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Damit Radwege außerhalb bebauter Gebiete nutzbar sind, spielt Beleuchtung eine große Rolle. Doch wie bringt man Licht auf die Route? Wir haben zwei Unternehmen gefragt und stellen ein prämiertes Beispiel aus Münster vor. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 04/2023, Dezember 2023)


Wer Radmobilität vorantreiben will, muss Fahrradfahren sicherer und komfortabler machen. Vor allem abseits straßenbegleitender Routen heißt das neben der angemessenen Breite, dem leicht laufenden Belag und anderen Faktoren des Weges auch: Beleuchtung. Dabei geht es vor allem um Sicherheit. Radfahrende müssen Hindernisse vor sich früh genug erkennen können. Doch Licht stellt in puncto Umweltschutz eine Herausforderung dar. Beleuchtung ist immer auch eine Bedrohung für die Fauna. Ein Gesichtspunkt: Laternen locken unter anderem Insekten an, die im Licht zur leichten Beute werden und selbst, im Bann des Lichts, keine Nahrung finden. Andererseits meiden Fledermäuse, die sich von Insekten ernähren, meist Kunstlicht und finden so ebenfalls weniger Nahrung. „Doch Flutlicht braucht es für einen Radweg nicht. Das Licht, das eine helle Vollmondnacht bietet, reicht schon fast“, sagt Jörg Blume, technischer Leiter bei Lunux-Lighting. Das Unternehmen, schon 1895 unter dem Namen Hellux in Hannover gegründet, entwickelt und vertreibt unter anderem Beleuchtungssysteme für Straßen und Plätze und arbeitet auch für Großkunden wie die DB. „Zwei bis drei Lux sind für eine Radwegbeleuchtung ausreichend“, so Blume weiter.

Auf den ersten Blick schlichte Laternen. Doch Mastleuchten an einem Radweg, im Bild von Sunleds, können heute viel mehr: Sie tragen zu Sicherheit und Komfort der Radfahrenden bei – und fördern so die Verkehrswende.

Adaptive Beleuchtung mit IR-Sensoren

Der Lichtstrom, die Stromstärke und die verwendete technische Optik werden vom Einsatzbereich definiert. „Unser Fokus dabei liegt auf adaptiver Beleuchtung“, so der technische Leiter. „Meist wird über einen PIR-Sensor-Bewegungsmelder eine Reihe der vor dem Radfahrer liegenden Leuchten hochgedimmt.“ Diese Sensortechnik arbeitet mit Infrarot-Strahlung, die herannahende Menschen durch deren Temperaturstrahlung erkennt. Die vor dem Radfahrenden liegenden Leuchten werden also erst hochgefahren, wenn sich jemand dem Sensor nähert. So spart man einen enormen Teil der Kosten, die Beleuchtung ist nur „auf Abruf“ in Betrieb. Die moderne LED-Technik als besonders stromsparendes und gut dimmbares Leuchtsystem macht es möglich. Denkbar wäre auch eine Steuerung über ein Astro-Dimm-System, also eine autarke Steuerung der Beleuchtung über vorprogrammierte Zeiteingaben. Allerdings wird man dadurch nur der wahrscheinlichen Nutzung eines Radweges zu verschiedenen Zeiten gerecht. Das Licht muss immer gleichmäßig stark gedimmt sein, wenn die Radfahrer*innen die Leuchten passieren, um ihnen möglichst wenig Anpassungsleistung aufzubürden. Das Fahren würde sonst sehr anstrengend werden, und Komfort ist schließlich ein wichtiges Thema, um zum Radfahren zu motivieren.
„Faktoren wie Masthöhe, optisches System der Leuchten, Abstände der Masten, die Radwegbreite und Weiteres müssen bei dem System außerdem aufeinander abgestimmt werden. Deshalb findet die Beratung hierzu und zu allen anderen Punkten des Projekts grundsätzlich bei einer Begehung vor Ort statt“, erklärt Blume. Über sogenannte Zhaga-Schnittstellen kann das System an die Infrastruktur der Kommune angeschlossen werden. Die Kosten: um die 65.000 Euro muss man, ganz grob gerechnet, für einen Kilometer Beleuchtung einplanen.

Die Hella Park Streetline und Twin Streetline von Lunux Lighting können mit adaptiver Beleuchtung ausgestattet werden – Light on demand, sozusagen.

Solarenergie für Radfahrende

Das Unternehmen Sunleds setzt bei der Beleuchtung von Radwegen auf Solarenergie. 2016 gegründet, war es schnell eines von zwei Unternehmen, die sich in diesem Bereich breiter aufstellten. „Adaptive LED-Straßen- und Wegebeleuchtung mit Solarbetrieb ist noch ein Nischenmarkt“, sagt Geschäftsführer Henrik Brockmann. Trotzdem ist es für viele Situationen die einzige Lösung. „Ein wichtiges Einsatzgebiet für solare Leuchten sind entlegene Bushaltestellen, da dorthin oft keine Stromversorgung verlegt wird.“
Das ist für Brockmann auch einer der wesentliche Vorteile des Systems. Man spart Kosten. Zum einen ist das natürlich der Aufwand für die Kabelverlegung und entsprechenden Materialien. Zum anderen sind es die Stromkosten selbst. Diese Mastleuchten stellen die Energie selbst her und halten den Strom im integrierten Akku bereit. „Bis zu drei Nächte Beleuchtung kann eine Solar-Mastleuchte mit einem vollständig aufgeladenen Akku erreichen“, so Brockmann. Das bedeutet, dass man im besten Fall auch sehr trübe Tage im Winter überbrücken kann. Das setzt aber voraus, dass sich die jeweiligen Örtlichkeiten für den Betrieb mit Solarenergie grundsätzlich eignen. „Gibt es dort wo die Solarsysteme aufgestellt werden sollen, zu viel Schattenwurf, dann kann eine ausschließlich mit Solarenergie arbeitende Mastleuchte nicht ohne Beeinträchtigungen funktionieren, was wir unseren Kunden vorab mitteilen.“

„Adaptive LED-Straßen- und Wegebeleuchtung mit Solarbetrieb ist noch ein Nischenmarkt.“

Henrik Brockmann, Sunleds

Integrierte Insektenfreundlichkeit

An die Umwelt muss hier natürlich auch gedacht werden. Der Aufbau der LED-Systeme eliminiert weitgehend Streulicht, der Lichtkegel wird also klar abgegrenzt und das Licht trifft asymmetrisch-breitstrahlend auf den Radweg auf. Man nimmt, beispielsweise im meistverwendeten Modell ESL-18pro ECO, LEDs mit einer warmweißen Farbtemperatur von als „insektenfreundlich“ geltenden 3000 Kelvin. Ausgelöst werden das Aufleuchten und Abdimmen hier über einen aktiven Bewegungsmelder in sogenannter MWS-Technologie. Im Gegensatz zum Infrarot-Sensor, der passiv Wärmebild-Veränderungen wahrnimmt und darauf reagiert, erkennt dieser Mikrowellensensor Bewegungen, indem er selbst Signale aussendet und ihr Echo interpretiert – Radartechnologie also, die derzeit noch etwas hochpreisiger ist als Infrarotsysteme, aber von vielen als noch zuverlässiger eingeschätzt wird. Und die Stromversorgung? „Wo keine entsprechenden Kabel vorhanden sind, kann man mit autarker Beleuchtung durch Solarenergie bis zu zwei Drittel der Kosten einsparen.“ Ist die Stromversorgung über das Ortsnetz vorhanden, ist laut Brockmann eher eine netzgebundene oder kombinierte Lösung aus Solar- und Netzbetrieb angezeigt.
Bis zu zwölf Jahre Lebensdauer sollen die Lithium-Eisenphosphat-Akkus erreichen, bei Schäden oder ladezyklisch bedingtem Erreichen der Lebensdauer können sie getauscht werden. Entwickelt wird hauptsächlich in Deutschland, dazu gibt es sogar ein eigenes Testgelände am Hauptsitz Dresden. Die Kosten für eine Kommune beginnen bei der Nutzung von solaren Mastleuchten bei rund 900 Euro netto pro komplettes System, inklusive Lichtmast. Offiziell gibt es drei Jahre Garantie, erweiterbar auf fünf Jahre. Service-Leistungen erfolgen dazu oft über Kulanz-Regelungen.

Entlang von Straßen muss die Beleuchtung spezielle Vorgaben erfüllen. Schließlich wird den Radfahrenden oft durch entgegenkommende, blendende Autos die Sicht erschwert.

Radwege, die leuchten?

Wo bleiben da die selbstleuchtenden Radwege oder Lichtleisten-Radwegbegrenzungen am Boden? Dazu sind einige Ideen in der Testphase. Grundsätzliche Herausforderungen gibt es dabei allerdings. Gegenstände auf dem Radweg erscheinen weitgehend im Gegenlicht, was wenig hilfreich ist. Auch reicht das emittierende Licht zur Erkennbarkeit des Radwegs, aber je nach Ausführung nicht zur eigentlichen Beleuchtung aus. Gleichzeitig ist ein leuchtender Radweg aber ein Problem in puncto Lichtverschmutzung. Das Bundesnaturschutzgesetz und das Bundesimmisionsschutzgesetz könnten diesen Konzepten auch deshalb einen Riegel vorschieben. Doch es gibt ja, wie gezeigt, sinnvolle andere Lösungen.


Bilder: Sunleds GmbH, Lunux Lighting GmbH

Die Kanalpromenade in Münster wurde 2023 mit dem Deutschen Fahrradpreis in der Kategorie Infrastruktur ausgezeichnet. Der neue Radweg ist auf ganzer Länge beleuchtet – sobald Bedarf besteht. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 04/2023, Dezember 2023)


„Man muss komfortable Radwege bauen, um Menschen vom Radfahren zu überzeugen“, sagt Andreas Groot-Körmelink vom Amt für Mobilität und Tiefbau in Münster. Der Fuß- und Radweg entlang des Dortmund-Ems-Kanals war schon vorhanden und wurde auch von Pendlerinnen genutzt. Doch für die Fahrradstadt Münster bedeuten gute Radwege auch, dass diese eine ausreichende Breite, radfahrfreundliche Oberflächen und sichere Routenverläufe bieten müssen. Ein gutes Sicherheitsgefühl gehört sowieso dazu. 2019 stellte die Stadt ein Pilotprojekt eines Radwegs am Dortmund-Ems-Kanal fertig, der mit adaptivem Licht ausgestattet war. Zur Evaluation gab sie Umfragen vor Ort und online in Auftrag. Auf die Frage, ob der oder die Radfahrerin den Weg mit Beleuchtung nun öfter nutzen würden, antworteten 24 Prozent der Nutzer*innen mit „Ja“. Bei Frauen unter 40 Jahren waren es sogar 28 Prozent. Bestärkt konnte man dieses Vorhaben vorantreiben. Insgesamt 27 Kilometer Radweg von Norden nach Süden und mit Anbindungen zum Stadtkern hin werden es schließlich sein. „Gleichzeitig zu den Umfragen der FH Münster wurde und wird das Projekt konsequent durch Öffentlichkeitsarbeit begleitet“, erklärt Katharina Thomalla vom Fahrradbüro der Stadt, das bei der Entwicklung enger Partner des Amtes war. „Das ist sehr wichtig, um wirkliche Akzeptanz zu erreichen.“

Insgesamt 27 Kilometer von Nord nach Süd läuft die Kanalpromenade in Münster. Ein Großteil davon (es fehlt noch Abschnitt 2) ist mittlerweile zum Komfort-Rad- und Fußweg ausgebaut, mit vier Metern Breite, sehr leicht laufendem Belag und adaptiver Beleuchtung.

„Wie beim Kühlschrank, wenn die Tür zu ist“

Gerade in Sachen Licht muss die Öffentlichkeit aufgeklärt und einbezogen werden. Aber auch Institutionen und Verbände werden kontaktiert. „Wir haben schon im Vorfeld mit Vertretern des NABU und dem BUND gesprochen“, so Groot-Körmelink. Zur fachlichen Expertise hat Münster bei der Entscheidung auch mit dem Leibniz-Institut zusammengearbeitet. Adaptives Licht wird heute allgemein als Teil der Lösung angesehen und so war es auch im Fall der Kanalpromenade. Als Technik kommen dort Infrarot-Sensoren zum Einsatz, die an den Leuchtmasten befestigt oder in das System integriert werden können. Sie nehmen herannahende Menschen wahr und dimmen das Licht nach oben. Etwa zwei bis drei Lux reichen für die Beleuchtung des vier Meter breiten Weges. „Aber natürlich gibt es noch weitere Parameter“, so der Ingenieur. Auch wichtig ist nur auf den Weg fokussiertes Licht. Wir haben uns nach Beratung für warm-weißes LED-Licht entschieden“, sagt Groot-Körmelink. Die Lichttemperatur liegt bei etwa 2700 Kelvin. In diesem Licht sind Gelb-, Orange- und Rotanteil hoch. Das vermindert den Insektenanflug, darüber hinaus empfinden es aber auch die Menschen als angenehmer. Die LEDs gelten als fünfmal weniger umweltschädlich als Halogenlicht, was vor allem auf den Herstellungsprozess und den Stromverbrauch zurückzuführen ist.

Adaptives Licht an Münsters Projekt am Kanal: Nähert sich Radfahrerin oder Fußgängerin, registieren das die Sensoren der nächsten Leuchten und fahren die Lichtstärke hoch.

Einsparungen durch Adaptivität

Die Kosten für das vom Bund geförderte Projekt sind relativ überschaubar. Für die Beleuchtung auf derzeit zehn Kilometern wurden 1,2 Millionen Euro investiert. Auf der anderen Seite kann sich die Einsparung der Energiekosten durch adaptives Licht sehen lassen. Etwa 70 Prozent der Kosten lassen sich im Winter damit sparen, ohne Sicherheitseinbußen gegenüber dauerhaft leuchtenden Lichtquellen. In den fünfeinhalb Stunden zwischen 23.00 Uhr und 4.30 Uhr morgens waren auf der Testroute die Leuchten im Winter gerade vier Minuten pro Stunde hochgedimmt. Dass das mit dem deutschen Fahrradpreis 2023 prämierte Projekt gelungen ist, liegt für Thomalla im Wesentlichen daran, „dass sich die Leute sicher und wohl fühlen.“ Ohne Licht gibt es keine Sicherheit – und ohne Sicherheit ist ein Weg zur Steigerung des Radverkehrs nicht bestreitbar.
Weil in einigen Abschnitten auch Glasfaserleitungen verlegt werden sollten und man so gemeinsame Gräben nutzen konnte, setzte Münster laut Groot-Körmelink auf Netzstrom. Für einen nächsten Abschnitt wird aber der Betrieb mit Solarenergie getestet.
Der Erfolg ist nicht nur in Zahlen messbar: „Die Kommunen im Norden und Süden Münsters wollen ihre Wege entlang des Dortmund-Ems-Kanals auch weiter ausbauen“, erklärt Thomalla.


Bilder: Michael C. Möller, Stadt Münster, Sellinger Griesbach GmbH