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Update für Cargobike-Förderung nötig?

Übersichtlichkeit und Gerechtigkeit bei der Mobilitätswende gehen wohl anders. Ob ein Lastenradkauf in Deutschland gefördert wird, hängt von vielen Faktoren ab – vor allem vom Standort. Tatsächlich könnten die Unterschiede von Bundesland zu Bundesland und von einer Stadt oder Kommune zur anderen kaum größer sein. Expert*innen setzen sich für neue Wege ein. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 03/2021, September 2021)


Mittlerweile gibt es in Deutschland und Österreich über 100 Fördertöpfe für Lastenräder. In einem FAZ-Artikel aus dem Juni wird ein „Förderdschungel“ kritisiert, der über die Jahre entstanden sei. Allein in Bayern existieren rund 40 verschiedene kommunale Kaufprämien. Im Wesentlichen kommt es bislang auf den politischen Willen vor Ort und die finanziellen Möglichkeiten an. Experten fordern deshalb eine Vereinheitlichung und verstetigte und ausreichend hohe Fördermittel auf Bundesebene.

Vorreiter Wien: In der „Seestadt Aspern“ wurde erstmals weltweit ein Fahrrad- und Cargobike-Verleihsystem integriert.

Förderung auf verschiedenen Ebenen

Im deutschsprachigen Raum hat vor zehn Jahren die österreichische Stadt Graz den Anfang bei der Lastenradförderung gemacht. Bis zu 1.000 Euro gibt es heute als Zuschuss für gewerblich genutzte Räder oder bei der gemeinsamen Nutzung durch Hausgemeinschaften. Sicher wohl auch aufgrund der zu dieser Zeit noch kaum verbreiteten Motorunterstützung lief die Nachfrage in den ersten fünf Jahren mit insgesamt 77 Cargobikes erst langsam an. Inzwischen hat sie sich vervielfacht. Zum zehnjährigen Jubiläum wurde das fünfhundertste geförderte Cargobike gefeiert. In Deutschland hat München 2016 die erste kommunale Förderung gewerblicher und privater Cargobikes aufgelegt und sie sogar mit einer Kfz-Abwrackprämie kombiniert. Viele Kommunen sind dem inzwischen in verschiedenen Varianten gefolgt. In einigen Kommunen, wie Mainz und Aachen haben auch die Stadtwerke verschiedene Förderprogramme aufgesetzt. Zudem bietet rund die Hälfte der deutschen Bundesländer Förderprogramme an. Von Einheitlichkeit ist aber auch hier nichts zu sehen: Acht Bundesländer bieten gewerbliche Programme, in vier davon können auch private Nutzerinnen unterstützt werden. Einen anderen Weg geht Niedersachsen, wo es vom Land ausschließlich eine Förderung für private Nutzerinnen gibt. Auf Bundesebene gibt es seit März dieses Jahres eine auf drei Jahre angelegte Förderung von E-Lastenfahrrädern und E-Anhängern im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative des Bundesumweltministeriums (BMU) in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Die Nachfrage ist laut Auskunft des Ministeriums groß: So gingen allein innerhalb der ersten sechs Wochen mehr als 500 Anträge für etwa 600 E-Lastenfahrräder ein. Förderfähig sind 25 Prozent der Ausgaben für die Anschaffung, maximal jedoch 2.500 Euro pro E-Lastenfahrrad bzw. Lastenfahrradanhänger mit E-Antrieb für den fahrradgebundenen Lastenverkehr in Industrie, Gewerbe, Handel, Dienstleistungen und im kommunalen Bereich. Teilweise können verschiedene Förderprogramme auch miteinander kombiniert und kumuliert werden. Fördertöpfe gibt es zudem nicht nur auf politischer Ebene. Die „Aktion Mensch“ fördert etwa Lastenräder, die dem Transport von Menschen mit Behinderung dienen, mit bis zu 5.000 Euro.

Noch viele Hemmnisse

Während die Förderung von Elektroautos oder deutlich weniger umweltfreundlichen Plug-in-Hybriden für private und gewerbliche Nutzer*innen denkbar unkompliziert ist und prall gefüllte Töpfe über Jahre zur Verfügung stehen, gestaltet sich die Situation bei Cargobikes deutlich schwieriger. Vielfach sind die Mittel gerade in Kommunen völlig unzureichend dimensioniert und bereits wenige Tage nach dem offiziellen Start ausgeschöpft. Belohnt werden so die cleveren, gut informierten und diejenigen, die pünktlich zum Stichtag – meist einmal im Jahr – über die nötigen Geldmittel verfügen. Ein Problem für Kunden und Händler stellt angesichts der aktuellen massiven Liefer- und Nachschubprobleme auch die Tatsache dar, dass in der Regel zunächst der Antrag genehmigt werden muss und erst dann das entsprechende Cargobike gekauft, sprich bestellt werden kann. Wann dies schließlich inklusive gewünschtem Zubehör geliefert wird, können viele Händler und Anbieter aktuell nur grob schätzen. Nur ein Fördertermin im Jahr und mehrere Monate Verzug bei der Lieferung sind, sowohl für Gewerbetreibende als auch für Familien, wenig praxisnah.
Ein weiteres Problem sind die umfangreichen und wenig einheitlichen Förderbedingungen und Restriktionen. Vielfach sind die Voraussetzungen bis ins Detail definiert. Wer beispielsweise in Freising ein E-Cargobike gefördert bekommen will, muss nachweisen, am Lade-Ort des Fahrzeugs Ökostrom zu beziehen. Man stelle sich das für Käufer von E-Hybrid-Autos vor. Üblich sind auch detaillierte Voraussetzungen an die Mindestnutzlast oder das Transportvolumen. In Drensteinfurt qualifizieren sich Räder zum Beispiel ab 140 Litern Stauraum und 40 Kilogramm Zuladung zusätzlich zur fahrenden Person für das Förderprogramm. Beim Land NRW müssen es 70 Kilogramm sein und auf Bundesebene sind es schon 120 Kilogramm. Verbreitet ist auch eine Abstufung der Förderung je nach Preispunkt, der Kategorie „mit/ohne E-Antrieb“ oder nach Ladevolumen. Dass kleinteilige Bestimmungen dem eigentlichen Zweck, der Realität und Innovationen entgegenlaufen können, zeigte sich im Juli in Osnabrück. Die Stadt machte Schlagzeilen, weil das Förderprogramm einen Radstand von 1,38 Metern vorschrieb und damit unter anderem die beliebten Lastenräder des Herstellers Babboe mit einem vier Zentimeter kürzeren Radstand einfach ausschloss. Auch hier könnte man fragen, warum man bei Cargobikes so viel Wert auf Details legt, während Gewicht und Maße bei der Förderung von Elektroautos praktisch kaum eine Rolle spielen.

Lastenrad- vs. E-Auto-Förderung

Laut Bundesumweltministerium wurden 2020 als Kaufprämie für insgesamt 365 Lastenräder 727.000 Euro zur Verfügung gestellt. Die Förderung von elektrischen Autos findet dagegen in ganz anderen Dimensionen statt: 2020 wurden dafür 652 Millionen Euro ausgeschüttet. In diesem Jahr waren es in der ersten Jahreshälfte bereits 1,25 Milliarden Euro. Rund die Hälfte davon entfiel auf potenziell umweltschädliche Plug-in-Hybride.

Unternehmen gewinnen durch die Förderung

Für Unternehmen, die Transporte per Lastenrad erledigen wollen, ist die finanzielle Förderung ein großer Vorteil, wie Max Matta vom Radlogistiker Himmel un Ääd berichtet. Das 2020 gegründete Unternehmen, das im Kölner und Bonner Raum aktiv ist, liefert regionale Bio-Lebensmittel mit Schwerlasträdern aus. Die Geschäfte laufen gut und seit Ende 2020 entwickelt sich das Unternehmen zunehmend zum Logistikanbieter für die letzte Meile und expandiert auch in den Non-Food-Bereich. Bei der Anschaffung der Schwerlasträder konnte auf verschiedene Fördertöpfe zurückgegriffen werden. „Wir haben sowohl die Landes- als auch die Bundesförderung erhalten, das hat beides gut funktioniert. Im Endeffekt haben wir dadurch eines oder sogar anderthalb unserer Räder als Unterstützung bekommen“, sagt Max Matta. „Das war schon sehr wichtig für uns.“ Eine Förderung könne den Unterschied machen, was in einem Unternehmen konkret angeschafft werde. Immerhin könne man für den Preis eines neuen Schwerlastrads auch einen gebrauchten Transporter kaufen. Von den Folgekosten abgesehen war für Himmel un Ääd aber immer klar, dass alles mit dem Rad gemacht werden sollte. Die Förderung mache es leichter und habe diese umwelt- und städte-freundliche Alternative nochmals gestärkt.

Privathaushalte zu wenig berücksichtigt

Vor der Qual der Wahl stehen auch Familien und Privathaushalte. Während sie für die Anschaffung eines fabrikneuen Elektroautos ohne Pro-bleme bis zu 6.000 Euro als Umweltprämie vom Staat bekommen, gibt es bei E-Cargobikes, wenn überhaupt, nur wenig Unterstützung. Mancherorts gibt es Zuschüsse für gemeinnützige Nutzungsformen durch den Zusammenschluss mehrerer privater Haushalte. Aktuell wird diese geteilte Privatnutzung zum Beispiel in Brandenburg mit bis zu 50 Prozent der Anschaffungssumme gefördert. Aber so eine gute Nachbarschaft, in der das möglich ist, muss man erst einmal finden. Grundsätzlich lassen sich mit gezielten Förderungen auch soziale
Unterschiede ausgleichen. Beispiele dazu kommen aus der Gemeinde Telgte aus dem Münsterland in Nordrhein-Westfalen und aus Stuttgart. In Telgte werden Familien mit einem Jahresgehalt unter 37.000 Euro zum Beispiel über einen Sozialbonus weitere 30 Prozent Förderung und damit insgesamt 60 Prozent des Kaufpreises zugesichert. In Stuttgart kann die Förderquote für Menschen mit niedrigerem Einkommen sogar auf bis zu 90 Prozent steigen. Ob das der richtige Weg ist? Martin Seißler, Geschäftsführer der Cargobike.jetzt GmbH, die unter anderem Kommunen zu Lastenradförderungen berät, hat Zweifel. Die Frage „Was möchte ich für meine Region erreichen?“ sollte laut Seißler im Mittelpunkt und am Anfang des Planungsprozesses stehen. Sozialpolitische Zielstellungen ließen sich dagegen auch anders umsetzen, zum Beispiel durch die Unterstützung von Lastenrad-Sharing-Modellen. Nach Martin Seißlers Erfahrungen gibt es neben Kaufanreizen noch weitere Stellschrauben zur Förderung von Lastenrädern. Eine Grundfrage sei: „Gibt es Lastenräder, die bei uns sichtbar und verfügbar sind?“ Gerade die Initialzündung durch erste Räder sei wichtig, um den Stein ins Rollen zu bringen. Ansatzpunkte biete etwa der kommunale Fuhrpark. Lohnenswert sei es, sich mit der Frage zu beschäftigen, in welchen kommunalen Betrieben und Ämtern es Prozesse gibt, die mit Lastenrädern bewältigt werden können. Dazu könnte etwa ein Wettbewerb ausgeschrieben werden. So ließen sich Mitarbeiter*innen motivieren, die bereits Lust auf einen Veränderungsprozess und aufs Radfahren haben. Kommunale Beschaffung könnte ein weiterer Hebel sein. Bei Ausschreibungen könne beispielsweise die Klimaverträglichkeit als zentraler Entscheidungsfaktor aufgenommen werden, um nachhaltige Verkehrsträger wie das Lastenrad zu fördern.

Sieben Lastenräder vom Typ Lademeister wurden bei Himmel un Ääd bereits gekauft. Wichtig waren dabei die Bundes- und die Landesförderung.

Förderprogramm auf Bundesebene

Die Förderung vom Bund zielt auf die gewerbliche Nutzung. Neben Unternehmen sind aber auch rechtsfähige Vereine und Verbände antragsberechtigt. Seit dem

  1. März 2021 werden nicht mehr nur Schwerlasträder gefördert, sondern auch leichtere E-Cargobikes und Lastenanhänger mit Elektrounterstützung. Die Förderhöhe beträgt maximal 25 Prozent der Anschaffungskosten bzw. 2.500 Euro. Für Mikro-Depots werden bis zu 40 Prozent oder maximal 20.000 Euro gefördert.

Informationen und Anträge beim Bundesamt für Ausfuhrkontrolle unter bafa.de

Mobilitätswende mit E-Autos oder E-Cargobikes?

Die Zahl der privaten Pkws muss vor allem in den Städten verringert und der Umstieg auf ÖPNV, Fahrräder, E-Bikes, (E-)Cargobikes und andere Verkehrsmittel aktiv gefördert werden. Daran besteht nach den Einschätzungen von Expert*innen und des Deutschen Städtetags kein Zweifel. Ob die Verteilung der Fördermittel dieses Ziel fördert und gerecht ist, daran lässt sich allerdings aktuell schon zweifeln. Wie geht es besser? Aus der Politik kam beispielsweise von den Grünen der Vorschlag, auch den Kauf von Lastenrädern für den Privatbereich bundesweit mit bis zu 1.000 Euro zu unterstützen. Der Bund könne mit einem eigenen langfristigen Programm mehr Verlässlichkeit bei der Förderung herstellen, so ein Argument. Auch das Bundesumweltministerium empfiehlt im Rahmen einer 2020 vorgestellten Studie zur „Sozial-ökologisch ausgerichtete Konjunkturpolitik“ eine breit angelegte bundesweite Cargobike-Prämie für private und gewerbliche Nutzer. Der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) plädiert in einem Papier zur Bundestagswahl darüber hinaus für eine „Umstiegsprämie“ für Privatpersonen. Zudem solle die gewerbliche Förderung verstetigt und weiter ausgeweitet werden – etwa auf kleinere Lastenräder. Insbesondere die Kommunen würden durch solche Programme stark entlastet, und das nicht nur finanziell. Fast ein Drittel des Berliner Budgets zur Lastenradförderung entfällt laut Angaben des Senats derzeit allein auf die Verwaltung des Berliner Förderprogramms. Ist eine „Umstiegsprämie“ sinnvoll? In Frankreich sagt man „Ja“. Mit einem Öko-bonus (Bonus écologique) wird der Kauf neuer Elektroautos (ausgenommen Plug-in-Hybride) und neuerdings auch gebrauchter Elektroautos gefördert. Zusätzlich gibt es eine „Auto-Abwrackprämie“, wenn man einen Verbrenner durch ein Auto mit CO2-Emissionen unter 50 g/km oder durch ein Lastenrad ersetzt. Zumindest mit Blick auf die Klimabilanz ist das Industrie- und Autoland Frankreich damit deutlich konsequenter und zukunftsorientierter als wir.

Cargobike-Berater

Das Berliner Unternehmen Cargobike.jetzt versteht sich als „Think- and Do-Tank“ und will das Lastenrad im deutschsprachigen Raum etablieren. Auf der Website gibt es Übersichten und Informationen zum Thema und Übersichten zu den Kaufprämien.


Bilder: qimby.net – Martin Randelhoff, Himmel un Ääd, Screenshot cargobike.jetzt