Konrad Otto-Zimmermann zählt zu den Erfindern des Konzepts der fahrradfreundlichen Stadt. Nun hat der Stadt- und Umweltplaner mit der „Feinmobilität“ eine neue Idee entwickelt, wie verschiedene Mobilitätsformen in einem zunehmend begrenzten Straßenraum in Einklang gebracht werden können. Planerinnen und Entscheiderinnen soll das Konzept ein Werkzeug an die Hand geben, um die Mobilität in der Innenstadt oder einzelnen Quartieren zu steuern. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 04/2022, Dezember 2022)


Sie haben 1980 eines der ersten Bücher zur fahrradfreundlichen Stadt herausgegeben. Wie unterscheiden sich die damaligen Probleme und Forderungen für den Radverkehr von der aktuellen Situation?
Sie unterscheiden sich wenig. Ich arbeitete damals im Umweltbundesamt und wir haben wie heute den Flächenverbrauch und die Verkehrsplanung mit Priorität auf Autos scharf kritisiert. In den 80er-Jahren stand jedoch weniger das Weltklima im Fokus, sondern die Luftverschmutzung im Straßenraum und die Gesundheitsaspekte. Seinerzeit haben Autos noch deutlich mehr Stickstoffoxid und Partikel ausgestoßen als heute.

„Wir haben in unseren Straßen oft keinen Platz für weitere separate Spuren und müssen deshalb den Verkehr auf den Fahrbahnen sicher, stadt- und umweltverträglich organisieren.“

Welche Rolle hatte damals der Radverkehr und wieso stammen die Veröffentlichungen aus dieser Zeit ausschließlich aus dem Umweltbundesamt?
Radverkehr kam im Verkehrsministerium damals noch nicht vor. Mit dem Umweltbundesamt haben wir dafür gesorgt, dass er ernst genommen wurde. Das war damals eine besondere Zeit. Das Umweltbundesamt war erst 1974 gegründet worden und wir Mitarbeiter konnten Themen einbringen. Mein Vorschlag war, den Radverkehr zu fördern. Daraus entstand das Modellvorhaben „Fahrradfreundliche Stadt“. Über sieben Jahre haben wir im Team Projekte und Forschungsvorhaben initiiert und vergeben. Wir haben unter anderem eine Studie zum Fahrradrecht vergeben, die Rechtsanwalt Dieter Gersemann erstellt hat. Der Begriff war neu und viele konnten damit nichts anfangen. Die Studie wurde als Buch veröffentlicht und hat das Thema Fahrradrecht in der Fachwelt verankert.

Mittlerweile bauen erste Städte Protected Bikelanes, Radschnellwege und entwickeln zusammenhängende Radwegenetze. Sind Sie mit der Entwicklung zufrieden?
Auf das Gesamtbild bezogen sind diese Erfolge eher Kleinigkeiten. Entscheidend ist, ob weniger Kfz-Kilometer gefahren werden, weil die Leute aufs Rad umgestiegen sind. Es gibt sicherlich ein paar Städte oder Bezirke, die sehr weit sind bei der Radverkehrsförderung. Diese sind aber eher die Ausnahme. Die Situation für Radfahrer und Fußgänger hat sich über die Jahre in den Zentren zunehmend verschlechtert. Der Platz, der ihnen zur Verfügung steht, schwindet jedes Jahr, weil der Pkw-Bestand stetig wächst und immer mehr Straßenraum belegt. Hinzu kommt, dass die Autos mit jedem Modellwechsel wachsen, die Straßen aber nicht. Das heißt, Straßenräume sind zu Lagerräumen für aufgeblähte Stehzeuge verkommen. Das ist eine bedenkliche Entwicklung.

Nach der neuen GGG-Fahrzeugklassifizierung werden die drei S-Klassen (XXS, XS, S) als Feinmobilität definiert.
Feinmobilität ist nicht Mikromobilität. Sie schließt Elektro-Kleinstfahrzeuge, Fahrräder, Elektromobile, elektrische Leichtfahrzeuge und E-Minicars ein.

Die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) passt jetzt das Bemessungsfahrzeug für Pkw und damit die Standards für Parkplätze an die stetig wachsenden Autos an. Ist das aus Ihrer Sicht der richtige Weg?
Handwerklich ist das Vorgehen der FGSV sicherlich sauber. Aber die Philosophie dahinter ist meinem Erachten nach falsch. Die Forschungsgesellschaft ermittelt anhand des Fahrzeugbestands die Maße des Durchschnittsfahrzeugs, das von 85 Prozent aller Fahrzeuge nicht überschritten wird. Seine Abmessungen werden in der Praxis für den Bau von Straßen, Wendekreisen und Parkplätzen herangezogen. Weil die Fahrzeuge immer größer werden, übernimmt die FGSV unkritisch diesen Status und zementiert die Autoblähung für weitere Jahrzehnte, anstatt normativ zu denken und Anreize zum Flächensparen zu setzen. Wir sollten uns nicht vom Markt die Größe unserer Parkplätze diktieren lassen.

Wie können die Kommunen gegensteuern?
Der Stadtraum ist für Kommunen die wichtigste Stellschraube. Sie sollten entscheiden können, welchen Fahrzeugtypen sie wie viel Platz einräumen. Lassen sie in einem Straßenabschnitt wenige riesige Autos parken, oder ist es nicht flächengerechter, stattdessen mehr kleine Fahrzeuge dort parken zu lassen? Bislang fehlte den Kommunen dazu das Handwerkszeug. Mit Kolleginnen und Kollegen der Universität Kassel, des VCD und der SRL (Verkehrsclub Deutschland und Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung, Anm. d. Red.) haben wir das Konzept „Feinmobilität“ entwickelt. Damit geben wir ihnen eine neue Fahrzeug-Klassifizierung nach Größe, Gewicht und Geschwindigkeit in die Hand. Wir haben eine Maßeinheit verwendet, die jeder kennt: die Kleidergröße. Wir unterscheiden sieben GGG-Klassen von XXS, XS und S über M bis zu L, XL und XXL.

„Die Situation für Radfahrer und Fußgänger hat sich über die Jahre in den Zentren zunehmend verschlechtert.“

Welche Fahrzeuge haben Sie für Ihr Konzept Feinmobilität erfasst?
Wir haben die gesamte Räderwelt vom Rollschuh über Fahrräder und elektrische Leichtfahrzeuge bis zum Geländefahrzeug betrachtet. Rund 100 Fahrzeuge wurden systematisch erfasst. Damit kommen auch all die Fahrzeuge oberhalb des Fahrrads und unterhalb des Autos mit einer sinnvollen Kategorie und einem Verkehrsraum zur Geltung. Die FGSV kennt nur ein Bemessungsfahrzeug Pkw und die Bemessungsfahrzeuge Fahrrad und Motorrad.

Der Begriff „Feinmobilität“ ist neu. Was wollen Sie damit bewirken?
Wir wollen ein Umdenken und ein Umhandeln anstoßen, eine Abrüstung im Verkehr von groben zu feineren Fahrzeugen. Feinmobile Fahrzeuge, zu denen auch leichte Elektrofahrzeuge gehören, können bis zu vier Sitzplätze haben und bis zu 120 km/h schnell fahren. Mit ihnen können Strecken bis zu 100 Kilometer Länge zurückgelegt werden und sie sind fernstraßentauglich. Damit eignen sie sich für Pendler-, Dienst- und Freizeitfahrten. Wissenschaftler vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt haben jüngst berechnet, dass leichte Elektrofahrzeuge mit bauartbedingter Höchstgeschwindigkeit bis 45 km/h rund 65 Prozent der Kfz-Wege übernehmen könnten. Das entspricht einem Drittel der Personenkilometer. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 125 km/h sind es sogar 75 Prozent der Wege und die Hälfte der Fahrleistung. Feinmobile könnten 44 Prozent der CO2-Emissionen der Pkw reduzieren und Mobilität mit menschlichem Maß ermöglichen.

Der Architekt Jan Gehl hat den Begriff „Stadtplanung mit menschlichem Maß“ geprägt. Er stellt den Menschen in den Mittelpunkt der Stadtplanung. Wo ist das menschliche Maß in der Feinmobilität?
Feinmobilität bietet für alle und für jeden Fahrtzweck die jeweils feinste, also kleinste, leichteste und wendigste Option. Sie ist nachhaltig. Sie macht keinen Lärm und produziert keine oder kaum Schadstoffe. Bei Unfällen ist der Schaden gering, weil die Fahrzeuge leicht sind und mit maßvollen Geschwindigkeiten unterwegs sind. Außerdem behindern sie nicht das Blickfeld der Menschen. Wer heute im Erdgeschoss lebt und aus dem Fenster schaut, blickt, wenn er Pech hat, nur noch auf Autoseiten.

Zurück zu den Parkplätzen. Wie könnte die Steuerung mithilfe der Größe der Fahrzeuge erfolgen?
Immer mehr Kommunen möchten Parkgebühren an die Stadtraumbeanspruchung, also die Größe der Fahrzeuge koppeln. In Freiburg ist der Preis des Anwohnerparkausweises bereits an die Länge des Fahrzeugs gebunden. Unsere Kategorisierung macht es Kommunen leicht, eine Gebührenstaffelung auf der Grundlage unserer GGG-Klassifizierung einzuführen. Indem Kommunen oder Wohnungsbaugesellschaften Parkplätze verschiedener Größen anbieten, können sie Anreize für Feinmobilität im Quartier setzen. Wenn es mehr kleinere als wenige große Parkplätze im Wohngebiet oder in Tiefgaragen gibt, überlegen sich die Menschen, welches Fahrzeug sie kaufen und nutzen.

Autonutzerinnen verzwergen sich zunehmend, indem sie sich in Fahrzeuge hüllen, die 100- oder sogar 160-mal voluminöser sind als sie selbst. Der wahre Souverän ist, wer ein Fahrrad fährt, das nur ein Zehntel des Fahrerinnen-Volumens hat.

Sie wollen die Verkehrsflächen ebenfalls neu definieren. Wie soll das aussehen?
Wir schlagen vor, statt der Vielfalt von Straßentypen und Höchstgeschwindigkeiten acht Verkehrsflächen zu definieren, die sich nach Geschwindigkeitsniveaus unterscheiden: von Gehflächen mit Schrittgeschwindigkeit bis zu Fernstraßen mit Tempo 120. Für jede dieser Verkehrsflächen wird festgelegt, welche Fahrzeuge dort unterwegs sein dürfen.

Wie unterscheidet sich Tempo 30 heute von Tempo 30 nach dem Feinmobilität-Ansatz?
Wenig. Tempo 30 ebenso wie Schrittgeschwindigkeit in verkehrsberuhigten Zonen ermöglichen bereits heute Feinmobilität. Die kleinen und leichten Fahrzeuge können im Verkehr sicher mitschwimmen. Demzufolge braucht Feinmobilität nicht unbedingt eigene Fahrspuren. Auf mehrspurigen Fahrbahnen sollte nach unserem Ansatz jedoch für den äußersten Fahrstreifen grundsätzlich 30 Stundenkilometer gelten. Wobei die örtliche Straßenverkehrsbehörde dort die Benutzung auf Feinmobile beschränken kann. Dort wären dann keine Autos mehr unterwegs, sondern nur noch Feinmobile vom Fahrrad bis zum Elektromobil, das auch ein E-Bike mit Kabine oder ein E-Motorroller sein kann. Der Vorteil ist: Sämtliche Fahrzeuge, die dort unterwegs sind, sind aufgrund ihrer Masse, ihres Gewichts und ihrer Geschwindigkeit miteinander verträglich.

Radaktivist*innen fordern schon lange, die äußerste Fahrspur für den Radverkehr freizugeben.Wo ist der Unterschied zu ihrem Ansatz?
Wir denken über das Fahrrad hinaus und blicken auf die gesamte Feinmobilität. Unser Ansatz verlangt keinen Radweg im heutigen Sinne, sondern Verkehrsflächen, auf denen Verkehrsmittel verschiedener GGG-Klassen mit einem vergleichbaren Tempo unterwegs sind. Wir haben in unseren Straßen oft keinen Platz für weitere separate Spuren und müssen deshalb den Verkehr auf den Fahrbahnen sicher, stadt- und umweltverträglich organisieren.

Wie realistisch ist es, mit Fahrrädern und Elektrokleinstfahrzeugen die Alltagsmobilität zu ersetzen?
Dass es funktioniert, haben wir 2013 im Rahmen des „EcoMobility World Festivals“ in Suwon in Südkorea gezeigt. Damals war ich Generaldirektor von ICLEI, dem Weltstädtenetzwerk für Nachhaltigkeit, und habe das EcoMobility Festival in Suwon initiiert und geleitet. Im Rahmen dessen haben wir die 4300 Bewohner eines Quartiers dazu motiviert, ihre 1.500 Autos außerhalb des Wohngebiets zu parken und sich feinmobil fortzubewegen. Zu den Parkplätzen mussten sie fünf bis zehn Minuten laufen. Als Alternative für die Mobilität im Quartier hat die Stadtverwaltung ihnen Fahrräder und eine Vielzahl von Leichtfahrzeugen angeboten. Für ältere Menschen, Behinderte und den Warentransport der Geschäftsleute wurde zudem ein Shuttledienst mit kleinen Elektrofahrzeugen eingerichtet.

Wie ging es nach der autofreien Zeit in dem Bezirk weiter?
Einige SUV-affine Anwohner und Geschäftsleute haben mit Auslaufen des Projekts um Mitternacht ihre Fahrzeuge wieder vor der Haustür abgestellt. Aber der Bürgermeister hat nach Projektende mit den Anwohnern diskutiert, wie es für sie weitergehen soll. Nach verschiedenen Treffen und Diskussionsrunden wurde beschlossen, die Geschwindigkeit in ihrem Viertel auf 20 km/h zu reduzieren und das Parken entlang der Hauptgeschäftsstraßen zu verbieten. Das Parkverbot hat die Stadt umgesetzt, allerdings musste sie die Höchstgeschwindigkeit auf Tempo 30 anheben, weil es Tempo 20 in Südkorea nicht gibt. Aber das allein reichte, um den Durchgangsverkehr aus dem Viertel praktisch auszusperren. Das hat die Lebensqualität erheblich gesteigert. Der Nachteil war, dass die Immobilienpreise ebenfalls gestiegen sind, weil das autoarme Quartier zum angesagten Viertel wurde.

Was haben Sie von dem Projekt mitgenommen?
Wir haben gezeigt: Feinmobilität funktioniert. Das Leben geht auch ohne einen großen Privatwagen vor der eigenen Haustür weiter. Man kommt mit kleineren Fahrzeugen überallhin und muss auch nicht auf zügiges Fortkommen, Lastentransport oder Wetterschutz verzichten. Im Gegenteil. Man muss auf gar nichts verzichten, sondern man beendet Verzicht.

Welchen Verzicht meinen Sie genau?
Feinmobilität beendet den Verzicht auf Ruhe in den Städten, den Verzicht auf gute Luft, auf Aufenthaltsqualität, auf Übersichtlichkeit des Straßenraums und auf Spielflächen für Kinder. Feinmobilität ist ein Gewinn, ein Gewinn für die gesamte Stadt und die Stadtbewohner.

Zur Person:

Konrad Otto-Zimmermann ist Stadt- und Umweltplaner und Verwaltungswissenschaftler. Er hat beim Umweltbundesamt gearbeitet, bei der Stadt Freiburg, und ein Jahrzehnt lang das ICLEI-Weltsekretariat in Toronto/Kanada und Bonn geleitet. Fünfmal wurde er in den „Global Agenda Council on Urban Management“ des Weltwirtschaftsforums berufen. Mit seinem Büro „The Urban Idea“ setzt er von Freiburg aus weiterhin Projekte um. Dazu gehören auch die Freiburger Mobilitätsgespräche, die der Fachwelt seit Jahren innovative Mobilitätslösungen nahebringen.


Bilder: The Urban Idea, Projekt Feinmobilität, Projekt Feinmobilität

Hannover versucht mit einem bunten Strauß an Maßnahmen, den Radverkehr weiter zu stärken. Die Stadt kleckert und klotzt gleichzeitig, ein Selbstläufer ist die Radverkehrsförderung trotzdem nicht. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 04/2022, Dezember 2022)


Hannover ist 2021 von der Arbeitsgemeinschaft Fahrradfreundlicher Kommunen Niedersachen/Bremen als fahrradfreundliche Kommune rezertifiziert worden. Auch beim letzten Fahrradklimatest des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs schnitt Hannover in seiner Größenklasse gut ab und belegte den zweiten Platz. Die Gesamtnote von 3,67 legt aber nahe, dass es zu einfach wäre, Hannover vorschnell als reines Positivbeispiel zu sehen. Wer die Verkehrswende-Bestrebungen der niedersächsischen Landeshauptstadt bewerten will, muss etwas genauer hinsehen. Detaillierte Einblicke gibt beispielsweise die Studie Fahrradmonitor. 2021 ließ die Region Hannover eine erweiterte Analyse durchführen, die sehr genau belegt, wie sich der Radverkehr in der Region Hannover vom übrigen Bundesgebiet unterscheidet.
In dieser Analyse fand das verantwortliche Sinus-Institut heraus, dass der Anteil der Verkehrsmittel, die die Menschen der Stadt Hannover mehrmals pro Woche oder täglich nutzen, deutlich zugunsten des Umweltverbundes ausfällt. Mit dem Fahrrad oder Pedelec fahren 62 Prozent der Menschen regelmäßig und damit 7 Prozent mehr als im Bundesdurchschnitt. Auch der ÖPNV liegt mit 38 Prozent 6 Prozentpunkte über dem Bundesdurchschnitt. Das Auto kommt auf 49 Prozent.
Für die Region ergibt sich ein umgekehrtes Bild, die Menschen fahren mehr Auto als im Bundesdurchschnitt und nutzen Fahrrad und ÖPNV seltener. Das Sicherheitsgefühl ist dennoch insgesamt überdurchschnittlich. 12 Prozent mehr Menschen als auf Bundesebene, nämlich drei Viertel der Befragten, fühlen sich meistens sicher oder sehr sicher beim Fahrradfahren im Straßenverkehr.

Die Raschplatzhochstraße war früher eine von vielen Hochstraßen im autogerecht umgebauten Hannover. Heute ist sie im Zentrum die Letzte ihrer Art.

Viel Veränderung im Jahrhundert

Um nachzuvollziehen, wie Hannover diesen Status quo erreichen konnte, braucht es einen Blick in das vergangene Jahrhundert. Denn bereits vor dem Zweiten Weltkrieg wurde in Hannover traditionell viel Fahrrad gefahren. „Das Fahrrad war in den 20er-/30er Jahren in Hannover das Verkehrsmittel“, meint Eberhard Röhrig-van der Meer, Vorsitzender des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs Stadt Hannover (ADFC). Beliebt war und ist das Fahrrad sicher auch, weil die Stadt kaum Erhebungen hat, die es zu überwinden gilt, und relativ kompakt ist.
Das Beispiel Hannover zeigt, wie Entwicklungen vergangener Tage die Kultur einer Stadt prägen und bis in die heutige Zeit fortwirken können. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde Hannover zu einer autogerechten Stadt umgeformt. Federführend hat ein Mann den Städtebau in den späten 40ern und 50ern geprägt. Sein Spitzname, erzählte Stadtbaurat Thomas Vielhaber bei der Fahrradkommunalkonferenz: „der Meister der Tangenten“. Die Rede ist von Rudolf Hillebrecht. Er war 1948 Stadtbaurat geworden und baute die Stadt um, indem er Grundbesitzer überzeugte, der Stadt kostenlos einen Teil ihrer Flächen abzutreten. Er ließ historische Gebäude abreißen und gestalte derart um, dass der Spiegel ihm und seiner Arbeit 1959 ein Porträt unter dem Titel „Das Wunder von Hannover“ widmete. Heute gilt seine Planung als Paradebeispiel für das Leitbild der autogerechten Stadt. Viele Zeichen seiner Arbeit sind inzwischen mit hohem Aufwand wieder entfernt worden. Von einigen mehrspurigen Hochstraßen, die den Autos eine freie Fahrt durch die Stadt ermöglichten, soll im Zentrum nur eine, die Raschplatz-Hochstraße, erhalten bleiben.
In den 60ern und 70ern kommen in der autogerechten Stadt zumindest auch Radwege hinzu, auch wenn deren Beschaffenheit nach heutigen Standards überholt ist. „Die allermeisten sind zu schmal und auch zu verschlängelt. Das war nicht der Anspruch damals an Radverkehr. Das war erst mal überhaupt das Angebot, Radverkehr wieder sichtbar zu machen und ihm auch einen eigenen Raum zu geben. Eine Zeit lang fand er ja nur irgendwie am Rande der Fahrbahn statt“, so Röhrig-van der Meer.
Hannover verfügt ohnehin über ein Netz an historisch gewachsenen Routen in Grünzonen, die bis ins Zentrum hineinragen. Zum Beispiel das Waldgebiet Eilenriede, der Stadtwald oder die Herrenhäuser Gärten sind zu Fuß oder mit dem Fahrrad gut nutzbar. Eine Bevölkerungsgruppe, die ab der Mitte des letzten Jahrhunderts viel Fahrrad fährt, sind die Gast-arbeiter*innen. Um mehr Geld in ihre Heimat schicken zu können, greifen sie zu dem kostengünstigen Verkehrsmittel. Weitere Radwege legte die Stadt in einem Zuge mit dem Stadtbahnnetz an. „Das ist dann leider auf diesem Niveau verharrt, bis es vor etwa zehn Jahren wieder etwas weiter nach vorne ging“, urteilt Röhrig-van der Meer.

„Die Verwaltung ist durchaus mutiger geworden in der Planung“

Eberhard Röhrig-van der Meer, Vorsitzender des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs Stadt Hannover (ADFC)
Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay, hier bei der Radlogistik-Konferenz im September, gewann die Wahl 2019 auch, weil er eine autofreie Innenstadt fordert.

Verkehrswende ist Politikum

2010 hat der Hannoveraner Stadtrat das Leitbild Radverkehr 2025 beschlossen. Der Radverkehrsanteil am Modal Split soll bis Mitte dieses Jahrzehnts auf 25 Prozent steigen, ausgehend von den damaligen 13 Prozent. Außerdem sollen nur noch halb so viele Leute bei Unfällen schwer verletzt oder getötet werden. 2017 lag der Fahrradanteil schon bei 19 Prozent. „Wir wussten immer schon, dass die letzten Prozentpunkte die Schwierigsten sein werden“, sagt Heiko Efkes, der Radverkehrsbeauftragte der Stadt Hannover.
Seitdem scheint die Verkehrswende immer mehr Fahrt aufzunehmen. Und sie ist zum Politikum geworden. Der amtierende Oberbürgermeister Belit Onay, Bündnis 90/Die Grünen, gewann die Wahl 2019 auch mit der Forderung nach einer autofreien Innenstadt. „Die Wahlergebnisse zum Oberbürgermeister 2019 und die Kommunalwahl 2021 haben sehr deutlich aufgezeigt, dass das Verkehrsthema und die Entlastung der Straßenräume vom Kraftfahrzeugverkehr für viele Menschen ein ganz wichtiges Thema ist. Diese neue Lebensqualität zu definieren, das ist ein Auftrag an den Rat und den Oberbürgermeister“, so Röhrig-van der Meer. Dem Masterplan 2025 habe es zu Beginn zwar noch an konkreten Maßnahmen gefehlt, diese kommen in jüngster Zeit aber vermehrt hinzu.

Großprojekt Velorouten

Besonders wichtig sind die Velorouten, ein Netz aus Radschnellverbindungen. Die Stadt setzt sie um, der ADFC, der sie erdacht hat, ist als „Hüter der Standards“ noch immer involviert. Die Routen müssen mindestens drei Meter breit sein, wenn der Verkehr in zwei Richtungen fließt. Die Ampelschaltungen auf den 13 geplanten Strecken sollen die Pla-nerinnen auf den Radverkehr auslegen. Die ursprüngliche Idee existiert im ADFC bereits seit Anfang der 2000er, seit 2020 ist das Streckennetz vom Rat beschlossene Sache und im Oktober 2021 ist die erste Route eröffnet worden. Die Stadt investiert dafür zehn Millionen Euro, verteilt auf zehn Jahre. Wenn es nach dem Oberbürgermeister geht, wird das Netz noch vor diesem Zeitplan fertig sein. Das Geld der Stadt soll aus verschiedenen Fördertöpfen aufgestockt werden, manchmal passt die Radschnellweg-Förderung, oft ist es das Stadt-Land-Programm. „Von Abschnitt zu Abschnitt muss man immer schauen, welches Förderprogramm dafür gerade am besten passt“, sagt Heiko Efkes. Die Velorouten, ein Ring im Zen-trum und zwölf sternförmige Routen in verschiedene Stadtteile, sind im Uhrzeigersinn durchnummeriert und sollen am Ende ein Netz von 90 Kilometern bieten. Bislang sind sechs Kilometer neu gebaut worden, an einigen Stellen muss die Stadt lediglich neu markieren oder umorganisieren. Drei Velorouten sollen als Radschnellwege die Städte Lehrte, Langenhagen und Garbsen mit der Hannoveraner Innenstadt verbinden. Sie müssen sogar vier Meter breit und asphaltiert sein und möglichst wenige Straßen kreuzen. Die Maßnahme könnte ein entscheidender Schritt in der Radverkehrsförderung werden. 77 Prozent der städtischen Bewohnerinnen und 65 Prozent der Befragten aus der Region, so der Fahrradmonitor, können sich vorstellen, ihre Pendelstrecken öfter als bisher mit dem Fahrrad zurückzulegen, wenn es eine solche Verbindung gäbe.
Die Stadt hat für dieses Projekt zwei neue Stellen im Tiefbauamt geschaffen, die an der genauen Routenplanung arbeiten. Diese Planungen bespricht die Stadt in öffentlichen Veranstaltungen mit der Stadtgesellschaft, insbesondere der betroffenen Stadtbezirke. Am besten funktioniere die Partizipation online, findet Heiko Efkes. „Unser Wunsch als Verwaltung ist es, komplexe Bürger*innenbeteiligungen primär online durchzuführen, weil es viel effektiver ist und man viel mehr Menschen erreichen kann.“ Auch der ADFC unterstützt mit Präsentationen.

„Alles, was Menschen zum Umdenken bringt, eingefahrene Mobilitätsketten bricht und alles, was Multimodalität fördert, ist erst mal gut“

Heiko Efkes,
Radverkehrsbeauftragter der Stadt Hannover

Die Stadt wird mutiger

Für die Velorouten greift die Stadt auch in das Straßenprofil ein und entnimmt Parkflächen. Allein auf den Flächen, wo die Stadt aktuell an fünf Velorouten arbeitet, werden rund 1000 Kfz-Parkplätze verloren gehen. „Die Verwaltung ist durchaus mutiger geworden in der Planung“, sagt Röhrig-van der Meer. Die Ampelschaltungen müssten aber noch fahrradfreundlicher werden. Stellenweise, zum Beispiel auf dem Julius-Tripp-Ring, der um die Stadt herumführt, stellen Induktionsschleifen eine grüne Welle für den Radverkehr her. Solche baulichen Strukturen könnte es in Zukunft öfter geben. Teilweise dürfte aber ein Interessenskonflikt mit dem ÖPNV entstehen, dessen Ampelschaltung auch politische Priorität hat.
Dass das Fahrrad ebenfalls ein wichtiger Politikgegenstand ist, beweisen die gestiegenen Ausgaben für den Radverkehr. Lagen sie 2020 noch bei 5,4 Millionen Euro, waren es 2021 schon 8,5 Millionen und sind es in diesem Jahr sogar 9,2 Millionen Euro. Dieses Geld investiert die Stadt nicht nur in Großprojekte, wie die Velorouten, sondern auch in viele kleinere Maßnahmen. Kopfsteinpflasterstraßen bekommen asphaltierte Fahrspuren, an Ampeln installiert die Stadt Gitter, um die Füße abstellen zu können und damit nicht absteigen zu müssen. Auch wenn die Stadt noch nicht komplett fahrradfreundlich ist, der Radverkehr wird in immer mehr Detailfragen mitgedacht. Drängelgitter, so Efkes, müssten zum Beispiel auch mit Kinderanhängern oder Lastenrädern komfortabel befahrbar sein. Letztere spielen auch im Kontext der Velorouten eine große Rolle, vielleicht auch, weil sich 17 Prozent der Hannoveraner*innen, und damit
5 Prozent mehr als im Bundesdurschnitt, vorstellen können, ein Lastenrad zu erwerben. Auch bei Abstellanlagen denkt die Stadt Cargobikes mit und installiert die entsprechenden Bügel und Straßenschilder.
Von regulären Fahrradbügeln kann die Stadt erst mal scheinbar nicht genug bekommen. Bei einem Programm der Region bot die Landeshauptstadt an, jegliche übrig bleibenden Kontingente an Abstellanlagen zu installieren. 2021 waren das mehr als 750 Bügel. Hausgemeinschaften können außerdem beantragen, ein privates Fahrradhäuschen im öffentlichen Raum abzustellen.

Auch kleine Schritte führen ans Ziel. Die Stadt denkt den Radverkehr immer besser mit und investiert in Abstellanlagen oder Gitter, mit denen Radfahrer*innen sich an Ampeln abstützen können.

Gutes tun und darüber reden

All diese Angebote sollen das Radfahren in Hannover attraktiver machen. Aber für ihre ambitionierten Pläne müsse die Stadt die Menschen noch besser mitnehmen, meint Heiko Efkes. „Es gibt diesen guten alten Spruch ‚Tue Gutes und rede darüber‘. Wir sind in Hannover ganz gut. Wir haben aber irgendwann festgestellt, dass draußen überhaupt gar keiner merkt, was wir hier so machen. Der damalige Stadtbaurat hat gesagt, ihr müsst eigentlich mehr abfeiern, wenn ihr etwas geschaffen habt. Wenn ihr etwas fertig habt, müsst ihr den Leuten sagen, ‚Jetzt ist es fertig, guckt es euch mal an, probiert es mal aus!‘“
Als Plattform für diese Kommunikation entstand das städtische Paket „Lust auf Fahrrad“, um ebendiese Lust mit diversen Aktionen zu erzeugen. Das Team dichtete bereits mit einer A-cappella-Band ein Lied zum Radfahren in Hannover um, installierte Zählstationen für den Radverkehr und bot Fahrrad-Checks an. Lust auf Fahrrad schafft Präsenz für das Verkehrsmittel Fahrrad und begleitet verschiedene Events. Das kann in Form von bewachten Fahrradparkplätzen bei Heimspielen des Fußballvereins geschehen oder indem Lust auf Fahrrad als Motto verkaufsoffener Sonntage fungiert. So wollen die Verantwortlichen dem Fahrrad neue Räume eröffnen. Derartige Aktionen, auch die alle paar Monate stattfindende nächtliche Stadtausfahrt Velo-City-Night, helfen den Hannoveraner*innen, die Stadt mit anderen Augen zu sehen und sich weniger Autoverkehr in der Innenstadt vorzustellen.
Die städtische Verkehrswende kann trotz des autogerechten Stadtumbaus auf vergleichsweise guten Strukturen fußen. Sie scheint eingeleitet, aber ist noch lange nicht am Ende, sondern braucht Anschub. Lust auf Fahrrad soll ihn bringen, genau wie das Veloroutennetz und andere bauliche Anpassungen. Auf längere Sicht wünscht sich der ADFC, dass die Velorouten auch mit einem äußeren Ring und durch Tangenten verbunden werden. Heiko Efkes attestiert der Stadt eine offene Grundhaltung zur Mobilitätswende. „Alles, was Menschen zum Umdenken bringt, eingefahrene Mobilitätsketten bricht und alles, was Multimodalität fördert, ist erst mal gut“, sagt er.


Bilder: Stadt Hannover, Sebastian Gengenbach, Ulrich Pucknat

Schon in den 80er-Jahren befand der niederländische Verkehrsplaner Hans Monderman, Straßenverkehre sollten nach dem Vorbild holländischer Eislaufplätze organisiert werden: Alle fahren wie sie wollen – und achten aufeinander. Dieses Konzept der Anarchie im Straßenraum gewinnt als Shared Space immer mehr Befürworter unter Stadtplanern, wie drei Beispiele zeigen. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 04/2022, Dezember 2022)


In den Niederlanden wird Shared Space oft auch als Verkehrsplanung nach dem anarchischen Vorbild eines Eislaufplatzes beschrieben: Wenn alle fahren wie sie wollen, wird mehr aufeinander geachtet.

In deutschsprachigen Ländern ist häufig auch von Mischflächen oder Begegnungszonen die Rede. Konkrete Designs unterscheiden sich lokal. Denn bei Shared Space handelt es sich weniger um ein Planungsinstrument. Vielmehr geht es um ein ergebnisoffenes Gestaltungsprinzip, das alle Funktionen im öffentlichen Raum (wieder) ins Gleichgewicht bringen soll. Bis heute ist das Verhältnis unter Verkehrsteilnehmern unausgewogen. Dominierte mit dem Paradigma der autogerechten Stadt lange Zeit das Auto, soll es im Shared Space deshalb eher als geduldeter Gast unterwegs sein. Auch von der strikten Separation der Verkehrsteilnehmer in einzelne Fahrspuren wird (mehr oder weniger) abgesehen. Und statt Überregulierung durch Verkehrsschilder setzt Shared Space auf die soziale Verantwortung mündiger Bürgerinnen und Bürger.

Mehr Aufmerksamkeit durch Verunsicherung

Deutschland gilt als das Land mit den weltweit meisten Verkehrsschildern. Etwa 20 Millionen davon regeln, was auf den Straßen erlaubt und verboten ist. Wer als Radfahrerin oder Autofahrerin aus dem gewohnten Schilderwald in ein schilderloses Areal einfährt, ist zunächst irritiert. Gerade dieses Gefühl der Unsicherheit ist im Shared Space jedoch beabsichtigt. Untersuchungen aus Schweden und Holland zeigen, dass Verkehrsteilnehmer*innen in nicht regulierten Situationen eher stimuliert werden, miteinander zu kommunizieren, als wenn Verkehrsschilder und Spuren das Verhalten regeln. Darauf weist auch der Psychologe Pieter de Haan vom Kenniscentrum Shared Space im niederländischen Leeuwarden hin: „Ist ein Schema auf den ersten Blick nicht klar, weil neue und ungewisse Ereignisse eintreten, ist die Person alarmiert. Als Reaktion darauf passt sie ihr Verhalten an. Sie verlangsamt ihre Geschwindigkeit, schaut sich um und beobachtet andere Menschen.“
Dabei bringt Shared Space eigentlich nur zurück, was es schon einmal gab. „Zwar hat man das Konzept als eine neue Idee eingeführt“, erläutert de Haan. „Aber geht man 100 Jahre zurück, gab es überall Shared Space. Ende der 1920er-Jahre, als die ersten Wagen auftauchten, wurden Regeln eingeführt. Es folgten Ampeln und die Trennung der Verkehrsteilnehmer nach Fahrspuren.“ So begann man, mit Verkehrszeichen zu kommunizieren. Die eigene Vorfahrt wurde von Ampeln und Schildern erteilt, anstatt situativ von anderen Verkehrsteilnehmern per Handzeichen oder Blickkontakt. Die Kommunikation wurde monodirektional.
Stures Fahren nach Verkehrszeichen kann dazu führen, dass das eigentliche Verkehrsgeschehen aus dem Blick gerät. Mitunter überfährt ein Rechtsabbieger, dessen Ampel Grün zeigt, einen Fußgänger, der ebenfalls bei Grün die Straße quert. De Haan: „Shared Space reaktiviert die soziale Kommunikation. Schilder sind dann nicht mehr nötig.“

In Deutschland ist Bohmte in Niedersachsen ein Vorreiter bei der Umsetzung von Shared Space – mit deutlichen Effekten für die Verkehrssicherheit.

Probieren geht über Studieren

In Deutschland gehört die Gemeinde Bohmte in Niedersachsen seit 2008 zu den Vorreiterprojekten. Vor der Änderung der konventionellen Infrastruktur stand eine mutige Entscheidung. „Mord und Totschlag“ prophezeiten Hannoveraner Verkehrsplaner dem Vorhaben. „Probieren geht über Studieren“, lautete die Antwort des damaligen Bürgermeisters Klaus Goedejohann. Zehn Jahre später resümierte er in der FAZ (24.07.2018) das Unfallgeschehen: „Im Durchschnitt ein Leichtverletzter im Jahr.“
In Bohmte ging man das Konzept in Form eines großen Kreisverkehrs an. Bahnhofsvorplatz und zentraler Platz wurden im Zuge der Umsetzung als Schwerpunkte definiert. Um eine langsamere und vorsichtigere Fahrweise zu erzwingen, wurde die Fahrbahnbreite dazwischen unter sechs Meter verringert. Straße wie Gehwege wurden auf das gleiche Niveau gesetzt, allerdings farblich markiert. Sämtliche Verkehrsschilder wurden demontiert. Die letzte Tafel vor Einfahrt in den Shared Space verweist auf die Tempo-30-Zone davor. Der Abbau von Schildern und Ampeln entlastete Bohmte übrigens auch finanziell. Den Großteil der 2,1 Millionen Euro für die baulichen Eingriffe steuerte die Gemeinde selbst bei. Eine halbe Million kam aus dem damaligen Infrastrukturprogramm Interreg North Sea Region Programme der EU.

Shared Space statt vierspuriger Straße auf dem Duisburger Opernplatz.

Auf die Verkehrsstärken kommt es an

Das Ergebnis: Nach einer ersten Zufriedenheitsanalyse der Fachhochschule Osnabrück bescheinigten Anwohner wie Gewerbetreibende dem Areal eine neue Aufenthaltsqualität. Klassische Bedenken lokaler Händler über Umsatzeinbußen bestätigten sich nicht. Im Gegenteil wird der Effekt der Außenwirkung von Bohmte als geschäftsfördernd eingeschätzt. So freut sich auch Modehaus-Inhaber Hubertus Brörmann in der FAZ: „Als hier noch eine Ampel stand, … habe man permanent aufheulende Motoren gehört. Nun sei der Lärm gleichmäßiger und insgesamt weniger geworden. […] Dreimal habe es da so richtig gescheppert. Wenn jetzt an anderen Stellen was passiere, dann, weil die regelversessenen Menschen zu wenig mitdenken würden.“
Hinzu kommen ein verbesserter Verkehrsfluss und seltene Staus. Ein Tempo von bis zu 40 km/h wird kaum überschritten. Wenig geändert hat sich an der Zahl von knapp 13.000 Autos, die jeden Tag über die historische Bremer Straße brettern. Sie bildet mit Rathaus, Kirche, Bahnhof und Einzelhandel den Ortskern. Der neue Gemeinderat Lutz Birkemeyer, selbst Radfahrer und Befürworter des Shared Space, benennt die Ursache: „Der überregionale Verkehr angebundener Landesstraßen sorgt dafür, dass das Konzept in Bohmte nicht vollständig zur Geltung kommt.“
Aus demselben Grund hapere es in der Praxis noch an der Gleichberechtigung aller Verkehrsteilnehmer: Die schiere Übermacht des Autos verdrängt Radfahrende an den Straßenrand. Deshalb hält Birkemeyer das Shared-Space-Konzept an weniger befahrenen Straßen für sinnvoller. Auch unter Expert*innen ist von maximalen Verkehrsstärken die Rede, damit ein Shared Space Sinn ergibt. Die Zahlen schwanken zwischen 8000 bis 25.000 täglichen Durchfahrten. Oder darüber. Das Land Bremen setzt auf ein Mittelmaß und empfiehlt in einem Papier, die Verkehrsstärke von 15.000 Kraftfahrzeugen bei zweistreifigen Straßen nicht zu überschreiten.

„Shared Space reaktiviert die soziale Kommunikation. Schilder sind dann nicht mehr nötig.“

Pieter de Haan, Kenniscentrum Shared Space

Barrierefreiheit und optimale Sichtbeziehungen

Auch der Duisburger Opernplatz ist ein stark frequentiertes Areal. Wo einst eine vierspurige Straße vor dem Theater verlief, befindet sich heute ein Shared Space. Die einheitlich mit Pflaster gestaltete Fläche ist als verkehrsberuhigter Bereich ausgeschildert und sieht Schrittgeschwindigkeit vor. Die dort mündende Mosel- sowie Neckarstraße sind in den Shared Space eingebunden und als Tempo-30-Zone ausgewiesen. Verbleibende Fahrspuren wurden auf eine pro Richtung reduziert und durch einen Mittelstreifen getrennt. Die Ränder mit Flachborden und dunklem Pflaster abgesetzt. Radfahrerinnen können hier überall fahren, Fußgän-gerinnen besitzen Vorrang.
Kerngedanke der Planungsphilosophie im Shared Space ist, dass Fußgängerinnen, Radfahrerinnen und Autofahrer*innen per Blickkontakt interagieren. Sehbehinderte Menschen sind von dieser Möglichkeit jedoch ausgeschlossen. Deshalb sind im Duisburger Shared Space, ähnlich wie in Bohmte, Fahrbahnkanten taktil erfassbar. So können auch sehbehinderte Menschen sie queren. Malte Werning, Pressesprecher der Stadt Duisburg, beobachtet auch eine gesteigerte Solidarität und Rücksichtnahme verschiedener Gruppen untereinander. Zudem haben sich die Kfz-Verkehrsmengen seit dem Umbau um etwa ein Drittel reduziert. Und es gibt weniger Staus als zuvor. Werning sagt: „Erkennbar ist eine merkliche Entschleunigung des Kfz-Verkehrs.“ Er räumt allerdings ein, dass Autofahrer offenbar noch Nachholbedarf haben: „Die Vermeidung von illegalem Parken braucht viel Kontrolle und damit hohen Personaleinsatz.“ Denn Parken ist am Opernplatz nicht mehr gestattet. Das Parkverbot optimiert die Sichtbeziehungen, die für den Shared Space entscheidend sind. Dafür wurden auch störende Barrieren beseitigt und auf feste Einbauten oder eine Bepflanzung verzichtet.

In der Berliner Maaßenstraße werden Verkehrsteilnehmer*innen mit Erklärtafeln begrüßt.

Hohe Aufenthaltsqualität

Der Shared Space in der Berliner Maaßenstraße ist als Begegnungszone ausgewiesen. Zu den angestrebten Zielen gehörten geringere Kfz-Geschwindigkeiten, eine höhere Aufenthaltsqualität und ein rücksichtsvolleres Miteinander aller Verkehrsarten sowie bessere Querungsmöglichkeiten für Fußgängerinnen. Zugleich sollten die Verkehrsabwicklung und die Belieferung von Gewerbebetrieben möglichst beibehalten werden. Im Rahmen der Umgestaltung wurden eine Tempo-20-Zone mit eingeschränktem Halteverbot ausgewiesen. Parkplätze sowie Flächen für den fließenden Kfz-Verkehr wurden reduziert. Hinzu kamen urbane Begegnungsflächen mit Möblierung sowie neu gestaltete Querungsstellen. Ganz ohne weitere Beschilderung kommt man in der Maaßenstraße nicht aus. So werden Verkehrsteil-nehmerinnen an allen Zugängen von Tafeln begrüßt, die entscheidende Spielregeln erläutern: „Die Begegnungszone ist eine Straße für alle. Rücksicht und Achtsamkeit gehen vor – egal ob zu Fuß, mit dem Rad, im Auto oder beim Liefern und Laden. Alle haben Platz – Rad- und Autofahrende auf der Fahrgasse. Parken ist hier nicht erlaubt, Halten nur zum Liefern und Laden.“
Zwar entstand die Begegnungszone in der Maaßenstraße im Rahmen von Modellprojekten mit fußverkehrsfördernden Maßnahmen. Übergeordnetes Ziel ist aber ein Miteinander von Fuß-, Rad- und Autoverkehr im Verkehrsraum. Beim Ortsbesuch erweist sich das Areal als echte Flaniermeile. Geschäfte, Cafés und Restaurants sowie die Aufenthaltsbereiche davor sind gut frequentiert. Radfahrerinnen und Fußgängerinnen trauen sich gleichermaßen auf die Straße. Ein von der Verkehrsverwaltung beauftragter Vorher-Nachher-Bericht macht ebenfalls Mut: Auch im Berliner Beispiel ist die Kfz-Verkehrsmenge um rund ein Drittel gesunken. Bereits die Kurvenführung bei der nördlichen Einfahrt vom Nollendorfplatz her in die Begegnungszone erzwingt eine Verlangsamung des Kfz-Verkehrs. Der Anteil der Fahrzeuge, die mehr als 30 km/h fahren, sank von 47 Prozent auf 9 Prozent. Wurde vor dem Umbau in Fahrtrichtung Nord schneller gefahren als in südlicher Richtung, liegen die Fahrgeschwindigkeiten mittlerweile in beiden Richtungen ähnlich niedrig.
Während die Anzahl der Fußgän-gerinnen nach der Umgestaltung um rund 30 Prozent stieg, ist der Anzahl der Radfahrenden dem Bericht nach weitgehend konstant geblieben. Wegen des Rückbaus früherer Radwege nutzt der überwiegende Teil der Radfahrenden die Fahrgasse anstelle der Gehwege. Diese wurden gegenüber dem Vorher-Zustand deutlich entlastet. Zwar wird gelegentlich auch die Aufenthaltsfläche gequert. In der Regel klappt das aber. Konflikte zwischen Radfahrenden und Fußgängerinnen wurden nicht beobachtet.

„Erkennbar ist eine merkliche Entschleunigung des Kfz-Verkehrs.“

Malte Werning, Stadt Duisburg

Voraussetzung Partizipation

Jeder Shared Space besitzt eigene lokale Herausforderungen. In Berlin stand der Wunsch nach niedrigeren Kfz-Geschwindigkeiten bei der Öffentlichkeitsbeteiligung im Vordergrund. Ähnlich gingen in Bohmte und Duisburg dem konkreten Shared- Space-Projekt Versammlungen, intensive Diskussionen und Workshops voraus. Denn nicht zuletzt gelingt „Shared Space“ nur in Konsens von kommunaler Politik, Anrainern und Gewerbetreibenden. Die Akzeptanz für einen Kulturwandel im Verkehrsraum hängt entscheidend von dieser Partizipation ab.
Pieter de Haan formuliert das so: „Sicherheit ist nicht die erste Idee von Shared Space. Unser Ziel ist es, einen schönen Platz für Menschen zu gestalten. Der Raum ist der Raum der Menschen, wo sie sich aufhalten und in dem sie interagieren: Vielleicht gibt es dort Läden oder Cafés. Wie es am Ende genau aussieht, hängt von dem Kontext und der lokalen Kultur ab. Also versuchen wir auch, das Design der Umgebung gemeinsam mit den Anwohnern an diese Kultur anzupassen. Nur so erhält Shared Space eine Identität.“

Shared Space Basics

Gute Voraussetzungen für Shared Space

  • An örtlichen (Haupt-)Geschäftsstraßen, Quartiersstraßen und Plätzen
  • Fußgänger- und Radverkehr bestimmen das Straßenbild
  • Hoher Querungsbedarf von Fußgängerinnen und Radfahrerinnen
  • Die tägliche Kfz-Verkehrsstärke liegt bei max. 15.000 Kfz.
    (Je nach Gestaltungselementen und Geschwindigkeitsniveau sind höhere Belastungen denkbar.)
  • An Straßenabschnitten mit einer Länge von 100 bis 800 m
  • Möglichkeit der Anordnung von Grün- und Aufenthaltsbereichen
  • Ausweisung als verkehrsberuhigter Bereich

Partizipation
Shared Space immer gemeinsam mit Bürgern, Gewerbetreibenden, Verkehrsplaner und Entscheidungsträger vor Ort konzipieren.

Nivellierung
Shared Space weitgehend höhengleich gestalten. Ggf. den Straßenraum mit Begrünung, Einbauten oder eingesetzten Flachborden gliedern, sofern dadurch Sichtbeziehungen nicht behindert werden. Eine Trennung der Fahrbahn vom Seitenraum oder die Kanalisierung des fließenden Verkehrs kann notwendig sein.

Rückbau von Beschilderung und LSA
Shared Space weitgehend ohne Lichtsignalanlagen, Beschilderung und Markierung gestalten. Als verkehrsberuhigten Bereich ausweisen, um dem Fußgängerverkehr rechtlich Vorrang zu geben, geringe Geschwindigkeiten abzusichern und das Parken zu regeln.

Gute Sichtbeziehung
Die funktionierende Kommunikation der Verkehrsteilnehmer*in-nen untereinander bedingt gute Sichtbeziehungen. Sichtbehindernde Einbauten im Straßenraum entfernen. Dazu gehört die Einschränkung des Parkens.

Barrierefreiheit
Shared-Space-Abschnitte barrierefrei und mit Rücksichtnahme auf die Anforderungen spezieller Gruppen wie Kinder und ältere Menschen gestalten. Die Nivellierung der Fläche im Shared Space ist bereits ein Vorteil für Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigung. Hinzu kommen Blindenleitsysteme, z. B. durch den Einbau von Bodenindikatoren zur Querung.


Bilder: Reyer Boxem, Lutz Birkemeyer, Uwe Köppen, Wolfgang Scherreiks

Vom 20. bis 21. September fand im zeitlichen Rahmen der IAA Transportation die dritte Nationale Radlogistikkonferenz in Hannover statt. Die Branche zeigte auf, wie professionell sie agiert und dass sie mit großen Schritten ein „Erwachsenwerden“ des Wirtschaftszweigs vorbereitet. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 04/2022, Dezember 2022)


Eine Fahrrad-Demo? Ist denn schon Freitag? Nein, es war ein Donnerstag im September. Und die Fahrradkolonne mit vielen kleinen und großen Lastenrädern hatte ein Ziel. Viele Teilnehmerinnen der Radlogistikkonferenz fuhren gemeinsam zum Messegelände Hannover, um dort Logistikgrößen und Publikum auf der IAA Transportation auf sich aufmerksam zu machen und zu zeigen: Radlogistik ist gekommen, um zu bleiben, und hat große Ziele. Um diese in den nächsten Jahren zu erreichen, muss die Branche bei rechtlichen Rahmenbedingungen und Standardisierungen an einem Strang ziehen, so der Tenor der Konferenz. Diese fand im Kongresszentrum Hannover eine Bühne, wo neben den vielen Rednerinnen auf der von Nico Lange moderierten Bühne, über 25 Unternehmen ihre Produkte präsentierten und im Außenbereich Testfahrten anboten. Die Veranstaltung begann am Dienstag mit einem Exkursionstag, der mehr als 100 Menschen an verschiedene für die Radlogistik relevante Orte in Hannover führte. Nach begrüßenden Worten, unter anderem von Oberbürgermeister Belit Onay, besuchte die Gruppe einen Mini-Hub in einem Parkhaus, eine Zustellbasis am Güterbahnhof von DHL, die Fahrradkurierfirma Tretwerk sowie weitere Orte. Das Land Niedersachsen und die Stadt Hannover traten bei der Konferenz als Unterstützer auf.
Am zweiten Konferenztag standen nach der Eröffnung durch Tom Assmann, Vorsitzender des Radlogistikverbands Deutschland (RLVD), und drei Grußworten, unter anderem vom Parlamentarischen Staatssekretär Oliver Luksic, inhaltliche Fragen im Vordergrund. Diese wurden in einigen Panels zunächst mit Input gefüllt und anschließend diskutiert. Die Branche entwickelt sich dynamisch weiter. Martin Seißler von Cargobike.jetzt war an der Organisation des Events beteiligt: „Es war ja die dritte Radlogistik-Konferenz und wir sehen jedes Mal eine Steigerung der Zahl der interessanten Modelle und eine technische Weiterentwicklung. Das ist sehr schön, zu sehen, und auch wichtig für die, die Lastenräder am Ende nutzen wollen. Wir wollen eine erwachsene Branche werden und haben am Anfang der Konferenz noch mal die 30 Prozent der Logistik in den Innenstädten als machbares Ziel propagiert. Die Schwelle der technischen Entwicklung nehmen wir immer besser.“
Es gibt viele Fragen, die es im jetzigen Stadium zu klären gilt, damit der optimistischen Aussicht der Radlogistik-Unternehmen nichts im Weg steht. „Wir sehen auch, dass das hier die Leitveranstaltung für die Branche der Radlogistik ist. Hier trifft sich einmal im Jahr die Branche und kann sagen, wo sie steht. Ich bin sehr zufrieden, wie das Ganze auch in den Panels weiterentwickelt wurde“, so Seißler.

Lastenräder aller Couleur fanden nicht nur in Vorträgen und auf Podien der Konferenz statt. Gut zwei Dutzend Unternehmen stellten ihre Fahrzeuge und Produkte im Foyer aus und boten Testfahrten an.

Politische Herausforderungen

Auf politischer Seite gibt es aktuell noch starke Hemmnisse für die Radlogistik. Zum einen sind schmale Radwege vor allem für Schwerlastenräder mit mehreren Hundert Kilo Gewicht nicht geeignet. Zum anderen ist die finanzielle Förderung nicht hoch genug, als dass sie völlig selbstverständlich mit teils um 40 Prozent rabattierten Verbrennertransportern konkurrieren kann. Gerade lokale Förderprogramme sind zudem oft schnell ausgeschöpft. Um in der Konkurrenz bestehen zu können, will der Radlogistikverband aber vermeiden, dass die Radlogistik Dumping-Preise einführt. Vielmehr müssen Verbrenner-Vans teurer werden, die derzeitigen Niedrigpreise können als Marktversagen gewertet werden. „Die Politik darf mutiger werden“, forderte Martin Schmidt, stellvertretender RLVD-Vorsitzender in seinem Resümee der Veranstaltung. Das Verbrennerverbot ab 2035 sowie die derzeit steigenden Treibstoffkosten dürften der Radlogistik in die Karten spielen. Gerade kleinere, reine Elektrofahrzeuge könnten der Branche aber künftig Marktanteile streitig machen.
Auch in der Bevölkerung sollen Lastenräder noch besser als Lösung bekannt werden. Wenn der Wert der Serviceleistung Lieferung mehr geschätzt würde, hätten die Radlogistiker leichteres Spiel. Eine größere Präsenz von Lastenrädern auf der letzten Meile dürfte auch die Chancen bei städtischen Vergabeverfahren erhöhen. Hier, so berichtet Matthi Bolte-Richter, Geschäftsführer des Kieler Radlogistikunternehmens Noord Transport, müssen die Logistiker oft erst mal vermitteln, wie leistungsfähig moderne Lastenräder sind, und werden so benachteiligt. „Das Lastenrad ist häufig einfach ausgeblendet“, bestätigte auch Jonas Kremer, RLVD-Fachvorstand Politik. Wenn ein Flottenanteil an Elektrofahrzeugen über Quoten geregelt ist, würden Lastenräder oft nicht mitgezählt und können damit ihr Potenzial nicht ausspielen.

„Wir schreiben jetzt Spielregeln, das ist eine einmalige Chance“

Martin Schmidt, Radlogistikverband Deutschland

Technische Feinheiten

Die Teilnehmerinnen in drei optionalen Workshops bearbeiteten Themen, die die Branche stärker vereinen könnten. Es ging um eine deutschlandweite Buchungsplattform für Radlogistik-Dienstleistungen, digitale Schnittstellen durch offene KEP-Standards (Kurier-, Express- und Paketdienst) und darum, was zu beachten ist, wenn die Branche Aufbauten und Wechselsysteme standardisiert. „Wir schreiben jetzt Spielregeln, das ist eine einmalige Chance“, kommentierte Martin Schmidt abschließend. Normen, die Lastenräder betreffen, werden von der Industrie gut angenommen, haben laut Tim Salatzki vom Zweirad-Industrie-Verband aber Lücken, was die Sicherheit im Schwerlastsegment betrifft. Es sollte im Interesse der Branche sein, diesem Thema proaktiv zu begegnen, wie es beispielsweise durch den Verhaltenskodex im Verkehr des RLVD bereits beispielhaft geschehen ist. Wenn es schwere Unfälle geben sollte, könnte das dem Ruf der Lastenräder schaden. In einer Paneldiskussion, in der auch Luise Braun von Onomotion und Wasilis von Rauch von Zukunft Fahrrad sowie Jonas Kremer sprachen, wurde die Möglichkeit einer eigenen Kategorie für Schwerlastenräder als sinnvoll bewertet. Diese dürfe allerdings kein Monstrum an Regulierungen mitbringen, so der Tenor der Runde. Schulungen für Schwerlastenräder könnten zielführend sein, eine Führerscheinpflicht lehnte die Gruppe allerdings entschieden ab. Weiteren Input gab es auch zu den Fahrerinnen der Lastenräder. Diese sind in Österreich bereits mit einem Tarifvertrag aufgestellt. Es gilt, hier auch in Deutschland die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen, StVO-Kenntnisse und Fähigkeiten im Umgang mit den Kund*innen zu vermitteln. Die Menschen, die die Räder fahren, sind das Rückgrat der Branche, verrichten eine körperlich schwere Arbeit und müssen entsprechend gewürdigt werden. Sie brauchen gute Konditionen ohne Dumping-Löhne und Scheinselbstständigkeiten, auch damit die wachsende Branche in Zukunft keinen Personalmangel hat.

Empfangskomitee oder Randnotiz? Die Last-Mile-Area auf der IAA Transportation sorgte bei den ausstellenden Unternehmen für gemischte Gefühle.

Mit Versendern vernetzen

Als Positivbeispiel hingegen kürte der RLVD den Radlogistikversender des Jahres. Der Preis ging an die Memo AG, die Bürobedarf in Kooperation mit 13 verschiedenen Radlogistikdiensten ausliefern lässt. Den Versendern soll in der vierten Konferenzausgabe eine größere Rolle zukommen. Diese könnte sich auch in anderer Hinsicht von der diesjährigen Veranstaltung unterscheiden, sagt Martin Seißler. „Ich habe das Gefühl, wir müssen das Programm vielleicht ganz weglassen, weil die Leute die ganze Zeit netzwerken wollten. Aber so funktioniert es natürlich nicht. Wir wollen das Thema Netzwerken aber besser koordinieren, professionalisieren und etwas zielgerichteter gestalten. Und wir wollen auch die Versender mehr zu Wort kommen lassen, ihnen eine Bühne bieten und klarmachen, wie wichtig sie in diesem ganzen Prozess sind.“ Auch eine Art Speeddating, um die Akteure effizienter zu vernetzen, wäre dazu ein möglicher Weg.

Links: Das Schwerlastenrad von Fulpra bietet bis zu 3000 Liter Stauraum und 350 Kilogramm Zuladung.
Rechts: Die Mobilitätsstation des Unternehmens Fairventure lädt dank Solarmodulen und eingeschweißter Batterie autark Elektrofahrzeuge auf.

Das Fahrzeugkonzept der ZF-Tochter Brakeforce One (links) hat Platz für kühle Getränke. Deutlich mehr kühlen Stauraum bieten die Aufbauten von Wello (rechts).

IAA Transportation – Radlogistik als Teil des Ganzen

Am Tag nach der Konferenz sind viele Teilnehmerinnen dann mit ihren Lastenrädern und -anhängern publikumswirksam auf der IAA Transportation eingefahren. Der Nutzfahrzeugableger der Internationalen Automobilausstellung fand zeitgleich in Hannover statt. Die zeitliche Überschneidung war nicht zufällig, vielmehr war die Radlogistikkonferenz in Zusammenarbeit mit der Fachmesse geplant worden. Auch auf der IAA Transportation selbst waren Lastenräder präsent. Es gab einen gesonderten Ausstellungsbereich für die Letzte-Meile-Logistik, die Last-Mile-Area. Ein Cargobike-Parcours bot die Möglichkeit, viele Modelle zu testen. Im Nachgang der publikumswirksamen Einfahrt verlieh die Fachzeitschrift Logistra ihren jährlichen Award „International Cargobike of the Year“. Die ersten Plätze konnten sich die Hersteller Riese & Müller für das Modell Transporter 2, Mubea für das Schwerlastenrad Cargo und Nüwiel für den Anhänger eTrailer sichern. Überlaufen war die Last-Mile-Area nicht. Neben den Award-Gewinnern gab es dennoch auch ein paar Produktneuheiten zu entdecken. Der Hersteller Urban Arrow präsentierte ein neues Bremssystem, das auf Motocross-Technik setzt. Rytle hatte mit dem auffällig grün überdachten Schwerlastenrad Movr3 eine neue Produktgeneration im Gepäck. Und Mubea zeigte neben einer Variante des prämierten Modells Cargo für Gärtnerinnen, Landschaftsarchitektur und Co. einen dreirädrigen E-Scooter, der ab dem kommenden Jahr produziert werden soll.
Auf dem großen Hannoveraner Messegelände fanden sich zwischen den großformatigeren Cargo-Exponaten an wenigen Stellen vereinzelte Lastenräder, ein Symbol für die zukünftige Verknüpfung der Transportmittel. Ob diese Verknüpfung von der restlichen Branche wirklich ernst genommen wird, bleibt abzuwarten. Eindeutig bewerten ließ sich das Standing der Radlogistik in der gesamten Branche aber nicht. Manch ein Aussteller fühlte sich auf der Sonderfläche etwas an den Rand gedrängt, andere verstanden sich in der Lage am westlichen Eingang in der Halle 13 eher als Empfangskomitee der Fachmesse. In den Vorträgen, die auf mehreren Bühnen gehalten wurden, fand das Thema Radlogistik höchstens als Randnotiz statt. Dabei könnte aber auch die ausgelagerte Konferenz des RLVD eine Rolle gespielt haben.

„Wir schaffen die 30 Prozent Radlogistik“

Dr.-Ing. Tom Assmann, Vorstandsvorsitzender des Radlogistikverbandes Deutschland

Wie beurteilen Sie die diesjährige Radlogistikkonferenz?
Wir sind sehr zufrieden mit der Veranstaltung. Sie war gut besucht und wir haben gezeigt, dass Radlogistik ein hochinnovativer Bereich ist. Ein Bereich, der die Technologie so weit entwickelt hat, dass sie ausgerollt werden und in der Breite in den Städten in Deutschland den Verkehr entlasten und sicher machen kann. Wir sind bereit, im großen Game um die letzte Meile vollständig mitzuspielen und sie auch in der Zukunft zu gestalten. Wir schaffen die 30 Prozent Radlogistik.

Wie wird sich die Branche in nächster Zeit weiterentwickeln?
Wir werden nächstes Jahr deutlich mehr Lastenräder auf den Märkten sehen. Ich höre das in den Gesprächen, dass eigentlich überall große Absatzzugewinne zu verzeichnen sind und dass die Akteure trotz der Weltlage positiv in die Zukunft schauen, weil Lastenfahrräder und -anhänger die Transportmittel der Zeit sind. Wir sparen 90 Prozent Energie pro Kilometer ein und haben günstigere und klimagerechte Fahrzeuge. Deswegen können wir positiv gestimmt sein, hoffen aber, dass da nicht noch größere Probleme in den Lieferketten kommen.

Was sind die größten Herausforderungen für die Branche?
Eine wichtige Frage auf politischer Ebene ist, wie man Radlogistik in die Breite der kommunalen Planung bekommt. Die Kommunen müssen die Radlogistik, die Flächen und die In-frastruktur standardmäßig mitplanen, sodass unsere Fahrzeuge supereinfach, komfortabel und schneller als ein Sprinter überall genutzt werden können. Das ist die eine Herausforderung, die andere ist, wie wir auf europäischer Ebene einen harmonisierten Rechts- und Standardrahmen schaffen, damit diese Fahrzeuge überall in der EU sicher, zuverlässig und kostengünstig auf Radwegen betrieben werden können.

Am hinderlichsten ist also die Politik?
Ein großes Hemmnis ist auch, dass insgesamt noch zu viel Zögern da ist. Nicht unbedingt in der Logistikbranche, die Logistikakteure sehen, sie müssen da reingehen und werden das auch tun. Aber insbesondere abseits des klassischen Paket- und Postgeschäftes, wo Lastenräder sich gut entwickeln, da braucht es noch mehr Berührungspunkte, und es braucht mehr und bessere Förderung, damit auch kleine und mittlere Unternehmen umsteigen können und sagen: „Ein Lastenfahrrad ist günstiger und es ist besser für mein Unternehmen.“ Es ist Marktversagen, dass das Leasing von E-Autos im Moment besser gefördert wird als das Leasing von E-Lastenfahrrädern.

Berührungspunkte habt ihr auch auf eurer Exkursion schaffen wollen. Was hat dort die größte Neugier und die meisten Gespräche ausgelöst?
Wir hatten tolle Gespräche, die gesamte Exkursion entlang. Es gab ein wirklich wunderbares Grußwort von Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay, der klar gezeigt hat, dass es Städte gibt, die bereit sind, den Weg zu einer klimagerechten, zu einer lebenswerteren und zu einer autoärmeren Stadt zu gehen. Das hat mir sehr gut gefallen, genau wie unsere letzte Station bei unserem neuen Mitglied Modes. Die kommen ursprünglich aus dem klassischen Umbau von Vans für Personen mit Behinderung und haben jetzt als neues Geschäftsmodell den Service von Lastenrädern mitaufgenommen und zeigen, dass sie die Transformation hin zu nachhaltiger Mobilität gehen.

Die Radlogistik-Konferenz fand während der IAA Transportation statt und machte dort mit einer kollektiven Einfahrt auf die Messe auf sich aufmerksam. Was waren die Hintergründe dieser Entscheidung?
Es war die richtige Entscheidung, diese Veranstaltung parallel zur IAA Transportation zu machen und zu zeigen: Wir als Radlogistik sind da und wir sind bereit, unser 30-Prozent-Ziel bis 2030 umzusetzen. Jetzt ist es auch an den etablierten Akteuren, die Zeichen der Zeit zu erkennen und zu sagen, dass es neue Formen der Mobilität und neue Formen der gewerblichen Logistik in der Stadt braucht. Deswegen fand die Konferenz auch hier und in Abstimmung und Kooperation mit der IAA statt. Das war ein Angebot der IAA, dass wir mit unseren Ausstellern und unseren Lastenfahrrädern auf die Messe kommen und dem Publikum dort das zeigen konnten, was wir eben auch auf der Konferenz hier gezeigt haben: Die Technik ist da, kauft sie, setzt sie ein und fahrt damit.


Bilder: Ulrich Pucknat, Sebastian Gengenbach, Jana Dünnhaupt – OVGU

Am 22. und 23. November tagten viele Mobilitätsplaner*innen und weitere Fachleute auf der Fahrradkommunalkonferenz. In Aachen fanden sie inspirierende Praxisbeispiele vor und konnten sich zu den drängenden Themen austauschen, die Planungsvorhaben derzeit noch ausbremsen. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 04/2022, Dezember 2022)


Die Konferenz trug das Motto „Mobilitätswende umsetzen – Gute Pläne und jetzt Strecke machen“. Viele Rednerinnen nahmen Bezug auf den Leitsatz und wünschten sich eine Macher-Mentalität und mehr Geschwindigkeit dabei, die Pläne umzusetzen. Das Vortrags- und Diskussionsprogramm diente dazu, über den Tellerrand der eigenen Kommune zu blicken und sich von Projekten im ganzen Bundesgebiet, zum Beispiel aus dem Kreis Coesfeld oder Hannover, inspirieren zu lassen. Unter der Moderation von Totinia Hörner bot die Bühne einen Gesprächsraum für Menschen aus der Planung, Verbandsarbeit oder Forschung. Rund 300 Mobilitätsfachleute kamen in der Veranstaltungsstätte „Das Liebig“ in Aachen zusammen. Weitere Interessierte nutzten den Livestream. Zumindest vor Ort blieb es aber nicht bei passivem Zuhören. In zwei Slots bot die Veranstaltung je vier Arbeitsgruppen, die zu Schwerpunkten wie Radentscheiden, digitalen Planungstools und Kreuzungssituationen arbeiteten. Die gastgebende Stadt Aachen bot zudem ein Exkursionsprogramm zu wichtigen Orten und Themen der dortigen Verkehrswende an. Auf diesen Touren und am Veranstaltungsort selbst sollten die Teilnehmerinnen sich miteinander austauschen und vernetzen.
Als Flaschenhals der Radverkehrsentwicklung scheint neben dem fehlenden neuen Straßenverkehrsgesetz der Fachkräftemangel zu wirken. Ein Lösungsansatz dafür können Fachkräftekampagnen sein, wie sie die Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte (AGFS) ins Leben gerufen hat. Es sei aber auch wichtig, die Fachkräfte besser zu bezahlen, um ein zu starkes Lohngefälle zum privaten Sektor zu verhindern. Steigende Kosten bei baulichen Maßnahmen kommen als weitere Schwierigkeit hinzu.

Erwartungshaltungen managen

Kommunen müssen bei Änderungen im Straßenverkehr genau verdeutlichen, warum diese von kollektivem Interesse sind, da die Vorstellungen der Zivilgesellschaft mitunter weit auseinandergehen. Auch Professorin Dr. Jana Kühl sieht das gesellschaftliche Selbstverständnis als einen Schlüsselfaktor der Verkehrswende. Derzeit würden Konflikte von der Straße auf die Fuß- und Radwege verlagert. „Man hat gelernt, zu improvisieren“, beschreibt sie das Dasein der Radfahrerinnen, die mit Mängeln umgehen müssen. Im Kfz-Verkehr gäbe es auf der anderen Seite eine tief in der Gesellschaft verwurzelte Erwartungshaltung. Ausgerichtet wurde die Fachtagung vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr und dem Mobilitätsforum Bund. Unterstützend wirkte das Deutsche Institut für Urbanistik (DIfU). Dagmar Köhler, Teamleiterin im Forschungsbereich Mobilität am DIfU sagt: „Die Konferenz in Aachen steht für Innovationskraft, Zusammenarbeit und Verstetigung für eine umweltfreundliche, gesunde Mobilität – auch wenn die Sonne mal nicht scheint. Ein besonderer Schwerpunkt war in diesem Jahr die Fokussierung auf den Menschen – und zwar nicht nur mit Blick auf Rad fahrende Bürgerinnen: Nie zuvor tauschten sich die Radverkehrsfachleute so intensiv über Organisationsstrukturen, Prozessabläufe, Changemanagement und den Umgang mit Radentscheiden der Zivilbevölkerung aus Sicht der Verwaltungen aus. Ein weiteres Fokusthema war die Gestaltung komfortabler und sicherer Radwege und Kreuzungen.“ Wie sich diese Herausforderungen und der Fokus im nächsten Jahr verändert haben werden, wird sich in Regensburg zeigen. Die Stadt an der Donau ist dann nämlich gastgebende Kommune der Fahrradkommunalkonferenz.


Bild: Doris Reichel

Große Hitze und Starkregen setzen den Innenstädten zu. Um die Folgen des Klimawandels abzupuffern, müssen Stadtstraßen zukünftig deutlich grüner werden. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 04/2022, Dezember 2022)


Es sind die Städte, die die Folgen des Klimawandels besonders spüren. Während der Sommermonate ist die Hitze im Zentrum ihr größtes Pro-blem. Die asphaltierten Straßen und die Gebäude heizen sich überproportional stark auf und erwärmen wie riesige Heizkörper die Umgebung bis spät in die Nacht. Zudem führen die hohen Temperaturen zu extremen Regen, der die Abwasserkanäle schnell überlastet und zu Überschwemmungen führt. Verkehrsforscherinnen und -planerinnen sind sich einig: Ein weiter so wie bisher können sich Städte und Gemeinden nicht mehr leisten. Ihre Straßen und Plätze sollten zügig an das veränderte Klima angepasst werden.
Dr. Michael Richter erforscht seit Jahren, wie die klimagerechte Straße aussehen kann. Der Geoökologe ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der HafenCity Universität (HCU) in Hamburg und Experte für umweltgerechte Stadt- und Infrastrukturplanung. In den vergangenen Jahren hat er mit seinen Kolleginnen und Kollegen im Rahmen des „BlueGreen-Streets“-Projekts Werkzeuge und Methoden entwickelt, um Städte gezielt abzukühlen. Ein zentraler Hebel ist dabei der Umbau der Straßen. „Im Gegensatz zu vielen Gebäuden gehören die Straßen den Städten. Die Politik und die Verwaltung haben es demnach in der Hand, diese Flächen relativ schnell an die neuen Gegebenheiten anzupassen“, sagt er.
In der Praxis heißt das: auf der Fläche zwischen den Gebäuden ausreichend blaue und grüne Infrastruktur einplanen, also ausreichend Flächen für Wasser, Bäume und Grün anzulegen. „Die zentrale Aufgabe ist, den Wasserkreislauf wieder in Gang zu bringen und über Speichersysteme im Boden das Stadtgrün auch während Trockenperioden mit Wasser zu versorgen“, sagt Richter. Nur wenn das gelingt, können Bäume ihre Aufgabe erfüllen und in den Sommermonaten Wasser verdunsten und die Zentren abkühlen.

„Im Gegensatz zu vielen Gebäuden gehören die Straßen den Städten.“

Dr. Michael Richter, HafenCity Universität Hamburg

Königstraße in Hamburg-Altona: Wo jetzt noch Beton und Asphalt den Eindruck prägen, will die Hansestadt eine „Straße der Zukunft“ errichten.

Blaugrünes Projekt

Einige der Elemente, die Richter mit seinen Kolleginnen und Kollegen entwickelt hat, um Stadtbäume besser mit zu Wasser versorgen, wurden im Rahmen von „BlueGreenStreets“-Projekten bereits in Berlin und Hamburg getestet. Außerdem begleiten die Wissenschaftler den Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG), den Umbau der Königstraße zur „Straße der Zukunft“. Für Hamburg ist das ein Leuchtturmprojekt. Auf der 1,2 Kilometer langen Straße zwischen der Reeperbahn und dem Altonaer Rathaus verknüpft die Hansestadt Klimaschutz und Klimaanpassung mit der Mobilitätswende.
Es ist ein Umdenken in großem Stil. Die Flächen für die Alltagsmobilität sollen dort in den kommenden Monaten grundlegend neu verteilt werden. Geplant ist, die zwei äußersten Fahrstreifen der vierspurigen Straße jeweils zu 2,5 Meter breiten Protected Bikelanes umzubauen und die Gehwege auf 2,65 m zu verbreitern. Zusätzlich werden mehr Grünstreifen angelegt und 47 zusätzliche Bäume gepflanzt. Sie sollen der Straße Allee-charakter verleihen und Grünanla-gen miteinander verbinden, die noch von der Königstraße zerschnitten werden.
Damit sich die Bedingungen für Radfahrende bereits vorher verbessern, wurden 2021 76 Parkplätze am Fahrbahnrand provisorisch entfernt und mit Farbe zu Radwegen markiert. Fahrspuren können relativ schnell mit Farbe, Poller, Baustellenbaken oder Fahrbahnschwellen in alltagstaugliche Radspuren verwandelt werden. Bei Grünanlagen ist das deutlich schwieriger. Trotzdem lohnen sich laut Richter auch hier provisorische Lösungen.
„Pop-up-Lösungen schaffen sofort Entlastung für Anwohnende, Radfahrer und Fußgänger und überbrücken die Zeit bis zum Umbau“, sagt er. Das zeigt das Beispiel vom Jungfernstieg in Hamburg. Der breite Prachtboulevard mit Blick auf die Alsterfontäne wurde 2020 für den privaten Autoverkehr provisorisch gesperrt. Seitdem teilen sich Radfahrer*innen dort die Fahrbahn mit Bussen und Taxis. In der Mitte der vier Fahrspuren wurden Pflanzkübel für Bäume und Blumen aufgestellt sowie Stadtmöbel zum Verweilen. Seitdem überqueren die Menschen entspannt die Straße und nutzen den gewonnenen Raum. Wird der Zeitplan eingehalten, rücken im kommenden Sommer die Baufahrzeuge an. Dann wird die Breite der Fahrbahn baulich reduziert und an der Wasserseite eine vierte Baumreihe angelegt.
Neue Bäume zu pflanzen oder großzügige Grünanlagen anzulegen, funktioniert in der Regel nur beim Sanieren von Straßen oder im Neubau. Selbst dann ist das Pflanzen von Bäumen laut Richter oft schwierig. Das liegt am Erdreich. Der Untergrund ist in Innenstädten stark verdichtet. Unter der Fahrbahn verläuft eine Vielzahl von Kabeln und Rohren für Gas, Strom, Telekommunikation und vieles mehr. Am Jungfernstieg befindet sich außerdem der Zugang zu einer U- und S-Bahnhaltestelle. Neue Bäume zu pflanzen, ist hier eine Herausforderung. Neben dem Platz im Erdreich für ihre Wurzeln fehlt den Bäumen obendrein oft das Wasser.
Wie in vielen anderen Städten war auch in Hamburg lange die Vorgabe: Regenwasser soll schnellstmöglich in die Kanalisation geleitet werden. In der Königstraße soll dieser Prozess nun rückgängig gemacht werden. „Entscheidend ist, dass wir den Wasserkreislauf wieder in Gang bringen“, sagt Uwe Florin, Mitarbeiter der Abteilung „Grün“ beim Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG). Mit Mitarbeitern des „BlueGreenStreets“-Projekts will die LSBG verschiedene neue Systeme testen, um die entsiegelten Flächen zu bepflanzen und zu bewässern. Das saubere Niederschlagswasser von den öffentlichen Flächen wird in der Königstraße direkt zu den Bäumen oder in die Grünflächen geleitet, damit es dort versickern kann. Das entlastet bei Starkregen das Siel und reduziert das Risiko von Überschwemmungen.
Für die Bäume werden außerdem sogenannte Baumrigolen angelegt. Ihr Markenzeichen ist, dass ihre Pflanzmulden größer sind als die herkömmlicher Stadtbäume. Das gilt für die unversiegelte Oberfläche wie für die Pflanzmulde. Zudem leiten die verwendeten Materialien, wie Kies und andere Substrate, das Regenwasser entweder direkt ins Grundwasser und ins umliegende Erdreich oder sie speichern es wie ein Schwamm, um es nach und nach ins umliegende Erdreich abzugeben. Auf diese Weise sollen Bäume Hitzeperioden besser überstehen und an heißen Tagen die Umgebung kühlen.

Vorher, nachher: Der Sankt-Kjelds-Platz in Kopenhagen ist nach dreijähriger Umbauphase kaum wiederzuerkennen.

Bäume machen einen Unterschied

Mehr Bäume sind entscheidend, um das Stadtklima zu verbessern. Sie sind natürliche Klimaanlagen. Ihr Blätterdach hält die Sonnenstrahlen ab und beim Verdunsten von Wasser kühlen sie ihre Umgebung. „Im Idealfall senkt ein ausgewachsener Baum die Temperatur seiner Umgebungsluft um etwa fünf Grad“, sagt Florin. Das steigert die Aufenthaltsqualität und macht Radfahren oder Zufußgehen selbst an heißen Tagen erträglich.
„Wir versuchen blue-green, also mehr Wasser und Grün, inzwischen bei jeder Straßenbaumaßnahme in Hamburg umzusetzen, und es gelingt uns sehr häufig“, sagt Professorin Dr. Gabriele Gönnert, die bei der LSBG den Fachbereich Hydrologie und Wasserwirtschaft leitet. Aber die Flächenkonkurrenz ist groß – auf der Straße wie im Untergrund.
Torsten Perner kennt das aus seinem Alltag. Er ist Verkehrsplaner bei Ramboll, einem international tätigen Beratungsunternehmen, das auch im Bereich Stadt- und Verkehrsplanung tätig ist. „Die verschiedenen Behörden, die Industrie, die Wirtschaftskammer, Umweltverbände und viele andere ringen bei der Planung um jeden halben Meter Straßenraum“, sagt er. Um die Straßen jetzt fit für die Zukunft zu machen und ausreichend Platz für Grünanlagen und für den Rad- und Fußverkehr unterzubringen, sei ein Umdenken bei der Stadt- und Verkehrsplanung notwendig. „Wir müssen die Straße neu denken“, sagt er, „sie ist mehr als Verkehr auf 20 bis 40 Meter Breite.“ Gut gestaltet werde sie zum attraktiven Aufenthaltsraum mit verschiedenen Funktionen, den die Menschen gerne passieren.

Der Steindamm zählt nicht unbedingt zu Hamburgs schönsten Straßen. Dass bei der Umgestaltung der Straße kaum Parkplätze entfernt wurden, ändert daran wenig.

Umdenken nach Milliardenschaden

Wie das aussehen kann, macht Kopenhagen vor. Die dänische Hauptstadt war zwischen 2010 und 2014 dreimal von Starkregen und Überflutungen betroffen. Der stärkste Wolkenbruch im Juli 2011 überflutete Straßen und Keller und verursachte Schäden von fast einer Milliarde Euro. Daraufhin hat die Stadtverwaltung mit dem Kopenhagener Ver- und Entsorgungsbetrieb 2012 den Sky-brudsplan (Wolkenbruchplan) beschlossen. Dieser legt fest, wie die Stadt zukünftig vor Überschwemmungen geschützt werden soll. 300 Projekte wurden innerhalb von drei Jahren identifiziert, die in den nächsten 20 Jahren schrittweise umgesetzt werden, um die Stadt zur Schwammstadt umzubauen.
Dazu gehören der Sankt-Kjelds-Platz und die angrenzende Straße Bryggervangen im Stadtteil Osterbro. Etwa 25 Prozent der Fläche des Platzes und der Straße wurden entsiegelt und zu einem grünen Regenwasserschutzgebiet umgewandelt. Der Boden ist dafür teilweise abgesenkt worden und es wurden 586 neue Bäume gepflanzt. Bei Starkregen kann sich das Wasser in den Vertiefungen sammeln und langsam versickern.
Wer sich die Vorher-Nachher-Bilder anschaut, erkennt die Umgebung rund um den Platz und die Straße Bryggervangen nach dreijähriger Umbauphase kaum wieder. Wo früher der Boden versiegelt war und Autos parkten, laufen heute Passanten auf verwinkelten Wegen zwischen Bäumen und Büschen zur Arbeit, zum Einkauf oder zum Parkhaus. Zahlreiche begrünte Ecken und Nischen mit und ohne Sitzgelegenheiten laden die Anwohner*innen dazu ein, Zeit draußen zu verbringen.
Der Sankt-Kjelds-Platz und die Bryggervangen Straße wurden komplett neu strukturiert. Um Ähnliches in Deutschland zu realisieren, müssten nach den Ramboll-Experten alle Beteiligten Abstriche machen. Stets mit dem Ziel vor Augen, die Straße fit für den Klimawandel zu machen. „Dazu gehört, dass Radfahrer sich mit schmaleren Wegen zufriedengeben, wenn die Straße zu schmal ist“, sagt Perner. Im Gegenzug drosseln Autofahrer ihr Tempo auf 30 km/h, damit Radfahrer sicher unterwegs sind. Das funktioniert momentan jedoch nur in der Theorie. In der Praxis dürfen laut Straßenverkehrsordnung die Verkehrsplaner Tempo 30 nur in Ausnahmefällen anwenden.
Ein schnelles Mittel, um mehr Grün in die Straßen zu bringen, ist laut Perner auch der Umbau von Parkplätzen an Hauptverkehrsstraßen. „Mit dem gezielten Abbau dieser Parkplätze kann schnell viel Fläche für Grün geschaffen werden“, sagt Perner. Für ihn ist das überfällig. Aber viele Städte tun sich damit schwer. Auch Hamburg. Beim Umbau der Hauptstraße Steindamm wurden von den 132 Parkplätzen beispielsweise nur 31 entfernt.
„Bisher ist die Klimaanpassung eine freiwillige Aufgabe von Kommunen“, sagt Richter. Er fordert einen zentralen Klimaanpassungsplan, der bundesweit gültig ist. „Nur so schaffen wir es, schnell von der Phase der Pilotprojekte zur Standardanwendung in der Praxis zu kommen“, sagt er. Die Zeit drängt. Das hat der Sommer 2022 gezeigt.

Zukunft Schwammstadt

Für etliche Stadtplanerinnen und Verkehrsforscherinnen ist die Schwammstadt eine Lösung, um die Städte an die Folgen des Klimawandels anzupassen. Wenn es regnet, sollen die Grünflächen so viel Wasser aufnehmen und speichern wie nur möglich. Richtig angelegt, haben sie eine Doppelfunktion. Sie werden zu einem natürlichen Klärwerk. Die Pflanzen, Erdreich und Mikroorganismen filtern die schädlichen Inhaltsstoffe aus dem Wasser, bevor es tiefer in den Boden sickert.
So können die Grundwasserspeicher wieder aufgefüllt werden und die wie Schwämme vollgesogenen Böden über längere Zeit Wasser an die Pflanzen ringsum abgeben. Berlin investiert massiv in neue Stauräume. Bis 2024 sollen gut 300.000 Kubikmeter Zwischenspeicher entstehen. Bei starken Regenfällen soll das Wasser über Notwasserwege auf Sport- und Spielplätze fließen, um kritische Infrastrukturen zu schützen. Damit soll verhindert werden, dass das alte Mischkanalsystem überläuft und das Schmutz- und Regenwasser ungefiltert samt schädlicher Stoffe in die Gewässer fließt.

Link zu Toolbox A und B

Mit seinen Kolleginnen hat der Wissenschaftler im Rahmen des „BlueGreenStreets“-Projekts die einen Leitfaden nebst Praxisbeispielen entwickelt. Beides soll Planerinnen und Praktiker*innen dabei helfen, Lösungen für ihre Straßenzu entwickeln.

repos.hcu-hamburg.de/handle/hcu/638


Bilder: SLA, Andrea Reidl, stock.adobe.com – Jusee

Als großes Finale des ersten Konferenztages wurde in Aachen der Plan F Award vergeben. Dieser Preis soll vorbildliche Projekte aus der Praxis hervorheben, mit denen Kommunen den Radverkehr fördern. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 04/2022, Dezember 2022)


Carolin Kruse, Geschäftsführerin von Fair Spaces, prämierte diese gemeinsam mit Schirmfrau Rebecca Peters, der Bundesvorsitzenden des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs. Der erste Platz ging an die Verbandsgemeinde Wallmerod, die ihren Preis, ein fünftägiges Audit mit Fair Spaces, einer niederländischen Professorin und einigen Student*innen bereits durchgeführt hat. Herausgekommen ist dabei ein Ad-hoc-Radaktionsplan für Radwege und Fahrradkultur. Auch die Zweit- und Drittplatzierten, die Stadt Aachen und der Zweckverband Landfolge Garzweiler, erhielten ein Audit, das online stattfand beziehungsweise stattfindet.
Namensgeber des Awards ist das Projekt Plan F. In diesem arbeitet Fair Spaces gemeinsam mit dem Software-Unternehmen FixMyCity an vier Punkten. Neben einer interaktiven Website soll ein übersichtliches Radverkehrs-Handbuch entstehen. Mit dem Plan F Check sollen Kommunen sich selbst evaluieren können und passende Handlungsempfehlungen erhalten. Außerdem umfasst das Projekt einen interaktiven E-Learning-Kurs. Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr fördert Plan F im Kontext des Nationalen Radverkehrsplans.
Auf der Website identifiziert das Projekt-Team neun Handlungsfelder der kommunalen Radverkehrsförderung, darunter zum Beispiel Bildung und Trainings, Services, Wirtschaft und Verkehrsberuhigung. Neben den Gesamtgewinnern wurden zwei bis drei Projekte pro Handlungsfeld hervorgehoben. Auch über die auf dieser Seite zusammengestellten Erstplatzierten hinaus ist die Internetpräsenz von Plan F eine Best-Practice-Goldgrube. Neben Kurztexten zu den prämierten Maßnahmen und Projekten findet sich dort eine Mappe mit allen 66 Bewerbungen zum Download.

Preisträger des Plan F Awards:

Infrastruktur
Verbandsgemeinde Wallmerod: Wäller ALLEn-Weg

Der Wäller ALLEn-Weg soll, wie der Name schon sagt, allen zur Verfügung stehen. Auf zwölf Kilometern verbindet er zwei Verbandsgemeinden und ist dabei nicht nur mit dem Rad, sondern auch mit Rollstuhl oder Kinderwagen komfortabel befahrbar. Den ersten Preis der Gesamtwertung in Form eines Audits nahm die Verbandsgemeinde bereits im Oktober wahr.

Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit
Aachen: Kommunikation rund um den Radentscheid

Aachen hat in der Gesamtwertung den zweiten Platz belegen können. Neben den Kommunikationsmaßnahmen zwischen Verwaltung, Radentscheid und Stadtgesellschaft wurde auch eine Bildungskampagne mit dem dritten Platz in der entsprechenden Kategorie bedacht. Sie heißt FahrRad und adressiert Grundschulkinder.

Governance
Zweckverband LANDFOLGE Garzweiler: Rheinisches Radverkehrsrevier

Im Zweckverband LANDFOLGE Garzweiler arbeiten verschiedene Kommunen zusammen.
Ihr gemeinsames Ziel ist, ein durchgängiges regionales Radverkehrsnetz zu erschaffen. Dafür gab es den dritten Platz in der Gesamtwertung des Plan F Awards.

Bildung und Trainings
Landkreis Osnabrück: Bike to School

Services
Gelsenkirchener Fahrradservice-Stationen

Multimodalität und Nahmobilität
Fellbach: Automatisiertes Fahrradparkhaus / Verkehrsverbund Rhein-Neckar GmbH: VRNradbox (jeweils zweitplatziert)

Wirtschaft
kein Preis vergeben

Tourismus und Freizeitverkehr
Morsbach: Fahrrad-Schnitzeljagd

Verkehrsberuhigung
Neuss: Fahrradachse Innenstadt

Mehr Informationen zum Projekt und die komplette Liste der prämierten Projekte: https://plan-f.info/


Bild: Fair Spaces

Die Fahrradreparaturstation Levelo ist Retter in der Not oder hält mobil. Menschen mit Fahrrädern können an dieser komfortabel kleine Reparaturen und Finetuning durchführen und mit dem richtigen Luftdruck im Reifen weiterfahren. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 04/2022, Dezember 2022)


Eine Panne oder mangelhaft justierte Fahrradtechnik können beim Fahrradfahren richtig nerven. Wenn solche Probleme die eigene Mobilität hemmen, dürfte es ein starker Grund zur Freude sein, im direkten Umfeld eine Reparaturstation zu finden. Das Model Levelo ist für viele Reparaturen richtig ausgestattet. Die Sattelstütze findet in einer gegen Abrutschen gepolsterten Aufnahme Platz, die das Fahrrad auf einer angenehmen Arbeitshöhe hält, ohne dass es von dort abstürzt.
Ist das Fahrrad eingehängt, kann das Reparieren losgehen. Die Säule enthält verschiedene Werkzeuge, darunter Reifenheber und ein verstellbarer Maulschlüssel, sowie verschiedene Schraubendreher. Die Werkzeuge sind durch PVC-ummantelte Stahlseile vor Diebstahl geschützt. Die Nutzer*innen können während der Arbeit am Fahrrad ihren Helm an einer Halterung unterbringen und finden eine Auflage vor, auf der sie Reifen flicken können. Eine Outdoor-Luftpumpe aus Edelstahl ermöglicht schnelles Aufpumpen. Die Pumpe soll unempfindlich gegenüber Vandalismus sein und ist in das Designkonzept integriert, welches sich gut in verschiedene Umgebungen einfügen soll.
Die seit Mai dieses Jahres erhältliche Station ist seit Juni auch auf der Plattform RadKultur als Lieferant vertreten. Dabei handelt es sich um eine Initiative des Landes Baden-Württemberg. Interessierte können dort von einer anteiligen Finanzierung durch das Bundesland profitieren und die Säule individuell branden lassen. Der Hersteller, das Unternehmen Veyhl aus Zwerenberg im Schwarzwald, sondiert mit der Station neues Terrain. Der Systemlieferant für die Büro- und Möbelindustrie betritt die Sphäre der nachhaltigen Mobilität und möchte mit der Levelo genau dieses Ziel voranbringen.


Bilder: Veyhl

Fahrräder und Alltagsgegenstände brauchen Schutz vor Wind und Wetter. Wo Standardlösungen nicht ausreichen, entwickelt Falco mit den Specials Überdachungen mit viel Spielraum. Sie können so individuell sein wie die Gebäude selbst, an denen sie entstehen. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 04/2022, Dezember 2022)


Oft reichen Standard-Überdachungen aus, um einen gewissen Schutz vor Witterung und Diebstahl zu bieten. Aber manchmal fehlt ihnen das gewisse Etwas. Die Entwicklungs- und Design-Abteilung von Falco verfügt über einen modernen Maschinenpark im eigenen Hause im niederländischen Vriezenveen. Dort fertigt die Firma auf Wunsch individuell gestaltete und nach Maß angefertigte Überdachungen.
Architektur und Freiraumgestaltung verschmelzen immer mehr, sodass zu einem besonderen Architekturentwurf auch eine besondere Einrichtung für den Außenbereich gehört. Ob Form, Farbe, Material oder Ausstattung, eine individuelle Überdachung kann sich in vielen Faktoren unterscheiden. Zudem muss sie hohen Qualitätsanforderungen entsprechen.
Falco, niederländischer Marktführer und Spezialist für innovative Überdachungen mit 70-jähriger Erfahrung auf dem Markt, hat hier seine Kernkompetenz. Die Firma hat verschiedene Möglichkeiten entwickelt, wie Überdachungen etwas Besonderes verliehen werden kann. Dabei arbeitet das Traditionsunternehmen eng mit Architekten und Landschaftsarchitekten zusammen, um gemeinsam zu innovativen Entwürfen von individuellen Überdachungen nach Maß zu gelangen.
So gibt es einige Beispiele, wie sich abgerundete Überdachungen an die Architektur eines Gebäudes anschmiegen oder wie runde Überdachungen für sich selbst inmitten des Freiraums stehen. Die Gestaltungsmöglichkeiten sind dabei sehr vielfältig und reichen von verschiedenen Wandverkleidungen über die Farbgestaltung in einer RAL-Farbe nach Wunsch bis hin zu Gründächern. Innen kann Falco die Abstellanlagen mit den passenden Fahrradparksystemen ausstatten.

www.falcogmbh.de


Bilder: Falco

Trelock betritt das Feld der Vehicle-to-X-Kommunikation mittels einer neuartigen Street-Screen-Technologie. Durch Lichtanimationen auf der Straße soll die visuelle Kommunikation zwischen E-Bike, Fahrer und anderen Verkehrsteilnehmern auf ein neues Level gebracht werden. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 04/2022, Dezember 2022)


Herzstück der Technologie ist ein winziges Modul, das über Tausende bewegliche Mikrospiegel verfügt. Damit können hochauflösende animierte Bilder oder Videos auf die Straße projiziert werden. Eine Anwendung wäre zum Beispiel die optische Markierung des Mindestabstands für überholende Fahrzeuge. Auf die Straße übertragene Pfeilsymbole können das Abbiegeverhalten für andere Verkehrsteilnehmer ersichtlicher machen. Gefahrensymbole warnen den nachfolgenden Verkehr, falls der Radfahrer plötzlich bremsen muss. Der Radfahrer selbst kann vor unerwarteten Ereignissen, wie der spontanen Türöffnung eines parkenden Autos gewarnt werden. Neben sicherheitsfördernden Funktionen hat die Technologie auch einige praktische Features in petto, wie Lichtanimationen, die auf einen niedrigen Akkustand hinweisen, Erinnerung an das Abschließen des Rades und an das Helmtragen sowie Glatteiswarnung. Zusätzlich bietet das System auch eine Möglichkeit zur Individualisierung; so kann beispielsweise ein eigenes Lichtdesign für den Start und das Ausschalten eingerichtet werden.
Das neue Konzept wurde erstmals auf der Eurobike 2022 in Frankfurt demonstriert und mittels eines Scheinwerfers der neuen Trelock-Lighthammer-Serie live getestet. Die Implementierung der Technologie wurde bereits im hauseigenen Lichtlabor umgesetzt. Das Konzept soll in Zukunft als Grundlage für den weiteren Austausch und mögliche Kooperationen im hochwertigen E-Bike-Segment dienen. Die Vorgaben der StVZO werden laut Trelock erfüllt.


Bilder: Trelock