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Transporträder werden als Autoersatz für Privatleute und Gewerbetreibende immer interessanter. Aber vielerorts fehlen noch geeignete Stellplätze im öffentlichen Raum. Die Fachhochschule Erfurt hat im Mai einen Planungsleitfaden für Kommunen veröffentlicht. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 02/2022, Juni 2022)


Als Claudia Hille 2016 mit dem ersten freien Lastenrad „Ella“ durch Erfurt fuhr, wurde die promovierte Soziologin noch regelmäßig an Ampeln und Fahrradständern auf ihr Gefährt angesprochen. Damals waren die mitunter fast drei Meter langen Transporträder in der 200.000-Einwohner-Stadt noch ein ungewohnter Anblick, inzwischen gehören sie zum Stadtbild. Damit liegt Erfurt im Trend. 103.200 Transporträder wurden laut Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) allein im Jahr 2020 verkauft, 78.000 mit, 25.200 ohne Motor. 2016 lagen die Verkaufszahlen noch so niedrig, dass der Verband nur die verkauften E-Cargobikes zählte. Das waren damals 15.125. Die Nachfrage nach dem klimafreundlichen Autoersatz ist also rasant gestiegen – und mit ihr auch das Konfliktpotenzial um den Platz auf der Straße, insbesondere beim Parken.
Spezielle Stellplätze für Transporträder sind im öffentlichen Raum eine Seltenheit. Zwar dürfen sie rein rechtlich auf dem Gehweg abgestellt werden, aber dort behindern sie oft Fußgänger, insbesondere jene mit Kinderwagen oder Menschen, die mit Gehhilfen oder Rollstühlen unterwegs sind. Im Mai hat Claudia Hille, Geschäftsführerin am Institut Verkehr und Raum an der Fachhochschule Erfurt, mit ihrem Team den Planungsleitfaden „Abstellanlagen für Lastenfahrräder in Nachbarschaften“ (ALADIN) veröffentlicht. Im Rahmen des gleichnamigen Projekts, das vom Bundesverkehrsministerium bis Ende des Jahres gefördert wird, haben sie erstmals Qualitätsstandards für Abstellanlagen zum Kurz- und Langzeitparken festgelegt. Außerdem haben sie ein Berechnungstool entwickelt, das unter anderem den Bedarf an Cargobike-Stellplätzen in verschiedenen Quartieren ermittelt. Noch bis zum Jahresende begleitet das Erfurter Team zudem vier Modellkommunen – München, Hannover, Leipzig und Nordhausen – bei der Umsetzung passgenauer Abstellanlagen.
Der Bedarf ist bereits jetzt groß und werde noch deutlich zunehmen, so die Verkehrsforschung. 5,2 Millionen Cargobikes könnten laut Claudia Hille im Jahr 2030 in Deutschland unterwegs sein. „50 Prozent davon im Privatbesitz, 50 Prozent gewerblich“, sagt sie. Größe und Gewicht, aber auch der Wert von Lastenfahrrädern erforderten neue Konzepte zum sicheren und komfortablen Abstellen. Die sonst zum Fahrradparken genutzten Möglichkeiten, wie Hinterhöfe, Hausflure und Kellerräume, sind für Lastenräder nur selten geeignet. In schmalen Fluren fehlt der Platz zum Rangieren, und fürs Runtertragen ins Untergeschoss sind die Räder zu schwer. Deshalb brauchen die Nutzer und Nutzerinnen von Lastenrädern leicht zugängliche Stellplätze im öffentlichen Raum.

5,2 Mio.

Cargobikes könnten im Jahr 2030
in Deutschland unterwegs sein

Das Standardmaß für einen Lastenradstellplatz beträgt 2,7 Meter Länge und einen 1 Meter Breite. Auf der Fläche eines PKW-Parkplatzes können demnach drei Lastenräder im 45-Grad-Winkel schräg aufgestellt werden

Erste Cargobike-Stellplätze markiert

Bei der Gestaltung unterscheiden die ALADIN-Planerinnen und Planer zwischen Anlagen für Kurz- und Langzeitparker. Für Kurzzeitparker gibt es leicht umsetzbare Lösungen am Straßenrand. Denn rein rechtlich dürfen Transporträder am Fahrbahnrand auf kostenpflichtigen (Kfz-)Parkplätzen abgestellt werden. In Hamburg geht das seit Dezember 2021 sogar kostenlos. „Lastenräder sind in der Straßenverkehrsordnung nicht als Kraftfahrzeuge klassifiziert und können deshalb nicht mit Parkgebühren belegt werden“, erklärt der Sprecher der Stadt. Aus Angst vor Vandalismus und um die Mobilitätswende stärker ins Bewusstsein der Bevölkerung zu rücken, bauen erste Städte Kfz-Stellplätze komplett in Lastenradstellplätze um. Im Berliner Bezirk Neukölln wurden vier Parkplätze beispielsweise ausschließlich für Transporträder umgestaltet. Auch Hannover probiert verschiedene Modelle aus. Neben reinen Lastenradstellplätzen unterbindet die niedersächsische Landeshauptstadt beispielsweise das regelwidrige Parken im Kreuzungsbereich, indem sie mit Pollern die Flächen absperrt und Fahrradbügel für Transporträder aufstellt. In Düsseldorf wird diese Idee ebenfalls umgesetzt.
„Wichtig ist, dass der Zugang zu den Stellplätzen für die Nutzer komfortabel und sicher ist“, sagt Claudia Hille. Die Radfahrer*innen brauchten ausreichend Platz zum Be- und Entladen der Räder und zum Rangieren. Im Rahmen von ALADIN hat ihr Team die Längen und Breiten verschiedener Lastenradmodelle erfasst. Als Standardmaß für Stellplätze haben sie eine Länge von 2,7 m und eine Breite von einem Meter Breite festgelegt. Auf der Fläche eines typischen Pkw-Parkplatzes längs zur Fahrbahn können demnach drei Räder im 45-Grad-Winkel schräg aufgestellt werden. Befindet sich der Parkplatz quer zur Fahrbahn, passen vier parallel aufgestellte Räder auf die vorhandene Fläche. „Zum Anschließen eignen sich Bodenanker oder verkürzte Fahrradbügel, die etwas niedriger sind als herkömmliche Bügel“, sagt sie. Zur besseren Sichtbarkeit sollten sie farbig markiert und mit Pollern begrenzt werden.

„Multifunktionsanlagen stehen für den Wandel und dürfen auch ästhetisch sein“

Claudia Hille, Institut Verkehr und Raum an der Fachhochschule Erfurt

Mehrwert für Kommunen

Abstellanlagen für Langzeitparker sind dagegen deutlich anspruchsvoller. Sie müssen die teuren Räder vor Diebstahl und Witterung schützen und sollen ins Stadtbild passen. „Als Stadtmöbel können sie durchaus einen Mehrwert für die Anwohner schaffen“, sagt die Soziologin. Clever platziert und mit Bänken oder Hochbeeten kombiniert, schaffen sie einen Platz zum Verweilen. Die Design-Vorschläge der Studentinnen und Wissenschaftlerinnen im ALADIN-Projekt reichen vom schlichten Fahrradständer mit integrierter Sitzbank bis hin zur klimaresilienten Multifunktionsanlage. In dieser ist das Dach begrünt, eine Service-Station stellt Druckluft und Werkzeug bereit, für E-Bike-Akkus gibt es einen Ladepunkt und es gibt WLAN. „Der Internetzugang macht vor allem an Umsteigepunkten des Bus- und Bahnverkehrs Sinn“, sagt Claudia Hille. Für sie sind die Multifunktionsanlagen außerdem ein deutlich wahrnehmbares Symbol für die Mobilitätswende. „Sie stehen für den Wandel und dürfen auch ästhetisch sein“, sagt sie.
Wie unterschiedlich die Anforderungen an Abstellanlagen sein können, zeigt Nordhausen, eine der
ALADIN-Modellkommunen. In der 40.000-Einwohner-Stadt im Südharz ist der Radanteil vergleichsweise gering. „Die genaue Auswertung der Mobilitätserhebung steht noch aus, aber wir schätzen ihn auf etwa sechs Prozent“, sagt Petra Diemer, Mitarbeiterin im Amt für Stadtentwicklung und Koordinatorin für das integrierte Mobilitätskonzept in Nordhausen. Entsprechend niedrig sei auch der Anteil an Lastenrädern in der Stadt. „Allerdings steigt mit dem E-Bike der Anteil der Radfahrer deutlich“, sagt sie. In der Innenstadt seien genügend Radbügel und Abstellanlagen für herkömmliche Fahrräder vorhanden sowie ausreichend Bänke oder Cafés zum Verweilen. „Was fehlt, sind geeignete Abstellanlagen für Lastenräder und für E-Bikes mit integrierter Ladestation“, sagt sie.

Kreuzungsbereiche bieten viel schnell umzusetzendes
Potenzial für Lastenradstellplätze.

Raum für Lastenrad, Rollstuhl und Kinderwagen

Noch wichtiger als Kurzzeitstellplätze in der Innenstadt sind für die Stadtentwicklerin Diemer Abstellanlagen in den Wohnquartieren. „Ein großer Teil der Wohnungen in Nordhausen befinden sich in Plattenbau-Siedlungen“, sagt sie. Im Rahmen des Stadtumbaus und der Kooperation mit der Internationalen Bauausstellung Thüringen werden aktuell drei Plattenbau-Wohnblöcke der Städtischen Wohnungsbaugesellschaft (SWG) saniert und klimagerecht umgebaut. Im Zuge des Umbaus wird auch die Mobilität im Quartier umstrukturiert. Momentan parken die Autos im Innenhof des u-förmigen Plattenbauquartiers. „Der Platz wird entsiegelt und begrünt. Die Stellplätze rücken an den Rand des Quartiers“, sagt Petra Diemer. Um den zukünftigen Bewohnern den Verzicht aufs Auto leicht zu machen, soll in dem Innenhof eine moderne Fahrradabstellanlage entstehen. Bei der Ausstattung denken die Stadtplanerin und die SWG multimodal. „Neben der Fahrradmobilität berücksichtigen wir auch den demografischen Wandel“, sagt sie. Das heißt: Es wird Raum für Fahrräder, Lastenräder und Fahrradanhänger geben, aber es werden auch Flächen für Kinderwagen oder Gehhilfen wie Rollatoren oder E-Rollstühle eingeplant.

Stellplatzschlüssel fürs Transportrad

Hilfreich für die Planung ist das ALADIN-Tool, das den potenziellen Stellplatzbedarf für 2030 berechnet. Claudia Hille hat mit ihrem Team für neun unterschiedliche Quartierstypen Stellplatzschlüssel entwickelt. Der entsprechende Algorithmus basiert auf Daten zur sozialen, geografischen und räumlichen Struktur sowie der Kaufbereitschaft der Menschen vor Ort. In gründerzeitlichen Mischquartieren wie dem Prenzlauer Berg in Berlin liegt der errechnete Stellplatzschlüssel für Lastenräder beispielsweise bei 24,6. Demnach werden im Jahr 2030 dort rund 25 Lastenrad-Stellplätze pro 1000 Einwohner gebraucht. Dieser Platzbedarf könnte mit der Umwidmung von acht Pkw-Parkplätzen gedeckt werden. In Mehrfamilienhausgebieten am Ballungsrand großer Städte sinkt der Bedarf hingegen auf drei bis vier Pkw-Parkplätze. Wenn sie in den 1990er-Jahren gebaut oder saniert wurden, sind den ALADIN-Berechnungen zufolge hier etwa elf Transporträder pro 1000 Einwohner unterwegs. In Kommunen mit ländlich geprägten Dorfkernen wie Creuzburg (2500 Einwohner) im Westen Thüringens wären immerhin noch vier Transporträder pro 1000 Einwohner unterwegs. Hier genügt es, einen Parkplatz umzuwidmen.
„Der Leitfaden ist eine Planungshilfe für die Kommunen, aber auch der Appell ‚Traut euch‘“, sagt Claudia Hille. Sie will die Planerinnen und Planer ermutigen, zügig Pkw-Stellplätze für Cargobikes umzuwidmen. „Lastenräder sind ein Puzzleteil der Verkehrswende“, sagt sie. Wenn sichere Stellplätze vor der Haustür existieren, erleichtere das den Umstieg auf ein Cargobike.


10 Regeln für die Planung von Lastenradabstellanlagen

  1. Schutz vor Diebstahl
  2. Vandalismus bannen
  3. Zugänglichkeit für alle Nutzergruppen
  4. Serviceelemente prüfen
  5. Einfügen in das Straßenbild
  6. Nutzungskonflikte vermeiden
  7. Vorhandene Pkw-Flächen nutzen
  8. Bedürfnisse der Nutzer*innen prüfen
  9. Witterungsschutz ermöglichen
  10. Verknüpfung von Stadt- und Sozialräumen

Die Planungshilfe zum Downloaden und weitere Infos zu ALADIN gibt es auf der Projekt-Webseite https://www.wohin-mit-dem-lastenrad.de


Bilder: Fachhochschule Erfurt (FHE) – Institut Verkehr und Raum, Stadt Hannover

Genug sichere Plätze zum Abstellen sind für mehr Fahrradmobilität unverzichtbar. Gute Konzepte und Produkte gibt es, bislang hapert es hierzulande aber noch an der Umsetzung. Experten fordern angesichts neuer Fördermöglichkeiten mehr Dynamik. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 01/2021, März 2021)


Fahrräder und E-Bikes nehmen als städtische Verkehrsmittel immer mehr Fahrt auf, doch beim Abstellen wird es schwierig. Das Fahrrad vor das Haus stellen? Unsicher und auf den oft knappen Gehwegen wird es noch enger. Oder lieber in den Keller tragen? Insbesondere bei schwereren E-Bikes ein sehr mühsames Unterfangen. Und am Ziel? Kann man wenigstens dort sein teures Rad sicher abstellen – bei Bedarf auch über Nacht? Ganz reale Probleme im Alltag. Der Bedarf nach sicheren Parkmöglichkeiten und Abstellanlagen nimmt deutlich zu und wird sicher auch in den kommenden Jahren nicht nachlassen.

Begehrtes Diebesgut

Die Verkaufspreise für Fahrräder und E-Bikes liegen nach den Angaben der Branchenverbände bei Premium-Fachhändlern in der Regel zwischen rund 800 und 4.000 Euro. Noch einmal deutlich darüber liegen mit über 5.000 Euro sowohl E-Cargobikes als auch die von Pendlern geschätzten schnellen E-Bikes der 45-km/h-Klasse. Für Diebe lohnenswert ist auch der Teilediebstahl. Allein die Kosten für einen E-Bike-Akku belaufen sich auf 600 Euro und mehr und auch ein leistungsstarker Scheinwerfer kann schon mal 200 bis 300 Euro kosten.

Neue Mobilität braucht Diebstahlschutz

Andreas Hombach vom Abstellanlagen-Hersteller WSM betont die wichtige Rolle von E-Bikes für die Mobilitätswende: „Das E-Bike hat die neue Mobilität vor allem in Städten, in denen das Fahrrad bislang aus topografischen Gründen nicht angekommen war, vielfach verstärkt.“ Wie steht es aber mit Angeboten zum sicheren Abstellen im öffentlichen Raum? Schon im persönlichen Umfeld kennt wohl jeder Alltagsradler Orte, die er mit einem schlechten Gefühl anfährt, da es dort keine ausreichenden Möglichkeiten gibt, das Fahrrad sicher am Rahmen anzuschließen. Das Problem bremst die Mobilitätswende, weil hochwertige Fahrräder und E-Bikes auch bei Dieben immer begehrter werden. Abstellen, ohne den Rahmen anzuschließen, ist nirgends empfehlenswert, denn so landet das Rad trotz bestem Schloss schnell auf einem Transporter. Was also tun? Die gute Nachricht: An Geld fehlt es den Kommunen mittlerweile selten. An-dreas Hombach verweist als aktuelles Beispiel auf das „Sonderprogramm Stadt und Land“ des BMVI, das gerade in Kraft getreten ist. Dabei bekommen Regionen erstmals bis zu 90 Prozent der Kosten für Rad-Infrastruktur vom Bund – normal ist Radverkehr Ländersache. Dabei wird ausdrücklich auch Geld für den Bau von Abstellanlagen und Fahrradparkhäusern zur Verfügung gestellt. Oftmals fehlten jedoch die Planer und manchmal auch das tiefere Verständnis für das Thema. Noch immer sei zum Beispiel in vielen Verwaltungen nicht klar, welche Abstellanlagen empfehlenswert sind. „Bitte keine Felgenkiller für teure E-Bikes“, appelliert Andreas Hombach und spricht dabei den längst überholten Vorderradbügel an, der kaum Diebstahlschutz bietet, sondern parkende Räder nur ordnet, verbunden mit dem hohen Risiko, das Vorderrad zu beschädigen. Als „Eier legende Wollmilchsau“ empfiehlt der Experte stattdessen einen Anlehnbügel mit zweitem Querrohr, je nach Parksituation auch mit Überdachung. „Da kann man einfach alles anschließen; das ist auch die beste Lösung für Cargobikes und Liegeräder.“ Ein Vorteil sei, dass der Abstand der einzelnen Bügel zueinander flexibel angepasst werden kann. Wirklich sicher sind aber auch diese Lösungen nicht, denn mit der zunehmenden Verbreitung hochwertiger Räder wächst auch die Professionalität der Diebe. Mittlerweile werden an schlecht einsehbaren Orten statt der hochstabilen Schlösser lieber die Anlehnbügel durchschnitten. Diese Entwicklung könnte auch die Verbreitung von Fahrradparkhäusern oder abschließbaren Boxen für Fahrräder vorantreiben. Sie kosten zwar ein Vielfaches und benötigen mehr Platz, bieten dafür aber nicht nur Schutz vor Diebstahl und Nässe, sondern auch vor neugierigen Blicken.

10 %

Eigenfinanzierung.
Regionen erhalten bis zu 90 Prozent der Kosten für Radinfrastruktur
vom Bund – auch für Abstellanlagen und Fahrradparkhäuser.
Die Hamburger Fahrradhäuschen bieten Platz für 12 Räder und gehören seit den 1990er-Jahren zum Stadtbild.

Clevere Lösungen in Benelux und Hamburg

Während hierzulande in den letzten Jahren in Wohngebieten nach und nach immerhin mehr Abschließmöglichkeiten durch Bügelparker geschaffen wurden, gibt es bei den niederländischen Nachbarn schon seit Jahrzehnten bewährte Konzepte wie spezielle Parkhäuser oder die sogenannte Fietstrommel, eine geschlossene und überdachte Anlage in verschiedenen Versionen, die auf freien Flächen oder umgewidmeten Pkw-Parkplätzen aufgestellt wird. Anwohner können hier einen Radstellplatz im Abo für rund 60 Euro pro Jahr mieten. Die Nachfrage ist hoch und ähnliche Projekte und Anlagen finden sich (z. B. unter dem Namen Velo-Boxx) inzwischen auch großflächig in Belgien und Dänemark. In Deutschland gibt es zwar ebenfalls eine hohe Nachfrage, aber öffentlicher Raum ist knapp und Autoparkplätze umzuwidmen bleibt vielerorts bislang ein Tabu. Regional gibt es eine ähnliche Lösung tatsächlich aber auch hier. In Hamburg ist das „Fahrradhäuschen“ gut vertreten: „Wir haben mittlerweile einige Hundert in Wohngebieten aufgestellt“, sagt Rainer Köhnke, Geschäftsführer des Unternehmens Velopark. Ursprünglich entstanden war die Abstellanlage aus einem sozialpolitischen Projekt. Seit 1995 können Anwohner mit Platz vor dem Haus dieses zehneckige Häuschen von der Stadt aufstellen lassen. „Etwa 7.000 Euro kostet das, die Hälfte steuert die Kommune hinzu“, so Köhnke. Die Stadt Hamburg hat eine eigene Internetseite zur Beantragung eines Häuschens, das zu einem Hamburger Standard geworden ist. Es braucht maximal sechs Quadratmeter und bietet Platz für bis zu zwölf Räder. Die Aufhängung für die Hochkant-Unterbringung ist drehbar gelagert. So spart man Platz, da man den Raum nicht betreten muss. Wer sein Rad abholen will, öffnet die gut lenkerbreite Tür und dreht die Spindel so weit, bis sein Rad in der Öffnung erscheint. Das Rad in der Schiene leicht nach oben schieben, das Vorderrad aus dem Haken und aus dem Ständer nehmen, fertig. Trotz der Erfolgsgeschichte beliefert Velopark neben Hamburg nur wenige deutsche Städte. In Dortmund allerdings konnte das Hamburger Häuschen etwas Fuß fassen, auch hier subventioniert die Kommune einen Großteil der Anschaffungs- und Aufstellungskosten. In Düsseldorf und der Fahrraddiebstahl-Hochburg Münster schützen einige vergleichbare, regional und teils angelehnt ans Hamburger Vorbild entwickelte Fahrradgaragen E-Bikes und Fahrräder in Wohngebieten. Wichtig dabei immer: geringer Flächenbedarf bei maximaler Raumauslastung. Das originale Hamburger Häuschen ist laut Rainer Köhnke in der Schweiz stark vertreten.

„Man muss jetzt sehr schnell und groß handeln, es gibt heute eine enorme Dynamik.“

Jörg Thiemann-Linden, Mitglied Planerbüro „Team Red“, Bonn

Platz zum Abstellen ist eigentlich da

Ein Problem bei der Schaffung von Abstellflächen ist die Verfügbarkeit von Raum, vor allem in den Städten. Hier müssen die fehlenden Flächen künftig wohl vermehrt vom Auto kommen, was rein rechnerisch aber ein Vorteil ist. „Wir erreichen durch die Umwidmung eine enorme Stellplatzvermehrung“, so Jörg Thiemann-Linden, freier Planer für den Radverkehr und Mitglied des Planerbüros „Team Red“ in Bonn. „Ein Autostellplatz entspricht acht Stellplätzen für Fahrräder.“ Besonders wichtig für Fahrradabstellanlagen sei dabei die Positionierung nah an möglichen (Einkaufs-)Zielen. Auch die Geschäftsleute hätten mittlerweile erkannt, dass die Portemonnaie-Dichte steigt, je mehr Menschen ihr Fahrzeug abstellen können.
Mehr Platz fürs sichere Abstellen von Fahrrädern und gleichzeitig mehr Sicherheit verspricht auch das Konzept, das verbotene Kfz-Parken um Kreuzungen und Einmündungen wirkungsvoll mit Fahrradbügeln zu verhindern und wieder wichtige Sichtbeziehungen zu gewährleisten. So könnten allein an einer Standardkreuzung laut ADFC-Konzept 16 Bügel und damit 32 sichere Fahrradstellplätze entstehen.
Auch Lastenräder vergrößern das Platzproblem nach Expertenmeinung nicht, denn meist werden sie von Städtern anstelle eines Autos genutzt. Braucht es dazu spezielle Lastenrad-Parkplätze? „Meiner Einschätzung nach nicht“, so Arne Behrensen, Geschäftsführer der Beraterfirma Cargobike.jetzt und Mitglied im Vorstand des Radlogistik Verband Deutschland e. V. (RLVD). „Wenn der Raum vorhanden ist, ist nicht zu argumentieren, warum in diesem Gebiet separate Abstellanlagen für Cargobikes installiert werden sollten. Was die Ladezonen anbelangt: Wo geliefert wird, da muss eine Ladezone sein – ganz einfach.“
Zum Glück werde nach den Erfahrungen des Planers Thiemann-Linden heute fast grundsätzlich auch in Deutschland die Abstell-Infrastruktur einbezogen, wenn in einer Kommune neue Radweganlagen geplant werden oder wenn ein Marktplatz oder ein Shoppingcenter umgebaut wird. Das reiche aber noch nicht. „Man muss jetzt sehr schnell und groß handeln, es gibt heute eine enorme Dynamik.“

Bei ausreichendem Abstand lassen sich an Anlehnbügeln mit Querrohr auch Cargobikes bequem und sicher abstellen.
Beim Sharea-Angebot der ZEG-Tochter Eurorad können Kunden E-Fahrzeuge für spezifische Zeiträume aus extra gefertigten Garagen mit einem digitalen Verleihsystem mieten.

Neue Mobilität als Teamarbeit

Egal ob es ums sichere Abstellen, Abschließen, Lademöglichkeiten, neue Technologien oder Kommunikation geht, wenn neue Mobilität erfolgreich sein soll, dann ist persönlicher Einsatz und Teamarbeit zwischen den verschiedenen Akteuren gefordert. Mit diesem Ziel lancierte der deutsche Sicherheitsspezialist Abus im letzten Jahr die Kampagne „Get Urbanized“. Ein Videoclip (s. Youtube / Get urbanized) motivierte dabei zum Radfahren. „Wir wollten zum Nachdenken anregen“, so Torsten Mendel, PR-Manager des Unternehmens. Nicht mit erhobenem Zeigefinger, sondern mit Humor wurden in dem Clip die kleinen Schrecken des Arbeitspendelns per Auto und öffentlichen Verkehrsmitteln dargestellt. Probleme, die man mit Fahrradpendeln umgehen kann. Interessant an der Kampagne: Sie zeigte keine Produktwerbung. „Das Primäre war für uns, für Fahrradmobilität zu werben. Erst dann der Gedanke: Wer sich aufs Fahrrad setzt, der kann unser Kunde werden“, sagt Mendel, dessen Unternehmen unter anderem Fahrradschlösser und -helme herstellt. Bei Abus glaubt man, dass man auch mit dem richtigen Schloss und dem passenden Anschließbügel die Mobilität vorantreiben kann. Dazu entwickelt der Hersteller heute auch digitale Lösungen, wie per App und Bluetooth steuerbare Schlösser mit Alarmfunktion. Für die weitere Entwicklung und neue digitale Lösungen ist man bei Abus mit Produzenten von Abstellanlagen genauso im Gespräch wie mit Stadtplanern und Wohnungsbaugesellschaften.
Auf vernetzte Lösungen setzt auch das Unternehmen Eurorad, einer der wichtigsten Innovatoren der Fahrradbranche. Unter dem Namen SHAREA stellt Eurorad Unternehmen, Städten und Kommunen, Wohnungsbaugesellschaften, Energieversorgern etc. eine neuartige Plattform zur Verfügung, welche die Möglichkeit bietet, ein eigenes Sharing-Konzept zu betreiben. Die maßgeschneiderte E-Mobility-Lösung aus einer Hand umfasst topaktuelle IoT-vernetzte E-Bikes, Cargobikes und E-Scooter, modernste App-Technologie, individuelle Abstellanlagen, kompletten Service und einen umfassenden Rundum-Versicherungsschutz. Vorteile für die Betreiber: fest kalkulierbare Kosten und kein Aufwand im laufenden Betrieb.
Angesichts der dynamischen Entwicklung bei der Technologie und den Möglichkeiten der Vernetzung lohnt es sich also auf jeden Fall, nicht nur „in Metall“, sondern auch in neuen Lösungen zu denken. Die Niederländer sind bei ihren Fahrradparkhäusern hier übrigens bereits viel weiter und arbeiten mit integrierten Lösungen für Zugänge und Abrechnungen per Smartcard und Apps und sorgen so für eine lückenlose Verbindung mit Sharing-Anbietern und dem öffentlichen Verkehr.

Umfassender Leitfaden zur Planung aus Hessen

Einen umfassenden Leitfaden zur Planung von Radabstellanlagen hat das hessische Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen herausgegeben. Für den Leitfaden wurden verschiedene Situationen vom Wohnhaus über den Gewerbebetrieb bis zu öffentlichen Plätzen untersucht. Die Aufgaben sei keineswegs trivial, so die Macherinnen und Macher, denn die Anforderungen seien von Ort zu Ort sehr unterschiedlich.

Zum Download:nahmobil-hessen.de/unterstuetzung/planen-und-bauen/radabstellanlagen


Bilder: SecuBike Fietstromme, Wikimedia – Creative Commons, Heinrich Strößenreuther, Eurorad