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Starke Stimme im regionalen Umfeld

Fahrradhersteller mit verkehrspolitischem Engagement sind eher noch die Ausnahme als die Regel. Doch es gibt sie, wie unter anderem der Spezialrad-Anbieter Hase Bikes beweist. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 03/2022, Sept. 2022)


Es ist nicht so, dass Unternehmen der Fahrradbranche generell verkehrspolitisch desinteressiert wären. Das beweist allein schon die große Zahl an Marktteilnehmern, die sich im Zweirad-Industrie-Verband engagieren, der nicht zuletzt, seit der ehemalige ADFC-Frontmann Burkhard Stork dort das Ruder übernommen hat, deutlich verkehrspolitischer geworden ist. Oder sie sind Mitglied im Bundesverband Zukunft Fahrrad (BVZF), der 2019 ursprünglich vor allem als Verband der Dienstleister im Fahrradmarkt gegründet wurde und inzwischen ein breites Themenfeld etwa von der Förderung von Cargobikes über die Digitalisierung der Mobilität bis hin zur multimodalen Verkehrsmittelnutzung bearbeitet.
Manche Unternehmen gehen noch einen großen Schritt weiter und werden selbst zum Bindeglied zwischen Zweiradwirtschaft und Verkehrspolitik. Vor allem vor Ort, also im eigenen regionalen Umfeld, können Unternehmen politisch und gesellschaftlich viel bewegen, das zeigen Unternehmen wie Hase Bikes.
„Mein Ding war das schon immer – Alltagsverkehr mit dem Fahrrad“, sagt Kirsten Hase, Marketingchefin des Spezialrad-Herstellers Hase Bikes. „Und ich habe mich schon als Azubi beim Weg in die Arbeit gefragt, ‚warum hört dieser Radweg hier einfach auf?‘ oder ‚warum sind diese Radwege so kaputt? Und wie kann ich etwas dagegen machen?‘“
„Wir haben schon früh damit angefangen, die Leute nicht nur für unsere Räder, sondern für das Fahrrad im Alltagsverkehr ganz allgemein zu sensibilisieren“, so Hase. Ein publikumswirksames Projekt war 2011 „3 Wochen – 3 Klimax“: Drei Personen wurde für drei Wochen ein „Klimax 5K“ des Unternehmens zur Verfügung gestellt. Das ist ein einfach zu handhabendes S-Pedelec auf drei Rädern mit umfangreichem Regenschutz. Als „Tauschpfand“ nahm Hase Bikes den Autoschlüssel in Verwahr. Eine der Testimonials war die damalige Bürgermeisterin von Waltrop, Anne Heck-Guthe. Leider litt damals wie heute die Praxistauglichkeit von S-Pedelecs unter der fehlenden In-frastruktur für diese Fahrzeuge, sicher ein Grund dafür, dass die Bürgermeisterin doch einige Male auf ihr Dienstauto zurückgriff.
Ein ähnliches Konzept stand hinter „Pino statt PKW“. Der Fokus stand diesmal auf dem wandelbaren Tandem Pino aus gleichem Haus. Bei diesem Fahrradmodell sitzt der Passagier oder die Passagierin in einem Liegesitz vor dem Fahrenden und tritt nach vorne. Mit wenigen Handgriffen und einer großen Ladetasche ist das Rad aber auch als Lastenrad einsetzbar. 2021 sollten fünf Waltroper das Pino für drei Wochen gegen das eigene Auto ersetzten und damit dokumentieren, dass ein Auto weder für die Kita-Fahrt noch für den großen Einkauf gebraucht wird. „Es gab jede Menge Bewerbungen, fünf wurden ausgewählt“, erinnert sich Hase. Natürlich wurden die Erfahrungen dokumentiert und das ganze Konzept auch in Pressemeldungen verbreitet. Wichtig bei solchen Aktionen: der Vorher-Nachher-Effekt. Zu welchen Ergebnissen kommen die Testimonials? Und wie offen wird kommuniziert? Bei dieser Tauschaktion jedenfalls konnte ein Gastronom unter den Testimonials erklären, dass er praktisch alle Freizeit- und Alltagsfahrten begeistert mit dem Rad erledigt hatte. Lediglich beim Großeinkauf für seinen Betrieb kam das Packvolumen des Rads doch an seine Grenzen. Dass auch diese Einschränkung dokumentiert wird, ist wichtig für die Glaubwürdigkeit und letztendlich den Erfolg eines solchen Projekts.
Eine Vortrags- und Mitmachveranstaltung plant Hase in Kürze mit Lucy Saunders, die mit Healthy Streets eine Initiative für menschenfreundliche Innenstädte ins Leben gerufen hat. „Ich bin in der Veloplan auf die Verkehrs- und Gesundheitsaktivistin gestoßen, und dachte mir: ‚Die ist klasse.‘“ Und so will Hase die Frau, die sich derzeit um die verkehrspolitische Lage in London kümmert, für einen öffentlichen Workshop nach Waltrop einladen. Kontakte sind geknüpft, das Konzept wird noch ausgearbeitet. Vielleicht wird das Event mit der bekannten Aktivistin parallel zu einem Händler-Workshop stattfinden, sodass auch diese Hase-Partner davon profitieren. „Viele unserer Händler und Händlerinnen sind fahrradpolitisch sehr engagiert.“ So nutzt man den Heimvorteil auch: Platz ist vorhanden, dank neuer Produktionshalle jetzt auch wettergeschützt, und auch hier zählen die vielen Erfahrungen, die man schon mit der Durchführung von Events gemacht hat.

„Wir haben schon früh damit angefangen, die Leute nicht nur für unsere Räder, sondern für das Fahrrad im Alltagsverkehr ganz allgemein zu sensibilisieren“

Kirsten Hase, Marketingchefin des Spezialrad-Herstellers Hase Bikes

Klassiker Fahrraddemo

Kirsten Hase und ihr Ehemann, Firmengründer Marec Hase, fanden auch mit den Grünen in ihrer Stadt einen Veranstaltungspartner. „Die Partei ist sehr offen für Aktionen, die den regionalen Radverkehr stützen und auf fehlende oder marode Infrastruktur aufmerksam machen“, sagt Kirsten Kase. „Und wir standen den Grünen politisch schon immer nahe.“ So führte man in diesem und im letzten Jahr vor Ort bereits zwei Fahrraddemos gemeinsam durch, die auf fehlende und schadhafte Fahrrad-Infrastruktur hinwiesen. Dabei hat Hase Bikes weitgehend die Organisation übernommen. „Die Grünen stecken in so vielen anderen Dinge, dass sie froh sind, wenn die Orga über uns läuft. Für uns ist das keine so große Sache“, sagt Kristen Hase, die mit ihrem Marketingteam schon viele Events ans Laufen gebracht hat. Mit der Partei ist ein politisch zugkräftiger Partner an Bord, der potenziell Teilnehmenden demonstriert: Es geht hier nicht einfach um eine Werbeveranstaltung eines Unternehmens. Dass die auffälligen Spezialräder der Waltroper im Demo-Konvoi besonderes Interesse erregen und Fragen provozieren, ist natürlich trotzdem schön für den Veranstalter.


Bilder: Hase Bikes – Matthias Erfmann, Georg Bleicher