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„Der Berufspendler muss Beleuchtung haben!“

Die Kanalpromenade in Münster wurde 2023 mit dem Deutschen Fahrradpreis in der Kategorie Infrastruktur ausgezeichnet. Der neue Radweg ist auf ganzer Länge beleuchtet – sobald Bedarf besteht. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 04/2023, Dezember 2023)


„Man muss komfortable Radwege bauen, um Menschen vom Radfahren zu überzeugen“, sagt Andreas Groot-Körmelink vom Amt für Mobilität und Tiefbau in Münster. Der Fuß- und Radweg entlang des Dortmund-Ems-Kanals war schon vorhanden und wurde auch von Pendlerinnen genutzt. Doch für die Fahrradstadt Münster bedeuten gute Radwege auch, dass diese eine ausreichende Breite, radfahrfreundliche Oberflächen und sichere Routenverläufe bieten müssen. Ein gutes Sicherheitsgefühl gehört sowieso dazu. 2019 stellte die Stadt ein Pilotprojekt eines Radwegs am Dortmund-Ems-Kanal fertig, der mit adaptivem Licht ausgestattet war. Zur Evaluation gab sie Umfragen vor Ort und online in Auftrag. Auf die Frage, ob der oder die Radfahrerin den Weg mit Beleuchtung nun öfter nutzen würden, antworteten 24 Prozent der Nutzer*innen mit „Ja“. Bei Frauen unter 40 Jahren waren es sogar 28 Prozent. Bestärkt konnte man dieses Vorhaben vorantreiben. Insgesamt 27 Kilometer Radweg von Norden nach Süden und mit Anbindungen zum Stadtkern hin werden es schließlich sein. „Gleichzeitig zu den Umfragen der FH Münster wurde und wird das Projekt konsequent durch Öffentlichkeitsarbeit begleitet“, erklärt Katharina Thomalla vom Fahrradbüro der Stadt, das bei der Entwicklung enger Partner des Amtes war. „Das ist sehr wichtig, um wirkliche Akzeptanz zu erreichen.“

Insgesamt 27 Kilometer von Nord nach Süd läuft die Kanalpromenade in Münster. Ein Großteil davon (es fehlt noch Abschnitt 2) ist mittlerweile zum Komfort-Rad- und Fußweg ausgebaut, mit vier Metern Breite, sehr leicht laufendem Belag und adaptiver Beleuchtung.

„Wie beim Kühlschrank, wenn die Tür zu ist“

Gerade in Sachen Licht muss die Öffentlichkeit aufgeklärt und einbezogen werden. Aber auch Institutionen und Verbände werden kontaktiert. „Wir haben schon im Vorfeld mit Vertretern des NABU und dem BUND gesprochen“, so Groot-Körmelink. Zur fachlichen Expertise hat Münster bei der Entscheidung auch mit dem Leibniz-Institut zusammengearbeitet. Adaptives Licht wird heute allgemein als Teil der Lösung angesehen und so war es auch im Fall der Kanalpromenade. Als Technik kommen dort Infrarot-Sensoren zum Einsatz, die an den Leuchtmasten befestigt oder in das System integriert werden können. Sie nehmen herannahende Menschen wahr und dimmen das Licht nach oben. Etwa zwei bis drei Lux reichen für die Beleuchtung des vier Meter breiten Weges. „Aber natürlich gibt es noch weitere Parameter“, so der Ingenieur. Auch wichtig ist nur auf den Weg fokussiertes Licht. Wir haben uns nach Beratung für warm-weißes LED-Licht entschieden“, sagt Groot-Körmelink. Die Lichttemperatur liegt bei etwa 2700 Kelvin. In diesem Licht sind Gelb-, Orange- und Rotanteil hoch. Das vermindert den Insektenanflug, darüber hinaus empfinden es aber auch die Menschen als angenehmer. Die LEDs gelten als fünfmal weniger umweltschädlich als Halogenlicht, was vor allem auf den Herstellungsprozess und den Stromverbrauch zurückzuführen ist.

Adaptives Licht an Münsters Projekt am Kanal: Nähert sich Radfahrerin oder Fußgängerin, registieren das die Sensoren der nächsten Leuchten und fahren die Lichtstärke hoch.

Einsparungen durch Adaptivität

Die Kosten für das vom Bund geförderte Projekt sind relativ überschaubar. Für die Beleuchtung auf derzeit zehn Kilometern wurden 1,2 Millionen Euro investiert. Auf der anderen Seite kann sich die Einsparung der Energiekosten durch adaptives Licht sehen lassen. Etwa 70 Prozent der Kosten lassen sich im Winter damit sparen, ohne Sicherheitseinbußen gegenüber dauerhaft leuchtenden Lichtquellen. In den fünfeinhalb Stunden zwischen 23.00 Uhr und 4.30 Uhr morgens waren auf der Testroute die Leuchten im Winter gerade vier Minuten pro Stunde hochgedimmt. Dass das mit dem deutschen Fahrradpreis 2023 prämierte Projekt gelungen ist, liegt für Thomalla im Wesentlichen daran, „dass sich die Leute sicher und wohl fühlen.“ Ohne Licht gibt es keine Sicherheit – und ohne Sicherheit ist ein Weg zur Steigerung des Radverkehrs nicht bestreitbar.
Weil in einigen Abschnitten auch Glasfaserleitungen verlegt werden sollten und man so gemeinsame Gräben nutzen konnte, setzte Münster laut Groot-Körmelink auf Netzstrom. Für einen nächsten Abschnitt wird aber der Betrieb mit Solarenergie getestet.
Der Erfolg ist nicht nur in Zahlen messbar: „Die Kommunen im Norden und Süden Münsters wollen ihre Wege entlang des Dortmund-Ems-Kanals auch weiter ausbauen“, erklärt Thomalla.


Bilder: Michael C. Möller, Stadt Münster, Sellinger Griesbach GmbH