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Cargobike-Sharing ist noch deutlich weniger verbreitet als Zeitnutzungsmodelle für Autos, Fahrräder oder E-Scooter. Stellschrauben gibt es bei den Fahrzeugen, den Zielgruppen – und den Finanzen. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 02/2023, Juni 2023)


„Cargobikes sind wie Drogen“, so Tobias Lochen, Gründer von Sharing-Anbieter Sigo. In dieser Hinsicht hätten ihm wohl die meisten Redner*innen auf der Konferenz Cargobike-Sharing Europe am 24. Mai zugestimmt. Wer die fähige Mobilitätsalternative ausprobiert, wird schnell süchtig danach. „Unsere größte Mission muss es sein, die Menschen auf die Cargobikes zu bekommen“, so die Schlussfolgerung von Lochen. Die Sharing-Räder fungieren nicht nur als Einstiegsdroge für private Lastenradkäufe, sondern haben ihre ganz eigene Daseinsberechtigung. Sie lösen ein Problem, das Cargobikes und Autos gemeinsam haben. Beide sind die allermeiste Zeit ungenutzt.
In Köln fand Cargobike-Sharing Europe im Kontext der Polis Mobility auf dem Messegelände statt. Die Veranstaltung sei in der diversen Pendlerstadt gut aufgehoben, so Frederik Strompen. Er vertrat die Stadt Köln und stellte unter anderem das junge Cargobike-Programm der Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) vor. Die KVB stellt zunächst 15 Lastenräder in drei Stadtteilen zur Verfügung. In Nahverkehrsabos sind 90 Freiminuten wöchentlicher Nutzung enthalten. Für die reguläre Nutzung fallen 9 Cent pro Minute oder maximal 27 Euro am Tag an. Arne Behrensen von Zukunft Fahrrad, der die Konferenz gemeinsam mit Cargobike.jetzt organisierte, kommentiert: „Wenn Sharing richtig organisiert ist, ist es effizienter. Mehr Leute können verlässlich zu günstigen Konditionen Zugriff auf hochwertige Lastenräder haben. Wenn man sich die KVB-Räder anschaut, wer sich solche Räder privat kauft, den Stellplatz und das Geld hat, das ist ein eingeschränkter, kleiner Kreis in der Großstadt. Das ist für KVB-Kunden eine interessante Sache.“

Auf der Konferenz waren einige Anbieter mit Ausstellungsrädern vertreten. Einspurige Lastenräder sind bei Sharing-Angeboten die Norm.

Knackpunkt Geld

Viele offene Fragen im Kontext geteilter Lastenräder betreffen die Finanzierung. Ein Podium zu der kon-troversen Geldfrage wurde sich nicht einig, ob Lastenrad-Sharing überhaupt kostendeckend oder profitabel betrieben werden muss. An einigen Orten ist der öffentliche Nahverkehr schließlich auch nicht kostendeckend. Gerade in der Implementierungsphase können öffentliche Subventionen helfen, Cargobike-Sharing ins Rollen zu bringen. „Das Schlagwort des Tages war für mich ,profitable public fundingʹ. Man kann nicht groß Geld verdienen mit Cargobike-Sharing. Es braucht eine öffentliche Finanzierung, aber die muss natürlich im Sinne der Gesellschaft investiert sein“, so Arne Behrensen. Öffentliches Geld hat den Nachteil, dass es bei politischen Veränderungen auch wegfallen kann und damit die Sharing-Projekte weniger resilient macht. In jedem Fall sei es wichtig, dass Lastenrad-Sharing günstiger als die Pkw-Alternative ist, um konkurrenzfähig zu sein. Der Markt für geteilte Lastenräder ähnele insgesamt eher dem Car- als dem Bike-Sharing. Das Transportieren der Räder innerhalb einer Stadt spielt eine deutlich geringere Rolle als bei gewöhnlichen Sharing-Rädern. Durch die längere Nutzungsdauer passiert es seltener, dass die Menschen die Räder unsauber und hastig parken.
Als soziale Innovation gibt es zudem Projekte, die Lastenräder kostenlos ausleihbar machen. Im Forum Freie Lastenräder sind Anbieter von insgesamt 1100 solcher Lastenräder organisiert. Diese können anstelle von ökonomischer Logik politischen und sozialen Zielen folgen. Projekte wie fLotte Berlin (und Brandenburg) bedienen nicht nur die Stadtzentren, sondern auch eher außerhalb gelegene Viertel. Das Land Brandenburg unterstützt solche Vorhaben mit einer besonderen Kaufprämie. 70 Prozent der Anschaffungskosten trägt die Regierung, wenn ein Cargobike öffentlich nutzbar ist, also als Commons funktioniert.

„Man kann nicht groß Geld verdienen mit Cargobike-Sharing. Es brauchte eine öffentliche Finanzierung, aber die muss natürlich im Sinne der Gesellschaft investiert sein.“

Arne Behrensen, Zukunft FAhrrad

Identifikationsobjekt Lastenrad

Entstanden war das Forum Freie Lastenräder im Nachgang des Pionierprojekts „Kasimir“, das freie Lastenräder in Köln anbietet. Mit Ausnahme eines historischen, dreirädrigen Kasimir-Lastenrads waren lediglich einspurige Modelle bei der Konferenz ausgestellt. Die Branche scheint sich einig zu sein, dass diese intuitiver nutzbar sind. Insgesamt ist die Suche nach dem perfekten Sharing-Rad aber noch nicht abgeschlossen. Die Räder sollten noch weniger wartungsintensiv werden.
Viele herkömmliche Hersteller sehen gerade noch nicht den Anlass, ein speziell fürs Sharing gedachtes Lastenradmodell zu entwickeln und zu produzieren, so Anita Benassi, Projektleiterin bei der „Transportrad Initiative Nachhaltiger Kommunen“. Gegen Vandalismus gab es einen praktischen Vorschlag. Lokale Inhalte, die das Lastenrad schmücken, helfen den Menschen, sich mit den Fahrzeugen zu identifizieren und sie zu schützen.
Sich mit dem Lastenrad zu identifizieren, gelingt Familien mit kleinen Kindern, der klassischen Zielgruppe von Lastenrädern, besonders gut. Im Marketing sollten Unternehmen sich also eher auf weniger offensichtliche Zielgruppen konzentrieren, so Jaron Borensztajn von Cargoroo. Das können Geschäftsinhaber, Menschen mit Hunden, Studierende oder ältere Menschen sein. Durch eine diversere Gruppe an Nutzer*innen entstehen gleichmäßigere Auslastungen. Sharing-Anbieter können Trainings anbieten und Botschafter in verschiedenen Zielgruppen finden. Lastenrad-Sharing kann sogar in kleinen Städten funktionieren. Das zeigen Erfahrungen aus der Schweiz, wo geteilte Mobilitätsangebote eine längere Tradition haben. Handlungsfelder gibt es also einige. Und auch klassischere Sharing-Angebote könnten sich im Vergleich zu den Cargobikes neu positionieren. „Wieso sollten die normalen Bikes im Bike-Sharing nicht auch eine Cargo-Komponente haben?“, fragt Arne Behrensen. Einige von ihnen arbeiten bereits mit größeren Gepäckträgern und gesteigerten Transportkapazitäten.


Bild: Sebastian Gengenbach