt sind die Programme im Einzelnen? Mitunter gibt es ja auch Förderprogramme etwa auf Landesebene, die auf dieselben Inhalte abzielen.
Es ist richtig, dass es oft komplementäre Angebote des Landes gibt. Das sind wichtige Fragen, wenn man im Vorfeld den Gesamtfinanzierungsbedarf klärt. Wenn es konkret darum geht, wie die Mittel abgerufen werden, muss man zwischen investiven und nichtinvestiven Maßnahmen unterscheiden. Gerade im investiven Bereich habe ich bei baulichen Leistungen natürlich ganz andere Vorlaufzeiten und auch gewisse Umsetzungszeiten, die in der aktuellen wirtschaftlichen Lage noch mit Baukostensteigerungen und Ähnlichem einhergehen. So treten tatsächlich immer wieder Verzögerungen ein. Wir bieten hier sehr viel Unterstützung an, um Fragen zu klären und den Mittelabfluss zu gewährleisten. Wir beobachten aber auch, dass gerade auf kommunaler Ebene sehr viel Schwung reingekommen ist. Man hat das Problem erkannt und der Abruf der Mittel wird immer fließender.

Wie stark wird die Transferstelle genutzt, die Sie in diesem Kontext betreiben?
Die Transferstelle ist mit dem Förderlotsen eine der vier Säulen des Mobilitätsforums Bund und zunehmend gefragt. Im besten Fall vor der konkreten Antragsstellung auf Fördermittel. Genau zu diesem Zeitpunkt sollte das Ob und Wie geklärt werden. Aber es passiert auch – dadurch, dass unsere Förderprogramme stark überzeichnet sind, da es eben doch mehr Nachfrage als Angebot gibt – dass man den Förderlotsen auch nach erfolgloser Antragsstellung seitens der Kommune in Anspruch nimmt und noch mal „lessons learnt“ bestimmt.

Wie öffentlichkeitswirksam ordnen Sie gerade in Bezug auf die moderne Mobilität die Arbeit des BALM ein?
Wir sind hier zunehmend proaktiv ausgerichtet. Wenn wir hier gesellschaftlich relevante Vorhaben umsetzen, dann müssen wir dies auch fortlaufend und unmittelbar kommunizieren. Früher haben wir ausschließlich mit Presseinformationen und unserem Internetauftritt gearbeitet. Jetzt richten wir unsere Öffentlichkeitsarbeit viel stärker auf die Kommunikation über Social-Media-Kanäle wie LinkedIn oder Instagram aus.
Darüber hinaus legen wir in der Öffentlichkeitsarbeit einen weiteren Schwerpunkt auf Messeauftritte und auf die Ausrichtung von Konferenzen und Veranstaltungen, wie den jährlich stattfindenden Fahrradkommunalkonferenzen. Das sind besonders wichtige Punkte, um das BALM ganz generell erlebbar zu machen, Transparenz herzustellen und zu zeigen, dass man mit uns in Kontakt treten kann.
Nehmen wir zum Beispiel mal dieses Gebäude. Das ist eine ältere Liegenschaft, die man auch als gesichtslosen Bau in der Kölner Innenstadt wahrnehmen könnte. Aber hier arbeiten Kölnerinnen und Kölner. Und nahezu alle Aufgaben, die wir hier wahrnehmen, sind auch für die Kommunalverwaltung interessant. Also sind wir gerade dabei, mit der Kölner Oberbürgermeisterin eine Partnerschaft einzugehen. Wir wollen die Arbeit, die wir tun, auch direkt vor der eigenen Haustür wirken sehen.

„Wir haben Diskussionen über die Auskömmlichkeit von Haushaltsmitteln geführt, aber nicht über die Sinnhaftigkeit der Förderprogramme.“

Christian Hoffmann, Präsident des Bundesamts für Logistik und Mobilität

Christian Hoffmann und sein Team wollen, dass ihr Arbeit auch vor der eigenen Haustür, also auch vor der Liegenschaft des BALM in Köln sichtbar wird. Mit der Kölner Oberbürgermeisterin entwickeln sie derzeit eine Partnerschaft.

In Sachen Kooperation sticht auch die Zusammenarbeit mit dem Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club für den Radtourismuskongress heraus. Wie wichtig sind solche Kooperationen generell für das BALM und welche potenziellen Partner haben Sie noch im Blick?
Die Zusammenarbeit mit einem wichtigen Verband auf europäischer Ebene ist sehr wichtig, um nahe der Branche den Bedarf erkennen zu können. Wir haben den Anspruch, zu wissen, was konkret dort passiert.
Wenn man ins Inland schaut, haben wir mit der Geschäftsstelle Radnetz Deutschland ein sehr breites Aufgabenspektrum. Es geht nicht nur darum, wichtige Radwege instand zu halten, auszubauen und zu verbessern. Es geht auch darum, diese Radwege erlebbar zu machen, durch Marketingkonzepte gerade im touristischen Bereich. Wir arbeiten in der Geschäftsstelle mit allen Bundesländern zusammen, von daher sind das in der föderalen Struktur die wichtigsten Partner, die man braucht.

Was Radverkehr angeht, sind sicher auch die Kommunen zentrale Handlungsträger. Gibt es ein Thema, das diese Ihrer Meinung nach beim Radverkehr noch stärker in den Blick nehmen müssten?
Wir formulieren Angebote aus unserer Perspektive des Fördergebers. Kommunen sind in ihrem jeweiligen Bedarf oft gar nicht ohne Weiteres vergleichbar. Und deshalb wissen die Kommunen in den meisten Fällen selbst am besten, was für den jeweiligen Bedarf vor Ort das Richtige ist. Aus diesem Grund steht es mir an dieser Stelle nicht zu, das zu bewerten. Wir arbeiten daran, die Erfahrungen, die wir sammeln, in Angebote umzuwandeln, und werben für das Abfordern dieser Angebote durch die Kommunen, weil ich auch die kommunalen Abhängigkeiten und Diskussionen kenne und weiß, wie schwer es manchmal sein kann, solche Projekte vor Ort umzusetzen.

Das BALM führte im vergangenen Jahr eine Auslandsexkursion nach Paris durch. Was kann sich die deutsche Verkehrspolitik generell oder was können sich die Kommunen im Speziellen im Ausland abschauen?
Die Auslandsexkursion diente dazu, die Fahrradfreundlichkeit der Stadt wirklich erlebbar zu machen. Hier ist es unsere Aufgabe, durch angereicherte Best-Practice-Veranstaltungen Impulse geben zu können.
Wir suchen uns im Inland wie im Ausland positive Beispiele heraus. Das hat auch im Fall der Paris-Exkursion sehr gut funktioniert. Die Verkehrspolitik der Stadt Paris steht unter anderem beispielhaft für eine Reduzierung des motorisierten Individualverkehrs vor Schulen. Best-Practice-Beispiele – beziehungsweise deren modellhafte Umsetzung – konnten vor Ort besichtigt werden, welche dann auch entsprechend übertragbar waren.

Wie soll sich das BALM in den kommenden Jahren Ihrer Zielsetzung nach weiterentwickeln?
Wir werden den Weg, den wir eingeschlagen haben, konsequent weitergehen. Das heißt, dass wir uns als Fördergeneralist weiterhin bewähren, beweisen und in Anspruch genommen werden. Das heißt, dass es uns gelingt, mit wachsender Expertise immer zielgenauer und treffsicherer Förderung zu betreiben. Ich wünsche mir auch, dass wir unsere Agilität als ad hoc handelnde Krisenmanagementbehörde beibehalten. In der Vergangenheit haben wir bewiesen, dass wir sehr schnell sehr gut handlungsfähig sind. Das sind Faktoren, die heute eine wichtige Rolle spielen. Das können Sie nur machen, wenn die ganze Behörde so tickt.
Wir wollen in einem dynamischen Entwicklungsprozess bleiben, denn Stillstand ist Rückschritt. Das gilt, glaube ich, überall, aber erst recht im Aufgabenfeld der modernen Mobilität. Man muss am Puls der Zeit bleiben.


Bilder: BALM