Die Fahrradbox FalcoPod ist eine kompakte, abschließbare Fahrradgarage. Sie kann ideal als Fahrradschuppen in Nachbarschaften oder bei Wohnanlagen genutzt werden. Auch auf dem Firmengelände machen sich die abschließbaren Fahrradboxen als sicherer Parkplatz für Fahrradpendler gut. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 03/2022, Sept. 2022)


Bis zu fünf Fahrräder können in einer FalcoPod-Fahrradbox mühelos geparkt werden, denn dank der Gasfedern ist die Flügeltür nach oben hin mit nur einer Hand am Türgriff zu öffnen. Die Fahrradboxen sind außerdem mit einem frostsicheren Schloss mit Europrofilzylinder abschließbar. Die Seitenwände sind aus Streckmetall gefertigt, die Flügeltür und die Rückwand bestehen aus sendzimirverzinkten Stahlplatten. So bietet die Fahrradbox gleichermaßen hohen Schutz vor Diebstahl, Vandalismus und Witterungseinflüssen.
Die FalcoPod-Fahrradbox kann mit einer RAL-Farbe nach Wahl oder eigenen Designelementen, z.B. einem Firmenlogo oder einer Hausnummer, individualisiert werden. So integriert sich die Fahrradbox in die jeweilige Umgebung für eine optimale Freiraumgestaltung.


Bilder: Falco

Der Wandel vom Austragungsort der Automesse IAA zum Eurobike-Standort ist ein passendes Sinnbild für die Verkehrswende in Frankfurt. Diese steht spätestens seit dem Stadtratsbeschluss zur Fahrradstadt auf der Tagesordnung. Erste Erfolge sind bereits sichtbar, der Pendlerstadt steht aber noch ein langer Weg bevor. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 03/2022, Sept. 2022)


Der Radentscheid sammelte 2018 40.000 Unterschriften. Er wurde zwar formell abgelehnt, einen Stadtverordnetenbeschluss zur Fahrradstadt Frankfurt gab es trotzdem.

Dass gesellschaftliche Rückendeckung für die Verkehrswende in Frankfurt besteht, bewiesen die Bewohner*innen im August 2018, als der Stadt ein 40.000-fach unterschriebener Radentscheid übergeben wurde. Mitte des darauffolgenden Jahres wurde er zwar abgelehnt, weil nötige gesetzliche Voraussetzungen für ein Bürgerbegehren laut dem Liegenschaftsdezernenten nicht erfüllt worden seien, die Stadt begann aber, in acht Sitzungen mit der Interessensgemeinschaft Radentscheid zu verhandeln. Zwei Monate später wurden die wesentlichen Forderungen des Radentscheids in den Maßnahmenkatalog Fahrradstadt Frankfurt am Main übernommen und um weitere Schritte ergänzt. Die Stadtverordnetenversammlung stimmte diesem Ende 2019 zu. Seitdem ist in Frankfurt einiges in Bewegung geraten.
Das Maßnahmenpaket fokussiert zunächst Hauptverkehrsstraßen, auf denen noch keine Radwege existieren. Dort werden teilweise auch Fahrspuren für Autos entnommen und umgewidmet. So zum Beispiel bei der Friedberger Landstraße, wo den Radfahrenden nun größtenteils 2,30 Meter breite, rot markierte Fahrradspuren zur Verfügung stehen. Auch anderenorts wurde ummarkiert, auch wenn die Wunschbreite gerade noch nicht erreicht wird. „Dieser breite, rote Radfahrstreifen, der ist symbolisch für die neuen Aktivitäten hier in Frankfurt. Wenn die rot eingefärbt sind, ist die Infrastruktur deutlich besser wahrnehmbar, wir haben auch nicht so viele Falschparker, die sich daraufstellen“, so Stefan Lüdecke. Er ist Referent des Dezernenten für Mobilität und Leiter der Stabsstelle Radverkehr. Wo möglich, wird auch mit Protektionselementen gearbeitet, wenn es keine seitlichen Parkplätze oder Ausfahrten gibt. Im August 2021 gab die Stadt bekannt, dass seit dem Fahrradstadt-Beschluss 28 Kilometer Radwege rot markiert wurden, 6,1 Kilometer neue Radwege an Hauptstraßen und fast 6000 neue Fahrradstellplätze entstanden. „Wenn eine Straße komplett grunderneuert werden muss, dann ist das Ziel, dass wir tatsächlich auch bauliche Radwege schaffen von mindestens 2,30 Metern Breite und vom MIV baulich getrennt“, verspricht Lüdecke.

Der Frankfurter Mainkai war schon mal für den Autoverkehr gesperrt und soll es in Zukunft wieder sein. Bei der Fahrradmesse Eurobike diente er als publikums-wirksame Außenfläche.
Der Oeder Weg ist die erste von elf Nebenstraßen, die nach dem Konzept Frankfurter Fahrradstraße des Radentscheids umgebaut werden.

Nebenstraßen werden fahrradfreundlich

Beschlossen wurde auch der Umbau von elf Straßenzügen zu sogenannten fahrradfreundlichen Nebenstraßen. Die Macherinnen des Radentscheides haben hierfür das Konzept Frankfurter Fahrradstraße entwickelt, das zügiges, konfliktfreies und sicheres Fahren ermöglichen soll. Die erste fahrradfreundliche Nebenstraße, der Oeder Weg, ist bereits erkennbar umgebaut und mit Autobarrieren als Modalfilter ausgestattet worden. Der Oeder Weg ist jetzt eine Fahrradstraße und hat neue Fahrradbügel und rot markierte Kreuzungsbereiche bekommen. Auch Abstellanlagen für E-Scooter sind Teil des Konzepts. Folgen sollen circa 40 große Pflanzenbeete, außerdem Sitzmobiliar und sogenannte Parklets, modulare Elemente aus Holz, die aus Parkplätzen Aufenthaltsraum machen. „Wir haben natürlich auch an die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum gedacht. Wir haben viele Parkbuchten rausgenommen, dort, wo sich Cafés und Restaurants befinden, die Interesse hatten, ihre Außengastronomie dort aufzustellen“, betont Stefan Lüdecke. Begleitet werden die Veränderungsprozesse von einem Forschungsprojekt der Radverkehrsprofessur, die das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur an der Frankfurt University of Applied Sciences fördert. Diese hat Prof. Dr.-Ing. Dennis Knese seit Beginn des letzten Jahres inne. Bei den Nebenstraßen untersuchen die Forschenden, wie sie wirken und wahrgenommen werden. In Zukunft sollen die Forscherinnen dazu die Situation vor der Umgestaltung dokumentieren, um nach den Umbauten Vergleiche ziehen zu können. Dafür sprechen sie auch mit Gewerbetreibenden vor Ort, die vielfach Umsatzeinbußen durch den fernbleibenden Kfz-Verkehr befürchten – trotz gegenläufiger wissenschaftlicher Erkenntnisse aus anderen Orten. Die Stadt unterstützt die Untersuchungen mit Verkehrszählungen, sodass Verkehrsverlagerungen quantifiziert werden. Die Begleitforschung ist auch deshalb notwendig, weil die Maßnahmen zunächst reversibel sein werden, sodass sie wieder zurückgebaut werden können, falls die gewünschten Effekte ausbleiben sollten.

Innenstadt im Mittelpunkt

In der »Fahrradstadt Frankfurt« pa-trouilliert seit 2019 eine zehnköpfige Fahrradstaffel der städtischen Verkehrspolizei, die etwa das Falschparken auf Fahrradwegen kontrolliert. Susanne Neumann, Vorständin des ADFC-Kreisverbands Frankfurt kritisiert deren Fokus auf die Innenstadt. Verschiedene Parteien hätten mehrfach darum gebeten, die Staffel auch in den Außenbezirken einzusetzen. Dieses Ersuchen habe der Verkehrsdezernent abgelehnt, laut Neumann dadurch begründet, dass es den Erfolg in der Innenstadt gefährde.
Der Fokus auf die Innenstadt sei symptomatisch für die Verkehrswende in Frankfurt. Hiervon sei auch das Nahverkehrsangebot betroffen. Neumann wartet auf Verkehrskonzepte für westliche und südliche Stadtteile, die Anfang letzten Jahres in Auftrag gegeben wurden. Sie sollten Ende 2021 vorliegen. „Was da jetzt rausgekommen ist, weiß ich immer noch nicht“, stellt sie ernüchtert fest. Im September soll das Radverkehrskonzept für Frankfurt West zunächst dem Ortsbeirat vorgestellt werden.
Dass in jüngster Zeit dann doch einiges für den Radverkehr getan wurde, bestätigte 2020 der ADFC-Fahrradklimatest. Zumindest im Vergleich zu anderen Städten der gleichen Größe lag die Benotung zu dieser Aussage mit der Schulnote 2,9 knapp eine Note über dem Durchschnitt. Auch die Möglichkeiten zur Fahrradmitnahme im Nahverkehr wurden deutlich besser beurteilt als im Mittel. Insgesamt liegt Frankfurt mit der Note 3,7 unter den Städten mit mehr als einer halben Million Einwohner auf Platz drei.

„Das Fahrrad geht als großer Gewinner aus der Pandemie heraus“

Prof. Dr.-Ing. Dennis Knese,Frankfurt University of Applied Sciences

Universitätsprofessor Dr.-Ing. Dennis Knese (oben) und Susanne Neumann vom ADFC (unten) setzen sich für besseren Radverkehr in Frankfurt ein. Auch privat sind sie gerne mit dem Fahrrad unterwegs.

Viele Ansprechpartner für Radverkehr

Die vergleichsweise guten Ergebnisse beim Radklimatest dürften noch nicht von den relativ neuen Beschlüssen herrühren. Auch vor dem Radentscheid und dem Beschluss zur Fahrradstadt Frankfurt gab es bereits Ambitionen, den Radverkehr in Frankfurt zu fördern. Die Stadt hat dafür 2009 personell aufgestockt und gründete ein eigenes Radfahrbüro. Aus den damals vier Angestellten sind mittlerweile acht geworden. Hinzu kommen Einzelpersonen im Verkehrsdezernat, Straßenverkehrsamt sowie dem Amt für Erschließung und Straßenbau. Überall dort gibt es eigene Ansprechpartner für den Radverkehr, die in engem Austausch miteinander stehen.
Nicht nur städtische Angestellte sind dabei involviert. Der verkehrspolitische Sprecher des ADFC bespricht aktuelle Planungen in monatlichen Treffen mit der Stadt, weitere Details werden auf dem kurzen Dienstweg geklärt. Das Thema Radverkehr scheint in Frankfurts Öffentlichkeit angekommen zu sein. Die Resonanz auf ihr Engagement beim ADFC habe in den letzten Jahren zugenommen, erklärt Neumann.
Auch die Fahrrad-Professur werde wahrgenommen, beobachtet Dennis Knese. Der Uni-Standort Frankfurt spielt in seiner Arbeit natürlich eine große Rolle. „Wir sind sehr eng im Kontakt mit verschiedenen Akteuren in Frankfurt, sei es die Stadt, seien es aber auch Wirtschaftsunternehmen, Verbände und Akteure aus allen möglichen Bereichen.“ Insgesamt zeigt sich Knese mit dem Tempo der Verkehrswende nicht unzufrieden. Gerade im Hinblick auf die Ziele Luftqualität und Klimaschutz müsse es aber noch schneller gehen.

Verbesserte Datenlage

Der Radverkehrsprofessor ist auch an der Erstellung neuer Verkehrsmodelle beteiligt, mit denen die Stadt den Radverkehr grundsätzlicher verstehen will. Es geht dabei um die Frage, warum die Radfahrenden bestimmte Routen und Verkehrsmittel benutzen. Dauerzählstellen von Hessen Mobil stellen massenhaft Daten zur Verfügung. Normalerweise erstellt die Stadt alle zwei Jahre eine Stadtrandzählung, die aufgrund der Pandemie zuletzt ausgesetzt wurde. Die Ergebnisse der letzten Zählung in Zusammenarbeit mit der TU Dresden attestieren Frankfurt eine Steigerung von fast 60 Prozent beim Radverkehrsanteil. Lag dieser 2013 noch bei 12,5 Prozent, waren es 2018 19,8 Prozent.
Gerade die Dynamik im Radverkehrsanteil könnte laut dem Radverkehrsprofessor bestehen bleiben. „Das Fahrrad geht als großer Gewinner aus der Pandemie heraus“, glaubt Knese. Im Hinblick auf eine Zeit nach der Covid-19-Pandemie gaben die Menschen an, häufiger Fahrrad fahren zu wollen.
Auch Lastenräder, so Knese, könnten in Frankfurt am Main eine große Zukunft haben. Die Stadt fördert private Lastenräder ohne oder mit Elektroantrieb mit 500 beziehungsweise 1000 Euro. Die Fördermittel von 200.000 Euro für 2022 waren im Fe-bruar dieses Jahres schnell ausgeschöpft und sollen im nächsten Jahr erneut zur Verfügung stehen. Auch das Leihsystem Main-Lastenrad wird sehr gut genutzt. 16 Lastenräder können im Stadtgebiet kostenlos bis zu drei Mal pro Monat ausgeliehen werden.
Die Stadt erarbeitet zurzeit einen Masterplan Mobilität, der Klarheit in die Entwicklungsrichtung Frankfurts bringen soll. Susanne Neumann hofft, dass das Anrecht aller Menschen auf Mobilität durch diesen wahrnehmbar wird. Für die Zukunft sieht sie, genau wie Dennis Knese, eine reduzierte Regelgeschwindigkeit als geeignetes Mittel, um dieses Ziel voranzutreiben. Die Chancen für Tempo 30 stehen nicht schlecht, sollten die Städte den Ermessensspielraum erhalten. Der Initiative Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten, die diesen Spielraum einfordert, hat sich Frankfurt längst angeschlossen.
Dass die Menschen in Frankfurt aktive Mobilität nicht generell scheuen, beweist auch der hohe Fußgängeranteil am Modal Split. Etwa ein Drittel ihrer Strecken legen die Frankfur-ter*innen zu Fuß zurück. Die Studie Mobilität in Deutschland stellte 2017 für keine untersuchte Stadt einen höheren Wert fest. Hierbei dürften die kurzen Wege, Frankfurt ist auf einer kleinen Grundfläche gebaut und das ganze Zentrum ist relativ gut zu Fuß erreichbar, ihre Stärken ausspielen.

„Unsere größte Herausforderung als Stadt Frankfurt ist ja, tagtäglich mit den Pendlerinnen und Pendlern zurechtzukommen“

Stefan Lüdecke, Referent des Dezernenten für Mobilität & Leiter der Stabsstelle Radverkehr

Frankfurt ist Pendlerstadt

Was für den Fußverkehr förderlich ist, sorgt für Probleme für die Vielzahl an Menschen, die aus der dicht gestrickten Metropolregionen täglich ihren Weg ins Zentrum finden müssen. „Unsere größte Herausforderung als Stadt Frankfurt ist ja, tagtäglich mit den Pendlerinnen und Pendlern zurechtzukommen“, erklärt Stefan Lüdecke ein. Das bestimmt dann manchmal, ob man Platz für eine Fahrradspur wegnehmen kann oder nicht. „Ich hoffe, dass das mit dem Homeoffice auch weiter so bleiben wird, dass wir nicht wieder zu diesen ganz hohen Zahlen kommen werden und dass vielleicht auch Leute aus der Region auf das Rad umsteigen werden.“
Der Pendelverkehr sorgt außerdem dafür, dass die vielen zusätzlichen Autos den eigentlich guten Modal Split verwässern. In diesem wird nämlich nur die Wohnbevölkerung erfasst. Um dem Problem zu begegnen, bräuchte es einen Ausbau der Park-and-Ride-Parkplätze in den außerhalb gelegenen Kommunen. Außerdem könnte ein Radschnellwegenetz helfen, das sternförmig in das Frankfurter Umland führt. Neun solcher Routen wurden bereits geplant und sind, zumindest außerhalb des Frankfurter Stadtgebiets, auch schon teilweise im Bau. Weitere sternförmige Verbindungen ins Umland sieht Lüdecke als Großprojekt der nächsten Jahre. Auch am Radschnellwegenetz lässt sich Kritik üben. Dessen Trassenführung laufe teilweise mitten durch Ortschaften hindurch, anstatt an diesen vorbeizuführen, so Susanne Neumann.

Das privat geführte Fahrradparkhaus am Bahnhof ist fast leer. Seit die Werkstatt im Eingangsbereich geschlossen wurde, ist es noch einfacher, dort Fahrräder zu entwenden.

Problemzone Bahnhof

Neumann erkennt in der Stadt weitere Herausforderungen, etwa in der Bahnhofsregion. „Der Bahnhof ist ein absolutes Lowlight für Frankfurter Radfahrende, ganz einfach, weil es da null Radinfrastruktur gibt.“ Die Radfahrerinnen sind gezwungen, im 50 km/h schnellen Autoverkehr mitzuschwimmen, obwohl es sich auch für sie um eine Hauptverkehrsachse handelt. Ausbaufähig ist auch die Abstellsituation, eine wichtige Voraussetzung für intermodale Reiseketten. Es gibt zwar eine Fahrradebene im Untergeschoss eines privat geführten Autoparkhauses, dieses ist allerdings nicht ausgeschildert. Zudem wird eine der Hauptfunktionen sicherer Abstellanlagen – die Sicherheit – nicht erfüllt. Es gibt keine Überwachungsfunktion bis auf ein kleines Drehkreuz. Neumann berichtet von Fällen, wo dieses einfach übersprungen und Fahrräder entwendet wurden. Der private Betreiber hatte zunächst eine Fahrradwerkstatt im Eingangsbereich betrieben, die aber eingestellt wurde. Hinzu kommt der Omnibus-Verkehr, der die Anfahrt erschwert. Pläne für ein Fahrradparkhaus auf der gegenüberliegenden Bahnhofsseite sind unlängst geplatzt. Probleme wie diese sorgen für Unmut. Damit Planungsprozesse transparent und verständlich sind, führt die Stadt Partizipationsverfahren durch. Gegenseitiges Verständnis bringen die verschiedenen Verkehrsgruppen in Frankfurt nicht immer füreinander auf, zum Beispiel in den Chats dieser Online-Veranstaltungen. „Klar gab es auch gute und sachliche Kommentare, aber teilweise wird die Debatte eben sehr emotional geführt und wenig nüchtern“, ordnet Knese ein. Ein Kommentar in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung lässt noch tiefer blicken. Darin berichtet die Autorin, wie ein Stadtteilpolitiker im traditionell eher konservativen Westend sich für den Umbau einer Straße einsetzte und dafür beschimpft wurde und Morddrohungen erhielt. Solche Widerstände zeigen, dass die Verkehrswende in Frankfurt nicht unumstößlich ist. Das aktuelle Tempo der Maßnahmen und die jüngere Geschichte des Radentscheides sorgen unterm Strich aber für viel Hoffnung, dass sich die Perspektive der Frankfurterinnen vom Autoverkehr wegbewegt. So ist es auch bei Dennis Knese. „Es setzt sich immer stärker auch der Gedanke durch, dass man mit attraktiven Alternativen und der Reduzierung des motorisierten Verkehrs gerade in den Städten eben auch eine bessere Lebensqualität hervorrufen kann.“
Ein Erlebnis, von dem Susanne Neumann berichtet, zeigt, wie einzelne Maßnahmen das gegenseitige Verständnis steigern können. Ein Taxifahrer, mit dem Neumann für einen Beitrag des Hessischen Rundfunks zusammengebracht wurde, schätzt die Bedeutung der roten Radwegmarkierung für sie völlig unerwartet ein. „Wenn ich einen rot eingefärbten Radweg hab, da darf ich mich als Taxifahrer nicht draufstellen. Aber bei allen anderen darf ich das“, soll er gesagt haben.


Bilder: Sebastian Gengenbach, Radentscheid Frankfurt, Dennis Knese, Torsten Willner

Mit NEO.COUNT stellt das Lindauer Unternehmen NEO.SENS ein neuartiges, auf Lasertechnologie basierendes Fahrradzählsystem vor, das die berührungslose und automatische Zählung und Klassifizierung von Radfahrern, Fußgängern und eScootern ermöglicht. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 03/2022, Sept. 2022)


Basis des NEO.COUNT-Zählsystems ist ein 3D-Lasersensor mit KI-basierter Objekterkennung, der berührungslos und unsichtbar die Konturen von Radfahrenden, Fußgänger*innen und E-Scootern misst und eine äußerst zuverlässige Klassifizierung und Zählung durchführt. Mithilfe von vier Messebenen erkennt NEO.COUNT auch mehrere gleichzeitig passierende Verkehrsteilnehmer und ermittelt zusätzlich die jeweilige Bewegungsrichtung. Aufgrund des berührungslosen Messprinzips sind für die Erfassung keinerlei Schleifen oder Sensoren im Boden erforderlich, was den Einrichtungsaufwand gering hält und auch den Einsatz an unbefestigten oder gepflasterten Wegen zulässt. Im Unterschied zu videobasierten Systemen werden dabei keine identifizierbaren Bilddaten aufgezeichnet, so dass NEO.COUNT prinzipbedingt völlig datenschutzkonform arbeitet.

Radverkehr sichtbar machen

Die Kombination der Zählstelle mit dem NEOCOUNT Bike-Display lässt Radverkehr sichtbar werden. Das LED-Display ist in ein- oder zweiseitiger Ausführung in zwei Größen verfügbar und individuell gestaltbar.

Cloudbasierte Datenablage und Auswertung

Die Messdaten werden in die Cloud übertragen oder alternativ lokal gespeichert. Der User erhält einen Zugang für jederzeitigen Zugriff auf seine Zählstellendaten. Über die integrierte Auswertung können die Daten in üblichen Zeitreihen mit wählbaren Zeitintervallen grafisch und tabellarisch ausgewertet werden.

Intelligentes Energiekonzept ermöglicht vielfältige Einsatzbereiche

Sowohl das Zählsystem als auch das LED-Display zeichnen sich durch einen geringen Energiebedarf aus. Dadurch können Zählstelle und Display sowohl über Netzspannung als auch über das Beleuchtungsstromnetz dauerhaft versorgt werden. Dies ermöglicht auch Aufstellorte, an denen eine ortsfeste Netzversorgung sehr aufwendig wäre, Straßenbeleuchtung jedoch vorhanden ist. Als reine Zählstelle ohne Display kann NEO.COUNT auch mit Solarpanels autark eingesetzt oder für den temporären Einsatz bis zu zehn Messtage mit Akkus versorgt werden.


Bilder: NEOCOUNT

Tern kennt man bisher vor allem als Hersteller innovativer Fahrräder für Familien und Radpendler im urbanen Umfeld. Auf der Fachmesse Eurobike hat das Unternehmen mit taiwanischen und amerikanischen Wurzeln nun auch ein ganzes Paket an modularen Produkten für gewerbliche Cargobike-Nutzer vorgestellt. Darunter sind auch digitale Lösungen. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 03/2022, Sept. 2022)


Die für die Zustellung auf der letzten Meile optimierten Produkte reichen von leichten Aufbauten für die Zustellung von Lebensmitteln bis hin zum Transport von schweren Lasten bis zu 150 kg und 1,5 Kubikmetern. „In dichten, überfüllten Städten sind E-Cargobikes oft die beste Möglichkeit, Güter auszuliefern“, so Michael McManus, Tern Business Project Manager. „E-Cargobikes können mehr Sendungen pro Stunde zustellen, weil sie nicht so stark vom Verkehr ausgebremst werden, mehr Routenoptionen haben und näher am Abhol- und Zustellort parken können. Logistikunternehmen profitieren auch davon, dass sie ihren CO2-Fußabdruck drastisch reduzieren können. Zu den Vorteilen für die Allgemeinheit gehören die Verringerung des Verkehrsaufkommens, der Lärmbelästigung und der Luftverschmutzung. E-Cargobikes sind eine Win-Win-Win-Situation, und deshalb sind sie eine so naheliegende Lösung, für die wir uns einsetzen.“
Zu den Angeboten für die letzte Meile zählen ein Schwerlastständer, der das auch bei Familien beliebte E-Cargobike GSD für Lasten bis 100 kg ertüchtigt. Dazu passen auf das Modell abgestimmte Cargo-Boxen mit bis zu 300 Litern Fassungsvermögen. Für noch größere Transportaufgaben gibt es von Tern künftig spezielle Adapter, um einen Anhänger von Carla Cargo an die Modelle GSD, HSD und Quick Haul anzukuppeln.
Neben der Hardware bietet Tern künftig auch die Software, um gewerbliche Bike-Flotten effizient zu betreiben: Der neue FleetTracker by WeMo von Tern wurde genau dafür entwickelt und umfasst eine Telematik-Box und eine Cloud-basierte Software-Plattform für das komplette Flottenmanagement. Für die Entwicklung von FleetTracker hat sich Tern mit WeMo Scooter zusammengetan, einem Unternehmen, das in Taiwan einen Sharing-Fuhrpark von 10.000 E-Scootern betreibt.


Bilder: Tern

Die Belastungen des Einsatzes an gewerblichen Cargo-Bikes erfordern speziell dafür ausgelegte Fahrradkomponenten. Ein entsprechendes Produktangebot hat nun Reifenhersteller Vredestein auf der Fachmesse Eurobike vorgestellt. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 03/2022, Sept. 2022)


Das Modell Cargo der zum Reifenkonzern Apollo gehörenden Marke Vredestein verspricht mit einer verwendungsspezifischen Laufleistung von rund 8000 bis 10.000 Kilometern gewerblichen Nutzern eine deutliche Kostenersparnis gegenüber herkömmlichen Reifen, die mitunter weniger als die halbe Laufleistung erreichen. Realisiert wird dies nicht nur mit einer Lauffläche, die vom Design der Pkw-Reifen von Vredestein beeinflusst wurde, sondern auch mit verstärkten Seitenwänden, einer besonders robusten Karkasse und einem Reifendraht aus Stahl.
Doch nicht nur die Laufleistung steige durch die Cargo-spezifischen Produktmerkmale: Die hohe Verschleißrate herkömmlicher Reifen, die bei Lasten-E-Bikes verwendet werden, könne auch die Sicherheit der Fahrer beeinträchtigen, heißt es von Vredestein, insbesondere wenn die Straßenoberflächen nass oder rutschig sind.
Alexander Mai, Business Development Manager für Zweiradreifen bei Apollo Tyres, sagt: „Wir hatten noch kein Produkt in diesem schnell wachsenden Segment und das bedeutete, dass wir das Projekt mit einem unbeschriebenen Blatt Papier beginnen konnten. Unser R&D-Team verfolgte einen einfallsreichen Ansatz, um einige der Hauptmängel herkömmlicher Fahrradreifen zu identifizieren und zu beheben und stützte sich dabei auf Erkenntnisse aus unseren neuesten Pkw-Programmen. Dies hat dafür gesorgt, dass der Vredestein Cargo völlig neue Maßstäbe in Bezug auf Qualität, Langlebigkeit, Leistung, Betriebskosten und Sicherheit setzt.“
Das neue Reifenmodell wird zunächst im Cargo-typischen Format mit 20 Zoll Durchmesser und 55 mm Breite angeboten. Weitere Größen sollen 2023 folgen.


Bilder: Vredestein Cargo

Fahrradstraßen sind ein wichtiges Instrument für die Verkehrswende, weil sie das umweltfreundlichere Verkehrsmittel begünstigen. Unklare Designs oder fehlende Modalfilter erschweren mitunter das Vorrangprinzip. Autobesitzer beklagen Parkplatzverluste. Die Herausforderungen und gute Lösungen zeigen die Beispiele von drei Berliner Bezirken. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 03/2022, Sept. 2022)


Die Stadt Berlin besitzt nicht nur ein Mobilitätsgesetz, das Fahrradstraßen ausdrücklich vorsieht. Es gibt auch einen eigenen Leitfaden für deren Umsetzung. Mit solchen Qualitätsstandards könnten Verkehrsplanerinnen und Bezirksämter sofort loslegen. Wären nicht die Bedenken durch Anwohnerinnen. Aktuelles Beispiel für eine solche Hürde ist die geplante Fahrradstraße in der Handjerystraße im bürgerlichen Wohnbezirk Friedenau.

Oben: Regelquerschnitt für eine Fahrradstraße mit Längsparkständen Unten: Empfohlene Mindestbreiten für eine Fahrradstraße, wenn die verfügbaren Breiten für Regelmaße nicht ausreichen, geringe Verkehrsstärken und gute Sichtbeziehungen vorhanden sowie nur wenige Parkwechselvorgänge bei Anwohnerparken zu erwarten sind (aus dem Leitfaden Fahrradstraßen).

Handjerystraße: Konflikt um gefühltes Parkrecht

Hier stimmen alle Voraussetzungen: Nach einer Verkehrszählung passieren vier Mal so viele Radfahrende wie Kraftfahrzeuge die Handjerystraße. Ist das Fahrrad schon oder „alsbald“ die vorherrschende Verkehrsart, weisen auch die Verwaltungsvorschriften (VwVStVO) Fahrradstraßen den Weg. Zudem ist die Straße Teil des Berliner Radverkehrsnetzes. Sie stellt eine wichtige Verbindung zum Nachbarbezirk dar. Der logische Beschluss der Bezirksverordneten, die Handjerystraße zur Fahrradstraße zu machen, geht bereits auf das Jahr 2015 zurück. Dagegen lief zuletzt der Bundestagsabgeordnete Jan-Marco Luczak (CDU) Sturm. Im Januar verteilte seine Partei in Friedenau rund 4300 Fragebögen im Kiez. Ergebnis: „65 Prozent und damit zwei Drittel sprachen sich gegen eine Fahrradstraße aus, wenn dadurch Parkplätze verloren gehen“, so Luczak. Er fordert: Fahrradstraße ja, aber Erhalt der Stellplätze.
Der Wegfall von gut einem Drittel der Parkplätze schafft gerade die Basis für eine Fahrbahngasse zwischen 4 und 4,5 Metern. Damit können Radfahrende wie in Fahrradstraßen vorgesehen sicher nebeneinander fahren oder sich gegenseitig überholen. Hinzu kommt noch ein Abstand zu parkenden Autos zur Prävention von Dooring-Unfällen. Der Berliner Leitfaden gibt einen 0,75 Meter breiten Sicherheitstrennstreifen zur Fahrgasse vor. Luczak stellt diese Logik der Unfallverhütung auf den Kopf und sagt: „Wenn die Straße plötzlich vier Meter breit wird, fürchte ich, dass es zu mehr riskanten Überholmanövern und zu Rasereien kommt.“
Dass hinter allem Furor über vernünftige Fahrradstraßen in erster Linie die Sorge um den Wegfall angestammter Parkplätze steht, sieht Changing-Cities-Sprecherin Ragnhild Sørensen. Sie nennt das einen „Kulturschock“: „Seit 80 Jahren ist klar: Ich kann mein Auto kostenlos vor der Haustür parken. Es wurde suggeriert, es gäbe dieses Recht. Selbst wenn es nirgendwo steht. Wenn alle Bürger 400 Meter bis zum nächsten Mobilitätsangebot gehen müssen, ist Autobesitzern die gleiche Strecke zum nächsten Parkplatz zumutbar. Da existiert ein Ungleichgewicht. Aber das muss man auch mitkommunizieren.“
Vor dem Hintergrund solcher Widerstände empfiehlt der Berliner Leitfaden eine Öffentlichkeitsarbeit schon im Zuge der Planungen, vor und bei Einrichtung einer Fahrradstraße: darunter Flyer, Plakate, öffentliche Informationsveranstaltungen sowie Eröffnungsfeiern. Damit kann zugleich Aufklärungsarbeit zu den Verkehrsregeln in Fahrradstraßen erfolgen.
Sollen Fahrradstraßen erfolgreich vermittelt werden, sind jedoch nicht nur Verkehrsplaner gefragt. Seitens der Politik müssen komplexe Zusammenhänge erklärt werden, die weit über die eigene Haustür hinaus reichen. Im Pandemiejahr 2021 hat der Verkehrssektor drei Millionen Tonnen mehr Treibhausgase verursacht als vom Klimaschutzgesetz vorgegeben. Deshalb müssen klimaschädliche Verkehrsarten wie das Auto weiter reduziert werden. Sørensen kritisiert eine fehlende entsprechende Kommunikation: „Auch diesen großen Kontext muss man mit kommunizieren. Die Politik muss sagen, dass wir diesen Weg gehen müssen. Was dazu führt, dass wir weniger Parkplätze haben. Weil sich das sonst für Autofahrer anfühlt, als werden sie nur angegriffen und müssen verzichten.“

Auch als Fahrradstraße herrscht in der Stargarder Straße noch eine hohe Pkw-Dichte. Der Radverkehr muss sich in der Fahrradstraße deshalb oft an querparkenden Fahrzeugen vorbeidrängeln.

Stargarder Straße: Schilder reichen nicht

Eine gute Nachricht vorneweg: In der Stargarder Straße im Prenzlauer Berg wirkte sich eine Maßnahme verkehrsentlastend aus, die selten im Fokus steht. Sie wird auch nicht von Verkehrsplaner*innen, sondern von der Google-Community gesteuert: Das kostenlose Navigationssystem Google Maps ist wegen der genauen Abbildung aktueller Verkehrslagen beliebt bei Autofahrern. Neben Echtzeitinfos über freie, zähflüssige oder Stauabschnitte, werden Vorschläge zur Stauumfahrung ausgegeben. Melden viele Nutzende dem Unternehmen, dass es sich bei einem angebotenen Schleichweg um eine nicht durchgängig befahrbare Fahrradstraße handelt, wird er nicht mehr angezeigt. Ragnhild Sørensen weist darauf hin, dass zahlreiche Nutzermeldungen den Kfz-Verkehr in der Stargarder Straße bereits reduziert haben.
Trotzdem herrscht in der Fahrradstraße eine immer noch hohe Dichte an Pkw- und Lieferantenverkehr. Hinzu kommt das Querparken zu beiden Seiten. Dabei sieht der Berliner Leitfaden schon aus Sicherheitsgründen das Längsparken vor. Und die Regeln der Straßenverkehrsordnung sind eindeutig: Fahrradstraßen sind dem Radverkehr vorbehalten. Kfz, Lkw und Motorräder dürfen hier nicht fahren. Ausgenommen, sie sind für Anlieger freigegeben. Radfahrerende nutzen die gesamte Fahrbahnbreite, dürfen nebeneinander fahren und geben die Geschwindigkeit vor. Für alle gilt Tempo 30 km/h. Das soll dem Auto die weithin praktizierte Vorrangstellung nehmen. Im Alltag sieht das oft anders aus. Obwohl sie eine Fahrradstraße befahren, drängen sich in der Stargarder Straße nicht wenige Radfahrende rechts an den Randstreifen. Gefährlich nah an den dort quer parkenden Autos. Ein Grund dafür dürfte die regelwidrige Präsenz von Pkws sein.
Immer wieder zeigen Untersuchungen, unter anderem der Unfallforschung der Versicherer (UDV), dass Autofahrende die Regeln in Fahrradstraßen ignorieren. UDV-Leiter Siegfried Brockmann sagte gegenüber dem rbb24 (27.05.22), „dass sehr viele Autofahrer den Bedeutungsinhalt des Schildes ‚Fahrradstraße‘ nicht kennen oder zumindest nicht alle Inhalte“. Deshalb ist eine entsprechende Aufklärungsarbeit zum Verkehrszeichen 244.1, am besten zeitgleich mit der Einrichtung der Fahrradstraße unumgänglich.
Ebenso erschwert die verbreitete Uneinheitlichkeit des Fahrradstraßendesigns eine intuitive Wiedererkennung im bundesweiten Verkehrssystem. Mangels Ausführungen in den knappen Regelwerken „hat sich deutschlandweit mittlerweile ein ‚bunter Strauß‘ an Fahrradstraßen entwickelt“, heißt es etwa im Fahrradstraßen-Leitfaden der Uni Wuppertal und des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu). Im Beispiel Stargarder Straße kommt ein weiteres Dilemma hinzu. Sørensen sagt: „Wegen Lieferschwierigkeiten wurden nur kleine Schilder aufgestellt.“ Bis Autofahrende nacheinander die kleinen Schildchen „Vorfahrtsstraße“, „Abbiegepfeile“ und „Anwohner frei“ registriert haben, haben sie die Kreuzung längst passiert. Selbst wenn die Verkehrszeichen in einer Fahrradstraße gut sichtbar montiert sind: Allein mit dem Aufstellen von Schildern ist es noch nicht getan. Der häufig noch vorhandene Durchgangs-Autoverkehr sollte zusätzlich durch bauliche Maßnahmen verhindert werden. Stichwort: Modale Filter.

Wenn Fahrradstraßen gebaut werden, dürfen kommunikative Maßnahmen nicht zu kurz kommen.

Erst bauliche Maßnahmen haben das Weigandufer bei Radfahrenden deutlich populärer werden lassen.

Weigandufer: Lösungen mit Modalfilter

Dass Autofahrende wie im Prenzlauer Berg die Fahrradstraße missachten, kannte man auch in Neukölln. Noch 2019 berichtete Michael Ihl vom Netzwerk Fahrradfreundliches Neukölln dem Tagesspiegel: „Das Weigandufer wird aktuell als Rennstraße genutzt. Wir werden weggehupt, Motoren brausen auf, es kommt täglich zu krassen Eskalationen.“
Erst mit der Umsetzung baulicher Maßnahmen wurde die beabsichtigte Verkehrsteuerung verbessert. Die Fahrradstraße gewann bei Radfahrenden rasch an Popularität. Die Leitfäden empfehlen Quer- und Diagonalsperren oder eine neue Platzgestaltung. Modalfilter (Poller) lassen Fahrräder passieren, stoppen aber Autos oder zwingen die Fahrer*innen an Kreuzungen zum Abbiegen, was in der Stargarder Straße noch vielfach vom Durchgangsverkehr ignoriert wird. So wurde mit dem teilweisen Rückbau der Fahrbahn zwischen Wildenbruchstraße und Innstraße in Neukölln der Autoverkehr mit modalen Filtern ferngehalten. Auch Gehwege wurden neu bebaut und begrünt.
Die Fahrradstraße erstreckt sich heute über knapp 1,6 km. Kraftfahrzeuge sind innerhalb der Fahrradstraße Weigandufer nur als Anlieger zugelassen. An Kreuzungen wurde die Vorfahrtsregelung zugunsten der Fahrradstraße geändert. Das Autoparken an Stellen durch Fahrradbügel ersetzt, die ebenfalls von rotweißen Pollern begrenzt werden. Damit wurde auch eine bessere Sichtbeziehung für eine Unfallprävention an Knotenpunkten umgesetzt. Ergebnis: Heute wird das Weigandufer größtenteils nicht mehr als Schleichweg genutzt, um die Sonnenallee zu umfahren. Deutlich sichtbar sind dort Eltern und Kinder auf ihren Fahrrädern unterwegs am Uferweg, der ein beliebtes Erholungsgebiet ist.

Statt Parkplatz auf ÖPNV und Rad umsteigen

Noch einmal zurück zur Handjerystraße in Frohnau. Trotz Bürgerprotesten geht es dort im Herbst nun zunächst an die Umsetzung des nördlichen Teilstücks der neuen Fahrradstraße. Dafür werden Beschilderungen wie das Fahrradstraßenschild mit „Anlieger frei“ und Tempo 30 eingerichtet sowie die Vorfahrtsregelung für die Fahrradstraße angepasst. Zudem wird die Markierung für den Sicherheitsstreifen zum ruhenden Verkehr angebracht. Wo Parkplätze die Mindestbreite der Fahrbahngasse von vier Metern nicht erlauben, werden sie wechselseitig weggenommen. Das Parken wird nur noch einseitig möglich sein.
Das ersatzlose Streichen von Parkplätzen befürwortet auch die Changing-Cities-Sprecherin Sørensen. Denn: „Was sollte man den Parkenden anbieten? In Berlin haben wir einen guten ÖPNV. Den sie sicherlich auch nutzen. Denn man sieht ja die Fahrzeuge herumstehen. Was man weiter anbieten kann, sind die Vorteile, für die, die aufs Fahrrad umsteigen können. Außerdem gibt es umweltfreundliche Car-Sharing-Angebote. Und was wäre die Alternative? Wir werden die Klimaziele nie erreichen, wenn wir die ganze Zeit über diese Kleinigkeiten sprechen. Und dann haben wir ein Riesenproblem: Wir haben einfach keine Zeit mehr.“  


„Es fehlt das übergreifende Design“

Interview mit Ragnhild Sørensen, Sprecherin von Changing Cities e. V.

Welche Bedeutung haben Fahrradstraßen für die Verkehrswende?
Fahrradstraßen sind wichtig, weil sie das Vorrangsprinzip auf den Kopf stellen. Und sie lassen sich mit wenigen Mitteln umsetzen: Im Vergleich zum Pollern ganzer Hauptverkehrsstraßen ist der Aufwand geringer.

Was ist gesellschaftlich das Haupthindernis?
Die Parkplätze! Das ist ein Kulturschock: Seit 80 Jahren ist klar, ich kann mein Auto vor der Haustür parken. Und zwar kostenlos. Auch wenn es nirgendwo steht, wurde suggeriert, dass es dieses Recht gibt. Wenn man jetzt sagt, alle Bürger müssen 400 Meter bis zum nächsten Mobilitätsangebot gehen, kann man diese Strecke auch den Autobesitzern bis zum nächsten Parkplatz zumuten. Da existiert ein Ungleichgewicht. Aber das muss man auch mitkommunizieren.

Was könnte man den Autobesitzer*innen anbieten?
Wir müssen uns an dieser Stelle ehrlich machen. Den gemeinsamen Raum, den wir dort draußen haben, packen wir zu mit Autos. Die stehen 23 von 24 Stunden herum. Solche Stehzeuge können wir uns auf Dauer nicht leisten. Aus der Gewohnheit heraus ist das für viele bitter. Aber was sollte man ihnen anbieten? In Berlin haben wir gute ÖPNV- und Car-Sharing-Angebote. Nicht zuletzt geht es um die Vorteile für alle, die aufs Fahrrad umsteigen können. Und die Erfahrung aus anderen Ländern zeigt: Die Leute nehmen nicht den längeren, sondern den kürzeren Weg. Also steigen sie auf andere Verkehrsmittel um.

Woran hapert es sonst bei Einrichtung von Fahrradstraßen?
Im Berliner Leitfaden für Fahrradstraßen ist das Querparken nicht vorgesehen, weil es zu gefährlich ist. Trotzdem wird es gemacht. Dieser Leitfaden wird je nach Bezirk anders ausgelegt. Die einen nehmen großzügig Parkplätze weg. Andere behalten sie. Die einen malen großflächig auf dem Asphalt, anderen reicht eine Beschilderung. Im Prinzip ist das nichts anderes als Kommunikation: Man muss den Verkehrsteilnehmern kommunizieren, wie sie sich zu verhalten haben. Sind Sprache und Zeichen nicht eindeutig, entstehen die Probleme.

Welche Lösung schlagen Sie vor?
Es fehlt das übergreifende Design. Wo sich die Expertinnen und Experten hinsetzen und sagen: Wie kommunizieren wir das so eindeutig, damit Verkehrsteilnehmer überall dieselben Zeichen vorfinden? Wir brauchen überall denselben farblichen Untergrund. Jetzt müssen wir Schilder lesen. Und Schilder lesen ist unpraktisch im Verkehr. Mit der Uneindeutigkeit fehlt die Orientierung.

Warum sind Modalfilter dabei unverzichtbar?
Solange wir keine physischen Barrieren hinstellen, existieren Fahrradstraßen in den Köpfen der Autofahrer noch nicht. Wenn man sich später an die Transformation der Stadt gewöhnt hat, kann man sie wieder wegnehmen. Aber für den Anfang müssen wir Poller setzen. So kommen Autofahrer in einer Straße fast überall hin, werden aber auch hinausgeführt. Arbeitet man mit absenkbaren Modalfiltern, sodass auch ÖPNV-Busse durchkommen, wird es richtig spannend.

Wie sieht es mit den Lieferverkehren aus?
Die basale Lösung sind ausgewiesene Lieferzonen. Das hat in Holland oder in Kopenhagen prima funktioniert und bedeutet: Extraparkplätze für Lieferanten. Außerdem kann man es zeitlich begrenzen. Nur vormittags oder nachmittags. In der Schönhauser Allee wird auch geschützter Radweg gebaut werden, da gibt es dann Lieferzonen. Das heutige Bild, dass sie in der zweiten Reihe direkt davor parken, geht ja eigentlich nicht. Was wir auch wissen: Lieferanten sind mit zu großen Wagen unterwegs, die nur halb vollgeladen sind. Das ließe sich effizienter organisieren: Die letzte Meile mit dem Lastenrad. Und würde man alles konsequent durchdigitalisieren, könnte man vorhandene Transportwege für den Lieferverkehr nutzen. Vielleicht könnten auch Taxifahrer mitliefern. Oder die U-Bahn, wenn sie nachts nicht fährt.


Bilder: SenUMVK – R.Rühmeier, wscher, Kristina Bröhan, BUW/SVPT, Norbert Michalke

Fahrradhersteller mit verkehrspolitischem Engagement sind eher noch die Ausnahme als die Regel. Doch es gibt sie, wie unter anderem der Spezialrad-Anbieter Hase Bikes beweist. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 03/2022, Sept. 2022)


Es ist nicht so, dass Unternehmen der Fahrradbranche generell verkehrspolitisch desinteressiert wären. Das beweist allein schon die große Zahl an Marktteilnehmern, die sich im Zweirad-Industrie-Verband engagieren, der nicht zuletzt, seit der ehemalige ADFC-Frontmann Burkhard Stork dort das Ruder übernommen hat, deutlich verkehrspolitischer geworden ist. Oder sie sind Mitglied im Bundesverband Zukunft Fahrrad (BVZF), der 2019 ursprünglich vor allem als Verband der Dienstleister im Fahrradmarkt gegründet wurde und inzwischen ein breites Themenfeld etwa von der Förderung von Cargobikes über die Digitalisierung der Mobilität bis hin zur multimodalen Verkehrsmittelnutzung bearbeitet.
Manche Unternehmen gehen noch einen großen Schritt weiter und werden selbst zum Bindeglied zwischen Zweiradwirtschaft und Verkehrspolitik. Vor allem vor Ort, also im eigenen regionalen Umfeld, können Unternehmen politisch und gesellschaftlich viel bewegen, das zeigen Unternehmen wie Hase Bikes.
„Mein Ding war das schon immer – Alltagsverkehr mit dem Fahrrad“, sagt Kirsten Hase, Marketingchefin des Spezialrad-Herstellers Hase Bikes. „Und ich habe mich schon als Azubi beim Weg in die Arbeit gefragt, ‚warum hört dieser Radweg hier einfach auf?‘ oder ‚warum sind diese Radwege so kaputt? Und wie kann ich etwas dagegen machen?‘“
„Wir haben schon früh damit angefangen, die Leute nicht nur für unsere Räder, sondern für das Fahrrad im Alltagsverkehr ganz allgemein zu sensibilisieren“, so Hase. Ein publikumswirksames Projekt war 2011 „3 Wochen – 3 Klimax“: Drei Personen wurde für drei Wochen ein „Klimax 5K“ des Unternehmens zur Verfügung gestellt. Das ist ein einfach zu handhabendes S-Pedelec auf drei Rädern mit umfangreichem Regenschutz. Als „Tauschpfand“ nahm Hase Bikes den Autoschlüssel in Verwahr. Eine der Testimonials war die damalige Bürgermeisterin von Waltrop, Anne Heck-Guthe. Leider litt damals wie heute die Praxistauglichkeit von S-Pedelecs unter der fehlenden In-frastruktur für diese Fahrzeuge, sicher ein Grund dafür, dass die Bürgermeisterin doch einige Male auf ihr Dienstauto zurückgriff.
Ein ähnliches Konzept stand hinter „Pino statt PKW“. Der Fokus stand diesmal auf dem wandelbaren Tandem Pino aus gleichem Haus. Bei diesem Fahrradmodell sitzt der Passagier oder die Passagierin in einem Liegesitz vor dem Fahrenden und tritt nach vorne. Mit wenigen Handgriffen und einer großen Ladetasche ist das Rad aber auch als Lastenrad einsetzbar. 2021 sollten fünf Waltroper das Pino für drei Wochen gegen das eigene Auto ersetzten und damit dokumentieren, dass ein Auto weder für die Kita-Fahrt noch für den großen Einkauf gebraucht wird. „Es gab jede Menge Bewerbungen, fünf wurden ausgewählt“, erinnert sich Hase. Natürlich wurden die Erfahrungen dokumentiert und das ganze Konzept auch in Pressemeldungen verbreitet. Wichtig bei solchen Aktionen: der Vorher-Nachher-Effekt. Zu welchen Ergebnissen kommen die Testimonials? Und wie offen wird kommuniziert? Bei dieser Tauschaktion jedenfalls konnte ein Gastronom unter den Testimonials erklären, dass er praktisch alle Freizeit- und Alltagsfahrten begeistert mit dem Rad erledigt hatte. Lediglich beim Großeinkauf für seinen Betrieb kam das Packvolumen des Rads doch an seine Grenzen. Dass auch diese Einschränkung dokumentiert wird, ist wichtig für die Glaubwürdigkeit und letztendlich den Erfolg eines solchen Projekts.
Eine Vortrags- und Mitmachveranstaltung plant Hase in Kürze mit Lucy Saunders, die mit Healthy Streets eine Initiative für menschenfreundliche Innenstädte ins Leben gerufen hat. „Ich bin in der Veloplan auf die Verkehrs- und Gesundheitsaktivistin gestoßen, und dachte mir: ‚Die ist klasse.‘“ Und so will Hase die Frau, die sich derzeit um die verkehrspolitische Lage in London kümmert, für einen öffentlichen Workshop nach Waltrop einladen. Kontakte sind geknüpft, das Konzept wird noch ausgearbeitet. Vielleicht wird das Event mit der bekannten Aktivistin parallel zu einem Händler-Workshop stattfinden, sodass auch diese Hase-Partner davon profitieren. „Viele unserer Händler und Händlerinnen sind fahrradpolitisch sehr engagiert.“ So nutzt man den Heimvorteil auch: Platz ist vorhanden, dank neuer Produktionshalle jetzt auch wettergeschützt, und auch hier zählen die vielen Erfahrungen, die man schon mit der Durchführung von Events gemacht hat.

„Wir haben schon früh damit angefangen, die Leute nicht nur für unsere Räder, sondern für das Fahrrad im Alltagsverkehr ganz allgemein zu sensibilisieren“

Kirsten Hase, Marketingchefin des Spezialrad-Herstellers Hase Bikes

Klassiker Fahrraddemo

Kirsten Hase und ihr Ehemann, Firmengründer Marec Hase, fanden auch mit den Grünen in ihrer Stadt einen Veranstaltungspartner. „Die Partei ist sehr offen für Aktionen, die den regionalen Radverkehr stützen und auf fehlende oder marode Infrastruktur aufmerksam machen“, sagt Kirsten Kase. „Und wir standen den Grünen politisch schon immer nahe.“ So führte man in diesem und im letzten Jahr vor Ort bereits zwei Fahrraddemos gemeinsam durch, die auf fehlende und schadhafte Fahrrad-Infrastruktur hinwiesen. Dabei hat Hase Bikes weitgehend die Organisation übernommen. „Die Grünen stecken in so vielen anderen Dinge, dass sie froh sind, wenn die Orga über uns läuft. Für uns ist das keine so große Sache“, sagt Kristen Hase, die mit ihrem Marketingteam schon viele Events ans Laufen gebracht hat. Mit der Partei ist ein politisch zugkräftiger Partner an Bord, der potenziell Teilnehmenden demonstriert: Es geht hier nicht einfach um eine Werbeveranstaltung eines Unternehmens. Dass die auffälligen Spezialräder der Waltroper im Demo-Konvoi besonderes Interesse erregen und Fragen provozieren, ist natürlich trotzdem schön für den Veranstalter.


Bilder: Hase Bikes – Matthias Erfmann, Georg Bleicher

Sharing-Angebote werden meistens mit einem urbanen Umfeld assoziiert. Das Beispiel BARshare im brandenburgischen Landkreis Barnim zeigt jedoch, dass Sharing von E-Autos und Lastenrädern auch auf dem Land Potenzial besitzt. Auch wenn es dort etwas anders funktioniert als beispielsweise im benachbarten Berlin. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 03/2022, Sept. 2022)


Die Bürger von Melchow fühlten sich von ihren Nachbargemeinden lange Zeit abgeschnitten. Zwar hält in dem 1000-Einwohner-Ort im brandenburgischen Landkreis Barnim sogar ein Regionalzug, aber davon haben insbesondere die älteren Be-wohnerinnen wenig. „Der Weg zum Zug und die Wege am Zielort sind für viele von ihnen zu weit und die Wartezeiten zu lang“, sagt Ronald Kühn, ehrenamtlicher Bürgermeister des Ortes. Die Älteren, die nicht mehr selbst Auto fahren können, brauchten einen Shuttle in die umliegenden Orte, wo sie einkaufen, zum Arzt oder zur Therapie gehen. Aber sämtliche Anfragen Kühns bei Busunternehmen oder Ride-Sharing-Anbietern blieben erfolglos. Das Kernproblem ist: Herkömmliche Sharing-Systeme passen nicht in den ländlichen Raum. Sie sind dort nicht wirtschaftlich. Deshalb organisieren die Menschen ihre Alltagsmobilität dort in Eigenregie je nach Familiengröße mit einem, zwei oder mehr Autos. Die Kreiswerke Barnim (KWB) suchten nach einer Lösung für dieses Problem. Das war nicht einfach. Der Landkreis Barnim grenzt im Norden an die Uckermark und im Süden an Berlin. Dazwischen gibt es viel Landwirtschaft, Seen und Naherholungsgebiete. Die Menschen leben verstreut in einer Handvoll Kleinstädte und Gemeinden mit wenigen Tausend Einwohnern wie Biesenthal oder Chorin. Die Mehrzahl der Orte wie Ziethen oder Liepe kommt sogar nur auf ein paar Hundert Einwohner. In den beiden Bevölkerungszentren Eberswalde und Bernau leben jeweils knapp über 40.000 Menschen. „Mit BARshare wollen wir ein alltagstaugliches Sharing-System für den ländlichen Raum anbieten, das wirtschaftlich ist, die CO₂-Emissionen im Verkehr senken und die Auslastung vorhandener Fuhrparks erhöhen“, sagt Christian Vahrson, Prokurist bei der KWB. Sie entwickelten schließlich mit BARshare ein Sharing-Konzept, das ausschließlich Elektrofahrzeuge verwendet und zwei Nutzergruppen kombiniert, die Hauptnutzer und die Mitnutzer. 2019 ging BARshare mit 23 Elektrofahrzeugen an den Start. Der Knackpunkt für das Sharing-Konzept war: Hauptnutzer zu finden, die bereit waren, ihre Dienstwagenflotte auf E-Fahrzeuge umzustellen und die Fahrzeuge dann privaten Nutzerinnen zur Verfügung zu stellen. Die Ausgangssituation war gut. Vahrson und sein Team hatten erkannt, dass es bereits Hunderte potenzielle Kandidaten im Landkreis gab. Dazu gehören Verwaltungen, Kommunen, Wohnungsgenossenschaften, Unternehmen oder auch Vereine. „Fahrzeuge gemeinsam nutzen, gehört im dienstlichen Kontext zum Alltag. Die Mitarbeiter teilen sich bereits Dienstwagen“, sagt Vahrson. Allerdings nutzen sie die Fahrzeuge nur tagsüber, während der Bürozeiten. Danach stehen sie herum. An diesem Punkt setzt die BARshare-Idee der Mitnutzer an: Außerhalb der Arbeitszeiten können Privatleute die Elektrofahrzeuge für ihre Fahrten mieten. Das Konzept von BARshare kombiniert also dienstliche und private Nutzung, einfach und digital.

Als kommunales Unternehmen sind wir den Hauptnutzern ein zuverlässiger Partner

Christian Vahrson

Servicepaket für Fuhrparkbetreiber

Um die Fuhrparkbetreiber zum Umstieg zu bewegen, entwickelte BARshare ein Rundum-sorglos-Paket. Dazu gehört, dass BARshare wie herkömmliche Sharing-Anbieter der Flottenbetreiber ist. Sämtliche Fahrzeuge gehören BARshare und damit den Kreiswerken Barnim. „Als kommunales Unternehmen sind wir den Hauptnutzern ein zuverlässiger Partner. Durch die vertraglichen Vereinbarungen stehen die Fahrzeuge gesichert und dauerhaft zur Verfügung“, sagt Vahrson. Außerdem baut BARshare die Ladeinfrastruktur an den Standorten der Hauptnutzer auf, stellt die Buchungssoftware zur Verfügung und kümmert sich um Reinigung, Service und Reparatur. Für die Hauptnutzer ist das bequem. „Die Unternehmen oder Verwaltungen mieten nicht das komplette Fahrzeug, sondern nur ein gewisses Stundenkontingent. Auf diese Weise können sie ihre bestehende Dienstwagenflotte erweitern oder durch klimafreundliche Elektroautos ersetzen“, sagt Saskia Schartow, Projektleiterin von BARshare. Der Nebeneffekt ist: Die Unternehmen verbessern ihre Klimabilanz, wenn sie vom Verbrenner auf Elektromobilität umsteigen.
Der Aufbau des Angebots war kostspielig. 42 Elektroautos, vom kleinen Stadtflitzer bis zum Siebensitzer-Van stehen inzwischen an 23 Standorten im Landkreis. Das konnte der Landkreis Barnim mit seinen rund 185.000 Einwohnern nicht in Eigenregie finanzieren. „Die Fahrzeuge und den Aufbau der Ladeinfrastruktur haben wir mit Unterstützung verschiedener Fördermittel vom Land Brandenburg, dem Europäische Fonds für regionale Entwicklung und dem Bundesverkehrsministerium finanziert“, sagt Vahrson. Mit den Einnahmen aus dem Sharing-Betrieb deckt das BARshare-Team nun die laufenden Kosten der Flotte. Dazu gehören unter anderem der Betriebsservice, die Versicherung, der Hotline-Service oder die Software für das Buchungssystem nebst App.
Das Sharing-Angebot kommt im Landkreis gut an. Inzwischen nutzen 20 Barnimer Unternehmen, Verwaltungen oder auch Wohnungsgenossenschaften den Service. „Über sie sind rund 700 Fahrer und Fahrerinnen registriert“, sagt Projektleiterin Saskia Schartow. Dazu kommt die große Resonanz aus der Bevölkerung: 1800 private Nutzer haben sich seit 2019 angemeldet und die Tendenz ist weiterhin steigend.

BARshare interessant für Pendlerinnen

Eine von ihnen ist Helga Thomé aus Eberswalde. Als Coach für Team- und Organisationsentwicklung ist sie beruflich häufig in Berlin und Brandenburg unterwegs. „Nach Berlin fahre ich immer mit der Bahn“, sagt sie. Für die Strecken ins Umland braucht sie ein Auto. Ihren eigenen Wagen hat sie verkauft, bevor sie das BARshare Auto getestet hat. „Wären die Kosten durch die Decke gegangen, hätte ich über den Kauf eines eigenen Wagens wieder nachgedacht. Das muss ich allerdings nicht“, sagt sie. Für sie ist das Mieten günstiger. „1300 Euro habe ich im ersten Halbjahr 2022 an Mietkosten ausgegeben“, sagt sie. Das klingt viel. Aber wenn sie die laufenden Kosten wie Kfz-Versicherung, anfallende Reparaturen bis hin zum Wertverlust einbeziehe, sei das BARshare-Auto für sie deutlich günstiger und zudem noch umweltfreundlicher. „Außerdem muss ich mich nicht mehr um Werkstattbesuche oder den Reifenwechsel kümmern. BARshare übernimmt sogar das Waschen des Autos“, sagt sie.
Für Helga Thomé ist das Sharing-Angebot eine gute Ergänzung zum bestehenden Angebot. In der Kreisstadt Eberswalde erledigt sie die meisten Wege mit dem Fahrrad. Hat sie mal keine Lust zum Radfahren, steigt sie in einen der Busse, die regelmäßig in der 43.000 Einwohner-Stadt unterwegs sind.

Im 1000-Einwohner-Ort Melchow hat sich ein Verein als Haupt-nutzer von BARshare gebildet, der mit einem Siebensitzer den Einwohner*innen nun einen Busersatz bietet.
Die Wohnungsgenossenschaft Eberswalde wiederum nutzt BARshare als Mobilitätsangebot für Mitarbeitende und Mitglieder.

Alltagsmobilität in Landgemeinden sicherstellen

Von dieser Auswahl träumen die 1000 Einwohner von Melchow. In ihrem Dorf stellt ein BARshare-Siebensitzer seit 2019 für sie nun die Basismobilität wieder her. Um die Lade-infrastruktur und den Wagen zu erhalten, brauchte der Ort allerdings einen Hauptnutzer. Dafür haben die Dorfbewohner den Verein „Melchow mobil“ gegründet. Aktuell zählt er rund 40 Mitglieder. Etwa 15 von ihnen steuern den Bus. Momentan fährt das Elektrofahrzeug laut Bürgermeister Kühn zweimal täglich in die umliegenden Gemeinden. „Wenn der Bus nach Biesenthal zur Einkaufsfahrt aufbricht oder samstags zu den ‚Guten Morgen Eberswalde‘-Konzerten, ist jeder Sitz besetzt“, sagt er. Nur wenn es zum Arzt oder zur Therapie geht, sei in der Regel nur eine Person unterwegs. Selbst im Coronajahr 2021 unternahm der Bus 300 Touren und sammelte 12.000 Kilometer. Die Kosten für die Mitfahrenden sind überschaubar. 50 Euro kostet die Vereinsmitgliedschaft eine Einzelperson im Jahr, Familien zahlen das Doppelte. „Die Gemeinde Melchow unterstützt den Verein finanziell, um mit dem Siebensitzer die Alltagsmobilität zu sichern“, sagt Ronald Kühn.
Zwischen 250 und 450 Euro kosten die Elektrofahrzeuge bei BARshare für Hauptnutzer je nach Stundenkontingent im Monat. Hinzu kommt noch eine Kilometerpauschale von 0,084 Euro. Mitnutzer zahlen je nach Tageszeit und Fahrzeuggröße zwischen 1,90 und 4,90 je Stunde plus eine Buchungsgebühr von 2 Euro und 10 Cent Kilometerpauschale. Lastenräder sind mit 2 Euro je Stunde und einem Euro Buchungsgebühr nicht wesentlich günstiger.
Allerdings decken die Einnahmen die anfallenden Kosten von BARshare noch nicht. „Das Wachstum geht aber in die richtige Richtung, wir kommen der Wirtschaftlichkeit immer näher“, sagt Vahrson. Er rechnet damit, dass sich BARshare in wenigen Jahren selber trägt. Die Corona-Pandemie war auch für den Sharing-Anbieter eine Herausforderung. „Uns fehlten die öffentlichen Veranstaltungen, um das Angebot bekannter zu machen und mit den Menschen direkt ins Gespräch zu kommen“, sagt Saskia Schartow. Mit Informations- und Bedienvideos auf der BARshare-Webseite versuchte das Team Berührungsängste abzubauen. „Aber Elek-tromobilität und Carsharing sind für viele Menschen noch ungewohnt. Um bestehende Hemmschwellen abzubauen, hilft eine begleitete Probefahrt“, sagt sie. Neue Hauptnutzer bekommen deshalb stets eine persönliche Einführung in das Fahrzeug und den Ausleihvorgang.
Autos und Minibusse sind jedoch nicht das einzige Mittel, um auf dem Land klimaneutral unterwegs zu sein. Mithilfe von E-Bikes und E-Lastenrädern lassen sich viele Wege auch zwischen den Ortschaften zurücklegen. Der Vorteil: Die Investitionen und Unterhaltskosten sind erheblich geringer als die Anschaffung von Elektroautos. Allerdings benötigt es hier noch mehr Kommunikationsarbeit, damit die Räder tatsächlich genutzt werden.

Uns fehlten die öffentlichen Veranstaltungen, um das Angebot bekannter zu machen und mit den Menschen direkt ins Gespräch zu kommen.

Saskia Schartow, Projektleiterin von BARshare
Saskia Schartow und ihr Team leisten häufig Pionierarbeit im ländlichen Raum, etwa wenn im bisher autolastigen Landkreis Lastenräder als Transportalternative etabliert werden.

E-Bikes ergänzen die Flotte

BARshare setzt auch dabei auf das persönliche Erlebnis. Eine Probefahrt im geschützten Raum ist für die Ausleihe der fünf Cargobikes entscheidend. In urbanen Zentren gehören Lastenräder längst zum Stadtbild. „Im Kreis Barnim sieht man sie selten. Für viele sind sie eine komplett neue Fahrzeugkategorie“, sagt Saskia Schartow. Vor der ersten Ausleihe steht deshalb immer die Probefahrt. Bei den E-Bikes und den Cargobikes ist die Lernkurve des BARshare-Teams besonders steil. Kaum hatte eines der ersten Lastenräder seinen Standort bei der Wohnungsgenossenschaft Eberswalde bezogen, wurde es gestohlen. Ein paar Tage später tauchte es zwar wieder auf, allerdings fehlten die Laufräder.
„Wir müssen sie nicht nur vor Wind- und Wetter schützen, sondern auch vor Vandalismus“, sagt Saskia Schartow.
Mit ihrem Bike-Sharing-Angebot leistet das BARshare-Team im ländlichen Raum Pionierarbeit. Neben der Infrastruktur fehlt oft die Akzeptanz in der Bevölkerung. „Hier nutzen nur wenige das Fahrrad im Alltag“, sagt Saskia Schartow, „aber wir wollten auch Menschen ohne Führerschein E-Mobilität ermöglichen.“ Inzwischen können sie BARshare-E-Bikes oder -E-Lastenräder am Bahnhof, an der Mobilitätsstation in Werneuchen (10.000 Einwohner) und im Fahrradparkhaus in Bernau (42.000 Einwohner) ausleihen. Die Ausleihen liegen noch im niedrigen dreistelligen Bereich, aber sie steigen ebenfalls.
„Unser Angebot bietet nicht für jeden eine Lösung. Aber wir bieten bereits heute mit unseren Elektrofahrzeugen ein Angebot für verschiedene Mobilitätsbedürfnisse an und steigern die Lebensqualität der Menschen spürbar“, sagt Saskia Schartow. Mit dem Sharing-Konzept will der Landkreis Barnim auch die eigene Klimabilanz verbessern. Bereits 2008 hatte der Kreistag beschlossen, dass die Energie für das tägliche Leben langfristig ausschließlich aus erneuerbaren Energiequellen gewonnen werden soll. Die Kreiswerke Barnim setzen als 100-prozentige Tochtergesellschaft des Landkreises Barnim nun auch mit BARshare die Ziele des Landkreises um.


Bilder: Torsten Stapel

Jahrzehntelang wurden Fußgänger*innen mit Restflächen abgespeist. Das funktioniert nicht mehr. Wenn die Mobilitätswende gelingen soll, brauchen die Städte mehr Grün und attraktive Wege in jedem Quartier. In Köln soll nun Nico Rathmann als erster Fußverkehrsbeauftragter den öffentlichen Raum fit machen für mehr Fußverkehr. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 03/2022, Sept. 2022)


Auch wenn die Autos ausgesperrt werden, wie hier in der Ehrenstraße, bedeutet das noch nicht das Ende der Konflikte zwischen Verkehrsteilnehmern. Auch Radfahrerinnen und Fußgängerinnen kommen sich dort immer wieder in die Quere.

Herr Rathmann, Sie sind Kölns erster Fußverkehrsbeauftragter. Gehört zu Fuß gehen zu Ihrer Jobbeschreibung?
Das fragt tatsächlich jeder. Aber nein, gehört es nicht. Ich lebe seit März wieder im Rheinland und lerne nun im Laufe der Zeit die Stadt besser kennen. In meiner Rolle als Fußverkehrsbeauftragter werde ich allerdings in den kommenden Monaten in verschiedenen Stadtteilen in Anlehnung an das Wiener Konzept der Geh-Cafés Stadtspaziergänge organisieren. Das sind Stadtrundgänge mit Experten, etwa vom Fuss e.V. (Fachverband Fußverkehr Deutschland, Anm. d. Red.) und mit Anwohner*innen. So verschaffe ich mir einen Überblick, wo es beim Fußverkehr in Köln hakt.

Wie geht man vor, wenn zügig ein flächendeckendes Fußverkehrsnetz für eine Großstadt wie Köln entstehen soll?
Um schnell in die Umsetzung zu kommen, müssen wir zunächst definieren, was guten Fußverkehr ausmacht. Daraus entwickeln wir Standards und Maßnahmen, die wir stadtweit umsetzen. Die Basis dafür ist eine gute Datengrundlage. Die haben wir aber noch nicht.

Welche Daten brauchen Sie?
Uns interessiert beispielsweise, wie viele Menschen täglich in den Straßen unterwegs sind und wie die Flächen verteilt sind. Paris erhebt unter anderem die Breiten der Gehwege seit Jahren. Sie haben ein sehr ausgeklügeltes System entwickelt. Auf digitalen Karten erkennen Planer*innen allein anhand der Farbe, wie breit der Gehweg vor Ort ist. Paris erfasst zudem das Stadtmobiliar. Also die Bänke und Pflanzkübel, aber auch Tische und Stühle, die Cafés und Restaurants auf Fußwegen platzieren. Das sind Basisdaten, um ein sinnvolles Fußverkehrsnetz zu erstellen.

Scanfahrzeuge und Software-Experten können diese Daten relativ zügig per Video erheben, indem sie die Straßen abfahren, die Straßenquerschnitte filmen und mithilfe Künstlicher Intelligenz das Videomaterial gezielt auswerten. Werden Sie dieses Vorgehen auch in Köln nutzen?
Das beschreibt eine Lösung. Wie wir vorgehen, werde ich mit dem neuen Amtsleiter besprechen, der im August sein Amt antritt.

Müssen sämtliche Daten erhoben werden, bevor in Köln erste Veränderungen pro Fußverkehr umgesetzt werden?
Der Wandel braucht tatsächlich Zeit. Aber wir arbeiten mehrgleisig. Ein wichtiger Baustein könnte hier zum Beispiel sein, zügig ein flächendeckendes digitales Schulwegenetz zu erstellen. Dazu brauchen wir zwar ebenfalls Daten, aber sie können relativ schnell erhoben und ausgewertet werden. Diese Daten können ganz klassisch durch eine Befragung an Grundschulen erhoben werden. Eine modernere Version, um Schulwege zu kartieren, hat der Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg im Frühjahr mit dem Startup FixMyCity umgesetzt.

Wie hat FixMyCity das digitale Schulwegenetz erstellt?
Das Startup hat die anonymisierten Wohnorte von 17.000 Sechs- bis Dreizehnjährigen aus Friedrichshain-Kreuzberg mit den kürzesten Wegen zur nächstgelegenen Schule und zum nächsten Spielplatz verknüpft und auf einer Karte visualisiert. Im nächsten Schritt wurden weitere Parameter hinzugefügt wie etwa Ampeln, Ze-brastreifen, Unfallzahlen oder die erlaubte Höchstgeschwindigkeit. Mit diesen Daten wurden verschiedene interaktive Karten erstellt, die Hauptrouten der Schüler*innen zeigen und an welchen Stellen der Handlungsbedarf am größten ist. Kinder verunfallen nämlich am häufigsten, wenn sie die Straße überqueren. Mit einer guten Datengrundlage kann der Bedarf für eine Querungshilfe besser abgeschätzt und schlussendlich auch transparent priorisiert werden.

Ist das nicht ein sehr eingeschränkter Blick auf den Fußverkehr? Wie repräsentativ ist die Auswertung der Schulwege für alle übrigen Alltagswege?
Die Erhebung von Schulwegen sollte immer ein integraler Bestandteil eines Fußwegenetzes sein. Kinder gehen täglich immer die gleichen Wege. Anders als Seniorinnen oder Pendlerinnen. Deshalb sind Schulwege eine gute Basis für ein Fußwegenetz. Köln hat fast 150 Grundschulen in 86 Stadtteilen. Erstellen wir für sie Schulwegenetze, decken wir eine große Fläche in der Stadt ab. Hinzu kommt, dass Grundschulkinder besonders schutzbedürftig sind. Aufgrund ihrer Größe haben sie einen schlechteren Überblick im Verkehr. Allein aus diesem Grund sollten wir sie auf ihren Wegen besonders schützen. Verbesserungen auf Schulwegen kommen schlussendlich allen Fußgänger*innen zugute.

Zurück zu den Stadtspaziergängen. Welche Daten werden Sie dort erhalten und wie wollen Sie sie nutzen?
Mir schwebt vor, einen Steckbrief zu erstellen, der den groben Zustand des Bezirks beschreibt und aufzeigt, welche Kosten entstehen und welchen Effekt eine Maßnahme auf den Fußverkehr hat. Mängel können beispielsweise zu hohe Bordsteine sein, fehlende Querungen, fehlende Bänke oder zugestellte Gehwege. Wichtig ist: Mir geht es nicht um individuelle Verbesserungen an einer Straßenecke oder um die Absenkung eines bestimmten Bordsteins in einem Bezirk. Wir agieren stadtweit. Wir müssen grundlegende Qualitätsstandards festlegen und ein Gesamtkonzept entwickeln. Dafür ist Transparenz wichtig. Die Menschen müssen verstehen, warum wir an manchen Kreuzungen Bordsteine absenken oder Zebrastreifen einrichten und an anderen nicht. Dafür brauchen wir Daten. Unsere Richtlinie, um Entscheidungen zu treffen, ist beispielsweise die Zahl der Menschen, die in den Straßen unterwegs sind, aber auch die Zahl der Autos, die Durchschnittsgeschwindigkeit, die dort herrscht, oder die Unfallhäufigkeit. Wir treffen keine individuellen Entscheidungen, sondern beschließen immer auf Basis der Datenlage vor Ort.

Gibt es eine Stadt, die beim Fußverkehr heute bereits viel richtig macht?
Paris. Wir kennen alle die schönen breiten Boulevards, wo Fußgänger*in-nen wirklich viel Platz haben. Wenn man dort durch die Innenstadt geht, findet man an fast jeder Kreuzung einen Zebrastreifen, selbst in den kleinen Seitenstraßen. Das macht den Menschen das Queren unkompliziert und komfortabel. Der Fußverkehr wird in Paris immer mitgedacht. Dort werden die Fußwege zudem konsequent freigehalten. Sharing-Fahrzeuge, vom Fahrrad bis zum Scooter müssen alle auf der Straße parken.

„Die Basis für Standards und Maßnahmen ist eine gute Datengrundlage. Die haben wir aber noch nicht.“

In Köln werden die Gehwege teilweise von Autos zugeparkt, sodass Fußgängerinnen auf die Straße ausweichen müssen. Gehen Sie mit der Fußverkehrsstrategie dagegen vor?
Wenn die Mindestbreiten für Fußgängerinnen nicht mehr eingehalten werden, könnte das Gehwegparken untersagt werden. Aus meiner Sicht wäre das ein faires Verfahren und außerdem eine sehr transparente Entscheidung.

Was verstehen sie genau unter Mindestbreiten?
Die genauen Standards werden wir für Köln noch festlegen. Aber Rollstuhlfahrer*innen oder auch Eltern mit Kinderwagen sollten auf Gehweg bequem unterwegs sein. Je nach Frequenz des Fußverkehrs in manchen Straßen könnte das Parken stellenweise auch komplett unterbunden werden. Aber auch für derlei Entscheidungen ist eine gute Datengrundlage notwendig. Diese Entscheidungen fallen auch nicht von heute auf morgen, sondern im Rahmen von Fünf- bis Zehnjahresplänen.

Köln hat bereits mit dem Umbau pro Fußgängerinnen in der Innenstadt begonnen. Beispielsweise in der Ehrenstraße, einer einspurigen beliebten Einkaufsstraße in Domnähe. Sie war immer stark befahren, inzwischen sind die Autos hier weitestgehend ausgesperrt und Radfahrerinnen und Fußgängerinnen teilen sich die Straße. Ist das für Köln ein Ansatz mit Zukunft?
Das beobachten wir gerade. Zur Ehrenstraße landen immer wieder Beschwerden von Fußgängern und Fußgängerinnen auf meinen Schreibtisch. Offiziell ist die Straße eine Fußgängerzone, in der Radfahren erlaubt ist. Momentan kommen sich Radfahrerinnen und Fußgänger*innen dort jedoch immer wieder in die Quere. Aus meiner Sicht ist dieser Konflikt bei temporären Maßnahmen ein zu erwartender Effekt, weshalb am Anfang die gegenseitige Rücksichtnahme noch mehr gefragt ist als sonst. Da der Raum noch nicht selbsterklärend ist, wird es noch eine Weile dauern, bis sich alle an die neue Situation gewöhnt haben. Dennoch ist die Maßnahme richtig: Den Menschen wird Raum zurückgegeben und genau das ist das Ziel.

Paris sperrt eine seiner Prunkstraßen, die Champs Élysées, einmal im Monat für den Autoverkehr. Dann gehört er ausschließlich den Menschen. Ist das auch in Köln denkbar?
In Paris ist das wahrscheinlich leichter umzusetzen. Die kurzzeitige Sperrung ist ein schönes Konzept, um Dinge auszuprobieren und den Menschen zu zeigen, wie viel Raum in der Stadt tatsächlich zur Verfügung steht. Bei solchen Angeboten ist die Regelmäßigkeit entscheidend. Die Menschen müssen die Gelegenheit bekommen, den Raum für sich zu entdecken und zu bespielen. Wenn wir den Fußverkehr stärken und attraktiver gestalten wollen, geht es genau darum: Attraktive Räume in der Stadt zu schaffen, die die Allgemeinheit in Besitz nimmt.

Köln hat im Zentrum sehr viele schmale Straßen. Am Friesenwall, einer Nebenstraße der Ehrenstraße, haben Ihre Kollegen mit einem Multifunktionsstreifen die Gehwege bereits frei geräumt. Werden Sie das Konzept weiterführen?
Das Konzept wird bereits auf weitere Fahrradstraßenabschnitte ausgeweitet, voraussichtlich noch in diesem Jahr wird der Mauritiuswall nach dem gleichen Prinzip umgestaltet.
Der Multifunktionsstreifen ist ein cleverer Schachzug für schmale einspurige Straßen wie den Friesenwall. Dort hatte vor dem Umbau niemand so richtig Platz. Anwohnerinnen und Besucherinnen haben in beide Richtungen am Fahrbahnrand geparkt und den Gehweg blockierten Fahrräder, Mülleimer und Parkscheinautomaten. Der Friesenwall ist Bestandteil des Fahrradstraßennetzes, deshalb musste die Fahrbahn frei geräumt werden. Dabei hat die Analyse der Parkdaten geholfen. Die Kolleginnen haben festgestellt: Selbst wenn die Zahl der Stellplätze halbiert würde, wären für die Anwohnerinnen noch ausreichend Stellplätze vorhanden. Gäste und Besucher*innen könnten in die umliegenden Parkhäuser ausweichen. Aufgrund dieser Analyse wurde das Parken am linken Fahrbahnrand abgeschafft und der Multifunktionsstreifen installiert.

Das ist ein etwa handtuchbreiter Streifen …
… am linken Fahrbahnrand, der alles beherbergt, was vorher auf dem Gehweg störte: Parkscheinautomaten, Verkehrsschilder und Mülleimer. Außerdem wurden dort Fahrradbügel aufgestellt, sowie Blumenkübel und Sitzmöglichkeiten. Jetzt sind die Gehwege frei und Falschparken unmöglich. Schöner kann man kaum Platz schaffen.

Vorher-Nachher: Ein Multifunktionsstreifen schafft auf dem Friesenwall mehr Platz auf dem Gehweg.

Köln hat im Zentrum recht wenig Grünflächen. Die vergangenen Wochen und Monate haben nochmals gezeigt: Die Sommer werden heißer und längere Hitzeperioden setzen den Städten besonders zu. Wie wollen sie Kölns Straßen für die Fußgängerinnen kühlen?
Sie haben recht: Die Sommer werden länger. Sie beginnen im Mai und enden im Oktober. Deshalb brauchen wir zukünftig mehr Grün in den Straßen. Allerdings müssen die Straßenquerschnitte den Umbau auch erlauben. Kölns Straßen sind an vielen Stellen sehr schmal. Dort, wo wir nicht begrünen können, müssen wir uns mit Alternativen, etwa mit Sonnensegeln behelfen. Wir werden langfristig darüber nachdenken müssen, Schattenwege in den einzelnen Quartieren zu schaffen. Damit die Fußgängerinnen auch im Hochsommer vor der Sonne geschützt unterwegs sein können. Trinkbrunnen können trotz der hohen hygienischen Anforderungen eine weitere Möglichkeit sein, um mit den zukünftigen Hitzewellen besser umzugehen.

Erfordern der Klimawandel und die notwendigen Anpassungen an große Hitze und Starkregen von Ihnen bei der Umsetzung einer Fußverkehrsstrategie noch mehr Tempo?
Auf jeden Fall. Wir wollen viele Wege ersetzen und vermeiden, die mit dem Auto zurückgelegt werden. Dafür muss zu Fuß gehen deutlich attraktiv werden. Es gibt also viel zu tun.

Infos zur Person

Nico Rathmann (38) arbeitet seit März als Fußverkehrsbeauftragter in Köln. Der Diplom-Geograf hat in Köln studiert. Zuvor war er bereits in Heidelberg (fünf Jahre) zuständig für den Fußverkehr beim Verkehrsmanagement der Stadt.


Bilder: Stadt Köln, Andrea Reidl, verenaFOTOGRAFIERT

Im ehemals von der innerdeutschen Grenze getrennten Harz treffen noch immer drei Bundesländer aufeinander. Ein im EU-Programm Leader gefördertes Projekt zeigt, wie verschiedene Regionen für eine gemeinsame Sache zusammenkommen können. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 03/2022, Sept. 2022)


Radfahren spielt im Harz bisher höchstens auf ausgewählten Mountainbike-Trails eine Rolle. Dominant sind in dem deutschen Mittelgebirge und seinem Umland der Ski- und Wandertourismus. Wie schafft man in so einer Region Motivation dafür, Radtourismus, Verleih- und Fahrradinfrastruktur zu fördern? Kurz gesagt braucht es einen ganzheitlichen Ansatz, der viele Projektpartner und -träger in einem Ziel gemein macht. „Wir wollten mehr, als ein paar Radwege zu schaffen oder zu beschildern“, beschreibt Mario Wermuth das Projekt Genuss-Bike-Paradies Harz/Braunschweiger Land, das er mitinitiiert hat.
Die Kooperation verbindet insgesamt acht Akteure, die über Regionen, Bundesländer und internationale Grenzen hinweg zusammenwirken und mit einem gemeinsamen Ziel die europäische Leader-Förderung (siehe Kasten auf Seite 68) in Anspruch nahmen. Dabei handelt es sich um drei Leader-Regionen aus Sachsen-Anhalt, drei Leader-Regionen und eine ILE-Region (Integrierte Ländliche Entwicklung) aus Niedersachsen und eine österreichische Leader-Region, das Südburgenland.

Die Grundidee des Genuss-Bike-Paradieses lautet, dass der E-Bike-Tourismus für den Harz und das Braunschweiger Land ein großes ungenutztes Potenzial birgt. Die Touren verbinden kulinarische und kulturelle Highlights mit Ladeinfrastruktur und Gaststätten.

Genuss und Fahrrad kombinieren

Weil das Südburgenland als Partner der gemeinsamen Tourismusmarke E-Bike-Paradies involviert ist, ist die Kooperation transnational. Die Idee, Genuss und Fahrrad miteinander zu kombinieren, wird dort schon länger praktiziert. An einen Austausch-Besuch 2019 erinnert sich Mario Wermuth gut. Unter anderem war die deutsche Delegation auf einem Weingut zu Gast, auf dem der gemeinschaftliche Gedanke spürbar wurde. „Da waren dann auch andere Winzer, die ihren Wein ausgeschenkt haben“, erzählt Wermuth.
Solche Erfahrungen mit dem Aufbau eines „E-Bike-Paradieses“ im Südburgenland sollten auf den Harz übertragen werden. Im Gegenzug ist geplant, die Erfahrungen mit dem Belohnungssystem der Harzer Wandernadel für das E-Bike-Paradies im Südburgenland nutzbar zu machen.
Im Südburgenland tritt der gleichnamige Verein als Projektträger auf. Eine solche Verantwortungsstruktur brauchte es auch in den anderen Regionen. Dafür sind Organisationen unterschiedlicher Art zusammengekommen, etwa der Landkreis Goslar oder die Gemeinde Huy in Sachsen-Anhalt. Für die Leader-Region Harz ist das E-Bike-Verleih-Unternehmen HarzMobil zuständig, das Mario Wermuth gemeinsam mit Alexander Waturandang verantwortet. Sie gaben den ersten Impuls für das regionsübergreifende Vorhaben.
„Mein ursprünglicher Anlass, das Ganze zu machen, war, den Harz als E-Bike-Region bekannt zu machen und alle lokalen Betriebe zusammenzubringen, die am E-Bike-Tourismus interessiert sind“, schildert Wermuth. Eine Erhebung hatte ergeben, dass die durchschnittlichen Tourist*innen durchaus mehrere Übernachtungen in der Region verbringen. Diese Zeit füllen sie mit unterschiedlichen Aktivitäten. Fahrradfahren spielte im Harz gegenüber dem Wandern und Skifahren bisher jedoch eine untergeordnete Rolle, so die Wahrnehmung. Wenn überhaupt, geschehen die Buchungen für Fahrräder spontan und für kurze Dauer. Um neben den anderen Freizeitaktivitäten nicht unterzugehen, müsste man den Harz für E-Bikes aufbereiten, überlegte Alexander Waturandang 2016. Die Idee war sicher nicht völlig selbstlos. Der E-Bike-Verleiher HarzMobil betreibt insgesamt fünf Stationen, Waturandang ist zudem Inhaber des Fahrradladens Bike and Barbecue in Hornburg.

Bike-Paradies bringt lokale Wirtschaft zusammen

Das Genuss-Bike-Paradies umfasst 14 Sterntouren und einen mehrtägigen Rundweg, dessen Etappen zwischen 24 und 65 Kilometern messen. Sie verlaufen auf bereits bestehenden Radwegen und verbinden verschiedene Points, aber auch Service-Punkte und Ladeinfrastruktur. Waturandangs Fahrradgeschäft wurde letztendlich nur über eine Sterntour in das Streckennetz eingefügt. Die Region nördliches Harzvorland, in der Hornburg liegt, ließ sich nicht für das Vorhaben gewinnen.
Fahrradvermieter sind nicht die einzigen Unternehmen, an denen die Routen vorbeiführen. Über die Website www.genuss-bike-paradies.com lassen sich auch Unterkünfte finden. Zudem können Touristinnen über den Reiter Arrangements ganze Leistungspakete buchen. Die Strecken verlaufen entlang diverser Einkehrmöglichkeiten und kultureller Highlights, darunter eine Glasmanufaktur in Derenburg und ein Brauhaus in Quedlinburg. Über die auf Outdoor-active-Karten basierende App können die E-Bikerinnen diese Points of Interest (POI) schnell ausfindig machen und ansteuern.
Als Zielgruppe insbesondere Radfahrende mit elektrischer Unterstützung anzusprechen, mag heute nicht mehr ungewöhnlich erscheinen. Als Wermuth und Waturandang vor rund sechs Jahren anfingen, die Projektidee zu entwickeln, war dieser Ansatz allerdings noch durchaus bemerkenswert. „Da brauchte man etwas Weitblick, um da mitzumachen“, ordnet Waturandang die Anfänge ein. Der offizielle Startschuss des Projekts fiel 2020. Die Formalitäten, die die Leader-Förderung mit sich brachte, bremsten die Geschwindigkeit des Vorhabens. „Wir hätten gerne schon zwei Jahre früher begonnen“, so Wermuth. Ende Juni dieses Jahres ist zumindest die Förderung ausgelaufen und das Entstandene mit einer Abschlussveranstaltung gefeiert worden.

Vereint entgegen dem historischen Trend

Grund zu feiern hatten die Projektpartner auch deshalb, weil die grenzübergreifende Zusammenarbeit für den Harz einen besonderen Wert hat. In der deutschen Raumordnung und Geschichte ist das Mittelgebirge und dessen Vorland etwa durch die ehemalige Grenze zwischen der DDR und der BRD zerrissen worden. Auch heute zeigt beispielhaft der Dreiländerstein südlich von Benneckenstein, dass im Harz die Grenzen zwischen Sachsen-Anhalt, Thüringen und Niedersachsen aufeinandertreffen. Das kann auch Radtourist*innen vor Schwierigkeiten stellen, wenn eine bestimmte Beschilderung beim Überschreiten der Ländergrenze einfach aufhört.
So viele durch den Harz und das Braunschweiger Land verbundene Akteure an einen Tisch zu bringen, brachte dem Vorhaben aber nicht nur Vorteile. Es bedurfte und bedarf einer intensiven Abstimmung, weil die Projektziele der einzelnen Träger sehr individuell sind und erst auf einen Nenner gebracht werden müssen, so ein Learning des Genuss-Bike-Paradieses.
Was zunächst nach viel Koordinationsarbeit klingt, soll am Ende allen Beteiligten einen Skalierungsvorteil bringen, erklärt Waturandang. Nur in einer größeren Gemeinschaft können Projekte wie das im Harz und Braunschweiger Land gut funktionieren. Er zieht den Vergleich zu einem Kneipenviertel. Eine einzelne Kneipe in einer willkürlichen Straße zieht kaum Menschen an. Wenn sich allerdings ein ganzes Viertel entwickelt, in dem es viele Gaststätten gibt, ist die Attraktivität höher. Indem die einzelnen Regionen für das Genuss-Bike-Paradies an einem Strang ziehen, nehmen die Menschen sie von außen als Einheit wahr und sie können besser mit anderen Regionen oder Freizeitaktivitäten konkurrieren.

Pandemie hat dem Projekt nicht geschadet

Fast schon ironisch scheint es da, dass die Projektpartner aufgrund der Pandemie nicht in körperlicher Präsenz zusammenarbeiten konnten. Online-Veranstaltungen, in denen das Projekt vorgestellt wurde, erwiesen sich rückblickend eher als Vorteil und stießen auf großes Interesse seitens der lokalen Unternehmen. Rund 120 interessierte Unternehmen wollen bereits mitwirken, viele von ihnen haben eine entsprechende Vereinbarung schon unterzeichnet. Die Betriebe wurden im Hinblick auf die Bedürfnisse von E-Biker*innen qualifiziert.
Viele Akteure zu vereinen, war im Fall Genuss-Bike-Paradies auch vorteilhaft, weil das Projekt damit einen Grundgedanken des Leader-Programms verfolgte und förderfähig war. Im Rahmen des Förderprogramms verantworteten die einzelnen Träger verschiedene Aufgaben, die externe Dienstleister dann umsetzten. HarzMobil übernahm das Social-Media-Management und entwickelte ein Stempelsystem, das dazu anregen soll, das Genuss-Bike-Paradies möglichst vollumfänglich zu bereisen. Andere Akteure planten etwa die Touren oder entwickelten Marketing- und Vertriebskonzepte.
Ein richtiges Resümee zum Projekterfolg lässt sich noch nicht ziehen, auch wenn erste Vorzeichen gut aussehen. „Wir merken auf jeden Fall, dass immer mehr Leute diese Touren abfahren“, verrät Alexander Waturandang. Vor ein paar Wochen sind auch Broschüren und Karten gedruckt und verteilt worden.

„Wir wollten mehr, als ein paar Radwege zu schaffen oder zu beschildern“

Mario Wermuth, HarzMobil
Die Smartphone-Anwendung fungiert als Schaltzentrale des Genuss-Bike-Paradieses. Dazu gehören auch Kartendaten mit Navigation, deren Grundlage das Kartenportal Outdooractive ist.

Es bleibt viel zu tun

An einer Perspektive, was das Genuss-Bike-Paradies langfristig sein und leisten kann, mangelt es den Verantwortlichen nicht. Die Touren sollen erweitert und neue Arrangements entwickelt werden. Das Marketing fokussiert bereits die nächste Saison, dort soll die E-Bike-Region richtig wirksam werden.
Mit Blick auf die Zukunft und die nun ausgelaufene Förderung müssen die Projektpartner außerdem die Organisationsstruktur auf neue Fundamente stellen. Die Hotels, deren Zimmer und Angebote über die neue Website buchbar sind, nutzen diesen Service bisher kostenlos. In Zukunft sollen sie einen Mitgliedsbeitrag zahlen, als Gegenleistung für die prominente Online-Darstellung. Geplant ist weiterhin, einen Verein zu gründen, in dem sich die Mitgliedsbetriebe dann organisieren können und der die bisher vom Harz-Tourismus-Verband verantwortete Website betreiben soll.
Man müsse solche Projekte einfach angehen, anstatt vor den Formalien zurückzuschrecken, rät Wermuth anderen Regionen. Die Chancen übersteigen schließlich den Aufwand.
Die Projektinitiatorinnen benötigen ein gewisses Durchhaltevermögen, müssen hinter der Idee stehen und auch bereit sein, diese auch nach außen zu repräsentieren. Und die Protagonistinnen sollten, wenn möglich, nicht allein agieren. Die Vorteile der Gemeinschaft scheinen also auf allen Handlungsebenen relevant zu sein. 

LEADER-Programm:

Das Akronym LEADER steht ins Deutsche übersetzt für „Verbindung zwischen Aktionen zur Entwicklung der ländlichen Wirtschaft“. Dabei handelt es sich um ein Maßnahmenprogramm der Europäischen Union, das aus dem Landwirtschaftsfonds ELER finanziert und mit Mitteln der Länder, des Bundes und der Kommunen aufgestockt wird. Dass sich, wie im Falle des Genuss-Bike-Paradieses mehrere Akteure zusammentun, ist Teil des Konzepts, seit es 1991 eingeführt wurde. In den derzeit 321 deutschen LEADER-Regionen des bis Ende 2022 laufenden Förderzeitraums erarbeiten lokale Aktionsgruppen vielfältige Entwicklungskonzepte.

Mehr Infos unter:
https://enrd.ec.europa.eu/leader-clld_de


Bilder: Openstreetmap – Schmidt-Buch-Verlag, L. Weber, DVS