Quo vadis, Mountainbike? Wie die Klimakrise das Mountainbiken verändert
Der Mountainbike-Tourismus spürt die Auswirkungen der menschengemachten Klima-krise immer deutlicher. Vermehrte Hitzewellen und Starkregenereignisse fordern Trail-Bauer*innen heraus. Die Mountainbike-Branche steht vor immensen Herausforderungen und muss sich an die Klimawandelfolgen anpassen – aber es gibt auch Chancen.
(erschienen in VELOPLAN, Nr. 01/2025, März 2025)
Dass einem das Wetter regelrecht den Urlaub durchkreuzt – die Erfahrung machten drei junge Menschen während ihrer Alpenüberquerung von Garmisch-Partenkirchen nach Garda mit dem Mountainbike. Durch starke Unwetter waren Teile der Strecke weggebrochen. Meterbreite Löcher und umgefallene Bäume zwangen sie, einen dreistündigen Umweg zu fahren. So zeigt es eine Szene der Doku „Das ist Alpencross“ des Deutschen Alpenvereins (DAV) von 2024. Egal ob Trails in den Alpen, in Mittelgebirgen oder Wäldern, von Vereinen oder professionellen Bikeparks, abfahrtsorientierten oder flacheren Regionen – die menschengemachte Klimakrise macht sich im Mountainbike-Sport mit wahrscheinlicher werdenden Extremwettern wie Starkregen, Hitze und Dürre bemerkbar. Die klimatischen Veränderungen führen in Deutschland und Österreich zu wärmeren Sommern und milderen Wintern, mit häufigeren Extremwettern. Durch Dürren, Schädlinge und Waldbrände in trockenen Sommern verschlechtert sich auch der Zustand der Wälder. In den Alpen taut der Permafrost auf. Anpassungs-Management ist da auch bei den Anbieter*innen von Mountainbike-Tourismus angesagt.
„Der Schutz des Waldes ist der Schutz unseres Sports.“
Jörn Hessen, Mountainbike Forum Deutschland
Vom Trail zum reißenden Bach
Gutes Wasser-Management sei schon immer Thema beim Trail-Bau gewesen, erklärt Jörn Hessen vom Mountainbike Forum Deutschland. „Aber durch den Klimawandel gewinnt es eine völlig neue Bedeutung, da sich durch die zunehmenden Starkregenfälle ein Trail in einen reißenden Bach verwandeln kann.“ Mittlerweile sei Wasser-Management Priorität und oft ausschlaggebend für Streckenverlauf und Design. Drainagen, Ablaufmulden sowie ein gleichmäßiges, nicht zu steiles Gefälle helfen, große Wassermassen abzuleiten. Noch vor ein paar Jahren sei wenig Wert auf ein „exaktes Durchschnittsgefälle“ gelegt worden. Doch mittlerweile wisse man, dass zu steile Passagen „mit Ansage weg erodieren“. Auch könne es helfen, bestimmte Trail-Abschnitte mit Steinen anzulegen und nur die Zwischenräume mit Erde zu füllen, da das weniger ausschwemme und leichter zu reparieren sei.
Auch Hessens Weihnachtsurlaub 2024 nach Norditalien in die Mountainbike-Region Finale Ligure fiel fast ins Wasser, da dort Mitte Oktober heftige Unwetter wüteten und die Trails stark beschädigten. Durch Crowdfunding konnten diese relativ schnell instand gesetzt werden. Außerdem versucht die Region bereits seit ein paar Jahren, die Trail-Pflege auf neue finanzielle Beine zu stellen. Wird mit einer speziellen Karte beziehungsweise App etwa im Restaurant gezahlt, geht ein Prozent des Umsatzes in die Trail-Pflege. Das Modell würde gut funktionieren, so Hessen.
Nicht nur zu viel, sondern auch zu wenig Regen kann für die Trails zum Problem werden. Die Erde trocknet aus. „Anliegerkurven – Steilkurven – verhärten, werden wie Ton gebrannt und brechen dann einfach weg. Der Trail zerbröselt“, beschreibt Hessen. Betroffen seien insbesondere modellierte Passagen, die der Sonne ausgesetzt sind. „Schadensbegrenzung“ könne durch händisches Bewässern betrieben werden. „Das ist ein riesiger Aufwand“, aber sei im kommerziellen Bereich immer zwingender. Der kanadische „Whistler Mountain Bike Park“ – der größte der Welt – sei stets einen Schritt voraus. Dort habe man schon vor etwa zehn Jahren begonnen, automatisierte Bewässerungssysteme zu installieren. Das werde vermutlich auch in Europa nötig, schätzt Hessen. Auch das Trail-Design werde sich wegen der zunehmenden Hitze verändern. „Anliegerkurven werden nur noch in schattierte Bereiche gebaut werden“, prognostiziert Hessen.

Aufgrund der Klimakrise müssen Mountainbiker*innen flexibler werden, da zunehmende plötzliche Extremwetterereignisse sie zwingen können, ihre Route anzupassen.

Steile Passagen empfiehlt Hessen mit erosionsfestem Material wie Steinen zu befestigen. Die mit Erde gefüllten Zwischenräume werden zwar ausgewaschen, aber können leichter ausgebessert werden.
Fatale Kombi: Erst Dürre, dann Regen
Die Kombination aus langer Trockenphase und heftigen Regenfällen sei laut Hessen „fatal für Trails“, insbesondere für abfahrtsorientierte. „Durch Trockenheit bildet sich Abrieb, weil Kurven wegbrechen, das lagert sich dann samt Steinchen und feinem Geröll in einer Senke ab. Wenn dann Stark-regen kommt, wird unheimlich viel Bodenmaterial von A nach B transportiert.“ Sowas führe nicht selten zu wochenlang gesperrten Trails. Besonders ehrenamtliche Vereine kämen an ihre Grenzen. Eine italienische Trail-Bau-Firma experimentiere deshalb mit verschiedenen Pflanzen, um Trails durch Randbegrünung und besseres Wurzelwerk vor Erosion zu schützen, berichtet Hessen.
Der Mountainbiker ist auch in Freiburg in einem lokalen Mountainbike-Verein aktiv. Das Streckennetz zwischen den Hausbergen Rosskopf und Kybfelsen wird durch Trail-Patenschaften gegen Aufwandsentschädigung oder auf Minijob-Basis gepflegt. Die geänderten Klimabedingungen machen das immer herausfordernder. Letztes Jahr wurden im Rahmen einer Schulung das Wasser-Management an neuralgischen Passagen verbessert oder steilere Abschnitte ein paar Meter zur Seite verlegt.
Zunehmender Borkenkäferbefall und weitere klimabedingte Waldschäden führen zudem zu mehr Totholz im Wald. Das könne ein Risiko für die Erholungsfunktion darstellen, so Hessen. Aber da ein gewisser Totholzanteil den Wald langfristig widerstandsfähiger gegen die Klimakrise mache, sei das Mountainbike Forum Deutschland für gesetzliche Rahmenbedingungen, die den Umbau zu klimaresilienten Wäldern fördern. „Der Wald ist notwendig für unseren Sport. Der Schutz des Waldes ist der Schutz unseres Sports.“ Da es in Zukunft voraussichtlich noch weniger intakten Wald geben wird, stehe die Frage im Raum, ob und wie das Mountainbiken in manchen Regionen ohne Wald funktionieren kann, so Hessen. Derartige Strecken seien technisch möglich, aber für viele Mountainbiker*innen unattraktiv und als „Murmelbahnen“ verschrien. „Wir sind auf eine gesunde Natur angewiesen.“
„Regengüsse führen zu Bächen, die durch den Bikepark schießen, samt kräftiger Böen.“
Ines Buchgeher, Bikepark Wexl Trails
Wald, Mittel- und Hochgebirge betroffen
„Bisher schaffen unsere Streckenpfleger, die entstandenen Schäden zu beheben“, berichtet Stephan Marx vom Mountainbikepark Pfälzerwald über das dortige Streckennetz, welches über 900 Kilometer lang ist. „Zum Teil müssen wir aber mit temporären Umlegungen reagieren, die wir dann nach und nach wieder instand setzen.“ Zwar habe es auch früher Stürme, Stark-regen oder Trockenheit gegeben, aber in den letzten Jahren seien sie „gehäuft“ vorgekommen und der Pflegeaufwand gestiegen. Besonders die Kombination von Trockenphasen, die den eher sandigen Boden im Pfälzerwald auflockern, und folgende Starkregen führten zu mehr Erosionsschäden. Außerdem führten „die sehr trockenen Jahre – mit Ausnahme von 2024 – zu sehr viel Totholz, abgestorbenen Ästen, die dann bei stärkerem Wind zu Boden fallen“, so Marx.
Nicolas Gareis vom DAV spricht von „ganz vielfältigen Auswirkungen“ der Klimakrise auf alle Bergsportarten. Der DAV kümmert sich insbesondere in den Alpen um die Wege, größtenteils ehrenamtlich. Durch die Klimawandelfolgen habe die Wegepflege eine „andere Dimension“ angenommen. Es entstünden „ein enormer Arbeitseinsatz“ und Mehrausgaben, so Gareis. Etwa, „wenn ein Teil vom Weg durch eine Mure zerstört oder eine Brücke weggerissen wird, weil der Gebirgsbach zum reißenden Strom geworden ist.“ Da sei schweres Gerät notwendig und es gehe mitunter um die Verlagerung von Wegen nach einem Hangrutsch. Mountainbikerinnen müssten dann entweder ihr Fahrrad durch ein Geröllfeld tragen oder einen Umweg in Kauf nehmen. Um die Wege instand zu halten, werden die Ehrenamtlichen durch Expertinnen unterstützt. Eingeschränkte Nutzbarkeit oder gesperrte Wege führen außerdem zu der Gefahr, dass andere Wege überstrapaziert werden und Nutzungskonflikte entstehen. In den Alpen kommen Herausforderungen wie tauender Permafrost und vermehrter Steinschlag dazu. So sieht sich der DAV mit der „schmerzvollen“ Frage konfrontiert, ob das komplette Wegenetz aufrechtzuerhalten ist. Die Klimakrise ziehe einen ganzen „Rattenschwanz“ nach sich, so Gareis. Wassermangel auf Berghütten könne dazu führen, dass diese früher schließen müssen.
Koordination nach Unwettern
Mehr Arbeit durch Extremwetter merkt auch Ines Buchgeher vom Bikepark Wexl Trails in Niederösterreich: „Regengüsse führen zu Bächen, die durch den Bikepark schießen, samt kräftiger Böen.“ Teilweise mussten Wege gesperrt werden. Wichtig sei, genügend Drainagen zu verbauen, damit das Zusammenspiel zwischen Wasser und Weg passt. Nach einem Unwetter müssen Strecken gecheckt, Bäume aus dem Weg geschafft, Löcher ausgebessert, Streckenabschnitte gesperrt und Wege umgeleitet werden, zählt sie auf. Angewiesen sei man da auf flexibles Personal und gute Zusammenarbeit mit den Grundstücksbesitzenden und Förster*innen, um Informationen über den Strecken-status auszutauschen und Gäste vor Gefahren zu schützen. Das erfordere Organisation und Handarbeit: „Super wär’s, wenn man einen Trail-Roboter für Strecken-Checks hätte“, lacht sie. Durch ein „penibel angelegtes Entwässerungssystem“ habe man Wassermassen mittlerweile gut im Griff, so Philip Wiedhofer, Trail-Designer der Wexl Trails. Beim Planen versuche er, die Strecken möglichst durch den Wald zu führen, da Bäume den meisten Schutz vor Umwelteinflüssen böten. Außerdem versuche er „mit der Natur zu bauen“, etwa Jump-Lines bei natürlichen Hügeln. Im Sommer sei es auf den Wexl Trails zu trocken, wodurch die Fahrspur nicht gut binde und leicht bröckle. So werde das Timing beim Trail-Bau immer wichtiger. „Wir versuchen die Arbeiten, wo wir Feuchtigkeit im Untergrund brauchen, im Frühling, Herbst oder nach einer Regenphase zu machen, in den Sommermonaten arbeiten wir dann kleinflächiger meist nur händisch.“ Auch verfolge der Wexl Park die Idee einer automatisierten Bewässerung.
Durch gutes Wasser-Management und Trail-Design versuchen Bike-Parks, die zunehmenden Extremwetterereignisse abzufedern. Spuren hinterlässt ein Unwetter dennoch, wie hier bei den Wexl Trails im September 2024.
Mehr Hände nötig
Mountainbikerin und Ehrenamtliche Lisa Ribarich stellt bei den Anninger Trails bei Wien einen „steigenden Wartungsaufwand“ durch die Klimakrise fest. Die unterschiedlichen Bodenverhältnisse, die durch die Klimakrise noch mehr zum Tragen kommen, sind für den Verein dabei besonders herausfordernd. Auf der südlichen Seite der Anninger Trails sorge das kalkhaltige Gestein in Kombination mit dem Schwarzkiefernwald für trockene, durchlässige Böden mit dünner Humusschicht, was die Erosionsanfälligkeit erhöhe. Die Nord- und Westseite sei dagegen von lehmigen, feuchteren Böden geprägt, die zu Staunässe neigten. An der Südseite müsse für Kurven aufwendig Erde „zusammengekratzt“ werden – durch verbessertes Wasser-Management wollen sie erreichen, dass die Kurven bei Starkregen nicht weggeschwemmt werden. Um das Wasser abzuleiten, schaufeln sie rechts und links der Trails etwa fünf Zentimeter breite und ein bis zwei Meter lange Rinnen. „Manche Parks verlegen etwa Kanalrohre, die Möglichkeit haben wir als kleiner Verein nicht.“ Es sei herausfordernd, genug ehrenamtliche Hände für den wachsenden Wartungsaufwand zu mobilisieren.
Ribarich will Mountainbiker*innen schulen, damit sie dosiert bremsen und keine Bremsfurchen entstehen, die Trails anfälliger für Erosion machen. Um ein „respektvolles Miteinander von Natur und Sport“ zu ermöglichen, seien zudem „Ruhezonen“ im Wald wichtig.
„Mountainbiker haben ein großes Interesse, in intakter Natur unterwegs zu sein. Keiner hat Freude, durch eine Mondlandschaft zu fahren.“
Nicolas Gareis, Deutscher Alpenverein
Bike statt Ski als Chance
Gareis vom DAV sieht auch Chancen für den Mountainbiketourismus durch das veränderte Klima, da sich Saisonzeiten verlängern. Bis spät in den Herbst und bereits früh im Frühjahr könne Mountainbike gefahren werden. Gerade in Mittel-gebirgen entdecken vormals reine Wintersportdestinationen das Mountainbiken für sich. Auch weil sich der Wintersport immer weniger lohne, so Gareis. Hänge, die im Winter als Skipiste genutzt werden, werden nun für Bikerinnen im Sommer freigegeben. Zwar liege der Arbeitsschwerpunkt des DAV im alpinen Raum, aber die Konsequenz durch die Klimakrise sei auch, dass sie ihre Arbeit verstärkt in die Mittelgebirge verlagern, wo viele Sektionen heimisch sind. Der DAV will diese Regionen „zukunftsfest“ machen. „Mountainbiken wohnortnah auszuüben ist auch gut fürs Klima, weil man das Auto stehen lassen kann.“ Mehrere Destinationen in Deutschland, etwa im Sauerland oder im Fichtelgebirge, setzen bereits auf diese Strategie. Auch die Wexl Trails sehen wirtschaftliche Chancen in der längeren Saison. Es soll nun sogar ein zweiter Bikelift entstehen, um einen hybriden Betrieb von Skifahren und Mountainbiken zu ermöglichen. Für ein „neues Biker-Mindset“, so Buchgeher, müsse auch die Werbung angepasst werden. Nicht nur „Sommer, Sonnenschein pur“, sondern auch Fotos vom Mountainbiken in grauer, nebelbedeckter Landschaft. „Hauptsache bewegen, Hauptsache draußen“, so ihr Motto, um den „Winterblues“ bei Mountainbikerinnen vergessen zu machen. Marx vom Bike-Park im Pfälzerwald sieht dagegen eher Risiken und keine Chancen durch die Klimakrise.
Flexibilität sei in Zukunft hinsichtlich der Wege, der Saisonzeiten und der Tourengestaltung gefragt, sagt Nicolas Gareis. „Mountainbiker haben ein großes Interesse, in intakter Natur unterwegs zu sein. Keiner hat Freude, durch eine Mondlandschaft zu fahren.“ Diesem Wunsch nachzukommen, wird heraufordernder. Das Mountainbiken wird weiter nach neuen Wegen suchen müssen.
Bilder: Wexl Trails, www.flyer-bikes.com – pd-f, Evergreen