Wer besser sieht, fährt entspannter
Sogar für E-Bikes mit guter Grundausstattung bietet der Beleuchtungsmarkt inzwischen lohnende Upgrades. Die Hersteller zeigen sich innovativer, als die StVZO es zulässt. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 04/2023, Dezember 2023)
Der Sprung in das LED-Zeitalter war einer der stärksten Umbrüche, die die Hersteller von Fahrradbeleuchtung bisher erleben durften. Frontscheinwerfer und Rücklichter sind heute heller und leistungsfähiger als je zuvor. Die Firmen in dieser Komponentensparte zeigen sich aber weiterhin innovativ. Die Lichtanlagen moderner Fahrräder und vor allem E-Bikes beherbergen schon heute zukunftsweisende Technologien. Gegenwärtige Highlights bieten weit mehr als nur Licht im Dunkel. Alps Alpine bietet mit dem Ride Safety System RS 1000 eine mit dem Smartphone koppelbare Kamera, die in das Rücklicht integriert ist. Sie fungiert als digitaler Rückspiegel und erkennt Gefahren mithilfe künstlicher Intelligenz. Auch Garmin hat das Radar Varia im Angebot, welches Kamera und Rücklicht kombiniert. Mit der Street-Screen-Technologie, die Trelock auf der letztjährigen Eurobike vorstellte, dürften bald E-Bikes der Oberklasse Informationen auf die Straße vor ihnen projizieren. Dass diese Innovation nicht als einzige an den Automobilbereich, genauer gesagt an Head-up-Displays erinnert, zeigt, wie fortschrittlich die Lichthersteller bereits sind. David Gedanitz, Head of Marketing bei Supernova, ordnet ein: „Wir haben mittlerweile Scheinwerfer, die schon längst mit Autoscheinwerfern konkurrieren und teilweise sogar heller sind.“ Nicht nur die Beleuchtungsstärke, auch die Qualität der Ausleuchtung habe sich verbessert, so Gedanitz, der als Beispiel den Matrix-Reflektor aus dem Scheinwerfer M99 anführt. „Wir haben einen angenehmen, homogenen Lichtteppich, auch für die Nah- und für die Fernausleuchtung.“
„Wir haben mittlerweile Scheinwerfer, die schon längst mit Autoscheinwerfern konkurrieren und teilweise sogar heller sind.“
David Gedanitz, Supernova
Fahrradbeleuchtung ist in den letzten Jahren deutlich heller geworden. Ein Matrixreflektor sorgt für einen homo-genen Lichtteppich.
Sehen statt nur gesehen werden
Gutes Licht hilft, sich im Dunkeln schnell zu orientieren und potenzielle Gefahren wahrzunehmen. Zusätzlich sorgt eine gute Ausleuchtung des Straßenraums dafür, dass die Menschen das Radfahren als komfortabler empfinden. Insbesondere Berufspendlerinnen dürften mit moderner Beleuchtung eher gewillt sein, das Fahrrad anderen Verkehrsmitteln vorzuziehen. Besonders gut verkaufen sich auch bei Supernova die Frontleuchten mit Fernlicht. In Zukunft will die Firma keine neuen Produkte mehr ohne dieses Feature herausbringen. Auch die Funktion Tagfahrlicht erfreut sich großer Beliebtheit. Bei moderner Fahrradbeleuchtung geht es ums Sehen, nicht nur ums Gesehenwerden. Vor allem E-Bikes, die die Lampen aus ihrem Akku speisen können, kommen diese Trends zugute. Bei Fahrrädern mit Dynamos stehen nur wenige Watt an Leistung zur Verfügung. Dennoch sagt Sebastian Feßen-Fallsehr von Busch + Müller: „Die Entwicklung von den E-Bikes färbt natürlich auch auf die Dynamo-Fahrräder ab.“ Der Standard habe sich insgesamt deutlich erhöht, so Feßen-Fallsehr. Die Leuchten sind viel heller als früher. Rücklichter ohne Standlicht gebe es kaum noch. Nicht alle Innovationen im Beleuchtungsbereich haben Gemeinsamkeiten mit Autos oder Motorrädern. Die Trelock Vision etwa ist eine 100-Lux-USB-Lampe, die sehr beliebt ist. Verkaufstreibend bei diesem Modell ist zum einen die Level-Funktion, die dafür sorgt, dass der Gegenverkehr nicht geblendet wird. Der Scheinwerfer signalisiert über LEDs oder über das Leuchten-Display, ob die Lampe zu hoch, passend oder zu niedrig arretiert ist. Der große Akku des Modells lässt sich auch als Powerbank nutzen, um externe Geräte mit Strom zu versorgen. Auch bei Hersteller SON aus Tübingen kann die Frontleuchte als Stromquelle dienen. Genauer gesagt, zeigte das Team um Wilfried Schmidt auf der vergangenen Eurobike einen Aufbau, bei dem ein Edelux-Scheinwerfer als Puffer-Akku fungiert und so vom Nabendynamo produzierten Strom mit bis zu 10 Watt abgeben kann. So lässt sich dann beispielsweise ein Smartphone laden. Die Firma Trelock spricht ebenfalls vom großen Trend des Fernlichts, der für Pendlerinnen, aber auch im Segment der E-Mountainbikes sehr gefragt ist. Der optische Trend, dass alles möglichst klein sein sollte, sei mit dem Aufkommen dieses Segments in der Vergangenheit geblieben, erklärt Brand-Managerin Katrin Dröge-Berzedjou. Vielfach stehe jetzt die Design-Prämisse der Inte-gration im Vordergrund. Rücklichter werden in die Sattelstütze oder Scheinwerfer in den Rahmen inte-griert. Auf diesen Trend blicke man bei Trelock auch kritisch, so Dröge-Berzedjou. Defekte Lichter, die nur für einen Hersteller oder sogar ein einziges Modell produziert wurden, könnten ein Ersatzteilproblem verursachen.
Aktuell sieht die Trelock-Managerin durch den Trend der Gravel-Bikes eine zunehmende Bedeutung von Akku-Beleuchtung. Um den Bedürfnissen des sportlichen Segments gerecht zu werden, bietet Trelock Adapter für Garmin- oder GoPro-Halter an. Der Platz am Fahrrad-Cockpit ist schließlich begehrt.
70 %
Wenn ein Radfahrer den Gegenverkehr blendet, so Gedanitz,
liegt das zu mehr als 70 Prozent an falsch
eingestellten Frontscheinwerfern.
Ob ein Scheinwerfer richtig eingestellt ist, entscheidet darüber, ob er den Gegenverkehr blendet. Ein Upgrade kann auch darin bestehen, das Licht statt an der Gabel am Lenker zu montieren.
Untergeordnete Rolle beim Verkauf
Innovationen gibt es am Lichtmarkt also viele. Gerade der Nachrüstmarkt sei entscheidend für die Hersteller, sagt Supernova-Mann Gedanitz. „Der Kunde greift im After-Market genau nach seinem Wunschprodukt.“ Das könnte auch daran liegen, dass die Beleuchtung bei der Wahl des richtigen Fahrrads für viele zunächst eher eine untergeordnete Rolle spielt. Der richtige Moment, um Beleuchtung aktiv zu vermarkten, sei aber im aktiven Fahrradverkauf, so Gedanitz. Inzwischen lassen sich gute Leuchten auch im Sommer gut an die Kundschaft bringen, auch weil sie durch die politischen Regelungen gemeinsam mit Leasing-Fahrrädern finanziert werden können.
Dass das Licht nicht die höchste Priorität bei der Wahl des richtigen Fahrrads hat, dürfte noch einen Grund haben. Der Lichtteppich, den moderne Scheinwerfer, projizieren, lässt sich im Fachgeschäft gerade tagsüber schlecht ausrollen. Dieses Problem hat die Branche schon früh erkannt. Supernova bietet deshalb ein Dealer-Display als Blickfang an. „Beleuchtung aus einer Verpackung zu verkaufen, ist sehr schwierig, weil man sich keine klare Vorstellung machen kann.“ Das Display hat Räder und die Bestseller sind an diesem montiert. Man kann die Leuchten anfassen oder den Taster fürs Fernlicht testen.
„Wir arbeiten mit Unterstützung des ZIV und des DVR daran, dass sinnvolle Funktionen, die den Verkehrsteilnehmer zusätzlich sicherer fahren lassen, in Zukunft in die Gesetze aufgenommen werden.“
Katrin Dröge-Berzedjou, Trelock
Häufig falsch eingestellt
Trelock legt Wert darauf, die Lichter nicht nur erfahrbar, sondern auch vergleichbar zu machen. „Wir versuchen das über Lichtbilder zu lösen. Dafür haben wir auf Postern, der Webseite oder im Katalog die Lichtkegel der Produkte abfotografiert“, sagt Katrin Dröge-Berzedjou. „Wir bieten auch Lichtschulungen an für unsere Fachhändler. Wir besuchen sie dann direkt und schulen zu den neuesten Produkten, die wir haben, und zur Lichttechnik im Allgemeinen. Meiner Meinung nach sollte jeder Fachhändler seinem Kundenstamm zum Herbst hin einen Licht-Check anbieten.“
Auch Supernova empfiehlt diese Dienstleistung. Die korrekte Montageposition ist ausschlaggebend. Wenn ein Radfahrer den Gegenverkehr blendet, so Gedanitz, liegt das zu mehr als 70 Prozent an falsch eingestellten Frontscheinwerfern. In diesem Herbst hat Supernova im Rahmen einer Partnerschaft mit Bike24 in den Stores der Firma in Dresden und Berlin einen Licht-Check-up und etwaige Installationen kostenlos angeboten. Wer an den Geschäften vorbeifuhr, bekam neben dem Einstellservice auch Tipps, wie sich aus der bestehenden Beleuchtung mehr herausholen lässt. Die Leuchte statt an der Gabel am Lenker zu montieren, kann zum Beispiel die Reichweite erhöhen. Die Hell-Dunkel-Grenze markiert an der vorderen Seite des Lichtteppichs markant das Ende des ausgeleuchteten Bereichs. Diese Grenze gilt es auf die passende Entfernung einzustellen. Je schneller ein Fahrzeug fährt, desto weiter entfernt sollte der Lichtkegel der Frontleuchte enden.
Modernes Fernlicht kann mit Scheinwerfern aus dem Kfz-Bereich mithalten. Damit verschiedene Leuchten vergleichbar sind, fotografiert Trelock die Lichtkegel.
StVZO hemmt Innovation
Die lichttechnischen Einrichtungen, also Lampen und Reflektoren, sind in der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) präzise geregelt. Pflicht ist ein Scheinwerfer für weißes Abblendlicht mit integriertem oder zusätzlichem Front-Reflektor. Hinten braucht es ein Rücklicht als Schlussleuchte und einen Rückstrahler der Kategorie Z, der nicht dreieckig sein darf. Auch die Montagehöhe ist genau in der StVZO reglementiert. Alle Leuchten müssen ein amtliches Prüfzeichen tragen. Blinkende Scheinwerfer und Rücklichter sind nicht erlaubt.
Diese Details sind wichtig und sorgen dafür, dass Radfahrerinnen auch im Dunkeln gut als solche identifiziert werden können. Die Hersteller bemängeln allerdings, dass die Gesetzgeberinnen nur langsam auf Innovationen reagieren, die ein Sicherheitsplus für viele Verkehrsteilnehmer*innen bedeuten könnten. Zum Beispiel eine adaptive Einstellung, erklärt Sebastian Feßen-Fallsehr, die den Scheinwerfer je nach Geschwindigkeit anhebt, sei technisch denkbar, aber durch die StVZO verhindert. Auch bei anderen Herstellern gibt es gehemmtes Innovationspotenzial, sagt Katrin Dröge-Berzedjou: „Wir haben zum Beispiel eine Warnlicht-Funktion entwickelt. Wenn ein E-Bike-Fahrer stürzt, erkennt der Scheinwerfer automatisch den Sturz und fängt an zu blinken wie ein Warnlicht. Diese Funktion ist leider aktuell in der StVZO nicht reguliert. Wir arbeiten mit Unterstützung des ZIV und des DVR daran, dass sinnvolle Funktionen, die den Verkehrsteilnehmer zusätzlich sicherer fahren lassen, in Zukunft in die Gesetze aufgenommen werden.“
Bilder: Alps Alpine / Supernov / pd-f.de – Kay Tkatzik / Trelock