VELOPLAN 3/2025 – Editorial
Schwerpunkt: Betriebliche Mobilität
Unterschätzte Handlungsträger
Die Berufe, die wir in Deutschland ausüben, sind der größte Verursacher von Verkehrsaufkommen. Satte 41 Prozent der Personenkilometer gehen laut der Studie Mobilität in Deutschland 2023 (MiD) auf diesen Beweggrund zurück, davon 3 Prozent auf den Faktor Ausbildung. Damit liegt der Wert knapp vor dem Wegezweck Freizeit (37 Prozent) und deutlich vor den Wegezwecken Erledigung (10 Prozent), Begleitung und Einkauf (je 6 Prozent).
Ein Großteil der beruflich bedingten Wege legen die Menschen in Deutschland mit dem Auto zurück. Bei Pendelstrecken sind es laut dem jüngsten Mikrozensus 65 Prozent. Die Studie MiD ergab, dass die durchschnittliche Wegelänge mit dem Zweck Arbeit an Werktagen bei 15 km lag. Mit dem Hauptverkehrsmittel „zu Fuß“ legten die Menschen im Schnitt 2 km zurück. Beim Fahrrad lag der Wert bei 5 km und beim öffentlichen Verkehr sowie der Fahrt mit dem motorisierten Individualverkehr (MIV) bei je 19 km (15 km bei MIV-Mitfahrt). Die Wegelängen nehmen zudem mit steigendem ökonomischen Status des Haushalts und – wenig verwunderlich – mit einem größeren Umfang der Erwerbstätigkeit zu.
Für einen Teil dieser Strecken sind Autos sicher einigermaßen alternativlos. Aber, wie Sie in dieser Ausgabe lesen werden: Arbeitgeber haben einen großen Einfluss auf die Mobilität, die ihre Arbeitnehmer*innen verursachen. Das gilt beim Pendeln, jedoch auch bei den Wegen, die die eigene Belegschaft bei Kund*in-nenbesuchen oder im Werksverkehr zurücklegt. Und auch Kund*innen, die den eigenen Betrieb aufsuchen, kann man die Anreise mit dem Umweltverbund mit konkreten Angeboten, freundlichen Aufforderungen oder den nötigen Informationen schmackhafter machen.
Die Vorteile des Fahrrads im beruflichen Kontext sind vielzählig und im Grunde die gleichen, die das Verkehrsmittel auch in anderen Lebensbereichen bereithält. Aktive Mobilität macht beziehungsweise hält Körper und Geist gesund, spart gegenüber dem Auto Kosten ein und hat etwa bei auswärtigen Terminen, aber auch bei der morgendlichen Pendelstrecke den Vorteil, im Vergleich deutlich verlässlichere Reisezeiten zu bieten. Oder kennen Sie jemanden, der morgens schon mal eine halbe Stunde mit dem Fahrrad im Stau stand?
Wer mit der Perspektive des betrieblichen Mobilitäts-Managements auf die im Unternehmenskontext zurückgelegten Wege blickt, kann ziemlich sicher nicht nur kostenintensive, sondern auch niedrigschwellige Möglichkeiten finden, Mobilität zu verlagern, zu verhindern oder zu verbessern. Woran liegt es also, dass die eingangs genannten Werte nicht schon längst eine andere Realität widerspiegeln?
Naheliegend ist in meinen Augen zum einen, dass die Betriebe als Handlungsträger für die Mobilitätswende unterschätzt werden und sich vermutlich sogar selbst unterschätzen. Das könnte auch damit zusammenhängen, dass Verantwortung in unserer Gesellschaft oft bei Individuen und nicht so oft bei Unternehmen abgeladen wird.
Zum anderen ist Mobilität für Unternehmen nicht die einzige Herausforderung. Konjunkturelle Flauten und Fachkräftemangel verursachen viele Baustellen. Um die Mobilität zu verändern, sind die Betriebe zudem auf die lokale Politik für die Infrastruktur und die Bundespolitik für die Rahmenbedingungen, etwa zum Mobilitäts-Budget angewiesen.
Das Handlungsfeld zeigt, wie so oft, wie verschiedene Handlungsträger zusammengreifen müssen, um etwas zu verändern. Viele Akteure müssen was tun. Oder positiv formuliert: Viele können etwas tun.
Ihr Sebastian Gengenbach – sg@fwv.de
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