Beiträge

(erschienen in VELOPLAN, Nr. 03/2024, September 2024)


Branchenreport veröffentlicht

Radlogistikbranche erwartet stabiles Wachstum

Im Branchenreport 2024 zeichnet der Radlogistikverband Deutschland (RLVD) ein positives Bild, was die Entwicklung im Bereich Radlogistik anbelangt. Eine Vision stellt noch eine besondere Herausforderung dar.

Rund 5400 Beschäftigte waren 2023 in der Radlogistik tätig, vor allem in kleinen und mittelständischen Betrieben.

Trotz globaler Herausforderungen verzeichnet die Radlogistikbranche stabiles Wachstum und blickt optimistisch in die Zukunft. Das ist eine zentrale Aussage aus dem soeben veröffentlichten Branchenreport 2024, der in der vollständigen Version auf der Website des RLVD verfügbar ist.
„Unser Ziel ist es, bis zum Ende der 2020er-Jahre 30 Prozent des urbanen Wirtschaftsverkehrs auf Lastenräder oder -anhänger zu verlagern“, erklärt Tom Assmann, Vorstand des RLVD. „Dieser Bericht zeigt, dass wir trotz widriger Umstände weiter aktiv für eine nachhaltige Wirtschaft kämpfen.“ Der Branchenreport prognostiziert ein jährliches Wachstum von durchschnittlich 10 Prozent, was jedoch nicht ausreicht, um die Vision einer CO2-neutralen urbanen Logistik vollständig zu realisieren.
Assmann fordert daher die Politik auf, faire Rahmenbedingungen für Nachhaltigkeit und Innovation zu schaffen. Dazu gehören die Integration von Lastenrädern in die öffentliche Beschaffungspolitik, die Wiederauflage der Lastenradförderung des Bundes und eine verlässliche Finanzierung des Ausbaus der Radverkehrsinfrastruktur.

Branchenzahlen

Im Jahr 2023 waren rund 5400 Beschäftigte in der Radlogistik tätig. Der Report zeigt, dass die meisten Unternehmen kleine und mittelständische Betriebe sind. Der Umsatz der Branche lag im vergangenen Jahr bei 183 Millionen Euro, was eine stabile bis leicht wachsende Tendenz gegenüber dem Vorjahr darstellt. Insgesamt wurden 37.650 Lastenräder und -anhänger für den gewerblichen Sektor im Jahr 2023 verkauft, 95 Prozent davon mit elektrischer Antriebsunterstützung. Lastenanhänger stellen mit ca. 12.000 abgesetzten Modellen einen immer relevanteren Anteil des Verkaufs dar.
Nicolas Schüte, Hauptautor der Studie von der Technischen Hochschule Wildau, betont: „Die Nutzung von Lastenrädern für gewerbliche Zwecke ist kein kurzfristiger Trend, sondern ein nachhaltiges Konzept mit viel Potenzial. Wir sehen immer mehr Anwendungsfälle, von mobilen Kaffeebars bis zur ambulanten Pflege, die von der Radlogistik profitieren können.“

Klimaschutz

Die Radlogistik leistet einen erheblichen Beitrag zum Klimaschutz. Im Jahr 2023 wurden rund acht Millionen Kilometer mit Lastenrädern zurückgelegt, was zu einer Einsparung von etwa 2100 Tonnen CO2 führte, wie der RLVD vorrechnet. Der Verband verweist zudem auf Umfrageergebnisse, die aufzeigen, dass die Verkehrssicherheit durch Radlogistik deutlich verbessert wird.
Bisher gibt es seit Start der Erhebung keine Schwerverletzten oder Verkehrstoten. „Die tendenziösen Negativschlagzeilen zu Tests von Lastenrädern und -anhängern sind vorwiegend Quatsch. Die Berichte sind leider fast durchweg aus dem Zusammenhang herausgerissen dargestellt. Im Tagesgeschäft auf der Straße sehen wir, dass die Fahrzeuge sicher sind“, kommentiert Martin Schmidt, Vorstand im RLVD.


(jw)


Umfrage gestartet

Wie steht es ums Fahrradparken in Deutschland?

Das Hamburger Planungsbüro Argus Stadt und Verkehr versucht mit einer aktuellen Umfrage, den Wissensstand zum Fahrradparken in der Stadtverkehrsplanung zu verbessern.

Die Mobilitätswende werde vielerorts durch bessere Bedingungen für das Fahrradfahren vorangetrieben, ordnen die Studienmacher ein. Das Parken von Fahrrädern sei in urbanen Wohnquartieren jedoch häufig von Verlegenheitslösungen gekennzeichnet. Das könnte potenziell die Fahrradnutzung hemmen. Doch wie genau ist es um die Abstellmöglichkeiten im Wohnumfeld der Deutschen bestellt? Und welche Folgen ergeben sich daraus? Diesen Fragen will Argus Stadt und Verkehr in einer neuen Umfrage nachgehen.

Teilnahme bis 18. September möglich

Wer an der Umfrage teilnehmen möchte, kann dies mit einem Smartphone, Tablet oder Computer bis zum 18. September tun. Danach will das Team von Argus Stadt und Verkehr die Ergebnisse auswerten und publik machen. Insbesondere für die Stadtverkehrsplanung soll die Umfrage wichtige Erkenntnisse liefern.

(sg)


Von Yunex Traffic

Ein grünes Band für den Radverkehr

In Hamburg hat die Yunex Traffic GmbH ihre Lösung PrioBike an einer weiteren Kreuzung verbaut. Welche Vorteile die LED-Bodenleuchten für den Radverkehr bieten.

Die Stadt Hamburg will mit der Installation der Lösung PrioBike von Anbieter Yunex Traffic den Radverkehr stärken. Dafür wurde die optische Geschwindigkeitsempfehlung an der Kreuzung Jahnring/Saarlandstraße installiert. 18 LED-Bodenleuchten im Abstand von 3,5 Metern simulieren ein grünes Band, das den Radfahrenden anzeigt, wie sie die Grünphase optimal nutzen können. Dies erhöhe die Sicherheit, den Komfort und die Effizienz des Radverkehrs, heißt es vom Hersteller. „Durch die Anzeige werden abrupte Bremsmanöver und das Überqueren in letzter Sekunde vermieden. Diese Technologie trägt zu einem gleichmäßigeren und flüssigeren Verkehrsfluss auf den Radwegen bei und steigert sowohl die Sicherheit als auch die Effizienz des Radverkehrs. Eine angenehmere Fahrerfahrung ist das Ergebnis dieser Maßnahme“, heißt es vom Unternehmen.
Die einzelnen LEDs zeigen nacheinander grünes Licht und erscheinen den Radfahrer*innen wie ein mitlaufendes Band, das die Grünphase der Ampel symbolisiert. Wer innerhalb des grünen Bands fährt, kann die Kreuzung sicher queren. Im Dezember 2022 war bereits eine PrioBike-Fahrradsäule an der Kreuzung Rothenbaumchaussee/Ecke Edmund-Siemers-Allee in Hamburg installiert worden.

(sg)


Statistisches Bundesamt

Neue Zahlen zu E-Scooter-Unfällen veröffentlicht

Die Zahl der genutzten E-Scooter in Deutschland steigt Jahr für Jahr an. Demzufolge überrascht auch nicht, dass die Zahl der Unfälle mit diesen Fahrzeugen zunimmt. Das Statistische Bundesamt hat die genauen Daten veröffentlicht.

Das häufigste Fehlverhalten von E-Scooter-Fahrer*innen war im vergangenen Jahr die falsche Benutzung der Fahrbahn oder der Gehwege.

Insgesamt ist die Zahl der E-Scooter-Unfälle mit Personenschaden um 14 Prozent auf 9423 im Jahr 2023 gestiegen. Dabei kamen 22 Menschen (Vorjahr 11) ums Leben. 1220 Menschen wurden 2023 schwer und 8911 leicht verletzt. 83 Prozent der Verunglückten waren selbst mit dem E-Scooter unterwegs, darunter auch 21 der 22 Todesopfer.
Besonders junge Menschen sind bei solchen E-Scooter-Unfällen beteiligt. Diese nutzen die Fahrzeuge auch eher als ältere Menschen. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, waren im vergangenen Jahr 41,6 Prozent der verunglückten E-Scooter-Fahrenden jünger als 25 Jahre, 80,4 Prozent waren jünger als 45 Jahre.
Dagegen gehörten nur 3,4 Prozent der E-Scooter-Nutzerinnen, die an einem Unfall mit Personenschaden beteiligt waren, zur Altersgruppe 65+. Zum Vergleich: Bei den Unfallopfern, die mit dem Fahrrad oder Pedelec unterwegs waren, war der Anteil in dieser Altersgruppe mit 19,6 Prozent deutlich höher. Gleichzeitig war nur knapp die Hälfte (48,7 Prozent) von ihnen jünger als 45 Jahre, nur 22,1 Prozent waren nicht älter als 25 Jahre. Unfälle entstehen häufig durch Fehlverhalten. Das häufigste Fehlverhalten mit einem Anteil von 19,4 Prozent war die falsche Benutzung der Fahrbahn oder der Gehwege. Vergleichsweise häufig legte die Polizei den E-Scooter-Fahrerinnen das Fahren unter Alkoholeinfluss zur Last (15,1 Prozent). Zum Vergleich: Im selben Zeitraum waren es bei Fahrradfahrenden 8,1 Prozent und bei zulassungsfreien Krafträdern wie Mofas, S-Pedelecs und Kleinkrafträdern 7,4 Prozent. Nicht angepasste Geschwindigkeit war das dritthäufigste Fehlverhalten, das die Polizei bei E-Scooter-Fahrerinnen feststellte (7 Prozent), danach folgte die Missachtung der Vorfahrt (5,8 Prozent). An knapp zwei Dritteln (6115) der E-Scooter-Unfälle mit Personenschaden war eine zweite Person beteiligt, meist fuhren diese Personen Autos (3930 Unfälle). Knapp die Hälfte (48 Prozent) der verunglückten E-Scooter-Nutzenden wurden bei eben solchen Zusammenstößen mit Pkw verletzt. Zum Vergleich: An 913 (9,7 Prozent) E-Scooter-Unfällen waren Radfahrende beteiligt, bei diesen Zusammenstößen wurden aber nur 4,5 Prozent der verunglückten E-Scooter-Fahrenden verletzt. Insgesamt spielen E-Scooter im Unfallgeschehen eine vergleichsweise geringe Rolle: 2023 registrierte die Polizei insgesamt 291.890 Unfälle mit Personenschaden, lediglich an 3,2 Prozent waren E-Scooter-Fahrerin-nen beteiligt. 2022 war der Anteil mit 2,9 Prozent noch etwas geringer. Deutlich wird der Unterschied im Vergleich zu Fahrradunfällen: Im Jahr 2023 hat die Polizei deutschlandweit rund 94.468 Unfälle mit Personenschaden registriert, an denen Fahr-radfahrer*innen beteiligt waren, das war ein knappes Drittel (32,4 Prozent) aller Unfälle mit Personenschaden.


(jw)


Mobilitätsstudie von Linexo by Wertgarantie

Was hindert Deutsche am Radfahren?

Für eine Mobilitätsstudie hat Linexo by Wertgarantie in Zusammenarbeit mit Statista rund 5000 Personen befragt. Die Ergebnisse daraus wurden jetzt veröffentlicht.

Fahrrad und E-Bike sind wichtige Bausteine bei der Verkehrswende und der nachhaltigen Mobilität. Gleichwohl ist immer noch viel Luft nach oben, dies voranzutreiben. 51,4 Prozent der Deutschen nutzen ihr E-Bike und 46 Prozent das Fahrrad, um umweltschonend unterwegs zu sein, geht aus der neu veröffentlichten Studie hervor. Für nahezu die Hälfte aller E-Bike- und immerhin 46 Prozent der Fahrradfahrenden ist das Zweirad eine Alternative zum Pkw und ÖPNV.
Nachhaltigkeit beginnt jedoch bereits bei der Anschaffung des Bikes: Ein gutes Drittel der E-Biker*innen achtet auf Herkunft und Produktionsweise; beim Fahrrad sind es knapp 30 Prozent. Doch nur etwa 40 Prozent der Fahrrad- und gut 36 Prozent der E-Bike-Fahrenden würden mehr Geld für ein nachhaltig hergestelltes Rad zahlen. „Bike-Leasing könnte die Lücke zwischen Umweltbewusstsein und nachhaltiger Konsumentscheidung schließen“, stellt Sören Hirsch, Bereichsleitung Bike bei Linexo by Wertgarantie, fest. „Ohne Fahrrad und E-Bike ist klimafreundliche und aktive Mobilität nicht mehr denkbar“.
Der Anteil der Lastenrad-Fahrenden unter den Befragten ist mit rund 10 Prozent noch gering. Das Interesse ist weitaus größer: Etwa 15 Prozent derjenigen, die bislang kein Lastenrad haben, zeigen großes Interesse – jedoch schrecken nahezu 70 Prozent vor den hohen Anschaffungskosten zurück. Die Bereitschaft zu klimafreundlicher Mobilität fällt damit wirtschaftlichen Bedenken zum Opfer.


(jw)


Minister Wissing rudert zurück

STVZO-Verschärfung für Fahrradanhänger offenbar vom Tisch

Die Hersteller von Fahrradanhängern gingen auf die Barrikaden, als die Pläne des Verkehrsministeriums hinsichtlich einer Verschärfung für die Nutzung von Fahrradanhängern publik wurden. Die Bedenken wurden offenbar erhört.

Pläne des Verkehrsministeriums, die StVZO so zu ändern, dass für die Nutzung von Fahrradanhängern ab einem bestimmten Gesamtgewicht eine Auflaufbremse zwingend vorgeschrieben ist, sind zwischenzeitlich wieder vom Tisch. Nachdem die Pläne bekannt wurden, formierte sich Widerstand – und unter Führung von Peter Hornung vom Anhängerhersteller Hinterher wurde argumentativ eine PR-Kampagne aufgesetzt, die auf die Folgen einer solchen Verschärfung in der Praxis hinwies. Zudem wurde eine Petition auf der Kampagnen-Website Campact gestartet, die 83.000 Menschen unterschrieben. „Das ist ein toller Achtungserfolg“, erklärt Peter Hornung.
Auch politisch hat der Druck aus der Industrie und Bevölkerung wohl gewirkt. Spiegel Online zitiert dazu eine Sprecherin des Ministeriums. Demnach werde es lediglich bei einer „Empfehlung“ bleiben. Das Ziel der verschärften Vorschrift sei es gewesen, die Sicherheit der Nutzung von Fahrradanhängern im Straßenverkehr zu erhöhen.

(jw)


Bilder: Markus Franke – Argus Stadt und Verkehr, Yunex Traffic, Tier Mobility, Hinterher.com

Zum fünfjährigen Verbandsjubiläum des RLVD zeigte die Radlogistikbranche, wie weit sie in den letzten Jahren gekommen ist. Obwohl große Ziele und viel Mut vorhanden sind, ist die Branche auch von politischen Entscheidungen abhängig. Nun gilt es für die Akteure der Radlogistik, ihre Hausaufgaben zu machen. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 04/2023, Dezember 2023)


Das deutsche Ökosystem für Radlogistik ist divers. Trotz (oder wegen) dieser Vielfalt gaben 45 Prozent der Kommunen in einer Umfrage im Projekt iKnowRadlogistik an, einen schlechten bis sehr schlechten Wissensstand zur Radlogistik zu haben. Das Vorhaben, welches Luise Braun für den Radlogistikverband Deutschland (RLVD) verantwortet, soll deshalb eine Wissensdatenbank entwickeln und Best-Practice-Beispiele beleuchten. Dass auch innerhalb der Branche weiterhin wichtige Fragen zu klären sind, bewies das Programm der Radlogistikkonferenz, die Mitte September mit rund 140 Teilnehmer*innen in Darmstadt stattfand.

Die Aussteller und Speaker*innen der Radlogistikkonferenz waren so divers wie die Branche selbst. Der Radlogistikverband hat seine Arbeit vor fünf Jahren mit damals 13 Mitgliedern aufgenommen. Mittlerweile sind es 80.

Keine einfachen Rahmenbedingungen

Tom Assmann, erster Vorsitzender des RLVD, ordnete bei der Eröffnung der Konferenz den aktuellen Stand der Radlogistik und die Rahmenbedingungen ein. „Das Ökosystem Radlogistik ist ausgereift und setzt neue Trends. Alles ist da! Politik und Kommunen sind jetzt mehr denn je gefordert, passende und zukunftsweisende Rahmenbedingungen zu schaffen, um innovativen, modernen Stadtverkehr für die nächste Generation zu gestalten.“ Das letzte Jahr sei für die Radlogistik von Herausforderungen geprägt gewesen, auch durch Parteien, denen Sachlichkeit weniger wichtig sei als Populismus, so Assmann. Insbesondere Schwerlastenräder werden auch innerhalb der Branche durchaus kritisch gesehen. Das Auf und Ab müsse gestaltet werden und die Branche ihre Hausaufgaben machen, sagte Assmann. Die Branche zeige viel Mut und bekomme durch den Trend, die Innenstädte wieder stärker für Menschen zu gestalten, Aufwind.
Martin Seißler, Geschäftsführer von Cargobike.jetzt und Organisator der Konferenz, erläutert weiterhin die aktuelle Situation: „Viele Flottenmanager, von welchen Unternehmen auch immer, treffen aktuell keine Entscheidungen über größere Investitionen in ‚neuartige‘ Fahrzeuge. Deshalb werden im gewerblichen Bereich sehr viel weniger Lastenräder verkauft als vor einem Jahr.“ Als große Bedrohung der Wirtschaftssparte wertete Andreas Schumann vom Bundesverband der Kurier-Express-Post-Dienste ein drohendes Verbot von Werkverträgen, welches die Gewerkschaft Ver.di zuletzt Mitte September forderte. Die Forderung, die gegen undurchsichtige Subunternehmerketten helfen soll, könnte auch die Radlogistikbranche viele Aufträge kosten. Unter diesen Umständen wird besonders ersichtlich, wie wichtig die Verbandsarbeit auch für die Radlogistikbranche ist. „Man merkt deutlich, wie wichtig es ist, dass es die Nationale Radlogistikkonferenz gibt, weil dort Gespräche stattfinden, die auf anderen Veranstaltungen nicht stattfinden. Genau deshalb wird es diese Veranstaltung auch weiterhin geben“, erklärt Martin Seißler. Der Verband nahm seine Arbeit vor fünf Jahren mit damals 13 Mitgliedern auf. Mittlerweile sind es über 80.

Tom Assmann
Erster Vorsitzender des RLVD

Radlogistik hat Tradition

Trotz des jungen Verbandsalters gibt es Radlogistik nicht erst seit wenigen Jahren, erklärte ein Vertreter des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen. Daran erinnere ihn auch ein ausrangiertes Lastenrad, das bei einem Gemüsehändler in seinem Heimatort als Blumenbeet dient. Viele Herausforderungen, etwa bei multimodalen Transportketten, werden dennoch erst jetzt deutlich. In diese Kategorie fällt sicher auch das Thema der Routenführung. Für Lastenräder brauche es eigentlich eine angepasste Navigation. Daran arbeitet Michael Hess von der 7 Principles Mobility GmbH. Cargobikes bewegen sich anders als Autos, aber auch anders als Fahrräder, durch Städte hindurch. Problematisch sind zum Beispiel Umlaufsperren, Bordsteine oder für den Radverkehr freigegebene Einbahnstraßen. Im Projekt iRouteCargobikes untersucht Hess deshalb Abweichungen von den Standardrouten. Das Ziel ist eine Navigationsanwendung, in der die Fahrer*innen ihre eigenen Präferenzen auswählen können.
Viele Themen im Ökosystem Radlogistik entwickeln sich stetig weiter. Das Projekt KV MD² bietet neue Mikrodepots, die sich an der Größe eines Parkplatzes orientieren und eine integrierte Rampe sowie ein IT- und Steuerungssystem haben. Umstellen lassen sie sich per Gabelstapler. Auch das Lieferantensystem hat sich entwickelt, sodass es mittlerweile selbst für Schwerlasträder einen ausgeprägten Lieferantenmarkt gibt, meint Inga Töller von der Onomotion GmbH.

Die Teilnehmer*innen der Konferenz tauschten sich über wichtige Herausforderungen der Radlogistikbranche aus. Dazu gehören stets auch technische Aspekte.

Mehr Vereinheitlichung

Projekte und Forderungen, die der Radlogistik helfen sollen, gibt es in der jungen Branche dennoch viele. Logistiker, die Lastenräder verschiedener Hersteller nutzen, wollen diese wie im Kfz-Bereich mit einem Standard-Diagnosegerät auslesen können. Generell dürfe die Radlogistik der motorisierten Logistik in Sachen Software in nichts nachstehen, sondern muss in dieser Hinsicht komfortabel und zuverlässig sein.
Das Potenzial für gewerbliche Lastenräder ist riesig. Pflegedienste, Bestatter, Gärtner oder ein Bringdienst der Osnabrücker Tafel wurden auf der Konferenz als Beispiele genannt. Auch für den Berliner Kreislaufwirtschaftsdienstleister Interzero, der Altkleider mit einem Cashback-System sammelt und transportiert, ist das Cargo-Bike das Mittel der Wahl. „Wir müssen nicht nach dem einen Gewerbe suchen. Wir haben diese Potenziale überall“, erklärte Seißler auf der Konferenzbühne. Um die Potenziale zu heben, brauche es faire Marktbedingungen. Neben den Straßen und anderen Infrastruktursystemen sind auch die Beschaffungs- und Vergaberichtlinien der öffentlichen Hand ein wichtiger Hebel für die Radlogistik. Um dies zu fördern, müsse die Branche aktiv werden und sich in Gremien setzen, in denen Radlogistik eine Rolle spielen sollte.
Spannende Entwicklungen könnte es auch von regulatorischer Seite geben. Arne Behrensen von Zukunft Fahrrad stellte die Klasse H-Pedelec (Heavy Pedelec) in den Raum, die zum Beispiel mit Motorleistungen bis zu 500 Watt bis 25 km/h unterstützen könnte. Auch die neue europäische Lastenradnorm (EN 17860, Teil 1–7), die gerade entsteht, gilt es genau zu beobachten, so Anke Schäffner vom Zweirad-Industrie-Verband.

Exkursionstag in Darmstadt

Für eine Teilmenge der Besucher*innen begann der erste Konferenztag mit einer Werksführung beim Unternehmen Riese & Müller, das im Ort Mühltal in der Nähe von Darmstadt produziert. Die Exkursion am Nachmittag machte Station bei verschiedenen Radlogistikakteuren in der hessischen Großstadt, darunter ein Weinhändler, ein Fahrradhändler, das Stadtkulturmagazin, sowie das Projekt LastenLeichtBauFahrrad. Dieses Forschungsprojekt ist im Fraunhofer-Institut für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF angesiedelt, wo der erste Tag seinen Ausklang fand.
Als Veranstalter sei man sehr glücklich über die Wahl des Standorts Darmstadt, so Martin Seißler. „Man sieht deutlich, dass hier schon ganz viel passiert und im Schwange ist, was das Thema Radverkehrsförderung angeht, aber in der Radlogistik durchaus noch Entwicklungspotenzial besteht.“ Und weiter: „Thematisch betrachtet fand ich es am spannendsten, dass wir jetzt anfangen, über die reine Logistik hinaus zu denken. Wir betrachten breitere Anwendungsfelder und stellen die Frage, was alles Logistik ist. Wir gehen vom Stückgut zur Baustelle, zu den Handwerkern und allen, die in der Stadt Wirtschaftsverkehr machen. Ich glaube, das ist wichtig, weil im Endeffekt alles die gleiche Infrastruktur braucht, mit Ausnahme von Mikrodepots.“


Bilder: Andreas Lörcher – RLVD