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Mehr Pendler*innen auf Räder bringen

Das Auto dominiert die Mitarbeiter-Mobilität in Deutschland. Doch Unternehmen haben schon jetzt einen ganzen Köcher an Maßnahmen, um der Belegschaft das Fahrrad und andere Alternativen schmackhafter zu machen.

(erschienen in VELOPLAN, Nr. 03/2025, September 2025)


65 Prozent der Pendlerinnen fahren laut dem in diesem Jahr veröffentlichten Mikrozensus des Statistischen Bundesamts in der Regel mit dem Auto zur Arbeit. Dieser Wert ist gegenüber der Erhebung von 2020 immerhin um 3 Prozentpunkte gesunken. Das dürfte zu einem großen Teil am Deutschland-Ticket liegen, das dazu beigetragen hat, dass 2 Prozent mehr (nun 16 Prozent) den ÖPNV für ihren Weg zur Arbeit wählen. Das Fahrrad liegt als Verkehrsmittel laut den Datensätzen auf dem dritten Platz mit 10 Prozent Pendlerinnen-Anteil. Gegenüber 2020 ist dieser Wert jedoch unverändert geblieben. Wie lässt sich diese Stagnation überwinden? Für diese Frage lohnt es, die Hebel näher zu betrachten, die Unternehmen betätigen können, um das Fahrrad als Fahrzeug für Pendler*innen zu stärken.
Wer als Unternehmen das Fahrrad als Fahrzeug angemessen fördert, kann sich vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club e.V. (ADFC) als fahrradfreundlicher Arbeitgeber zertifizieren lassen. Projektleiterin Sara Tsudome weiß, dass es viele verschiedene Werkzeuge gibt, um das Radfahren in der Belegschaft zu fördern. „Ein sehr wichtiger Bereich sind die Abstellanlagen. Arbeitgeber, die sich damit schon beschäftigt haben, sind im Vorteil“, erklärt Tsudome das in ihren Augen größte Handlungsfeld für viele Unternehmen. Wer sein Fahrrad nicht richtig abstellen kann, bringt es aus Sorge um Beschädigungen oder Diebstahl oft gar nicht erst mit. „Felgenklemmer“, die nur die Vorderräder abstützen, reichen nicht aus, so Tsudome. Unterschätzt sei als Maßnahme, dass auch Spezial- oder Lastenräder Stellplätze brauchen, für die reguläre Fahrradbügel nicht die richtigen Ankerpunkte oder zu schmale Stellflächen bieten. An diese Fahrzeuge würden viele Unternehmen nicht denken.

Auch während der Arbeit können Fahrräder in der Mitarbeitermobilität zum Einsatz kommen.

55 Maßnahmen fürs Zertifikat

Abstellanlagen sind eine der Maßnahmen, die sich nicht von heute auf morgen umsetzen lassen und je nach Unternehmensgröße eine kostenintensive Investition darstellen können. Andere Werkzeuge sind hingegen schneller umsetzbar. 55 Maßnahmen hat der ADFC in einem Handbuch gesammelt, das auch als Grundlage dafür dient, die Betriebe zu zertifizieren: „Die Maßnahmen lassen sich in sechs verschiedene Felder einordnen. Wer sich zertifizieren lassen möchte, muss in allen Feldern Maßnahmen nachweisen können.“ Die Aktionsfelder (AF) zeigen, dass Betriebe vielfältige Möglichkeiten haben. Sie können die Radfahrerinnen im Betrieb vernetzen oder belohnen (AF Information, Kommunikation und Motivation), Räder, Lastenräder oder Fahrradanhänger für betriebliche Transporte anschaffen (AF Koordination und Organisation) oder Fahrrad-Check-Tage und Gesundheitsangebote anbieten (AF Service). Außerdem ließen sich Trockenräume und Duschen installieren (AF Infrastruktur), Dienst-Pkw reduzieren (HF Parkraum-Management und Komplementärmaßnahmen) und eine Fahrrad-Service-Box für Besucherinnen oder Kundinnen einrichten (AF Kundenverkehr). Die einzelnen Maßnahmen wirken am besten zusammen, weil sie ineinandergreifen und ihre Wirkung wechselseitig verstärken können. Wer das Zertifikat als fahrradfreundlicher Arbeitgeber erlangen will, muss in allen Handlungsfeldern Aktivitäten vorweisen können. Wenn es eine gute Infrastruktur gibt, aber keine Motivation in der Belegschaft, diese zu nutzen, ist wenig gewonnen, erklärt Tsudome. Andersherum kann sich eine geschaffene Motivation nicht entfalten, wenn es keine konkreten Angebote gibt. Wichtig sei zudem, eine Person im Betrieb zu benennen, die sich des Themas annimmt, und ein langfristiges Konzept zu erarbeiten. Hilfreich ist weiter, über die Maßnahmen zu informieren: „Gerade bei größeren Betrieben oder Organisationen kann es schnell passieren, dass Leute überhaupt nicht wissen, welche Angebote es gibt.“ Die Informationen gilt es wiederholt in der Belegschaft bekannt zu machen. In den meisten Betrieben gibt es schließlich regelmäßig neue Mitarbeiterinnen oder eine veränderte Lebenssituation bei bestehenden Team-Mitgliedern, etwa wenn deren Kinder anfangen, alleine zur Schule zu fahren.
Ob die Mitarbeiter*innen das Fahrrad nutzen können und damit komfortabel, schnell und sicher unterwegs sind, haben nicht nur die Unternehmen in der Hand, sondern auch die Kommunen und Kreise. Gerade in Industriegebieten auf der grünen Wiese ist es eine Frage des Glücks, ob diese das Radwegenetz bis dorthin mitplanen. Doch Tsudome sagt: „Wir bestärken die Arbeitgeber auch darin, dass sie mit ihren Kommunen und ihren Kreisen ins Gespräch gehen.“ So können sich Unternehmen allgemein für den Radverkehr an ihrem Standort starkmachen oder konkrete Lückenschlüsse, Querungshilfen und Co. an schwierigen Stellen einfordern.
„Das Interesse an den Zertifizierungen steigt weiter an“, resümiert Tsudome. Die Zertifikate ermöglichen es, als Arbeitgeber positiv aufzufallen. Das Interesse sei insbesondere da hoch, wo Branchen es schwer haben, Leute zu finden, sagt Tsudome.

Sechs Aktionsfelder sieht der ADFC, um als Unternehmen fahrradfreundlich zu werden. Wer entsprechend zertifiziert werden möchte, muss in allen Bereichen Maßnahmen umsetzen.

Leasing ist verbreiteter Benefit

Die Studie „Berufliche Mobilität neu gestalten“ des Future Mobility Lab, an der unter anderem die Universität St.Gallen und Jobrad beteiligt waren, hat bestätigt, dass Arbeitgeber großen Einfluss darauf haben, wie Arbeitnehmerinnen ihre Mobilität gestalten. Zudem attestiert sie, dass in diesem Bereich vieles in Bewegung ist. Die Ende März veröffentlichte Umfrage unter knapp 1000 Arbeitgebern und knapp 3000 Arbeitnehmerinnen ergab, dass 59 Prozent der Unternehmen ihre Mobilitätsangebote in den letzten Jahren geändert hatten oder zum Zeitpunkt der Studie änderten. Beliebte Maßnahmen bei diesem Anteil der Befragten waren, Flotten zu elektrifizieren (72 Prozent) und mehr Homeoffice-Tage zu gestatten (62 Prozent).
Spitzenreiter unter den umgesetzten Instrumenten (77 Prozent) war es, Dienstrad-Leasing einzuführen. Alex Han ist Leiter Dienstrad-Leasing und Head of Sales MicroMobility bei Kazenmaier Leasing GmbH. Das Unternehmen hat seine Ursprünge in der Autovermietung und bietet umfangreiche Leasing-Angebote an, von Fahrrädern und Rollern bis hin zu Bussen und Lkws. Er erklärt den Reiz dieser Finanzierungsform: „Sowohl im Auto- als auch im Fahrrad- oder Rollerbereich ist ein Leasing-Modell über Entgeltumwandlung für Mitarbeiter ein Vorteil, weil rein theoretisch jeder davon profitieren kann. Davon profitieren nicht nur ausgewählte Mitarbeiter, wie beim Dienstwagen, sondern die breite Masse.“
Wer nicht nur einen Minijob hat oder kurz vor dem Renteneintritt steht, kann bei einem abgeschlossenen Rahmenvertrag des Arbeitgebers üblicherweise mit einer Laufzeit von 36 Monaten Leasing-Verträge abschließen. „Leasing wird in Deutschland immer populärer“, so Han. Für Unternehmen könne der Benefit dazu beitragen, Mitarbeiterinnen zu motivieren und zu halten. Die Nachfrage sei hoch. Genauso freuen sich viele Arbeitgeber, den Service anbieten zu können, erklärt Han: „Den Arbeitgeber kostet das Leasing praktisch gar nichts, weil er die Sozialversicherungsbeiträge spart. Dadurch kann er zum Beispiel im Fahrrad-Leasing auch die Kosten für eventuelle Pakete übernehmen. Insgesamt spart das Unternehmen aber immer noch ein paar Euro.“ Dass Mitarbeiterinnen beim Leasing Geld sparen, führt mit Blick auf die Fahrräder und E-Bikes dazu, dass sie sich hochwertigere Fahrzeuge anschaffen können. Laut einer Studie von Zukunft Fahrrad und Deloitte lag der Durchschnittspreis im vergangenen Jahr bei 3720 Euro für ein geleastes E-Bike und 2600 Euro für ein geleastes Fahrrad. Diese Fahrzeuge dürften mehr Freude bereiten, länger halten und insgesamt stärker zum Radfahren motivieren. Für ein Dienstrad gilt: „Die Mitarbeitenden müssen es nicht zum Pendeln nutzen“, so Han. Für Betriebe bestünden jedoch Möglichkeiten, zu fördern, dass die angeschafften Räder auch auf dem Weg zur Arbeit zum Einsatz kommen. Apps wie Stadtradeln, ByCycling, Radbonus, DB Rad+ und Co. erlauben es, die gefahrenen Kilometer festzuhalten. Arbeitgeber könnten diese Services für einen Wettbewerb nutzen. „So was steht gerade erst am Anfang. Aber es wird immer mehr Thema werden“, meint Han.

Mobilitäts-Budget hat viel Potenzial

Die Studie des Future Mobility Lab brachte noch eine weitere Erkenntnis zur betrieblichen Mobilität hervor. Rund 40 Prozent der befragten Unternehmen wissen nur sehr wenig über die Mobilitätsbedürfnisse und das Mobilitätsverhalten ihrer Mitarbeitenden. Außerdem sind viele von ihnen unsicher hinsichtlich regulatorischer Bestimmungen. (Steuer-)Rechtliche Fragen hindern 43 Prozent daran, ihre Angebote weiterzuentwickeln, gefolgt von Budget-Fragen (44 Prozent) und dem Finden von passenden digitalen Lösungen zur Prozessabwicklung (26 Prozent). In diese Kerben will das Unternehmen Fast2Work GmbH schlagen. Geschäftsführer Ronald Bankowsky erläutert: „Die Fast2Work verfolgt die Aufgabe, mit belastbaren Zahlen das Mobilitätsverhalten infrage zu stellen. Erst, wenn du weißt, was du wirklich machst, kannst du es verändern.“
Zu diesem Zweck haben Bankowsky und sein Team eine Software entwickelt, mithilfe derer sie Benefits in einer App sichtbar machen können. Wer als Unternehmen die Dienstleistung wahrnimmt, erhält zunächst über eine Umfrage Einblicke, wie das aktuelle Mobilitätsverhalten der Mitarbeiterinnen ist. Auch die Mitarbeiterinnen selbst können sehen, welche Kosten und welcher CO2-Ausstoß mit den eigenen Fortbewegungsgewohnheiten verbunden ist.
Bankowsky, der vor Fast2Work schon die Mein Dienstrad GmbH gegründet hat, meint, dass Dienstrad-Leasing vor allem jene Leute interessiere, die ohnehin das Fahrrad nutzen. Mehr Potenzial, Mitarbeitende vom Auto wegzulocken, sieht er in dem Konzept eines Mobilitäts-Budgets: „Das ist das weitergedachte Dienstrad sozusagen. Damit lassen sich mehr Leute erreichen.“ Noch zu Zeiten der Ampelkoalition gab es einen politischen Vorstoß, der den rechtlichen Rahmen für Mobilitäts-Budgets vereinfachen sollte. Das Vorhaben scheiterte an der nötigen Mehrheit im Bundesrat. Bankowsky: „Es gab eine große Initiative im letzten Jahr dafür, dass das Mobilitäts-Budget im Gesetz verankert wird, sodass jedes Unternehmen seinen Mitarbeitern eine gewisse Summe pauschal besteuert zur Verfügung hätte stellen können.“ Bankowsky rechnet damit, dass der nächste Gesetzesentwurf noch in dieser Legislaturperiode kommen wird. Dann wollen er und sein Team mit der Verwaltung von Mobilitäts-Budgets durchstarten.

Fast2Work visualisiert Benefits in einer App. Außerdem bietet das Unternehmen eine Bezahlkarte für Sachbezüge.

Wer Verantwortliche benennt und das Fahrrad durch Wettbewerbe und andere Aktionen zum Teil der Unternehmenskultur macht, kann so fördern, dass die Belegschaft umsteigt.

600 Euro jährlich

Bis das Mobilitäts-Budget richtig Fahrt aufnimmt, nützt die Anwendung von Fast2Work vor allem dafür, bestehende Benefits für Mitarbei-terinnen sichtbar zu machen. Dazu zählen etwa Essensgutscheine oder das Deutschland-Ticket. Dazu kommt ein wichtiges, flexibel einsetzbares Instrument, wie der Geschäftsführer erklärt: „Im Augenblick gibt es den Sachbezug. Das sind 50 Euro im Monat, die nicht besteuert werden. Damit kannst du Mobilität bezahlen oder ins Fitness-Studio gehen.“ Den Sachbezug können Unternehmen mit einer speziell dafür ausgelegten Bezahlkarte umsetzen, die Fast2Work anbietet. 600 Euro im Jahr lassen sich dafür ohne Lohnnebenkosten zur Verfügung stellen. Das Budget lässt sich über Monate hinweg ansparen. Die Betriebe können festlegen, wofür und wo die Mitarbeitenden das Geld ausgeben. Denkbar sind zum Beispiel Lebensmittel aus Bioläden, Schutzkleidung und Zubehör fürs Radfahren oder eben Mobilitätsangebote. Für Mitarbeiter-Benefits, beispielsweise auch das Deutschlandticket, betont Bankowsky, dass es wichtig sei, diese strategisch einzusetzen. Nicht jedes Angebot sei für alle Mitarbeiterinnen relevant. Manche bräuchten Alternativen. Bankowsky plädiert dafür, das Verhalten der Mitarbeiterinnen differenziert über Bonus- und Malus-Systeme zu steuern. Man könne etwa Parkplätze für jene Teile der Belegschaft verteuern, die eine gute Möglichkeit haben, mit dem ÖPNV oder Rad anzureisen, und sie kostenlos anbieten für jene, die es nicht können. Eine weitere Möglichkeit sieht er darin, das Radfahren generell oder bei Regen und im Winter mit einer Prämie zu belohnen. Persönliches Verhalten zu ändern, sei oft ein träger Prozess, meint Bankowsky. „Man hat seine Komfortzone und einen festen Ablauf.“ Hilfreich können Positiverlebnisse außerhalb des beruflichen Kontexts sein, etwa die sonntägliche Radfahrt zum Bäcker oder die Tour im Urlaub. Finanzielle Steuerungselemente werden dann wirksamer, wenn man Einsparungen oder Bonus-Zahlungen konkreter erscheinen lässt. Viele Menschen wüssten etwa gar nicht genau, was ihr Auto sie eigentlich kostet, weil sie keine Vollkostenrechnung machen. Bankwosky: „Wenn man die Ersparnisse als Familienurlaub oder als 50 Restaurant-Besuche sieht, klingt das schon ganz anders.“ Allgemein gilt laut Bankowsky, wenn Menschen ihr persönliches Verhalten ändern sollen: Sie müssen sehen, dass es andere Wege gibt, diese ausprobieren und dafür gewürdigt werden. Unternehmen haben mehr als einen Schlüssel in der Hand, um ihre Mitarbeiterinnen dabei zu unterstützen. Aber auch die Rahmenbedingungen vor Ort und in der Politik müssen stimmen. Letzteres hat das Dienstrad-Leasing bereits erfolgreich bewiesen. Es bleibt abzuwarten, ob auch das Mobilitäts-Budget durch rechtliche Vereinfachungen bald dazu kommen wird, sein Potenzial für die Mobilitätswende endlich auszuschöpfen.


Bilder: Andreas Bittner, Grafik: Fahrradfreundliche Arbeitgeber, Brunsbüttel Ports GmbH, Fast2Work GmbH, HS Ansbach