(erschienen in VELOPLAN, Nr. 01/2024, März 2024)


Natenom ist verstummt

Andreas Mandalka hat zu Lebzeiten vermieden, dass Bilder von ihm öffentlich gemacht werden. Der kleine Stoffelefant Kagube war sein Begleiter bei Fahrradtouren und sein Alter Ego im Internet.

Andreas Mandalka, als Fahrradaktivist und Blogger unter dem Pseudonym Natenom bekannt, ist am Abend des 30. Januars bei einem Verkehrsunfall auf dem Fahrrad ums Leben gekommen. Der Unfallhergang war zum Redaktionsschluss noch Gegenstand polizeilicher Ermittlungen, gesichert ist wohl bereits, dass Mandalka von hinten bei Dunkelheit auf einer Landstraße von einem 77-jährigen Autofahrer angefahren wurde. Er verstarb noch am Unfallort.
Die Landstraße, auf der sich der tödliche Unfall unweit seines Wohnortes Neuhausen im Nordschwarzwald ereignete, war regelmäßig Gegenstand von Mandalkas Blog-Beiträgen. Die Situation dort ist exemplarisch für ein zentrales Anliegen des Radaktivisten gewesen. Teilweise verläuft neben der Landstraße ein Radweg, der jedoch aufgrund seines schlechten Zustands nicht mehr benutzungspflichtig ist. Um dem holprigen Belag und Schlaglöchern dort auszuweichen, nutzte Mandalka regelmäßig die Straße.
Bundesweite Bekanntheit erlangte Mandalka unter anderem als Radfahrer mit einer Poolnudel als Abstandhalter auf dem Gepäckträger. In seinem Blog ist nachzulesen, wie er 2019 von der Polizei auf einer Landstraße gestoppt und ihm die Weiterfahrt mit Abstandhalter untersagt wurde. Begründung: Der 1,50 Meter breite Abstandhalter verhindere, dass der Radfahrer auf der Landstraße überholt werden könne.
Als Radaktivist dokumentierte Natenom mit Videoaufnahmen und Open-Bike-Sensor, wenn er von Autofahrenden nicht mit dem vorgeschriebenen Mindestabstand überholt wurde. Besonders gefährliche Überholmanöver brachte er bei der Polizei zur Anzeige, die diese aber offenbar nur widerwillig aufnahm. Sein Blog ist eine Dokumentation, mit welchen hanebüchenen Argumenten Staatsanwaltschaft und Polizei ihre Ermittlungsverfahren bei offenkundiger Gefährdung eines Radfahrenden einstellen. So sei beispielsweise das Überholen eines Pkws mit Dauerhupe lediglich als akustische Ankündigung des Überholvorgangs von der Polizei abgetan worden. An anderer Stelle zitiert Natenom aus einem Schreiben der Staatsanwaltschaft, die ihm angesichts seiner häufigen Anzeigen einen „gewissen Belastungseifer“ unterstellt habe. Bei einer Gedenkveranstaltung für den im Straßenverkehr getöteten Andreas Mandalka sagte einer seiner Mitstreiter: „Er hat für sein Recht die Hilfe der Polizei eingefordert, diese Hilfe aber nur selten erhalten.“
Die Nachricht von Mandalkas Tod hat viele Menschen erschüttert, auch weit über sein persönliches Umfeld hinaus. Menschen, die ihn gut kannten, beschreiben Andreas Mandalka als „engagierte und akribische“ Persönlichkeit. Mandalka sagte einmal, er sei kein Ideologe gegen das Auto, sondern setze sich für eine Gleichberechtigung der Verkehrsteilnehmer ein. Als die „Zeit“ vor fünf Jahren mit Mandalka ein Interview führte, sagte er, „einige Autofahrer meinen, die Straße sei nur für Autos da. Die erwarten von Radfahrern, dass sie mitten durch den Wald fahren“. Mit dieser Ungerechtigkeit wollte sich Mandalka nicht abfinden. Seine konsequente und geradlinige Einstellung war den Behörden wohl vor allem unbequem, in seinem dörflichen Lebensumfeld ist dem Aktivisten durchaus auch Hass entgegengeschlagen. Dieser äußerte sich nicht nur zu seinen Lebzeiten durch vorsätzliche Gefährdungen im Straßenverkehr und gezielte Gewaltaufrufe in sozialen Medien, auch wurde eine Gedenkstätte für Mandalka an der Unfallstelle bereits einen Tag nach deren Einweihung von Unbekannten mutwillig zerstört.
Im zuvor genannten „Zeit“-Interview sagte Mandalka auch: „Es braucht sichere Infrastruktur, am besten geschützte Radwege, die von der Straße abgetrennt sind. Weil dieser Umbau dauert, ist es wichtig, dass die Polizei Fälle wie meine ernst nimmt und Abstandskontrollen durchführt. Sie sollte Kampagnen organisieren, bei denen sie Autofahrer aufklärt, wie viel Abstand sie halten müssen.“ Wäre dieser Appel gehört worden, könnte Andreas Mandalka noch leben.


(mf)


Fahrradverband sorgt sich um Image von Lastenrädern

In Zusammenhang mit der Berichterstattung in der Tagespresse zum Verkaufsstopp von Lastenfahrrädern des niederländischen Herstellers Babboe befürchtet der Verband Zukunft Fahrrad offenbar, dass das Image für diese boomende Fahrradgattung insgesamt Schaden erleiden könnte. Ein Pressestatement soll hier entgegenwirken.

Der von der niederländischen Behörde für die Lebensmittel- und Verbrauchsgütersicherheit NVWA im Februar angeordnete Verkaufsstopp für Lastenfahrräder der Marke Babboe hat rasch auch Wellen in der Tagespresse geschlagen. Jüngster Stand bei Redaktionsschluss ist, dass Babboe über die Website – auch auf der deutschsprachigen – über den Verkaufsstopp informiert und Besitzer von betroffenen Babboe-Lastenfahrrädern direkt angeschrieben hat, dass diese ihr Fahrrad vorläufig nicht mehr nutzen sollen. Gemeinsam mit der NVWA wurde eine Rückrufaktion der betroffenen Babboe-Modelle angekündigt.
Beim Branchenverband Zukunft Fahrrad beobachtet man diese Schlagzeilen offenbar mit Sorge und stellt dabei jedoch fest: „Klar ist: Produktsicherheit ist für die Verkehrssicherheit essenziell. Rückrufe von Produkten kommen deswegen in allen Branchen vor. Gerade erst musste VW weltweit über 47.000 Modelle verschiedener Baureihen wegen Brandgefahr zurückrufen.“ Zudem gebe es keine Hinweise auf ein erhöhtes Unfallgeschehen mit Lastenrädern in Deutschland.
Arne Behrensen, Lastenrad-Experte bei Zukunft Fahrrad ergänzt dazu: „Außerdem fahren Eltern mit Kindern an Bord eher defensiv. Beides senkt die Unfallgefahr. Würden mehr Menschen und Unternehmen ihre Transporte mit dem Lastenrad statt dem Auto erledigen, wäre der Straßenverkehr für alle sicherer und ruhiger.“ Gleichzeitig ruft er Konsumentinnen und Konsumenten in dem Presse-statement auf, auf Sicherheitsstandards der Branche zu achten und sich im Fachhandel beraten zu lassen.


(jw)


E-Lastenrad-Verleiher Sigo startet in die neue Saison

Nach der Übernahme durch einen Investor im vergangenen Herbst startet E-Lastenrad-Verleiher Sigo unter neuer Firmung und neuer Geschäftsführung in die neue Saison. Zudem grüßt das Unternehmen neu als Mitglied von Zukunft Fahrrad.

Schon kurz nach der letztjährigen Insolvenzanmeldung im Juni standen die Zukunftsaussichten für den E-Lastenrad-Verleiher sehr gut. Das Unternehmen war auf Wachstumskurs, stolperte aber über die erheblichen Zinserhöhungen am Kapitalmarkt im vergangenen Jahr und eine gescheiterte Finanzierungsrunde.
Das Insolvenzverfahren gehört jedoch längst der Vergangenheit an. Eine Investorenlösung wurde bereits im vergangenen Jahr erzielt. Die Sigo Green GmbH wurde neu gegründet und der Geschäftsbetrieb übertragen, alle Arbeitsplätze blieben erhalten.
Neuer Gesellschafter ist Felix von Borck mit seinem Investmentunternehmen Fanta4. Felix von Borck ist ein bekannter Unternehmer und Gründer des Batteriespezialisten Akasol AG. Wie die mit der Restrukturierung beauftragte Rechtsanwaltskanzlei Pluta bei der Verkündung der Übernahme im vergangenen Jahr erklärte, verfüge der Investor über große Erfahrung in den Bereichen Elektromobilität, Unternehmensgründung und -entwicklung. Mit seinem Know-how und einer neuen Geschäftsführung soll die neue Sigo Green zum geplanten Wachstum und einem gewinnbringenden Betrieb geführt werden. Der Investor sieht großes Potenzial für das Start-up. „Ab sofort sitzt die Sigo Green fester im Sattel denn je“, so Felix von Borck.
Die Sigo Green GmbH mit Sitz in Darmstadt ist mit den induktiven Ladestationen einer der ersten Anbieter eines vollautomatischen E-Lastenrad-Systems in Deutschland. Als neuer Geschäftsführer grüßt nach der Übernahme durch Fanta4 Kai von Borck. Auch unter neuer Führung bleiben das Sigo-Logo und die Mission erhalten, E‑Lastenräder und E‑Bikes als Sharing-Dienstleistung zu den Menschen zu bringen und damit einen wichtigen Beitrag zur Verkehrswende zu leisten. Aktuell ist Sigo Green an über 150 Standorten in 34 Städten präsent. Seit Kurzem unterstützt das Unternehmen wie berichtet auch die politische Arbeit als Mitglied des Branchenverbands Zukunft Fahrrad.

(jw)


Bundesregierung will Blinker erlauben

Fahrtrichtungsanzeiger sind derzeit nur bei mehrspurigen Fahrrädern und Fahrzeugen mit einem Aufbau zulässig. Künftig, so geht aus der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage hervor, soll sich das ändern.

Geplant werden die Regelungen im Rahmen der Neufassung der Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO). Wann genau der Bundesrat sich mit der Neufassung beschäftigen wird und Blinker für alle erlaubt sein werden, lässt sich jedoch noch nicht genau prognostizieren.
Begrüßt wird das Vorhaben unter anderem vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR), der die Änderung im Rahmen einer Verbändeanhörung im Sommer vergangenen Jahres eingebracht hat. Manfred Wirsch, Präsident des DVR, ordnet ein: „Es ist Zeit, dass in der StVZO die Möglichkeit geschaffen wird, die Sichtbarkeit von Fahrradfahrenden mit Blinkern – oder Fahrtrichtungsanzeigern – zu verbessern. Denn Blinker können einen Beitrag für mehr Verkehrssicherheit und weniger Verletzte im Straßenverkehr leisten. Abbiegevorgänge werden sicherer, weil beide Hände am Lenker bleiben, und insbesondere nachts ist die Abbiegeintention für andere Verkehrsteilnehmende besser sichtbar. Zusammenstöße mit linksabbiegenden Fahrradfahrenden ziehen oft schwerwiegende Verletzungen nach sich und könnten so reduziert werden. Ein Blick zurück zeigt, dass Blinker sich an motorisierten Zweirädern und auch an Elektrokleinstfahrzeugen bewährt haben und u. a. für mehrspurige Fahrräder und Fahrradanhänger bereits zugelassen sind.“
Roland Huhn, Rechtsexperte des ADFC, erklärt, weshalb sich auch der Verband schon länger für eine freiwillige Nutzung von Blinkern an Fahrrädern und Pedelecs einsetzt: „Fahrtrichtungsanzeiger sind vor allem bei Dunkelheit besser erkennbar als das Handzeichen und bleiben auch tagsüber während des gesamten Abbiegevorgangs wirksam, bei dem oft beide Hände zum Betätigen der Bremsen benötigt werden.“
Skepsis kommt unter anderem von Stefan Gelbhaar, dem verkehrspolitischen Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. „Blinker an normalen Straßenrädern werden die Verkehrssicherheit nicht erhöhen“, äußerte er gegenüber der Düsseldorfer „Rheinischen Post“. Da normale Straßenräder sehr schmal sind, seien die Blinker kaum wahrnehmbar. Sinnvoller wäre es, den Weg für gute Radverkehrsinfrastrukturen und angemessene Geschwindigkeiten zu bereiten.

(sg)


Politische Leitung neu besetzt

Der ADFC hat seit Mitte Februar eine neue politische Bundesgeschäftsführerin. Die Führung des weltweit größten Interessenverbandes ist damit wieder komplett.

Dr. Carolin Lodemann übernimmt die Position, die Ann-Kathrin Schneider im vergangenen Juni abgelegt hatte. Sie ist damit beim Bundesverband künftig zuständig für die Bereiche Politik, Kommunikation und Verband. Die Bundesgeschäftsführung teilt sie sich mit Maren Mattner, die für Tourismus und Dienstleistungen sowie den kaufmännischen Bereich verantwortlich ist.
Die neue Geschäftsführerin hat sich zum Ziel gesetzt, die Präsenz des ADFC weiter zu steigern. Dr. Caroline Lodemann sagt: „Mich motiviert das ganzheitlich Gute am Fahrrad. Denn das Fahrradfahren fördert ja nicht nur Gesundheit und Wohlbefinden derer, die es selbst praktizieren. Es ist auch gut für jene, die selbst nicht Rad fahren können oder wollen. Denn Radfahren hilft beim Klimaschutz, reduziert Lärm und Abgase und macht unsere Orte lebenswerter. Das Radfahren ist also ein Gewinn für uns alle. Umso mehr müssen Radwege flächendeckend sicher sein – damit es überall selbstverständlich werden kann, mit dem Rad zur Schule, zur Arbeit, zum Einkaufen und zum Sport zu fahren. Dazu möchte ich beitragen und möglichst viele Menschen für das Rad und die Ziele des ADFC gewinnen.“
Bisherige berufliche Stationen der Literaturwissenschaftlerin lagen in Bildungs- und Forschungsorganisationen. Unter anderem war Lodemann langjährige Leiterin des Präsidialstabs und der Kommunikation der Leibniz-Gemeinschaft.
Der ADFC-Bundesvorsitzende Frank Masurat freut sich über den Neuzugang der Geschäftsleitung: „Der ADFC-Bundesvorstand ist sehr glücklich, mit Caroline Lodemann eine ausgemachte Kommunikationsexpertin als Bundesgeschäftsführerin gewonnen zu haben, die viel Managementerfahrung und wissenschaftliche Expertise mitbringt und bestens vertraut ist mit Politikberatung und Interessenvertretung. In der sonst eher männlich geprägten Verkehrspolitik wird die weibliche Doppelspitze beim ADFC wieder einen erfrischenden Kontrapunkt setzen. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit, auf kraftvolle politische Kampagnen für die Verkehrswende und viel Sichtbarkeit für einen sympathischen, professionell aufgestellten ADFC.“


(sg)


Schwedischer E-Bike-Hersteller ist insolvent

Der schwedische Mikromobilitätsanbieter Vässla wurde von einem Gericht in Schweden für insolvent erklärt.

Vässla hatte große Pläne als Hersteller von Mobilitätslösungen, insbesondere in Deutschland als Anbieter von E-Bikes. Nachdem das Unternehmen den deutschen Markt zunächst mit einem Fahrzeug, das eine Mischung aus E-Bike und Moped darstellt, in Angriff genommen hatte, präsentierte Vässla im Herbst 2022 ein erstes E-Bike, das aus der Design-Feder des Münchner Studios Zanzotti Industrial Design stammte. Vorausgegangen war eine Finanzierungsrunde, die insgesamt neun Millionen Euro ins Unternehmen pumpte.
Die Zukunft von Vässla ist nun jedoch ungewiss. Wie CEO und Gründer Rickard Bröms via LinkedIn mitteilt, wurde von einem schwedischen Insolvenzgericht eine Verlängerung der Unternehmensumstrukturierung in Eigenregie abgelehnt. Das Unternehmen wird in Folge für insolvent erklärt und ein Insolvenzverwalter übernimmt das Ruder.
Man sei nur wenige Tage davon entfernt gewesen, die notwendigen Mittel für den Ausstieg aus der Restrukturierung zu beschaffen, schreibt Bröms und berichtet gleichzeitig über die geleisteten Erfolge im Rahmen des Umstrukturierungsprozesses. So sei es gelungen, Väss-la von fast 8 Millionen Euro Verlust pro Jahr innerhalb von sechs Monaten in die Gewinnzone zu führen, zudem seien Abschreibungen mit Gläubigern in Höhe von 85 Prozent ausgehandelt und die Betriebskosten deutlich gesenkt worden. Hinzu kam die Erschließung neuer Märkte in Übersee und strategische Schließungen anderer Märkte. In Summe sieht Bröms im Unternehmen Potenzial für eine erfolgreiche Zukunft. Das Unternehmen sei vollständig umstrukturiert und bereit für ein neues Kapitel. Den Treuhänder wolle Bröms beim Übergang von Vässla in die nächste Phase und unter neuer Führung unterstützen.

(jw)


Bochum gewinnt Vorentscheid für Fahrradprofessur

Der Fachkräftemangel ist ein ernst zu nehmendes Problem, wenn es darum geht, Radverkehrsinfrastruktur zu planen und zu bauen. Die Universität Bochum hat sich in einer Vorauswahl durchgesetzt und bekommt künftig eine Fahrradprofessur, die aus Landesmitteln Nordrhein-Westfalens gefördert wird.

Fünf wissenschaftliche Einrichtungen hatten an der Vorauswahl teilgenommen, die nun von einer Jury mit Experten und Expertinnen aus Verwaltung, Planung, Bau und Verbänden entschieden wurde. „Die Hochschule Bochum hat uns mit ihrem praxisorientierten Konzept auf ganzer Linie überzeugt. Die zukünftige Professur setzt auf die Planung und den Bau von Radverkehrsinfrastruktur, ohne dabei den interdisziplinären Ansatz zu vernachlässigen oder relevante Themenfelder wie die Digitalisierung aus dem Blick zu verlieren. Zusammen mit dem ÖPNV ist der Radverkehr das Rückgrat der Mobilität der Zukunft“, gratulierte NRWs Umwelt- und Verkehrsminister Oliver Krischer. „In Nordrhein-Westfalen sollen Fachkräfte insbesondere für den Landesbetrieb Straßenbau und den kommunalen Bereich auf hohem Niveau ausgebildet werden. Mit einer Professur können wir auch über die akademische Schiene für eine langfristige Ausbaubeschleunigung der Radverkehrsinfrastruktur sorgen.“
Die Hochschule Bochum hatte bis Ende Februar 2024 Zeit, den Förderantrag einzureichen. Die Professur wird durch das Land Nordrhein-Westfalen für die Dauer von zehn Jahren mit bis zu 400.000 Euro jährlich gefördert. Auch die Stadt Bochum habe bereits signalisiert, sich finanziell an einer wissenschaftlichen Mitarbeitendenstelle beteiligen zu wollen, heißt es aus dem Ministerium.
Prof. Dr. Andreas Wytzisk-Arens, Präsident der Hochschule Bochum, erklärt, welche Rolle Radverkehr an der Hochschule spielt. „Die Stärkung einer nachhaltigen Mobilität ist ein zentrales Anliegen der Hochschule Bochum. Daher haben wir schon früh begonnen, das Thema Radverkehr strategisch in Forschung und Lehre zu verankern. Die Hochschule Bochum liefert damit nicht nur wichtige Impulse für die Verkehrswende, sondern setzt auch bei der Ausbildung der für den Ausbau von Radverkehrsinfrastrukturen so dringend benötigten Fachkräfte ein Zeichen. Der Bedarf ist immens. Die erfolgreiche Einwerbung der vom Verkehrsministerium des Landes Nordrhein-Westfalen geförderten Fahrradprofessur und die damit verbundene substanzielle Stärkung des Lehr- und Forschungsgebietes ‚Radverkehr‘ sind für die Hochschule daher von enormer strategischer Bedeutung“.


(sg)


Fahrradfahren hat noch viel Potenzial

Die achte Ausgabe des vom Sinus-Institut durchgeführten Fahrradmonitors zeigt, dass das Fahrrad als Verkehrsmittel gefragt ist und die Ausgabebereitschaft in den letzten Jahren nach oben geschnellt ist. Die Studie enthält aber auch Handlungsempfehlungen, die den Radverkehr zum Beispiel durch mehr Sicherheit noch attraktiver machen könnten.

Das Interesse an E-Bikes und Fahrrädern und die Kaufbereitschaft der Menschen in Deutschland sind hoch. 46 Prozent wollen in Zukunft häufiger mit dem Fahrrad oder Pedelec fahren. Ein Viertel hat zudem angegeben, innerhalb des nächsten Jahres ein Fahrrad oder Pedelec erwerben zu wollen. Das zeigen Ergebnisse des Fahrradmonitors. Diese Studienreihe erhebt im Zwei-Jahres-Rhythmus das subjektive Stimmungsbild der Radfahrenden in Deutschland. Seit 2009 liegt nun bereits die achte Ausgabe vor.

Ausgabebereitschaft steigt rasant

Die Summe, die die Menschen für ihr neues Rad zu investieren bereit sind, liegt im Schnitt bei 1424 Euro pro Person. 2019 lag dieser Wert noch bei 1052 Euro, 2019 sogar bei 685. Bei 48 Prozent der Stichprobe sind Fahrräder mit Elektroantrieb besonders begehrt. Sieben Prozent planen, sich ein Lastenrad zu kaufen, und 26 Prozent der Kaufinteressenten und -interessentinnen planen, für den Kauf ein Leasingangebot ihres Arbeitgebers zu nutzen.
Spannende Ergebnisse bietet die Studie auch beim Blick auf die Details. Regelmäßig, also täglich oder mehrmals die Woche, nutzen 39 Prozent der Befragten das Fahrrad. Dieser Wert ist unter den Erwachsenen konstant, hat sich allerdings, auf die verschiedenen Altersgruppen aufgeschlüsselt, angeglichen. Auch die Gruppe der 50- bis 69-Jährigen kommt auf 38 Prozent und schließt damit zu den jüngeren Befragten auf. Kinder hingegen nutzen das Fahrrad häufiger. 47 Prozent der Befragten zwischen 0 und 15 Jahren fahren mehrmals pro Woche Rad. Großes Potenzial besteht beim Pendelverkehr. Unter den Berufstätigen nutzen 22 Prozent das Verkehrsmittel regelmäßig auf dem Weg zur Arbeit.

Verschenktes Potenzial

Radfahrende, die das Rad selten oder nie zum Pendeln nutzen, begründen das am häufigsten damit, dass der Weg zu weit ist oder die Fahrt zu lange dauert. Der Fahrradmonitor 2023 unterstreicht, wie wichtig die Kombination von öffentlichem Verkehr und dem Fahrrad mit Blick auf das Pendeln ist. Im Nah- und Regionalverkehr ist es wichtig, ein Fahrrad gut mitnehmen oder abstellen zu können.
Vergebenes Potenzial hat aber auch einen anderen Hintergrund, wie die Studie hervorhebt. 60 Prozent sind es, die sich beim Radfahren sehr sicher oder meistens sicher fühlen. Unsicherheit erzeugen vor allem rücksichtsloses Verhalten von Autofahrenden und zu viel Verkehr auf den Straßen. In der neuen Studie wurde erstmals auch das Sicherheitsempfinden auf unterschiedlichen Führungen des Radverkehrs abgefragt. 94 Prozent fühlen sich vor allem auf Radwegen sicher, die vom Auto- und Fußverkehr getrennt sind. Das schließt auch Protected Bike
Lanes ein, die zum Beispiel durch Poller oder ähnliche Elemente vom Autoverkehr abgetrennt sind. 83 Prozent bewerten Fahrradstraßen positiv. Unsicher fühlen sich die Radfahrenden vor allem dort, wo die Fahrbahn mit dem Kfz-Verkehr geteilt wird. Bei Tempo 50 fühlen sich in dieser Konstellation nur 13 Prozent, bei Tempo 30 hingegen 21 Prozent sicher. Auf freigegebenen Bus-Sonderfahrstreifen fühlen sich 29 Prozent sicher. Der Fahrradmonitor räumt weiter mit Vorurteilen auf. So lässt sich zwischen Stadt und Land beim Interesse an Lastenrädern kein Unterschied mit den Daten belegen. Auch bei anderen Themen sind die Unterschiede zwischen Stadt und Land geringer als oft vermutet.

Wo die Politik gefragt ist

Andere Unterschiede sind sehr wohl belegbar. Frauen fahren immer noch seltener mit dem Fahrrad als Männer. Bei ihnen liegt die regelmäßige Nutzung mit 36 Prozent sechs Prozentpunkte unter der der Männer. Unverändert sind auch die meistgewünschten Maßnahmen von Bund, Ländern und Kommunen. Seitens der Befragten gibt es klare politische Forderungen. Unter den Top 5 finden sich dort die Forderungen, mehr Radwege zu bauen (56 Prozent), Radfahrende von den Pkw-Fahrenden zu trennen (50 Prozent), mehr Schutz- und Radfahrstreifen einzurichten und sichere Abstellanlagen zu bauen (je 41 Prozent). Auf Platz 5 landet mit 39 Prozent der Wunsch, mehr Fahrradstraßen einzurichten. Obwohl diese Wünsche unverändert sind, wird die Politik auf verschiedenen Ebenen etwas fahrradfreundlicher wahrgenommen als in der letzten Ausgabe des Fahrradmonitors. 62 Prozent bewerten die Kommunalpolitik als fahrradfreundlich, auf Landesebene sind es 58 und auf Bundesebene 52 Prozent.

(sg)

Die Studienreihe Fahrradmonitor wird seit 2009 im Zweijahresrhythmus vom Sinus-Institut durchgeführt. 4003 Bürgerinnen und Bürger zwischen 14 und 69 Jahren wurden von Mitte Mai bis Anfang Juni des vergangenen Jahres zu ihrem Mobilitätsverhalten und ihren Mobilitätspräferenzen mit Radverkehrsfokus befragt. Die Quotenstichprobe repräsentiert die deutsche Wohnbevölkerung nach Geschlecht, Alter, Bildung und Ortsgrößenklassen. Das Bundesministerium für Digitalisierung und Verkehr hat den Fahrradmonitor als Maßnahme zur Umsetzung des Nationalen Radverkehrsplans gefördert.