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Radverkehr in der dritten Dimension

„Wieso kann man nicht den Platz oberhalb einer Straßenbahn nutzen, um schnell mit dem Fahrrad unterwegs zu sein?“ Diese Frage stand am Anfang eines Denkprozesses und der folgenden Gründung des Schweizer Start-ups Urb-X. Ein Radhochweg aus Holz, modular und flexibel wie eine Carrera-Bahn, so ließe sich die Idee wohl am besten beschreiben. Hinzu kommen smarte Anwendungen. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 03/2021, September 2021)


Die Grundidee eines Radhochwegs ist kein Novum. Schon im Jahr 1900 wurde der erste Weg dieser Art, der „California Cycleway“, zwischen Pasadena und Los Angeles konzipiert. Auch in anderen Regionen gibt es Radhochwege; wo jedoch bisher immer kostenintensive Individuallösungen vonnöten waren, soll es bei Urb-X (urb-x.ch) einen Baukasten geben, aus dem sich Planer*innen bedienen können. Mittels Standardisierung und Modularität soll ein konkurrenzfähiges Produkt entstehen. Die nötigen Investitionen belaufen sich nach Angaben des Unternehmens auf zwei bis drei Millionen Euro pro Kilometer. Unterschiede ergeben sich je nach Streckenverlauf und der Anzahl der nötigen gekrümmten Module. Mit kalkulieren müsse man zusätzliche 25 Prozent für die Errichtung der notwendigen Stützpfeiler.

Pendeln fernab des Autoverkehrs

Die Firma plant, einzelne, standardmäßig je 20 Meter lange Module auf Stahlpfeilern zu montieren. Auf einer Breite von 4,40 Metern sollen so „Schnellstraßen“ für Radfahrende entstehen, mit je zwei 1,10 Metern breiten Spuren pro Fahrtrichtung. Besonders attraktiv sei der Bau durch die Trennung des Radverkehrs von anderen Verkehrswegen für Pendlerinnen. „Die Verkehrsinfrastruktur stößt weltweit in den meisten Städten an ihre Kapazitätsgrenzen – wir müssen deshalb urbane Mobilität neu denken“, sagt Bálint Csontos, COO und Mitbegründer der Schweizer Firma. „Die aufgeständerten Bike-Highways ermöglichen eine Entflechtung des Fahrrads von den anderen Verkehrsträgern, was ein schnelles und sicheres Pendeln bei gleichzeitig hohen Kapazitäten erlaubt.“ Bislang ist ein erstes Modul in Zusammenarbeit mit einem Schweizer Holzbauunternehmen entstanden. Folgen soll bald eine Teststrecke auf einem Grundstück in Basel, welches die Schweizer Bundesbahnen für Smart-City-Initiativen zur Verfügung stellt. An der Finanzierung wird derzeit gearbeitet. Die Chancen stünden gut, dass die Teststrecke im nächsten Jahr besucht werden kann und dann der globale Roll-out erfolge, heißt es. In Gesprächen mit Stadtplanerinnen werde viel Interesse bekundet. Aktuell investiere die Firma viel Zeit in die Bauvorbereitung der Teststrecke. Parallel dazu wird auch an einem Tool gearbeitet, das die Planung und Visualisierung von Fahrradstrecken wesentlich erleichtern soll.

Bálint Csontos, COO und Mitbegründer des Unternehmens Urb-X AG aus Birsfelden in der Schweiz sieht für das Konzept große Chancen.

Integration von smarter Technik geplant

Das Trägerelement des Radhochwegs bildet eine Hohlkammer aus Holz, die über die Stahlstützpfeiler mit dem Boden verbunden ist. Damit sind die Einwirkungen auf den Boden – Stichwort Versiegelung – minimal. Je Trägerelement werden acht Fahrbahnelemente aufgesetzt, die modular vorgefertigt werden. Holz ist für das Unternehmen dafür das perfekte Material, auch aus Gründen der Nachhaltigkeit. In die Fahrbahn werden nach dem Urb-X-Konzept Heizelemente und Sensoren eingearbeitet, die beispielsweise eine bedarfsgesteuerte „mitfahrende“ Beleuchtung ermöglichen sollen. Die Fahrdaten, die ermittelt werden, können der Stadtplanung zudem zur Verkehrsleitung zur Verfügung gestellt werden. Am Rand der Fahrbahn wird ein Geländer installiert, das gleichzeitig als Träger für eine großflächige Photovoltaikanlage dienen soll. Damit soll mehr Strom produziert werden, als verbraucht wird. Pro Kilometer Strecke rechnet das Unternehmen mit bis zu einem Megawatt Leistung. Potenziell machbar soll auch eine Beschattung mit Rankpflanzen sein.

Baukasten als Vorteil

Ein fertiges Trägerelement wiegt 5,4 Tonnen; pro Fahrbahn-Element inklusive Geländer etc. fallen weitere 725 Kilogramm an. Insgesamt ergibt sich so ein Gewicht von 11,3 Tonnen pro 20-Meter-Modul. Bei Problemen wird selbstständig Alarm ausgelöst und bei Bedarf sollen sich einzelne Module problemlos austauschen lassen. Vorteile soll es auch bei der Baugeschwindigkeit geben. Man erwarte, eine Bauleistung von 150 bis 250 Metern pro Woche erbringen zu können, Fundamente und Stützen ausgenommen. Denkbar seien auch Interimslösungen für fünf bis zehn Jahre. So ließe sich beispielsweise eine größere Baustelle überbrücken. Flexibilität soll es auch bei der Herstellung und der Nutzung geben. Es gibt eine Produktionspartnerschaft in der Schweiz, der Bau der Module könne aber auch lokal umgesetzt werden. Möglich seien auch gemischte Lösungen für Fuß- und Radverkehr. Auch der Aufbau der Stützpfeiler erlaube Spielräume. Kürzer können die Abstände ohnehin immer werden, aber auch andere Lösungen, wie Flussquerungen mit einer Hängebrücke sollen möglich sein.


Bilder: Andreas Zimmermann Fotografie, Urb-X AG