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Zeit für mehr und bessere Kommunikation

Kommentar von Reiner Kolberg


Wenn es um Radfahrende geht, dann greifen Kolleginnen aus dem Journalismus, aus Pressestellen oder Teilen der Bevölkerung gern zu Pauschalisierungen. Oft verbunden mit einem leicht spöttischen Unterton „mit dem Drahtesel ins Büro“, oder mitleidig, wenn zum Beispiel wieder ein Mensch auf dem Rad „unter einen Lkw geraten“ ist. Und in den sozialen Medien gehören Diffamierungen und falsche Informationen, bis hin zu offener Aggression längst zum Standard. Radfahrende (alternativ Menschen mit E-Scooter) sind allesamt „Rüpelraser, die sich ohnehin nie an die Regeln halten“ oder überhaupt, „die sollen erst mal Steuern zahlen…“. Das Internet ist voll von solchen Äußerungen, also wieso sollte man sich darüber aufregen? Die Tatsache, dass Autobesitzerinnen mit ihrem Steueranteil die Infrastruktur und Folgeschäden gar nicht vollständig finanzieren und Radfahrende, ebenso wie Menschen mit E-Scootern etc. selbstverständlich ebenfalls Steuern zahlen – geschenkt. Die Analyse, dass Autofahrende mindestens genauso lax mit Verkehrsregeln umgehen, wie Falschparken, Handynutzung, zu hohe Geschwindigkeiten, Missachtung von Stoppschildern, Gelb/Rot-Fahrten etc. – ebenfalls geschenkt. Was dagegen tatsächlich verstört sind die vielen Aufnahmen im Netz, vor allem auf Twitter, in denen Radfahrende augenscheinlich mutwillig geschnitten oder ausgebremst werden, ihnen die Vorfahrt genommen oder sogar offen Jagd auf sie gemacht wird, weil sie beispielsweise mit dem Rennrad auf einer Bundesstraße unterwegs sind. Jeder, der/die häufiger mit dem Rad unterwegs ist, kennt ähnliche Situationen und vielfältige Beschimpfungen – auch ich. Was hilft eine gute Infrastruktur, wenn wir Aggressionen in Worten und Taten und Gefährdungen billigend in Kauf nehmen? Was helfen gut meinende Appelle für „mehr Rücksicht“ und „Radeln fürs Klima“, wenn es auf der anderen Seite an klaren Worten, stringenten Kontrollen und spürbaren Sanktionen fehlt? Die Änderungen der StVO und des Bußgeldkatalogs sind sicher kein schlechter Anfang. Weiterhin braucht es den Willen aller Beteiligten, die Dinge politisch und gesellschaftlich nachhaltig positiv zu verändern. Der allgemeine Sprachgebrauch gehört sicher ebenso dazu wie gezielt wirkende positive Kommunikationsstrategien und auch Vorbildfunktion und starke Worte von ganz oben, zum Beispiel aus den Ministerien, von Minister-präsidentinnen, Bürgermeister*innen etc. Der ehemalige Verkehrsminister Scheuer hat hier einen guten Punkt gemacht, als er sich zuletzt verstärkt auch als Fahrradminister inszenierte. Nils Weiland, Verkehrsplaner aus Bremen und Hamburg, hat in unserer letzten VELOPLAN-Ausgabe geschätzt, dass 80 Prozent der Verkehrswende Kommunikation sei. Es gibt also noch viel zu tun für alle Beteiligten, wenn es mit den gesetzten Zielen in der Mobilität, also einem deutlich höheren Radverkehrsanteil und gleichzeitig weniger Unfallopfern klappen soll. Gute Kommunikation ist machbar und kostet nicht die Welt. Also packen wir’s an.

Tweet von Markus Söder parallel zur IAA Mobility zur Förderung von Lastenrädern. Antwort von Wasilis von Rauch, Bundesverband Zukunft Fahrrad (BVZF): „Was ist damit gemeint? Dass die nachhaltige Mobilitätswirtschaft eine Verschwörung ist? Wenn, dann jedenfalls eine praktische (keine theoretische). Über 800.000 Arbeitsplätze lassen grüßen.“


Bild: Tweet Markus Söder