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Gewusst wie. In Schleswig Holstein berät der Verein Rad.SH Kommunen zu Finanzierungswegen über Landes- und Bundesmittel bei der Radverkehrsförderung. Die Firma Emcra aus Berlin verhilft mit Weiterbildungen, Workshops und individueller Beratung zum passenden EU-Förderprogramm.

(erschienen in VELOPLAN, Nr. 02/2025, Juni 2025)


Hinter Rad.SH steht ein Zusammenschluss von Kommunen in Schleswig-Holstein, die den Rad- und Fußverkehr voranbringen wollen. Alle Kreise und kreisfreien Städte und weitere 170 Städte, Ämter und Gemeinden sind Mitglieder. Eine Fördermittel- und Planungsberatung wurde 2021 initiiert. Die zugehörige 2/3-Personalstelle wird zu 75 Prozent aus Landesmitteln finanziert, der Rest aus Beiträgen der Mitglieder. Rufen Kommunen auf der Suche nach Fördermitteln bei Berater Carsten Massau an, klopft er zunächst einen strategischen Fragenkatalog ab. Dabei kristallisieren sich vorhandenes Fachwissen sowie die Förderchancen heraus. Erfahrungsgemäß sind kreisfreie Städte und Landkreise zwar personell so gut aufgestellt, dass sie Planungs- und Genehmigungsverfahren realistisch einschätzen. Gerade kleineren Kommunen mangelt es aber mitunter an radverkehrsrelevantem Wissen. Besonders vom „schnellen Geld“ sollte man sich nicht verlocken lassen. „Erste Informationen über Förderprogramme sind häufig oberflächlich. Sie schüren große Erwartungen in Politik und Öffentlichkeit. Die gilt es, mit der Realität der eigenen Projekte abzugleichen“, sagt Massau.
Mit den richtigen Fragen erhalten Interessent*innen einen realistischen Blick auf ihr Vorhaben.
Dabei wird auch die Motivationslage der Anfragenden abgeklopft. Handelt es sich um eine politisch abgestimmte Maßnahme, die von der Verwaltung umgesetzt werden soll? Ist die Maßnahme bisher nur eine Idee der Ratsmehrheit oder Opposition? Wie praxisnah schätzt die Politik den Aufwand für Antragstellung, Dokumentation und Abrechnung ein?

„Es braucht einen Kümmerer, der die Fäden in der Hand hält.“

Carsten Massau, Berater Rad.SH

Radweg An der Untereider. Im Rahmen des geförderten Projekts „RaD stark!“ entstand in der Stadt-Umland-Region Rendsburg durch Lückenschließung ein erweitertes Netz zur Förderung des Radverkehrs.

Radverkehrskonzept vor Datenbankrecherche

Weil sich die Geldgeber eine lenkende Wirkung erhoffen, lautet eine Kernfrage, inwieweit die Maßnahme in einem größeren planerischen Zusammenhang steht. Nicht nur in Schleswig-Holstein ist das eine Fördervoraussetzung. Darunter kann ein Stadtentwicklungskonzept verstanden werden, ein Nahverkehrsplan, ein Mobilitäts- beziehungsweise Radverkehrskonzept oder eine Netzplanung. Generell rät Rad.SH, sich auf Maßnahmen zu fokussieren, die politisch vor Ort gewollt sind. Und zwar im Bündnis mit Baulastträgern, Verkehrs- und Umweltbehörden sowie Bürger*innen. Die Eigentumsverhältnisse sollten geklärt sein. Hinzu kommt eine verkehrsrechtliche Relevanz wie etwa Verlagerungspotenziale, Sicherheitsaspekte, Schülerverkehre oder Radtourismus. Erst davon ausgehend sollten die Verantwortlichen nach dem passenden Förderprogramm suchen. Basisorientierung bietet die Förderdatenbank beim Bundesamt für Logistik und Mobilität (BALM). „Da kann man nach Stichworten Förderprogramme recherchieren“, erklärt Massau. „Je nachdem, ob ich eine Fahrradabstellanlage am Bahnhof bauen will oder einen interkommunalen Radweg, werden die entsprechenden Programme ausgespuckt.“
Zwar bieten auch Landesbanken Projektförderungen zu vergünstigten Darlehenszinsen an. Dieser Bereich betrifft jedoch eher größere Maßnahmen etwa in Städten. Carsten Massau sagt: „Solche Investitionsprogramme kommen ins Spiel, wenn in Kiel der Hafen umgebaut wird und dabei auch ein Radweg entsteht.“ Die öffentlichen Förderprogramme arbeiten mit Zuschüssen, die nicht zurückgezahlt werden müssen.
Die Firma Emcra – Co-shaping Europe berät auch zu EU-Fördermitteln. Geschäftsführer Michael Kraack verweist auf die Datenbank für das „Funding und Tenders“- Programm der Europäischen Kommission. Seine Empfehlung lautet, bei der Recherche nicht nur nach dem speziellen Förderbereich zu suchen. Selbst wenn der Name der Programme es auf den ersten Blick nicht vermuten lässt. „Fahrradmobilität hat auch damit zu tun, dass die Angebotsstrukturen da sind“, sagt Kraack. „Zum Beispiel eine touristische Infrastruktur.“

Externe Beratung für Kommunen

Hat die Kommune erste Programme ausgewählt, sollte sie sich professionell beraten lassen. Denn nach der schnellen Datenbankrecherche heißt es, ins Kleingedruckte einzusteigen. Die Rad.SH bietet Förderberatung für alle Kommunen in Schleswig-Holstein. Im Fokus stehen das Sonderprogramm Stadt und Land, Landes-, Bundes- und teils EU-Mittel. Ziel ist eine Erstberatung mit solider Grundinformation. Für eine weitere externe Förderbegleitung vermittelt Rad.SH den Kontakt zu antragserfahrenen Kommunen sowie Planungsbüros.
Das Team von Emcra rät, ein internes Fördermittelmanagement aufzubauen. Entweder durch Kompetenz im Hause, Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern oder einem Mix aus beidem. Zwar kann eine Person einen Antrag schreiben und so zum erfolgreichen Förderbescheid kommen. In der Umsetzungsphase können später allerdings Probleme auftauchen, die sich bereits in der Antragsphase vermeiden lassen. Für externe Beratungen sollten vorab keine pauschale Honorarsummen gezahlt werden. Seriöse Fördermittelexperten erhalten ausschließlich auf Erfolgsbasis beruhende Vergütungen.

Stellschraube Personalressource

Der anspruchsvolle Prozess von der Informationsbeschaffung über die Chancen-Risiken-Abschätzung, die Antragstellung, Durchführung, Abrechnung bis hin zum Verwendungsnachweis kann nicht nebenbei erledigt werden. Von vornherein müssen ausreichend Personalkapazitäten für die Antragstellung eingeplant werden. Carsten Massau rät: „Es braucht einen Kümmerer, der die Fäden in der Hand hält, notwendige Pläne und Unterlagen beschafft, die verwaltungsinternen Abstimmungen vornimmt und den Kontakt zum Fördermittelgeber hält.“ Emcra-Mann Kraack betont: „Wichtig ist es, internes Wissen aufzubauen. Die komplexen EU-Förderanträge beinhalten keine Förderung für die Formulierung eines Antrags.“ Sein Tipp: Die Weiterbildung der Mitarbeitenden kann zu 100 Prozent gefördert werden.
Carsten Massau räumt ein: „Leider gibt es nicht die eine Institution, die alle Informationen bündelt. So gibt es in Schleswig-Holstein neben uns auch den Nah.SH der öffentlichen Verkehrsträger. Die haben auch eine Fördermittelberatung, die den Schwerpunkt Fahrradabstellanlagen an Bahnhöfen hat. Wir Fördermittelberater kennen uns und verweisen aufeinander. Als Kommune sollte man versuchen, einen Fuß in solche Netzwerke zu kriegen. Daraus ergibt sich ein Informationsfluss. Dafür sollte jemand eine bestimmte Personalstundenzeit zur Verfügung haben. Kommunen, die sich das personell nicht gönnen, haben es schwerer“, findet Massau.

Networking ist unumgänglich

Dazu gehört es, sich in Newsletter einzutragen. Zum Beispiel von der Rad.SH, dem Deutschen Institut für Urbanistik (Difu), bei den Landesförderbanken, dem BALM oder dem Service- und Kompetenzzentrum Kommunaler Klimaschutz (SK:KK). Darin werden unter anderem Webinar-Termine zu Fördermöglichkeiten des kommunalen Klimaschutzes veröffentlicht. Auch Emcra gibt einen 14-täglich erscheinenden Fördertipp heraus. Michael Kraack hält professionelles Networking für unabdingbar und empfiehlt auf Arbeitsebene Kontakte zu Personen in den Vergabestellen aufzubauen. Ein Netzwerk stellt sicher, dass Dynamiken im Fördermittelsystem frühzeitig bekannt werden. Selbst Mittel, die nach dem Windhund-Prinzip vergeben werden, („Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“), entgehen einem dann nicht. Die Befürchtung, dass allein Kontakte im Sinne einer Lobbybeziehung oder persönlicher Einflussnahme von Politikern schon den Erfolg ebnen, bestätigt Massau nicht. Der Schleswig-Holsteiner wie der Berliner Experte sind sich einig: Beste Chancen haben die Kommunen, die gut argumentieren und formulieren können sowie vor einer Antragstellung alle Fragen beantwortet haben.

Mit dem Radförderprojekt in Elmshorn wurden an der Lise-Meitner-Straße Querungshilfen, Radweg und der Kreisverkehr neu angelegt. Der CarBikePort vor dem Kino ersetzt einen Pkw-Stellplatz durch zehn Fahrradstellplätze.

Eigenmittel sind Voraussetzung

Das berührt auch die Frage nach den Eigenmitteln. Denn die meisten Förderprogramme bieten keine 100-Prozent-Finanzierung. Eine Maßnahme sollte deshalb so wichtig sein, dass der Eigenanteil im Gesamtkontext der kommunalen Aufgaben gerechtfertigt ist, rät die Rad.SH. In einem Beitrag für das Handbuch StiftungsManager weisen Michael Kraack und Heike Kraack-Tichy darauf hin, dass zwar nie mehr Gelder ausgezahlt werden, als im Bewilligungsbescheid genehmigt. Umgekehrt kann sich die Fördersumme reduzieren, wenn weniger Mittel benötigt werden. Für Spielraum sorgt demnach die Möglichkeit einer begrenzten Umwidmung von einer Budgetkategorie in die andere. Diese sollte dann allerdings gut begründet werden.
Auch bei nicht vertragsgemäßer Umsetzung droht die Rückzahlung. Mit der Formulierung des Förderprojekts wird ein Vertragsbestandteil selbst geschrieben. Deshalb sollten nie Leistungen oder Ergebnisse zugesagt werden, die nicht eingehalten werden können. Kommt es bei der Umsetzung zu Problemen, sollte umgehend Kontakt mit dem Förderer aufgenommen und die Lage offen angesprochen werden.

Auf das Kleingedruckte kommt es an

Der Hinweis auf das Kleingedruckte in den Ausschreibungsunterlagen klingt banal. Beide Berater weisen darauf hin, dass Antragstellerinnen gerade dem manchmal zu wenig Aufmerksamkeit schenken. So macht eine Antragstellung überhaupt nur Sinn, wenn es eine passende Schnittmenge der eigenen Projektziele mit den in der Ausschreibung genannten gibt. Bei der Formulierung sollte man sämtliche Förder- und Evaluationskriterien im Auge behalten. Sonst besteht Gefahr aufgrund formaler Kriterien abgelehnt zu werden. Aufgrund der Komplexität von Ausschreibungen und Projekten bleibt die Fördermittelberatung eine individuelle Angelegenheit. Die Emcra-Expertinnen identifizieren in ihrem Fachartikel dennoch einige weitere Konstanten, die sich bei den meisten öffentlichen Fördermittelvergaben wiederholen.

Zeitperioden großzügig planen

So ist ein ausreichender Zeitpuffer nicht zu unterschätzen. Drei bis sechs Monate gelten für einen umfangreichen Förderantrag als angemessen. Weil viele Förderprogramme wiederkehrende Antragsfristen besitzen, ist Aktionismus also unnötig. Stößt man kurz vor Abgabeschluss auf eine Ausschreibung, wartet man lieber auf die kommende Antrags-Deadline.
Mehrstufige EU-Antragsverfahren bedürfen besonderer Beachtung: Häufig ist die erste Einreichungsfrist eine Interessenbekundung oder Concept Note. Aufgefordert zur Abgabe des Vollantrags werden nur Projekte, deren eingereichtes Konzept überzeugen konnte. Unerfahrene Antragsteller begehen in einem solchen Verfahren den Fehler, der ersten Phase nicht genug Aufmerksamkeit zu schenken. Dabei haben nur die eine Chance zur Einreichung eines Vollantrags, die ihre Hausaufgaben vor der Einreichung der Interessenbekundung erledigen. Deshalb heißt der Emcra-Rat: Wer auf der sicheren Seite stehen will, agiert im Hinblick auf die erste Antragsfrist so, als wenn es nur einen Abgabetermin gäbe.

Förderphasen und messbare Wirkung

Zur Einplanung von Fremdmitteln sollte man die politischen Förderphasen kennen. Während sich in Deutschland Förderphasen nach vier- bis fünfjährigen Legislaturperioden richten, kann man bei EU-Mitteln nach siebenjährigen Förderphasen planen. Der Förderbetrag selbst wird innerhalb eines festen Projektzeitraums verausgabt. Die geförderte Kommune muss schon bei Antragstellung deutlich machen, wie sie die Projektergebnisse auch ohne dauerhafte Unterstützung nachhaltig erreichen will. Förderungen sind an messbare Wirkungen gebunden. Darüber müssen die Verantwortlichen im Detail Auskunft geben können. Zum Fördererfolg gehört deshalb auch eine gut mit Zahlen belegte Wirkungsanalyse oder Prognose.
Ist der Zuwendungsbescheid unterschrieben, liegt der Fokus schließlich auf der Umsetzung. Dabei gilt es, die Auflagen aus dem Bescheid zu beachten. In der Öffentlichkeitsarbeit ist auf den Fördermittelgeber und das Programm hinzuweisen. Neben der zahlenmäßigen Verwendung der Mittel gehört der schriftliche Nachweis dazu, der den Zusammenhang zwischen Förderzielen und der geförderten Maßnahme begründet.


Bilder: Stadt Elmshorn, Stadt Rendsburg, Morten Boysen – Stadt Elmshorn