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Das Auto dominiert die Mitarbeiter-Mobilität in Deutschland. Doch Unternehmen haben schon jetzt einen ganzen Köcher an Maßnahmen, um der Belegschaft das Fahrrad und andere Alternativen schmackhafter zu machen.

(erschienen in VELOPLAN, Nr. 03/2025, September 2025)


65 Prozent der Pendlerinnen fahren laut dem in diesem Jahr veröffentlichten Mikrozensus des Statistischen Bundesamts in der Regel mit dem Auto zur Arbeit. Dieser Wert ist gegenüber der Erhebung von 2020 immerhin um 3 Prozentpunkte gesunken. Das dürfte zu einem großen Teil am Deutschland-Ticket liegen, das dazu beigetragen hat, dass 2 Prozent mehr (nun 16 Prozent) den ÖPNV für ihren Weg zur Arbeit wählen. Das Fahrrad liegt als Verkehrsmittel laut den Datensätzen auf dem dritten Platz mit 10 Prozent Pendlerinnen-Anteil. Gegenüber 2020 ist dieser Wert jedoch unverändert geblieben. Wie lässt sich diese Stagnation überwinden? Für diese Frage lohnt es, die Hebel näher zu betrachten, die Unternehmen betätigen können, um das Fahrrad als Fahrzeug für Pendler*innen zu stärken.
Wer als Unternehmen das Fahrrad als Fahrzeug angemessen fördert, kann sich vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club e.V. (ADFC) als fahrradfreundlicher Arbeitgeber zertifizieren lassen. Projektleiterin Sara Tsudome weiß, dass es viele verschiedene Werkzeuge gibt, um das Radfahren in der Belegschaft zu fördern. „Ein sehr wichtiger Bereich sind die Abstellanlagen. Arbeitgeber, die sich damit schon beschäftigt haben, sind im Vorteil“, erklärt Tsudome das in ihren Augen größte Handlungsfeld für viele Unternehmen. Wer sein Fahrrad nicht richtig abstellen kann, bringt es aus Sorge um Beschädigungen oder Diebstahl oft gar nicht erst mit. „Felgenklemmer“, die nur die Vorderräder abstützen, reichen nicht aus, so Tsudome. Unterschätzt sei als Maßnahme, dass auch Spezial- oder Lastenräder Stellplätze brauchen, für die reguläre Fahrradbügel nicht die richtigen Ankerpunkte oder zu schmale Stellflächen bieten. An diese Fahrzeuge würden viele Unternehmen nicht denken.

Auch während der Arbeit können Fahrräder in der Mitarbeitermobilität zum Einsatz kommen.

55 Maßnahmen fürs Zertifikat

Abstellanlagen sind eine der Maßnahmen, die sich nicht von heute auf morgen umsetzen lassen und je nach Unternehmensgröße eine kostenintensive Investition darstellen können. Andere Werkzeuge sind hingegen schneller umsetzbar. 55 Maßnahmen hat der ADFC in einem Handbuch gesammelt, das auch als Grundlage dafür dient, die Betriebe zu zertifizieren: „Die Maßnahmen lassen sich in sechs verschiedene Felder einordnen. Wer sich zertifizieren lassen möchte, muss in allen Feldern Maßnahmen nachweisen können.“ Die Aktionsfelder (AF) zeigen, dass Betriebe vielfältige Möglichkeiten haben. Sie können die Radfahrerinnen im Betrieb vernetzen oder belohnen (AF Information, Kommunikation und Motivation), Räder, Lastenräder oder Fahrradanhänger für betriebliche Transporte anschaffen (AF Koordination und Organisation) oder Fahrrad-Check-Tage und Gesundheitsangebote anbieten (AF Service). Außerdem ließen sich Trockenräume und Duschen installieren (AF Infrastruktur), Dienst-Pkw reduzieren (HF Parkraum-Management und Komplementärmaßnahmen) und eine Fahrrad-Service-Box für Besucherinnen oder Kundinnen einrichten (AF Kundenverkehr). Die einzelnen Maßnahmen wirken am besten zusammen, weil sie ineinandergreifen und ihre Wirkung wechselseitig verstärken können. Wer das Zertifikat als fahrradfreundlicher Arbeitgeber erlangen will, muss in allen Handlungsfeldern Aktivitäten vorweisen können. Wenn es eine gute Infrastruktur gibt, aber keine Motivation in der Belegschaft, diese zu nutzen, ist wenig gewonnen, erklärt Tsudome. Andersherum kann sich eine geschaffene Motivation nicht entfalten, wenn es keine konkreten Angebote gibt. Wichtig sei zudem, eine Person im Betrieb zu benennen, die sich des Themas annimmt, und ein langfristiges Konzept zu erarbeiten. Hilfreich ist weiter, über die Maßnahmen zu informieren: „Gerade bei größeren Betrieben oder Organisationen kann es schnell passieren, dass Leute überhaupt nicht wissen, welche Angebote es gibt.“ Die Informationen gilt es wiederholt in der Belegschaft bekannt zu machen. In den meisten Betrieben gibt es schließlich regelmäßig neue Mitarbeiterinnen oder eine veränderte Lebenssituation bei bestehenden Team-Mitgliedern, etwa wenn deren Kinder anfangen, alleine zur Schule zu fahren.
Ob die Mitarbeiter*innen das Fahrrad nutzen können und damit komfortabel, schnell und sicher unterwegs sind, haben nicht nur die Unternehmen in der Hand, sondern auch die Kommunen und Kreise. Gerade in Industriegebieten auf der grünen Wiese ist es eine Frage des Glücks, ob diese das Radwegenetz bis dorthin mitplanen. Doch Tsudome sagt: „Wir bestärken die Arbeitgeber auch darin, dass sie mit ihren Kommunen und ihren Kreisen ins Gespräch gehen.“ So können sich Unternehmen allgemein für den Radverkehr an ihrem Standort starkmachen oder konkrete Lückenschlüsse, Querungshilfen und Co. an schwierigen Stellen einfordern.
„Das Interesse an den Zertifizierungen steigt weiter an“, resümiert Tsudome. Die Zertifikate ermöglichen es, als Arbeitgeber positiv aufzufallen. Das Interesse sei insbesondere da hoch, wo Branchen es schwer haben, Leute zu finden, sagt Tsudome.

Sechs Aktionsfelder sieht der ADFC, um als Unternehmen fahrradfreundlich zu werden. Wer entsprechend zertifiziert werden möchte, muss in allen Bereichen Maßnahmen umsetzen.

Leasing ist verbreiteter Benefit

Die Studie „Berufliche Mobilität neu gestalten“ des Future Mobility Lab, an der unter anderem die Universität St.Gallen und Jobrad beteiligt waren, hat bestätigt, dass Arbeitgeber großen Einfluss darauf haben, wie Arbeitnehmerinnen ihre Mobilität gestalten. Zudem attestiert sie, dass in diesem Bereich vieles in Bewegung ist. Die Ende März veröffentlichte Umfrage unter knapp 1000 Arbeitgebern und knapp 3000 Arbeitnehmerinnen ergab, dass 59 Prozent der Unternehmen ihre Mobilitätsangebote in den letzten Jahren geändert hatten oder zum Zeitpunkt der Studie änderten. Beliebte Maßnahmen bei diesem Anteil der Befragten waren, Flotten zu elektrifizieren (72 Prozent) und mehr Homeoffice-Tage zu gestatten (62 Prozent).
Spitzenreiter unter den umgesetzten Instrumenten (77 Prozent) war es, Dienstrad-Leasing einzuführen. Alex Han ist Leiter Dienstrad-Leasing und Head of Sales MicroMobility bei Kazenmaier Leasing GmbH. Das Unternehmen hat seine Ursprünge in der Autovermietung und bietet umfangreiche Leasing-Angebote an, von Fahrrädern und Rollern bis hin zu Bussen und Lkws. Er erklärt den Reiz dieser Finanzierungsform: „Sowohl im Auto- als auch im Fahrrad- oder Rollerbereich ist ein Leasing-Modell über Entgeltumwandlung für Mitarbeiter ein Vorteil, weil rein theoretisch jeder davon profitieren kann. Davon profitieren nicht nur ausgewählte Mitarbeiter, wie beim Dienstwagen, sondern die breite Masse.“
Wer nicht nur einen Minijob hat oder kurz vor dem Renteneintritt steht, kann bei einem abgeschlossenen Rahmenvertrag des Arbeitgebers üblicherweise mit einer Laufzeit von 36 Monaten Leasing-Verträge abschließen. „Leasing wird in Deutschland immer populärer“, so Han. Für Unternehmen könne der Benefit dazu beitragen, Mitarbeiterinnen zu motivieren und zu halten. Die Nachfrage sei hoch. Genauso freuen sich viele Arbeitgeber, den Service anbieten zu können, erklärt Han: „Den Arbeitgeber kostet das Leasing praktisch gar nichts, weil er die Sozialversicherungsbeiträge spart. Dadurch kann er zum Beispiel im Fahrrad-Leasing auch die Kosten für eventuelle Pakete übernehmen. Insgesamt spart das Unternehmen aber immer noch ein paar Euro.“ Dass Mitarbeiterinnen beim Leasing Geld sparen, führt mit Blick auf die Fahrräder und E-Bikes dazu, dass sie sich hochwertigere Fahrzeuge anschaffen können. Laut einer Studie von Zukunft Fahrrad und Deloitte lag der Durchschnittspreis im vergangenen Jahr bei 3720 Euro für ein geleastes E-Bike und 2600 Euro für ein geleastes Fahrrad. Diese Fahrzeuge dürften mehr Freude bereiten, länger halten und insgesamt stärker zum Radfahren motivieren. Für ein Dienstrad gilt: „Die Mitarbeitenden müssen es nicht zum Pendeln nutzen“, so Han. Für Betriebe bestünden jedoch Möglichkeiten, zu fördern, dass die angeschafften Räder auch auf dem Weg zur Arbeit zum Einsatz kommen. Apps wie Stadtradeln, ByCycling, Radbonus, DB Rad+ und Co. erlauben es, die gefahrenen Kilometer festzuhalten. Arbeitgeber könnten diese Services für einen Wettbewerb nutzen. „So was steht gerade erst am Anfang. Aber es wird immer mehr Thema werden“, meint Han.

Mobilitäts-Budget hat viel Potenzial

Die Studie des Future Mobility Lab brachte noch eine weitere Erkenntnis zur betrieblichen Mobilität hervor. Rund 40 Prozent der befragten Unternehmen wissen nur sehr wenig über die Mobilitätsbedürfnisse und das Mobilitätsverhalten ihrer Mitarbeitenden. Außerdem sind viele von ihnen unsicher hinsichtlich regulatorischer Bestimmungen. (Steuer-)Rechtliche Fragen hindern 43 Prozent daran, ihre Angebote weiterzuentwickeln, gefolgt von Budget-Fragen (44 Prozent) und dem Finden von passenden digitalen Lösungen zur Prozessabwicklung (26 Prozent). In diese Kerben will das Unternehmen Fast2Work GmbH schlagen. Geschäftsführer Ronald Bankowsky erläutert: „Die Fast2Work verfolgt die Aufgabe, mit belastbaren Zahlen das Mobilitätsverhalten infrage zu stellen. Erst, wenn du weißt, was du wirklich machst, kannst du es verändern.“
Zu diesem Zweck haben Bankowsky und sein Team eine Software entwickelt, mithilfe derer sie Benefits in einer App sichtbar machen können. Wer als Unternehmen die Dienstleistung wahrnimmt, erhält zunächst über eine Umfrage Einblicke, wie das aktuelle Mobilitätsverhalten der Mitarbeiterinnen ist. Auch die Mitarbeiterinnen selbst können sehen, welche Kosten und welcher CO2-Ausstoß mit den eigenen Fortbewegungsgewohnheiten verbunden ist.
Bankowsky, der vor Fast2Work schon die Mein Dienstrad GmbH gegründet hat, meint, dass Dienstrad-Leasing vor allem jene Leute interessiere, die ohnehin das Fahrrad nutzen. Mehr Potenzial, Mitarbeitende vom Auto wegzulocken, sieht er in dem Konzept eines Mobilitäts-Budgets: „Das ist das weitergedachte Dienstrad sozusagen. Damit lassen sich mehr Leute erreichen.“ Noch zu Zeiten der Ampelkoalition gab es einen politischen Vorstoß, der den rechtlichen Rahmen für Mobilitäts-Budgets vereinfachen sollte. Das Vorhaben scheiterte an der nötigen Mehrheit im Bundesrat. Bankowsky: „Es gab eine große Initiative im letzten Jahr dafür, dass das Mobilitäts-Budget im Gesetz verankert wird, sodass jedes Unternehmen seinen Mitarbeitern eine gewisse Summe pauschal besteuert zur Verfügung hätte stellen können.“ Bankowsky rechnet damit, dass der nächste Gesetzesentwurf noch in dieser Legislaturperiode kommen wird. Dann wollen er und sein Team mit der Verwaltung von Mobilitäts-Budgets durchstarten.

Fast2Work visualisiert Benefits in einer App. Außerdem bietet das Unternehmen eine Bezahlkarte für Sachbezüge.

Wer Verantwortliche benennt und das Fahrrad durch Wettbewerbe und andere Aktionen zum Teil der Unternehmenskultur macht, kann so fördern, dass die Belegschaft umsteigt.

600 Euro jährlich

Bis das Mobilitäts-Budget richtig Fahrt aufnimmt, nützt die Anwendung von Fast2Work vor allem dafür, bestehende Benefits für Mitarbei-terinnen sichtbar zu machen. Dazu zählen etwa Essensgutscheine oder das Deutschland-Ticket. Dazu kommt ein wichtiges, flexibel einsetzbares Instrument, wie der Geschäftsführer erklärt: „Im Augenblick gibt es den Sachbezug. Das sind 50 Euro im Monat, die nicht besteuert werden. Damit kannst du Mobilität bezahlen oder ins Fitness-Studio gehen.“ Den Sachbezug können Unternehmen mit einer speziell dafür ausgelegten Bezahlkarte umsetzen, die Fast2Work anbietet. 600 Euro im Jahr lassen sich dafür ohne Lohnnebenkosten zur Verfügung stellen. Das Budget lässt sich über Monate hinweg ansparen. Die Betriebe können festlegen, wofür und wo die Mitarbeitenden das Geld ausgeben. Denkbar sind zum Beispiel Lebensmittel aus Bioläden, Schutzkleidung und Zubehör fürs Radfahren oder eben Mobilitätsangebote. Für Mitarbeiter-Benefits, beispielsweise auch das Deutschlandticket, betont Bankowsky, dass es wichtig sei, diese strategisch einzusetzen. Nicht jedes Angebot sei für alle Mitarbeiterinnen relevant. Manche bräuchten Alternativen. Bankowsky plädiert dafür, das Verhalten der Mitarbeiterinnen differenziert über Bonus- und Malus-Systeme zu steuern. Man könne etwa Parkplätze für jene Teile der Belegschaft verteuern, die eine gute Möglichkeit haben, mit dem ÖPNV oder Rad anzureisen, und sie kostenlos anbieten für jene, die es nicht können. Eine weitere Möglichkeit sieht er darin, das Radfahren generell oder bei Regen und im Winter mit einer Prämie zu belohnen. Persönliches Verhalten zu ändern, sei oft ein träger Prozess, meint Bankowsky. „Man hat seine Komfortzone und einen festen Ablauf.“ Hilfreich können Positiverlebnisse außerhalb des beruflichen Kontexts sein, etwa die sonntägliche Radfahrt zum Bäcker oder die Tour im Urlaub. Finanzielle Steuerungselemente werden dann wirksamer, wenn man Einsparungen oder Bonus-Zahlungen konkreter erscheinen lässt. Viele Menschen wüssten etwa gar nicht genau, was ihr Auto sie eigentlich kostet, weil sie keine Vollkostenrechnung machen. Bankwosky: „Wenn man die Ersparnisse als Familienurlaub oder als 50 Restaurant-Besuche sieht, klingt das schon ganz anders.“ Allgemein gilt laut Bankowsky, wenn Menschen ihr persönliches Verhalten ändern sollen: Sie müssen sehen, dass es andere Wege gibt, diese ausprobieren und dafür gewürdigt werden. Unternehmen haben mehr als einen Schlüssel in der Hand, um ihre Mitarbeiterinnen dabei zu unterstützen. Aber auch die Rahmenbedingungen vor Ort und in der Politik müssen stimmen. Letzteres hat das Dienstrad-Leasing bereits erfolgreich bewiesen. Es bleibt abzuwarten, ob auch das Mobilitäts-Budget durch rechtliche Vereinfachungen bald dazu kommen wird, sein Potenzial für die Mobilitätswende endlich auszuschöpfen.


Bilder: Andreas Bittner, Grafik: Fahrradfreundliche Arbeitgeber, Brunsbüttel Ports GmbH, Fast2Work GmbH, HS Ansbach

(erschienen in VELOPLAN, Nr. 03/2025, September 2025)


Carina Heinz

Referentin Deutsches Institut für Urbanistik

Aus kommunaler Sicht liegt im Einsatz von Fahrrädern und insbesondere Lastenrädern in der betrieblichen Mobilität ein erhebliches ungenutztes Potenzial. Viele innerstädtische Fahrten, die heute mit Pkw oder Kleintransportern durchgeführt werden, könnten effizienter, kostengünstiger und umweltfreundlicher mit dem Rad erledigt werden. Davon profitieren nicht nur Betriebe, sondern auch Städte insgesamt: weniger Verkehr, geringere Emissionen und eine bessere Nutzung des öffentlichen Raums.
Um dieses Potenzial zu heben, sind Kommunen in einer Schlüsselrolle: Sie sind Treiber! Einerseits können sie selbst mit gutem Beispiel vorangehen – etwa durch die Integration von Lastenrädern in kommunale Eigenbetriebe, Stadtwerke oder Verwaltungsfuhrparks. Andererseits können sie die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, damit auch Unternehmen auf das Rad setzen: durch die Ausweisung geeigneter Liefer- und Ladezonen, sichere Abstell- und Ladeinfrastruktur, gezielte Förderprogramme sowie die Unterstützung von betrieblichen Mobilitätsmanagement-Prozessen.
Zugleich können Kommunen als Moderatoren wirken, indem sie Netzwerke und Modellprojekte initiieren, in denen Betriebe, Logistikunternehmen und Verwaltung gemeinsam Lösungen entwickeln. So lassen sich gute Beispiele verstetigen und Wissen verbreiten.
Mit diesen Maßnahmen tragen Kommunen dazu bei, das Fahrrad in der betrieblichen Mobilität zu einem zentralen Baustein nachhaltiger Stadtentwicklung zu machen – mit Vorteilen für Unternehmen, Beschäftigte, die Stadtgesellschaft und das Klima.

Sarah-Helene Sowa

Head of Sustainability bei Riese & Müller

Das E-Bike hat für Unternehmen ein enormes Potenzial, das bislang oft noch nicht voll ausgeschöpft wird. Es eröffnet Mitarbeitenden die Möglichkeit, auch längere Pendelstrecken und Arbeitswege problemlos zurückzulegen und dabei aktiv, aber dennoch entspannt am Arbeitsplatz anzukommen. Gerade im städtischen Umfeld zeigt sich der Vorteil sehr deutlich: keine Staus, kein langes Suchen nach Parkplätzen und in vielen Fällen sogar deutlich schnellere Wege als mit dem Auto. Lastenräder erweitern dieses Spektrum zusätzlich, weil sie den nötigen Stauraum für Arbeitsmaterial oder private Erledigungen bieten.
Damit solche Lösungen im Alltag tatsächlich genutzt werden, braucht es zunächst die passende Infrastruktur – also Abstellanlagen, Lademöglichkeiten und Duschen – und attraktive Angebote wie Dienstrad-Leasing. Wichtig ist aber, auch den ersten Schritt zu erleichtern. Angebote wie Test-Bikes oder eine kleine Leihflotte schaffen die Chance, dass Mitarbeitende den Nutzen einmal selbst erfahren können. Und diese persönliche Erfahrung wirkt meist stärker als jede theoretische Argumentation.
Eine wesentliche Rolle spielt zudem das Management: Wenn Führungskräfte selbst aufs Rad steigen, senden sie ein klares Signal: Nachhaltige Mobilität ist nicht nur ein Konzept, sondern Teil einer gelebten Unternehmenskultur.

Axel Schäfer

Geschäftsführer Bundesverband Betriebliche Mobilität e. V.

Das Fahrrad hat im betrieblichen Mobilitätsmix noch deutlich ungehobenes Potenzial. Unsere Befragung – der BBM Mobility Survey – zeigt: Mehr als ein Viertel aller Beschäftigten hat einen Arbeitsweg von maximal fünf Kilometern – ideale Bedingungen also für Rad- oder E-Bike-Nutzung. Die Ergebnisse zeigen aber auch, dass heute noch mehr Menschen mit dem Pkw unterwegs sind als mit dem Fahrrad. Gleichzeitig planen 21 Prozent der Arbeitnehmenden, ihr Mobilitätsverhalten in den kommenden Jahren zu ändern, wobei das Fahrrad eine zentrale Rolle spielt. Die Bereitschaft, auf das Fahrrad umzusteigen, ist damit gegeben – doch es bedarf gezielter Maßnahmen, um dieses Potenzial voll auszuschöpfen.
Was können wir tun? Die Befragten nennen bessere und sichere Radwege sowie Abstellmöglichkeiten als wichtigste Hebel, um ihr Mobilitätsverhalten nachhaltig zu verändern. Unternehmen können dieses Potenzial erschließen, indem sie Radfahren aktiv erleichtern: Dienstrad-Leasing, sichere Stellplätze, Ladeinfrastruktur für E-Bikes sowie Duschen und Umkleiden am Arbeitsplatz sind zentrale Faktoren. Entscheidend ist aber auch, dass die Kommunen für durchgängige und sichere Radwege sorgen. Erst die Kombination aus Arbeitgeberangeboten und guter Infrastruktur schafft die Grundlage, damit das Fahrrad zur echten Alternative im Arbeitsalltag wird.

Eileen Niehaus

Geschäftsführerin Cargobike.jetzt

Wir sehen enormes Potenzial in der Nutzung des Fahrrads im gewerblichen Bereich. Das heißt, kleine und größere Gewerbe profitieren vom Einsatz des (Lasten-)Fahrrads oder Fahrradanhängers für Service- oder innerstädtische Lieferfahrten mit mittelschwerem und nicht allzu sperrigem Transportgut. Insbesondere als Ergänzung zum bestehenden Fuhrpark bietet das Fahrrad enorme Vorteile: zeitliche Einsparungen durch Stauumfahrungen und wegfallende Parkplatzsuche, Ersparnisse in Anschaffung und Unterhalt, Mitarbeitende ohne Führerschein sind einsetzbar und vieles mehr. Es gibt Wege im Betrieb, die sich gut oder sogar besser mit dem Rad umsetzen lassen. Handwerksbetriebe oder Elektriker*innen beispielsweise müssen nicht immer viel Material mitnehmen. Aber selbst größere Gegenstände und Leitern sind mit dem Rad beziehungsweise Anhänger transportierbar. Es gibt etliche Modelle oder spezielle Firmen auf dem Markt, die für unterschiedliche Gewerbe passende Aufbauten anbieten.
Das Potenzial lässt sich durch das Lückenschließen von fehlender Information erschließen. Dafür haben wir im Rahmen eines Förderprojekts die Website cargobikes4business.com erstellt. Sie liefert Gewerbetreibenden von A–Z alle Infos zum Thema Lastenrad und Anhänger für den Betrieb. Sie gibt Hinweise, welcher Rad- oder Anhängertyp für meinen Einsatzzweck am besten geeignet wäre. Außerdem sehen wir einen Hebel im Ausprobieren. Wenn Betriebe Fahrräder oder Anhänger testen, können sie am besten erkennen, wie sinnvoll der Einsatz ist und dass es sogar Spaß macht.

Berthold Schröder

Präsident der Handwerkskammer (HWK) Dortmund

Statistiken zeigen: In Deutschland legen Menschen zunehmend mehr Wege und längere Strecken mit dem Fahrrad zurück. Auch in Handwerksbetrieben nimmt die Radnutzung zu. Dennoch gibt es weiterhin bei der Mitarbeitermobilität sowie im Werkverkehr ungenutzte Potenziale.
Einige Betriebe, sowohl im urbanen als auch im ländlichen Bereich, bieten ihren Beschäftigten bereits ein Dienstrad an. Die Gründe dafür sind vielfältig. Neben Umwelt- und Gesundheitsaspekten kann ein solches Angebot die rbeitgeberattraktivität stärken – ein wichtiger Faktor im Wettbewerb um Fachkräfte.
Ob das Fahrrad für den Arbeitsweg geeignet ist, hängt von den Rahmenbedingungen ab.
Besonders vielversprechend ist die Möglichkeit, verschiedene Verkehrsmittel zu kombinieren. Solche vernetzten Konzepte gilt es weiterzuentwickeln.
Im Werkverkehr nutzen vor allem Gewerke wie Bäcker oder Schornsteinfeger schon länger das Rad. Leistungsfähige Technik und vielfältige Ausstattung machen es auch für andere Gewerke interessant. Entscheidend ist auch hier, Verkehrsmittel effizient zu kombinieren – nicht „entweder oder“, sondern „sowohl als auch“.
Der MobilityHub Handwerk, gefördert vom Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr NRW, wirbt gemeinsam mit beteiligten Handwerkskammern, zu denen auch die Handwerkskammer Dortmund gehört, für das Fahrrad als Teil eines nachhaltigen Mobilitätsmixes.

„Entscheidend sind die Menschen, die Begeisterung ins Unternehmen tragen.“

Amelie Suttner, Velokonzept

Amelie Suttner

Projektleiterin Konferenzen & Community Velokonzept

Das Fahrrad gewinnt im betrieblichen Mobilitäts-Management immer mehr an Bedeutung. Damit es sein volles Potenzial entfalten kann, braucht es jedoch mehr als Abstellanlagen, Umkleiden oder Leasingmodelle. Entscheidend sind die Menschen, die Begeisterung ins Unternehmen tragen – Botschafterinnen und Motivatorinnen, die Kolleg*innen mitnehmen, inspirieren und Lust aufs Radfahren machen.
So entsteht Schritt für Schritt eine Mobilitätskultur, in der das Radfahren selbstverständlich wird – und aus Angeboten ein echter (Verhaltens-) Wandel.


Bilder: difu, Riese & Müller, BBM, Cargobike.jetzt, HWK Dortmund, Stefan Haenel

Wenn das Bike spielerisch mit Autos im Stadtverkehr mithalten kann, dann beginnt die Verkehrswende und damit die Freiheit. So könnte man das Versprechen des S-Pedelecs interpretieren. Doch sind Autofahrende bereit, die Straße zu teilen? Oder werden S-Pedelec-Nutzende zum Freiwild? Fahrstil-Herausgeber Gunnar Fehlau startete für die neue Ausgabe des Radkulturmagazins einen Selbstversuch.

(erschienen in VELOPLAN, Nr. 03/2025, September 2025)


Der erste Blick auf ein S-Pedelec offenbart fürs ungeschulte Auge fast keinen Unterschied zum klassischen Pedelec. Widmen wir uns darum kurz den inneren Werten: Während das „klassische“ Pedelec die Beine bis 25 km/h unterstützt, „schiebt“ das S-Pedelec bis 45 km/h mit. Aus einem gemütlichen Radwegrad wird so ein Verkehrsmittel mit Tour-de-France-Tempo. Dass dieses Fahrzeug – denn es ist juristisch kein Fahrrad mehr – auf deutschen Straßen fahren darf, ist kein Ergebnis eines planvollen, politischen Gestaltungsverfahrens, sondern vielmehr Konstruktions- und Regulationsslalom durch die Anforderungen und Ausschließungen bestehender Fahrzeugklassifizierung. Die ersten S-Pedelecs auf die Straßen zu bringen, war in den Nullerjahren exakt so kompliziert, wie es hier klingt, und hing nicht selten vom Wohlwollen einzelner Institutionen und Personen ab. Was an einem Ort legal in den Verkehr gebracht werden konnte, wurde an anderer Stelle abgewiesen. Diese wilde Phase wich vor gut zehn Jahren einem weitgehend einheitlichen bundesweiten Vorgehen.

Vom Fahrrad zum Fahrzeug

Mit der rechtlichen Transformation vom Fahrrad zum Fahrzeug (Kleinkraftrad, Klasse L1e B bei zweirädrigen bzw. L2e bei dreirädrigen Fahrzeugen) gehen viele kleine und große Unterschiede einher. Das Gesetz schreibt Details und Ausstattungsmerkmale vor, wie eine bestimmte Form der Bremshebel, die Ausführung des Seitenständers, die Lichtfunktionen oder auch seitliche orange-farbene Reflektoren, um nur einige zu nennen. Das Fahrzeug muss versichert und mit entsprechenden Kennzeichen gefahren werden. Bei Nutzung, Wartung, Unterhalt und Modifikation muss umgedacht werden.

Das Straßenschild „S-Pedelec frei“ findet man bisher nur in und um Tübingen.

Wo die Freiheit fahren darf

Alle, die ihre Teenage-Jahre vor der Jahrtausendwende erlebten, sind beim S-Pedelec-Verstehen im Vorteil. Sie können auf die Mofa-Lebensrealität ihrer Jugendzeit referenzieren. Das hat eine gewisse juristische Unschärfe, trifft aber in vielen Aspekten den Punkt. Etwa bei der Streckenwahl. Das S-Pedelec ist ein Kraftfahrzeug. Damit sind Waldwege, Stadtparks und auch Radwege tabu, so sie nicht explizit für die Nutzung mit dem „Leichtkraftrad“ freigegeben sind. Der Umkehrschluss: Mit dem S-Pedelec muss man auf der Straße fahren.

Gut behütet

Während beim Fahrrad die Entscheidung zum Helmtragen eine individuelle und freiwillige ist, schreibt die StVO schon seit vielen Jahren für Vehikel der Fahrzeugklassen, die auch das S-Pedelec umfassen, einen „geeigneten Helm“ vor. Auch hier zeigte sich, dass einzelne Akteurinnen den Begriff „geeignet“ anfangs extrem unterschiedlich auslegten. So kam es zu Verkehrskontrollen, in denen Polizistinnen monierten, dass auf dem S-Pedelec ein Motorrad-Integralhelm zu tragen sei. Hier hat ein Interessenvermittlungsprozess zwischenzeitlich für Klarheit und entsprechende „Normierung“ gesorgt. Es gibt S-Pedelec-konforme Helme, die in Erscheinung und Nutzungserleben (Gewicht, Tragekomfort, Rundumsicht usw.) nahe am Fahrradhelm sind und deren Sicherheits-Niveau der S-Pedelec-Geschwindigkeit Rechnung trägt. Es gilt aber rigoros: kein Helm, kein Fahren!

Traumgeschwindigkeiten im Ruhepuls

Hersteller Stromer hat mir zum Praxistest für diesen Artikel ein „ST5“ zur Verfügung gestellt. Jetzt ist Zeit, mal auf das Rad zu steigen und in den Alltag zu fahren: mittleren Unterstützungsmodus und mittleren Gang eingelegt und reingetreten. Heidewitzka, geht da die Luzie ab! Der Bolide beschleunigt unter sportivem Antritt fast spielerisch auf 40 km/h. Dem Reflex, nach links in die Fahrradstraße abzubiegen, muss ich widerstehen: nicht mein legales Terrain! Ich kurve auf die Hauptstraße und reihe mich in den Autoverkehr ein. Ein paar beherzte Pedalumdrehungen und Gangwechsel, schon erreiche ich die 45-km/h-Schallmauer. Will ich schneller fahren, so geht dies nur per Muskelkraft oder mit Gravitationsunterstützung. Dennoch bin ich legal nicht zu überholen und schwimme im Autoverkehr mit.

Ballert wie ein starkes Peloton

Der Stromer dekalibriert alles Gelernte zum Verhältnis von Reintreten und Fahrgeschwindigkeit. Was sonst das Pedalieren um die 25 km/h ist, verschiebt sich um gut 15 bis 20 Stundenkilometer. Im Positiven wie im Negativen. Man tut gut daran, sich sehr schnell an den längeren Bremsweg, die notwendigen Reaktionszeiten und schrägeren Kurvenlagen zu gewöhnen, sonst wird es für alle brenzlig. „Schneller“ jedoch grundsätzlich mit „gefährlicher“ gleichzusetzen, wäre zu kurz betrachtet.
Die Argumentation der Beschleunigungsreserve, mit der Petrol-Heads gern die Wahl starker Motorisierungen erklären, leuchtet mir, auf dem S-Pedelec sitzend, durchaus ein. Außerdem sollten wir hier über das Phänomen der Differenzgeschwindigkeit sprechen: Das S-Pedelec, das dank seiner höheren Geschwindigkeit im Verkehr mitschwimmt, wird im Verkehrsgeschehen seltener überholt werden – das vermeidet Engstellen und Gefahrenmomente. Genau aus dieser Argumentation heraus sprechen sich manche Verkehrsexpert*innen für eine Angleichung der maximalen Unterstützungsgeschwindigkeit beim Pedelec und S-Pedelec an die gängigen Geschwindigkeitslimits (30 und 50 km/h) aus. Allerdings nur hinter vorgehaltener Hand: „Diese Anpassung ist politisch nicht diskutier- und umsetzbar“, heißt es.

Innerer Paradigmenwechsel

Radfahrerinnen fahren ja häufig so schnell, wie sie können. Das herkömmliche Pedelec macht in dieser Logik „untrainierte Radfahrende“ zu trainierten, aber im eigentlichen Sinne nicht zu „besonders schnellen“. Anders das S-Pedelec: Es hebelt halbwegs fitte Radfahrende in jene Geschwindigkeitsgefilde, die abseits starken Gefälles nur in Radrennen erreicht werden. Daran müssen sie und Verkehrsteilnehmende sich erst einmal gewöhnen. Nicht nur deshalb tun S-Pedelec-Pilotinnen gut daran, nicht weiterhin stets so schnell zu fahren, wie sie können, sondern so, wie es der jeweiligen Verkehrssituation angemessen ist. Auf dem Rad ist das für viele eine völlig neue Betrachtungsweise – auch wenn sie sie im Kfz längst verinnerlicht haben.

Bereitschaftsspanne

Wer die Alltagsmobilität mit dem S-Pedelec erledigt, ist auf den gleichen Strecken unterwegs, die andere noch aus Gewohnheit oder frei von besserem Wissen mit dem Auto zurücklegen. Die Spanne der Bereitschaft, der Vorstellung davon, wie sehr man das eigene Verhalten zu ändern in der Lage ist, ist hierzulande noch recht schmal, scheint es. Doch das S-Pedelec bietet eine ganze Reihe von Ansätzen, die die Änderungsbereitschaft unterstützen – es ist die Verkehrswende zum Selbsteinschalten. Motivation (und finanzielle Möglichkeiten) vorausgesetzt!

Selbst ein prominent angebrachtes Versicherungskennzeichen heißt nicht für alle sofort: Der darf gar nicht auf den Radweg!

Das Wissen der anderen

Als sportlicher Radfahrer, der oft unter dem Zustand von Radwegen leidet, juble ich mit dem S-Pedelec auf: Endlich kann ich legal auf der Straße flitzen, statt über den Radwege-Acker zu holpern! Doch der Jubel ist verfrüht. Das Fahren mit dem S-Pedelec auf der Straße ist nur so lange entspannt, wie es keine anderen Verkehrsteilnehmerinnen gibt. Damit ist nicht der Umstand ihrer Existenz gemeint. Wir Radfahrenden sind Autos auf Straßen und Wegen gewohnt. Auch, dass diese – da ist die Studienlage eindeutig – häufig zu eng überholen. Doch das rechtskonforme S-Pedelec-Fahren auf der Straße „triggert“ Autofahrende besonders außerorts, wenn sich neben der Straße ein Radweg befindet. All die 40 Millionen Fußballbundestrainerinnen, die es besser zu wissen glauben als Julian Nagelsmann, sind nämlich durchweg auch „Zivilpolizist*innen mit unzureichendem Regelwissen“, die meinen, S-Pedelec-Fahrende maßregeln zu dürfen: Sie hupen, fluchen, gestikulieren wild, sie drängeln und schneiden. „Die Hölle, das sind die anderen“, sagte der französische Philosoph Jean-Paul Sartre, und das beschreibt das S-Pedelec-Fahren im deutschen Straßenverkehr bestens.

Emotionale Abnutzungseffekte

Die Freude, mit einer ungekannten Leichtigkeit im Verkehrsgeschehen mitschwimmen zu können, verzückt mich vom ersten Meter an. Da ist zum einen der profane Rausch der Geschwindigkeit, dem zu erliegen mir eine fast kindliche Freude bereitet. Das hat aber auch eine emanzipierende, empowernde Komponente: „Endlich dazugehören! Nicht mehr am Rand rumeiern, sondern mittendrin sein und dabei!“ Der Stromer hat „echt Wumms“ und damit durchaus Verkehrswendepotenzial. Nach einigen Fahrten nutzt sich meine rohe Freude an der formidablen Beschleunigung zwar etwas ab und weicht einer Selbstverständlichkeit, einer Gewöhnung. Das ist aber auch gut, weil meine Aufmerksamkeit damit wieder ins Außen, also ins Verkehrsgeschehen geht. Das neue Tempo auf Alltagswegen sorgt dafür, dass ich die Wegzeiten neu kalkuliere und so meinen Tagesablauf anpassen kann. Und ist der Wecker einmal auf später gestellt, gewöhnt man sich umgehend daran.
Doch einen großen Haken hat die Sache: Die Einschränkung in der Streckenwahl mit dem S-Pedelec schmerzt mich stark. Statt auf dem breiten Waldweg autofern, zügig und direkt vorwärtszukommen, muss ich den Wald meiden, darf die Radwege nicht nutzen und bin auf Landstraßen angewiesen. Ein Terrain, das Autofahrende nur ungern teilen und dies auch lautstark mitteilen. Und als Fahrzeug darf man ein S-Pedelec auch nicht im Zug mitnehmen.
Spitze ich meine Erfahrungen zu, so könnte ich sagen, dass mein Pulsschlag eher vom Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmenden abhängt als von der Intensität meines Pedalierens. Für den Status quo des (S-Pedelec-)Radverkehrs kein gutes Zeugnis!

„Damit S-Pedelec-Fahrende nicht zum Freiwild in einer Autowelt werden, benötigen sie bessere Rahmenbedingungen.“

Gunnar Fehlau

Die Freiheit jenseits der Grenzen

Andere Länder haben das anders geregelt. So dürfen in der Schweiz S-Pedelecs sehr wohl auf Radwegen fahren. Freilich nicht mit 45 km/h, aber das ist auch nicht die Prio der Fahrenden. Sie wollen und können spielerisch/situativ entscheiden, ob sie in „üblicher Fahrradgeschwindigkeit“ auf dem Radweg pedalieren oder mit bis zu 45 km/h auf der Straße. S-Pedelecs haben dort auch deshalb einen 35-mal höheren Marktanteil, verglichen mit Deutschland (0,5 gegenüber 18 Prozent der verkauften E-Räder). Auch Belgien hat seine Gesetzgebung ähnlich angepasst und seither boomen S-Pedelecs dort. Belgien war auf deutschem Niveau und nähert sich schweizerischen Verhältnissen.

Freiheit braucht Struktur

Verschiedene Sozialwissenschaften erklären, dass Freiheit Struktur braucht und dass Verhältnisse Verhalten prägen. Beides kann sicherlich auch fürs S-Pedelec gelten.
Das S-Pedelec braucht eine geeignete Infrastruktur, es braucht praxisgerechte Gesetze und die Verhältnisse im Straßenverkehr müssen so geregelt werden, dass sie sicheres Verhalten für alle Verkehrsteilnehmenden von allen Verkehrsteilnehmenden hervorbringen oder zumindest nicht unterminieren.

Verkehrswende zum Selberstarten

Als erste Stadt hat Tübingen 2019 den Schritt gewagt und ein Radwegenetz für S-Pedelec-Nutzer*innen freigegeben. In Zusammenarbeit mit der Landesregierung von Baden-Württemberg ist so ein spezielles Verkehrsschild entstanden, das auf die Freigabe von S-Pedelecs auf diversen Verkehrsflächen hinweist. Rund 100 dieser Schilder sind mittlerweile im Stadtgebiet installiert und das so entstandene S-Pedelec-Wegenetz umfasst ca. 80 Kilometer. Außerdem wurden Geschwindigkeitsbeschränkungen an sicherheitsrelevanten Knotenpunkten eingeführt. Die Bilanz bislang: Es gibt keine polizeilich gemeldeten S-Pedelec-Unfälle und keine Beschwerden aus der Öffentlichkeit.

Der Autor und sein Leih-Bolide.

Sowas wie ein Fazit

Dies ist kein Test des Stromer ST5. Allerdings wollte ich sehr wohl „die Idee S-Pedelec“ auf den Prüfstand stellen. Ich muss festhalten, dass die Fahrzeuggattung absolut das Zeug hat, die Zwangsläufigkeit der Gleichung „Mobilität = Auto“ für mancherlei Anwendungsszenario zu durchbrechen. Das S-Pedelec schrumpft Pendeldistanzen und reduziert Fahrzeiten gehörig.
Damit S-Pedelec-Fahrende nicht zum Freiwild in einer Autowelt werden, benötigen sie bessere Rahmenbedingungen aus geeigneter Infrastruktur, angepasster Gesetzgebung und kooperativer Umgangskultur. Damit beschreibt das S-Pedelec im Brennglas, was auch dem gemeinen Fahrrad(fahren) in dieser Gesellschaft fehlt. Und dennoch: Mit ein wenig Besonnenheit macht es schon jetzt richtig viel Spaß!


Bilder: Stromer – Elstner Ruben, Gunnar Fehlau, Frank Stefan Kimmel

Auf der Straße sind Lastenräder immer noch eher eine Randerscheinung. Aber in politischen Debatten sind sie eine beliebte Zielscheibe konservativer Politiker*innen. Es lohnt sich, nachzufragen, woran das liegt.

(erschienen in VELOPLAN, Nr. 03/2025, September 2025)


Bei X, in Talkrunden und Interviews stürzen sich konservative und rechte Politikerinnen aufs Lastenrad wie ein Pitbull auf seinen neuen Kauknochen. Für sie ist das Rad mit der Transportbox der Inbegriff grüner Klientelpolitik. „Mit dem Lastenrad lässt sich keine Zukunft gestalten“, wetterte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder im Februar auf X. Friedrich Merz spottete im Handelsblatt-Interview: „Sollen die Urlauber zukünftig mit dem Lastenrad nach Mallorca fahren?“ Und selbst Lastenradbesitzer und Welt-Autor Marcel Leubecher, nennt es „Das Arschgeweih des Alnatura-Adels“ und keilt damit kräftig gegen die eigene Ehefrau, die die „E-Wuchtbrumme“, den „Stromkoloss“, das »Eisenschwein« unbedingt haben wollte. Das Lastenrad hat das Fahrrad als Feindbild der Konservativen abgelöst. Wann immer sich die Gelegenheit bietet, schießen CDU-, CSU- und FDP-Politikerinnen gegen das Rad mit Transportbox. Das überrascht, denn mit gerade mal rund 1,1 Millionen Exemplaren sind Lastenräder in Deutschland immer noch eine Randerscheinung. Auf den Straßen sind deutlich mehr Mopeds (1,7 Mio.) unterwegs, Motorräder (5 Mio.), Autos (48 Mio.) und Fahrräder (84 Mio.) Doch anders als Moped und Motorrad stehen Lastenräder für einen Wandel im Verkehr. Aber reicht tatsächlich schon der Anflug von Veränderung, um Konservative derart aufzubringen? Und welche Angriffsfläche bieten Hersteller den Lastenradkritiker*innen?

„Da rationale Argumente gegen das Lastenrad fehlen, wird eine emotionale Rhetorik genutzt.“

Stefan Gössling, Professor für Verkehr und Nachhaltigkeit

Lastenrad als Projektionsfläche

„Die Polemik richtet sich eigentlich nicht speziell gegen das Fahrrad“, stellt Stefan Gössling fest, Professor für Verkehr und Nachhaltigkeit und Autor des Buches „The Psychologie of the Car“. Das Lastenfahrrad diene eher als Projektionsfläche für eine diffuse Wut in Teilen der Bevölkerung, als Feindbild des Progressiven. Denn es ist bewiesen, dass Lastenräder Autofahrten ersetzen, Staus vermeiden und Emissionen senken. „Da rationale Argumente gegen das Lastenrad fehlen, wird eine emotionale Rhetorik genutzt“, sagt Gössling.
„Das Fahrrad taugt schon lange nicht mehr als Zielscheibe, weil inzwischen fast jeder im Alltag oder in der Freizeit mit Rad oder E-Bike unterwegs ist“, erklärt der Wissenschaftler. Selbst Söder inszenierte sich 2021 in einem Wahlwerbespot mit E-Bike in bayerischer Natur. Allerdings verändere der Verkehr sich in einigen Kommunen massiv, sagt Gössling. Zwar dominiere das Auto weiterhin den Straßenraum, aber in vielen Städten wachse der Anteil des Fahrrads am Gesamtverkehr. Städte bauten geschützte Radspuren in Kfz-Spurbreite und Autoparkplätze werden in Lastenradstellplätze umgebaut. Das ärgert viele Autofahrerinnen. „In der Wahrnehmung der Autofahrer verlieren diese real an Platz“, sagt Gössling, „verstehen allerdings nicht, dass ein Lastenrad im Vergleich zum Auto weniger Fläche beansprucht.“ Außerdem müssen sie Rücksicht nehmen und sich an den komplexer werdenden Verkehr anpassen. Das sei anstrengend. Und nun kommen auch noch die Lastenräder: massig, präsent, schnell. Sie werden echte Konkurrenten auf der Straße. „Nichts ärgert Autofahrer mehr als jemand, der schneller ist, denn die höhere Geschwindigkeit ist ja auch eine Rechtfertigung für das Auto“, weiß Gössling. Hinzu kommt: Lastenräder sind Lastenesel. Sie transportieren Kinder und sperrige Gegenstände. „Damit entfällt für viele Menschen noch eine Ausrede, warum sie das Auto brauchen“, sagt Gössling. Doch etwas anderes bringt Autofahrerinnen noch mehr auf die Palme: „Lastenradfahrer wirken oft entspannt und gut gelaunt, wenn sie mit ihren Kindern durch die Stadt fahren und sich dabei unterhalten“, sagt Gössling. Fast scheint es so, als meisterten sie das Leben leichter. Zu dem Ärger über die Neuen geselle sich also auch noch Neid. „Das triggert Autofahrer und Politiker“, sagt er.
Das vermeintliche Familienglück der Lastenradfahrer*innen ist für den Kommunikationsexperten Matthias Riegel ein zentraler Reizpunkt. „Das Lastenrad riecht für viele nach Luxus, nach Prenzlauer Berg und Latte macchiato“, sagt er – nach den Gutverdienenden, die nicht nur ein Lastenrad besitzen, sondern auch ein Auto haben und eine Photovoltaikanlage auf dem Dach.

„Für sie ist Elektromobilität vor allem etwas für Reiche – für Anwälte und Ärzte.“

Nico Jungel, Geschäftsführer Velofracht

Lifestyle versus Alltagstauglichkeit

Die Branche befeuert dieses Klischee mit ihrer Bildsprache. „Lastenradwerbung zeigt überwiegend glückliche Familien in der Natur oder im Urbanen“, sagt Riegel. Es gehe vor allem um Lifestyle und weniger um Alltagstauglichkeit. Menschen wie seine Eltern oder selbst seine Schwester, die jeden Tag mit ihrem E-Bike zur Arbeit fahre, werden mit dieser Werbung nicht unbedingt angesprochen. „Man muss schon sehr aufgeschlossen und fahrradaffin sein, um sich überhaupt fürs Lastenrad zu interessieren“, stellt Riegel fest.
Abschreckend findet er auch die Fahrzeugbezeichnung: Lastenrad, Transportrad oder Cargobike. „Das klingt schwerfällig und nach Arbeit“, sagt er. Ganz anders das E-Bike: Der Begriff wirkt modern, leicht, innovativ. Allerdings war auch beim E-Bike der Start holprig. In den Anfangsjahren sprach man in Deutschland von Pedelecs, während der Rest der Welt E-Bikes sagte. Aber das zeigt immerhin: Veränderung und Nachjustieren sind möglich.

Niedrigschwellige Angebote fehlen

Riegel vermisst jedoch die niedrigschwellige Kontaktaufnahme zum Lastenrad im Alltag. Seine erste Fahrt fand im Urlaub auf Ameland auf einem Leihrad statt. „Wer einmal mit seinen Kindern Lastenrad gefahren ist, will vermutlich nie wieder anders unterwegs sein“, sagt er lachend. In Deutschland sei das Ausprobieren im Alltag jedoch nur schwer möglich.
In einigen Städten wie Hamburg können die Bewohner Lastenräder inzwischen über das städtische Verleihsystem mieten. Die Initiative „Forum freie Lastenräder“ bietet mittlerweile in über 100 Städten 450 Räder für kostenlose Fahrten an. Außerdem gibt es immer mehr Baumärkte und Discounter, die ihren Kundinnen Lastenräder zum Transport des Einkaufs anbieten, und die Cargobike-Roadshow tingelt jedes Jahr durch verschiedene Kommunen. Aber all diese Angebote sind ebenfalls eher die Ausnahme und nicht die Regel und finden häufig im urbanen Umfeld statt. Ein einfacher Zugang für alle sieht anders aus. Das gilt allerdings auch für viele andere Angebote jenseits des Privatwagens. Dennoch ist das Stadt-Land-Gefälle ein relevantes Problem. Nico Jungel, Geschäftsführer von Velofracht, erlebt die Diskrepanz, wenn er im ländlichen Brandenburg mit Nachbarinnen und Bekannten spricht. „Für sie ist Elektromobilität vor allem etwas für Reiche – für Anwälte und Ärzte“, sagt er. Außerdem etwas, das in der Stadt funktioniere, aber nicht auf dem Land. Dort sei aus ihrer Sicht der Diesel für Landmaschinen, Lkw und Autos unverzichtbar, in der Vergangenheit und in Zukunft. „Das Lastenrad wird nicht als leichtes Elektromobil oder weitere Möglichkeit wahrgenommen“, sagt er. Es fehle der Bezug des Fahrzeugs zur Lebenswelt seiner Nachbarn und Freunde.
Jungel, dessen Firma Aufbauten für Lastenräder entwickelt, kann ihre Haltung in Teilen nachvollziehen. „Politiker fürchten den Wählerfrust und Unternehmer treffen auf Blockadehaltung ihrer Mitarbeitenden – so kann oftmals der Transporter nicht durch das Lastenrad ersetzt werden“, sagt er. Obwohl Studien zeigen, dass es in den Innenstädten, auf kurzen Distanzen und vollen Straßen, die bessere Wahl sei. „Es fehlen häufig das Wissen und der Mut zum Wechsel“, sagt er. „Und so wird trotz unproportionalem Ressourcenverbrauch und einer Klimakrise wider besseres Wissen an der Vergangenheit festgehalten.“
Allerdings gibt es auch Vorreiterstädte wie Hamburg, die es bereits anders machen. Dort sind seit Jahren in der Innenstadt rund um den Jungfernstieg Lastenräder statt Transporter unterwegs. Für Politikerinnen, den Einzelhandel und Zustellerinnen ist das Lastenrad dort eine echte Alternative.
Damit Spott und Häme der Konservativen aufhören, muss das Lastenrad seinen Exotenstatus verlieren. „Wenn die Medien nicht mehr über den ‚exotischen’ Bestatter berichten, der den Sarg mit dem Lastenrad zur Beerdigung bringt, ist die Wende geschafft“, sagt Riegel.
Um das zu erreichen, braucht das Lastenrad laut Riegel aber deutlich mehr Reichweite und mehr Berührungspunkte mit der Bevölkerung. Gäbe es noch „Wetten, dass …?“, könnte eine absurde Wette mit dem Lastenrad als Hauptdarsteller helfen. „Oder ein Auftritt im nächsten James Bond, wenn Bond mit der Heldin in der Transportbox den Schüssen der Verfolger entkommt“, sagt er.
Aber trotz aller politischen Debatten zeigt der Blick in die Statistik: Das Lastenrad rollt langsam, aber stetig Richtung Mitte der Gesellschaft. Fast jeder fünfte Deutsche (17 Prozent) zwischen 14 und 69 Jahren zieht zumindest den Kauf eines solchen Rads in Betracht. Laut dem Fahrradmonitor 2023 des Sinus-Instituts ist das Interesse im „konservativ-gehobenen Milieu“ sogar größer als im „neo-ökologischen Milieu“. Also die Gruppe, die konservative Politiker*innen wie Merz und Söder eigentlich ansprechen und deren Interessen sie vertreten wollen.
Vielleicht kutschiert Ministerpräsident Söder in ein paar Jahren in einem Wahlwerbespot die Enkelkinder im Lastenrad durch die bayerische Natur. Spätestens dann ist das Lastenrad in der Bevölkerung angekommen.


Illustrationen: stock.adobe.com – Hilbrand Bos

Das Angebot DB Rad+ der DB InfraGo AG bietet Kommunen lohnenswerte Einblicke in den Radverkehr. Für Nutzer*innen setzt die Anwendung verschiedene Anreize, ihre Fahrräder und E-Bikes möglichst viel zu benutzen.

(erschienen in VELOPLAN, Nr. 03/2025, September 2025)


„Mach mehr aus deinen Fahrradkilometern“ lautet das Motto der App DB Rad+. Wer sich für den Service der DB InfraGo AG anmeldet, sammelt spielerisch gefahrene Kilometer und kann diese wie eine Währung in attraktive Rabatte, Goodies und Spendenprämien bei Partnern tauschen. Seit Anfang September ist DB Rad+ nicht nur für die Bewohner*innen teilnehmender Städte attraktiv. Stattdessen steht der Service nun deutschlandweit zur Verfügung. Neben den vielseitigen Prämien sollen Herausforderungen in der App und Aktionen mit Sportvereinen, Schulen & Unis zusätzlich dazu motivieren, Fahrrad zu fahren.

Anonymisierte Daten nützen Kommunen

Für kommunale Handlungsträger bietet DB Rad+ spannende Radverkehrsdaten, mit denen sie einen Überblick darüber erhalten, wie die Menschen die Radinfrastruktur nutzen. Die Nutzerinnen haben die Möglichkeit, ihre gefahrenen Strecken als anonymisierte Daten zu spenden. Die App ermöglicht Kommunen Zugriff auf das übersichtlich dargestellte Nutzungsverhalten vor Ort, mit Infos zu Verkehrsmengen, Geschwindigkeiten und detaillierten Quelle-Ziel-Beziehungen. So lassen sich bestimmte Infrastrukturmaßnahmen oder Effekte von Pop-up-Radwegen untersuchen. Zudem lassen sich lokale Events, Herausforderungen und mehr anbieten. Selbstständig akquirierte Prämienpartner betreut das Team von DB Rad+, pflegt diese ins System ein und stellt neue digitale Partner zur Verfügung. Das Basispaket inkludiert zudem, dass Kommunen Marketing-Materialien für verschiedene Formate und in regelmäßigem Austausch Einblicke über aktuelle Zahlen, Updates im Projekt und Unterstützung bei der Kampagnenplanung erhalten. Über Zusatzpakete sind zusätzliche Leistungen erhältlich, darunter die direkte Akquise von Prämienpartnern durch DB Rad+, das Durchführen von lokalen Events durch das Team und Partner und die Bewerbung an Bahnhöfen und in Push-Benachrichtigungen. Zudem lassen sich beim Paket Visio+ Abbiegebeziehungen in Kreuzungsbereichen und Zeitraumvergleiche auswerten sowie eine API-Schnittstelle und die Download-Funktion nutzen. Für die Teilnehmerinnen aus der eigenen Stadt können Kommunen Meilenstein-Events und andere Anreize bei einer bestimmten Gesamtkilometerzahl über die App bewerben. Auch innerhalb der Kommunalen Verwaltung können Gruppen-Challenges die Fahrradkultur fördern, indem sie den Teamgeist stärken und je nach Challenge-Art entweder zu gemeinsamer Zielerreichung oder zu motivierendem Wettbewerb anregen.


Bild: DB AG – Lautenschläger

Mehr Informationen: https://radplus.bahnhof.de/

Gewusst wie. In Schleswig Holstein berät der Verein Rad.SH Kommunen zu Finanzierungswegen über Landes- und Bundesmittel bei der Radverkehrsförderung. Die Firma Emcra aus Berlin verhilft mit Weiterbildungen, Workshops und individueller Beratung zum passenden EU-Förderprogramm.

(erschienen in VELOPLAN, Nr. 02/2025, Juni 2025)


Hinter Rad.SH steht ein Zusammenschluss von Kommunen in Schleswig-Holstein, die den Rad- und Fußverkehr voranbringen wollen. Alle Kreise und kreisfreien Städte und weitere 170 Städte, Ämter und Gemeinden sind Mitglieder. Eine Fördermittel- und Planungsberatung wurde 2021 initiiert. Die zugehörige 2/3-Personalstelle wird zu 75 Prozent aus Landesmitteln finanziert, der Rest aus Beiträgen der Mitglieder. Rufen Kommunen auf der Suche nach Fördermitteln bei Berater Carsten Massau an, klopft er zunächst einen strategischen Fragenkatalog ab. Dabei kristallisieren sich vorhandenes Fachwissen sowie die Förderchancen heraus. Erfahrungsgemäß sind kreisfreie Städte und Landkreise zwar personell so gut aufgestellt, dass sie Planungs- und Genehmigungsverfahren realistisch einschätzen. Gerade kleineren Kommunen mangelt es aber mitunter an radverkehrsrelevantem Wissen. Besonders vom „schnellen Geld“ sollte man sich nicht verlocken lassen. „Erste Informationen über Förderprogramme sind häufig oberflächlich. Sie schüren große Erwartungen in Politik und Öffentlichkeit. Die gilt es, mit der Realität der eigenen Projekte abzugleichen“, sagt Massau.
Mit den richtigen Fragen erhalten Interessent*innen einen realistischen Blick auf ihr Vorhaben.
Dabei wird auch die Motivationslage der Anfragenden abgeklopft. Handelt es sich um eine politisch abgestimmte Maßnahme, die von der Verwaltung umgesetzt werden soll? Ist die Maßnahme bisher nur eine Idee der Ratsmehrheit oder Opposition? Wie praxisnah schätzt die Politik den Aufwand für Antragstellung, Dokumentation und Abrechnung ein?

„Es braucht einen Kümmerer, der die Fäden in der Hand hält.“

Carsten Massau, Berater Rad.SH

Radweg An der Untereider. Im Rahmen des geförderten Projekts „RaD stark!“ entstand in der Stadt-Umland-Region Rendsburg durch Lückenschließung ein erweitertes Netz zur Förderung des Radverkehrs.

Radverkehrskonzept vor Datenbankrecherche

Weil sich die Geldgeber eine lenkende Wirkung erhoffen, lautet eine Kernfrage, inwieweit die Maßnahme in einem größeren planerischen Zusammenhang steht. Nicht nur in Schleswig-Holstein ist das eine Fördervoraussetzung. Darunter kann ein Stadtentwicklungskonzept verstanden werden, ein Nahverkehrsplan, ein Mobilitäts- beziehungsweise Radverkehrskonzept oder eine Netzplanung. Generell rät Rad.SH, sich auf Maßnahmen zu fokussieren, die politisch vor Ort gewollt sind. Und zwar im Bündnis mit Baulastträgern, Verkehrs- und Umweltbehörden sowie Bürger*innen. Die Eigentumsverhältnisse sollten geklärt sein. Hinzu kommt eine verkehrsrechtliche Relevanz wie etwa Verlagerungspotenziale, Sicherheitsaspekte, Schülerverkehre oder Radtourismus. Erst davon ausgehend sollten die Verantwortlichen nach dem passenden Förderprogramm suchen. Basisorientierung bietet die Förderdatenbank beim Bundesamt für Logistik und Mobilität (BALM). „Da kann man nach Stichworten Förderprogramme recherchieren“, erklärt Massau. „Je nachdem, ob ich eine Fahrradabstellanlage am Bahnhof bauen will oder einen interkommunalen Radweg, werden die entsprechenden Programme ausgespuckt.“
Zwar bieten auch Landesbanken Projektförderungen zu vergünstigten Darlehenszinsen an. Dieser Bereich betrifft jedoch eher größere Maßnahmen etwa in Städten. Carsten Massau sagt: „Solche Investitionsprogramme kommen ins Spiel, wenn in Kiel der Hafen umgebaut wird und dabei auch ein Radweg entsteht.“ Die öffentlichen Förderprogramme arbeiten mit Zuschüssen, die nicht zurückgezahlt werden müssen.
Die Firma Emcra – Co-shaping Europe berät auch zu EU-Fördermitteln. Geschäftsführer Michael Kraack verweist auf die Datenbank für das „Funding und Tenders“- Programm der Europäischen Kommission. Seine Empfehlung lautet, bei der Recherche nicht nur nach dem speziellen Förderbereich zu suchen. Selbst wenn der Name der Programme es auf den ersten Blick nicht vermuten lässt. „Fahrradmobilität hat auch damit zu tun, dass die Angebotsstrukturen da sind“, sagt Kraack. „Zum Beispiel eine touristische Infrastruktur.“

Externe Beratung für Kommunen

Hat die Kommune erste Programme ausgewählt, sollte sie sich professionell beraten lassen. Denn nach der schnellen Datenbankrecherche heißt es, ins Kleingedruckte einzusteigen. Die Rad.SH bietet Förderberatung für alle Kommunen in Schleswig-Holstein. Im Fokus stehen das Sonderprogramm Stadt und Land, Landes-, Bundes- und teils EU-Mittel. Ziel ist eine Erstberatung mit solider Grundinformation. Für eine weitere externe Förderbegleitung vermittelt Rad.SH den Kontakt zu antragserfahrenen Kommunen sowie Planungsbüros.
Das Team von Emcra rät, ein internes Fördermittelmanagement aufzubauen. Entweder durch Kompetenz im Hause, Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern oder einem Mix aus beidem. Zwar kann eine Person einen Antrag schreiben und so zum erfolgreichen Förderbescheid kommen. In der Umsetzungsphase können später allerdings Probleme auftauchen, die sich bereits in der Antragsphase vermeiden lassen. Für externe Beratungen sollten vorab keine pauschale Honorarsummen gezahlt werden. Seriöse Fördermittelexperten erhalten ausschließlich auf Erfolgsbasis beruhende Vergütungen.

Stellschraube Personalressource

Der anspruchsvolle Prozess von der Informationsbeschaffung über die Chancen-Risiken-Abschätzung, die Antragstellung, Durchführung, Abrechnung bis hin zum Verwendungsnachweis kann nicht nebenbei erledigt werden. Von vornherein müssen ausreichend Personalkapazitäten für die Antragstellung eingeplant werden. Carsten Massau rät: „Es braucht einen Kümmerer, der die Fäden in der Hand hält, notwendige Pläne und Unterlagen beschafft, die verwaltungsinternen Abstimmungen vornimmt und den Kontakt zum Fördermittelgeber hält.“ Emcra-Mann Kraack betont: „Wichtig ist es, internes Wissen aufzubauen. Die komplexen EU-Förderanträge beinhalten keine Förderung für die Formulierung eines Antrags.“ Sein Tipp: Die Weiterbildung der Mitarbeitenden kann zu 100 Prozent gefördert werden.
Carsten Massau räumt ein: „Leider gibt es nicht die eine Institution, die alle Informationen bündelt. So gibt es in Schleswig-Holstein neben uns auch den Nah.SH der öffentlichen Verkehrsträger. Die haben auch eine Fördermittelberatung, die den Schwerpunkt Fahrradabstellanlagen an Bahnhöfen hat. Wir Fördermittelberater kennen uns und verweisen aufeinander. Als Kommune sollte man versuchen, einen Fuß in solche Netzwerke zu kriegen. Daraus ergibt sich ein Informationsfluss. Dafür sollte jemand eine bestimmte Personalstundenzeit zur Verfügung haben. Kommunen, die sich das personell nicht gönnen, haben es schwerer“, findet Massau.

Networking ist unumgänglich

Dazu gehört es, sich in Newsletter einzutragen. Zum Beispiel von der Rad.SH, dem Deutschen Institut für Urbanistik (Difu), bei den Landesförderbanken, dem BALM oder dem Service- und Kompetenzzentrum Kommunaler Klimaschutz (SK:KK). Darin werden unter anderem Webinar-Termine zu Fördermöglichkeiten des kommunalen Klimaschutzes veröffentlicht. Auch Emcra gibt einen 14-täglich erscheinenden Fördertipp heraus. Michael Kraack hält professionelles Networking für unabdingbar und empfiehlt auf Arbeitsebene Kontakte zu Personen in den Vergabestellen aufzubauen. Ein Netzwerk stellt sicher, dass Dynamiken im Fördermittelsystem frühzeitig bekannt werden. Selbst Mittel, die nach dem Windhund-Prinzip vergeben werden, („Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“), entgehen einem dann nicht. Die Befürchtung, dass allein Kontakte im Sinne einer Lobbybeziehung oder persönlicher Einflussnahme von Politikern schon den Erfolg ebnen, bestätigt Massau nicht. Der Schleswig-Holsteiner wie der Berliner Experte sind sich einig: Beste Chancen haben die Kommunen, die gut argumentieren und formulieren können sowie vor einer Antragstellung alle Fragen beantwortet haben.

Mit dem Radförderprojekt in Elmshorn wurden an der Lise-Meitner-Straße Querungshilfen, Radweg und der Kreisverkehr neu angelegt. Der CarBikePort vor dem Kino ersetzt einen Pkw-Stellplatz durch zehn Fahrradstellplätze.

Eigenmittel sind Voraussetzung

Das berührt auch die Frage nach den Eigenmitteln. Denn die meisten Förderprogramme bieten keine 100-Prozent-Finanzierung. Eine Maßnahme sollte deshalb so wichtig sein, dass der Eigenanteil im Gesamtkontext der kommunalen Aufgaben gerechtfertigt ist, rät die Rad.SH. In einem Beitrag für das Handbuch StiftungsManager weisen Michael Kraack und Heike Kraack-Tichy darauf hin, dass zwar nie mehr Gelder ausgezahlt werden, als im Bewilligungsbescheid genehmigt. Umgekehrt kann sich die Fördersumme reduzieren, wenn weniger Mittel benötigt werden. Für Spielraum sorgt demnach die Möglichkeit einer begrenzten Umwidmung von einer Budgetkategorie in die andere. Diese sollte dann allerdings gut begründet werden.
Auch bei nicht vertragsgemäßer Umsetzung droht die Rückzahlung. Mit der Formulierung des Förderprojekts wird ein Vertragsbestandteil selbst geschrieben. Deshalb sollten nie Leistungen oder Ergebnisse zugesagt werden, die nicht eingehalten werden können. Kommt es bei der Umsetzung zu Problemen, sollte umgehend Kontakt mit dem Förderer aufgenommen und die Lage offen angesprochen werden.

Auf das Kleingedruckte kommt es an

Der Hinweis auf das Kleingedruckte in den Ausschreibungsunterlagen klingt banal. Beide Berater weisen darauf hin, dass Antragstellerinnen gerade dem manchmal zu wenig Aufmerksamkeit schenken. So macht eine Antragstellung überhaupt nur Sinn, wenn es eine passende Schnittmenge der eigenen Projektziele mit den in der Ausschreibung genannten gibt. Bei der Formulierung sollte man sämtliche Förder- und Evaluationskriterien im Auge behalten. Sonst besteht Gefahr aufgrund formaler Kriterien abgelehnt zu werden. Aufgrund der Komplexität von Ausschreibungen und Projekten bleibt die Fördermittelberatung eine individuelle Angelegenheit. Die Emcra-Expertinnen identifizieren in ihrem Fachartikel dennoch einige weitere Konstanten, die sich bei den meisten öffentlichen Fördermittelvergaben wiederholen.

Zeitperioden großzügig planen

So ist ein ausreichender Zeitpuffer nicht zu unterschätzen. Drei bis sechs Monate gelten für einen umfangreichen Förderantrag als angemessen. Weil viele Förderprogramme wiederkehrende Antragsfristen besitzen, ist Aktionismus also unnötig. Stößt man kurz vor Abgabeschluss auf eine Ausschreibung, wartet man lieber auf die kommende Antrags-Deadline.
Mehrstufige EU-Antragsverfahren bedürfen besonderer Beachtung: Häufig ist die erste Einreichungsfrist eine Interessenbekundung oder Concept Note. Aufgefordert zur Abgabe des Vollantrags werden nur Projekte, deren eingereichtes Konzept überzeugen konnte. Unerfahrene Antragsteller begehen in einem solchen Verfahren den Fehler, der ersten Phase nicht genug Aufmerksamkeit zu schenken. Dabei haben nur die eine Chance zur Einreichung eines Vollantrags, die ihre Hausaufgaben vor der Einreichung der Interessenbekundung erledigen. Deshalb heißt der Emcra-Rat: Wer auf der sicheren Seite stehen will, agiert im Hinblick auf die erste Antragsfrist so, als wenn es nur einen Abgabetermin gäbe.

Förderphasen und messbare Wirkung

Zur Einplanung von Fremdmitteln sollte man die politischen Förderphasen kennen. Während sich in Deutschland Förderphasen nach vier- bis fünfjährigen Legislaturperioden richten, kann man bei EU-Mitteln nach siebenjährigen Förderphasen planen. Der Förderbetrag selbst wird innerhalb eines festen Projektzeitraums verausgabt. Die geförderte Kommune muss schon bei Antragstellung deutlich machen, wie sie die Projektergebnisse auch ohne dauerhafte Unterstützung nachhaltig erreichen will. Förderungen sind an messbare Wirkungen gebunden. Darüber müssen die Verantwortlichen im Detail Auskunft geben können. Zum Fördererfolg gehört deshalb auch eine gut mit Zahlen belegte Wirkungsanalyse oder Prognose.
Ist der Zuwendungsbescheid unterschrieben, liegt der Fokus schließlich auf der Umsetzung. Dabei gilt es, die Auflagen aus dem Bescheid zu beachten. In der Öffentlichkeitsarbeit ist auf den Fördermittelgeber und das Programm hinzuweisen. Neben der zahlenmäßigen Verwendung der Mittel gehört der schriftliche Nachweis dazu, der den Zusammenhang zwischen Förderzielen und der geförderten Maßnahme begründet.


Bilder: Stadt Elmshorn, Stadt Rendsburg, Morten Boysen – Stadt Elmshorn

Mit Lastenrädern können Menschen heute äußerst komfortabel Einkäufe, Kinder, Hunde und mehr transportieren. Vor der Zielsetzung, den Kfz-Verkehr und die damit verbundenen Emissionen zu reduzieren, kann es sinnvoll sein, die Anschaffung der Cargobikes zu bezuschussen. Befragungen von Nutzer*innen aus Bochum und Ingolstadt zeigen, wie diese ihr Verhalten tatsächlich geändert haben.

(erschienen in VELOPLAN, Nr. 01/2025, März 2025)


„Lastenräder sind ein wichtiger Baustein der urbanen Mobilitätswende“, fasst Cargobike.jetzt die Umfrageergebnisse aus Bochum und Ingolstadt in einer Ende 2024 veröffentlichten Auswertung zusammen. Die Berliner Verkehrswende-Agentur wurde von den zwei Städten beauftragt, der Lastenradanschaffung und dem bisherigen Nutzungsverhalten auf den Grund zu gehen. In Bochum wurden zu diesem Zweck 105 Empfängerinnen im Rahmen einer verpflichtenden Umfrage für die Fördernehmer*innen befragt. In Ingolstadt ergab eine freiwillige Umfrage 133 Rückmeldungen, was einer Rücklaufquote von 45 Prozent entsprach. Alexander Lutz von Cargobike.jetzt erklärt die Hintergründe: „Die Evaluation von Lastenrad-Förderprogrammen ist zwischenzeitlich die Regel, schließlich geht es hier ja um öffentliche Gelder und deren Verwendung. Das Besondere an diesen beiden Fällen war, dass wir die zuständigen Verwaltungsstellen, die durch die Abwicklung der Programme bereits personell extrem beansprucht wurden, als externe Dienstleister an dieser Stelle entlasten und zugleich Vergleichbarkeit zwischen den Kommunen herstellen konnten.“
Die Ergebnisse der Befragungen zeigen deutlich, wie wichtig der finanzielle Anreiz für viele Menschen ist, um sich überhaupt für ein Lastenrad als Eckpfeiler des eigenen Mobilitätsmixes zu entscheiden. In Ingolstadt gaben 76 Prozent der Befragten an, dass die Förderung der ausschlaggebende Grund für die zeitnahe Anschaffung war. 43 Prozent meldeten zurück, dass sie sich ohne die finanzielle Unterstützung gar kein Lastenrad zugelegt hätten. In Bochum zeigt sich ein ähnliches Bild. In der Ruhrgebietsmetropole hätten etwa 75 Prozent ohne Förderung kein Lastenrad angeschafft oder einen etwaigen Kauf zu einem späteren Zeitpunkt getätigt.
Die Stadt Bochum hatte für ihre Lastenradförderung zwischen Juni 2023 und Oktober 2024 71.000 Euro bereitgestellt. Damit konnte die Stadt den Kauf von 142 Cargo-Bikes fördern. In Ingolstadt wurden in den Jahren 2021 und 2023 mit rund 270.000 Euro rund 300 Räder bezuschusst. Alexander Lutz verdeutlicht die Bedeutung gründlicher Auswertungen vor dem Hintergrund klammer Haushaltskassen: „Bei begrenzten Haushaltsmitteln in den Kommunen konkurrieren die unterschiedlichen Verkehrswendemaßnahmen miteinander. Lastenräder haben von allen Formen der Mikromobilität das höchste Auto-Ersatzpotential – das verdeutlicht man der Politik und den Bürger*innen am besten anhand stichhaltiger Zahlen.“

Rege Nutzung

Erfreulich dürfte für die zwei Städte auch sein, dass die Empfänger*innen der Förderung ihre Fahrzeuge regelmäßig nutzen. Über 90 Prozent der Befragten fahren mehrmals pro Woche mit ihrem Lastenrad. In Ingolstadt nutzt ein Drittel das Transportrad sogar täglich. Gemeinsamkeiten zeigen sich auch bei den Einsatzgebieten der Räder in den beiden Städten. Einkäufe und Kindertransporte stehen vorne im Ranking. In Bochum sind dementsprechend 68 Prozent der Nutzerinnen Familien mit Kindern.
In Ingolstadt ersetzen laut Cargobike.jetzt 80 Prozent der Befragten mit ihrem Lastenrad solche Fahrten, die sie zuvor mit dem Auto unternommen hätten. Pro Woche wurden in der bayerischen Stadt 44 Kilometer mit dem Lastenrad zurückgelegt. Daraus ergibt sich hochgerechnet aufs ganze Jahr und die geförderten Räder ein Einsparpotenzial von über 100 Tonnen Treibhausgasen – den Stromverbrauch der E-Bikes schon einkalkuliert. In Bochum bestätigten 61 Prozent der Nutzerinnen eine deutlich verbesserte persönliche Umweltbilanz. Die Auswertungen in Ingolstadt und Bochum zeigen auch Handlungsbedarf. Die Befragten kritisieren zu 68 Prozent in Bochum und zu 50 Prozent in Ingolstadt zu schmale Radwege. Etwas mehr als die Hälfte (54 Prozent) in Bochum hat Bedenken hinsichtlich der eigenen Sicherheit im Straßenverkehr. Auch in Ingolstadt fühlen sich nur die Hälfte der Nutzer*innen sicher. Dort bemängeln die Fördernehmer*innen zudem, dass es an Abstellmöglichkeiten mangelt.

Lastenrad wird Auto vorgezogen

Trotz dieser Verbesserungswünsche ist die Förderung in den beiden Städten aus Sicht der Nutzerinnen ein großer Erfolg. 98 Prozent meldeten in Bochum zurück, mit der Förderung zufrieden zu sein. In beiden Städten schlagen vor allem die entstandene Flexibilität und die Schnelligkeit im Stadtverkehr positiv zu Buche. Viele ziehen das Lastenrad mittlerweile ihrem Auto vor, insbesondere beim Kindertransport. Die Ergebnisse zeigen zumindest für die ausgewerteten Beispiele, wie positiv sich Kaufprämien für Lastenräder auf das Privatleben ihrer Nutzer*innen und das städtische Zusammenleben auswirken können. Lutz fasst zusammen: „Lastenradförderung wirkt und ersetzt viele Pkw-Fahrten, mittel- bis langfristig sogar den einen oder anderen (Zweit-)Wagen! Wichtig ist jedoch ein Sozialfaktor, der die Anschaffung von Lastenrädern für Haushalte mit niedrigem Einkommen besonders stark fördert.“


Bild: www.pd-f.de – Florian Schuh

Das Ehrenamt ist eine Möglichkeit, sich mit Aufgaben jenseits des Berufsalltags gesellschaftlich einzubringen oder Sinnlücken zu füllen, die die berufliche Beschäftigung offenlässt. Auch im Verkehrsbereich. Roland Rücker arbeitet seit fünf jahren als Radverkehrsbeauftragter in einer hessischen Kleinstadt. Mit Begeisterung.

(erschienen in VELOPLAN, Nr. 01/2025, März 2025)


Roland Rücker fährt selbst leidenschaftlich und andauernd Fahrrad. Das kommt ihm als ehrenamtlicher Radverkehrsbeauftragter zugute.

Zum Interview-Termin in Düsseldorf kommt der Radverkehrsbeauftragte Roland Rücker direkt von der Fahrradkommunalkonferenz in Hannover. Per Bahn und die letzten Kilometer mit seinem schwer bepackten Trekkingrad. In Hannover vertrat er seine Heimatstadt Kelsterbach. Ehrenamtlich. Aber mit viel Elan, wie man sich nach wenigen Minuten, in denen man ihm zuhört, vorstellen kann. Sein Berufsbild füllt er bestens aus: Der drahtige Mann fährt Fahrrad und kommuniziert darüber.

Verkehrsmittel fürs Leben

Die Kombi „Kommunikation und Verkehr“ hatte er früher schon im Blut. Im „ersten Leben“ war der jetzt 59-jährige Rücker Vorfeldlotse auf dem Frankfurter Flughafen. Heißt: Er koordinierte und steuerte die Wege der Flugzeuge auf dem Boden, vor dem Start und nach der Landung. Nun ist er im Vorruhestand. Das Fahrrad war auch schon immer präsent: Für den Arbeitsweg zum Flughafen ebenso wie in der Freizeit. Rennrad, Mountainbike, Reiserad – alle Register des Zweirads zog er im Laufe der Zeit. Eines der Highlights: eine Radreise nach Island und rund um Island herum.
Das Fahrrad als Verkehrsmittel kam aber immer mehr in seinen Fokus. Am Flughafen engagierte er sich dafür, dass die kurzen Strecken von den verschiedenen Einsatzorten innerhalb des Areals von den Mitarbeitern nicht mehr mit dem Auto, sondern mit flughafeneigenen Leihrädern zurückgelegt werden konnten. Außerdem sorgte er für sichere Abstellanlagen für die Mitarbeiter*innen, die mit dem Rad zur Arbeit kamen – so wie er.

Der Weg zum Radwegversteher

Eine Stellenausschreibung im örtlichen Wochen-Anzeigenblatt, das auch amtliche Bekanntmachungen der Stadt dokumentiert, gab den Startschuss: Die Stadt suchte einen Fahrradbeauftragten im Ehrenamt. Eine Bewerbung beim radverkehraffinen Bürgermeister Manfred Ockel und einige Gespräche später hatte Rücker seine Berufung zum Beruf gemacht.
Dabei war die Beschäftigung mit Radverkehr und Radverkehrsanlagen für ihn kein Neuland. Schon früher hatte er massives Interesse daran zu verstehen, wie Rad mobilität in der Stadt gelenkt wird, wie sie sich weiterentwickeln kann, wie man damit zu einer besseren gesellschaftlichen Mobilität beitragen könnte. Er belegte Bildungsurlaube, unter anderem „Fahrradstadt Berlin“ der Weiterbildungseinrichtung Forum Unna. „Eine Woche in Berlin mit Stadtführer, der dir die Radverkehrsstruktur in Berlin erklärt. Ich hab unglaublich viel da gelernt“, erzählt er strahlend. Aber nicht nur Kurse und die täglichen praktischen Erfahrungen prägen sein Wissen über die Möglichkeiten und Visionen des Radverkehrs. Er bildet sich medial weiter. Das wichtigste Buch zur Radfahrmobilität für ihn – und für viele Radverkehrsplaner: Thiemo Grafs „Handbuch Radverkehr in der Kommune“, aus dem er gern zitiert. Aber auch Veröffentlichungen der Arbeitsgemeinschaft Nahmobilität Hessen (AGNH) sind im Repertoire, genauso wie die Veröffentlichungen des DIFU, Deutsches Institut für Urbanistik, gehörten und gehören für ihn zur Standardlektüre.

Ganz wichtige Aufgabe: auf Patrouille Stellen finden, die den Radverkehr behindern oder gefährlich machen. Dann greift Roland Rücker selbst zum Werkzeug oder informiert die Kelsterbacher Kommunalbetriebe.

Abwechslungsreicher geht nicht: Auch mit der Theorie macht sich Rücker seit Langem vertraut – und liest alles zum Thema mit Leidenschaft. Auf Kongressen und Messen vertritt er Kelsterbach (unten).

Berufsalltag: Kein Bashing!

Was macht man genau in diesem Job? „Ich fahre Fahrrad, in Kelsterbach“, so Rücker lakonisch. Das macht er seit sechs Jahren nun als offizieller Mitarbeiter der Stadt, hat dazu auch eine Ausweiskarte der Stadt und die „Lizenz, Menschen anzusprechen“ und sich ihre Pro­bleme im Verkehr anzuhören. Sich Gedanken zu diesen Herausforderungen zu machen und diese an die Stadt zu kommunizieren. Genau darauf zielt die Stelle ab, die sein Vorgesetzter, Bürgermeister Ockel, die „Scharnierfunktion zwischen Stadt und Bürger“ nennt. Rücker ermöglicht den Zugang der (radelnden) Bürgerinnen zu den Entscheiderinnen in der Stadt.
Und zu erleben gibt‘s jeden Tag einiges: Da fällt ihm auf, dass eine bestimmte Wegführung für Linksabbieger gefährlich ist, dort macht ihn eine Radfahrerin darauf aufmerksam, dass der Radweg eigentlich anders laufen müsste. Auch auf seinem Diensthandy rufen oft Menschen an, die gerade unterwegs sind und ein Problem mit einem Radweg oder einer Verkehrssituation melden wollen – wenn etwa eine Baustelle ohne Umleitung den Weg blockiert. Je nach Problemlage geht die Meldung weiter an die Stadt, das Bauamt oder andere zuständige Behörden. Kommunikation ist extrem wichtig, in beide Richtungen. Was sie nach Meinung Rückers nicht sein soll, auch wenn er gelegentlich darauf aufmerksam macht, wie man sicherer per Rad durch die Stadt kommt: Zurechtweisung. „Kein Bashing! Mit freundlichem Umgang und Expertise kommt man weiter“, ist er überzeugt.

Vielen ein Partner

Die vertrauensvolle Zusammenarbeit ist das Wichtigste dabei. Mit dem engagierten Bürgermeister ohnehin, aber wichtig sind auch die Straßenverkehrsbehörde, das Bauamt, das Bürgerbüro und gelegentlich sogar das Amt für Öffentlichkeitsarbeit. Die Kelsterbacher Kommunalbetriebe, zuständig für die Instandhaltung der Radwege, sind ebenfalls wichtige Ansprechpartner: Ist eine Radweganlage oder eine Abstellanlage beschädigt oder stark verschmutzt, meldet Rücker es dort. Auch die Mobilitätsbeauftragte der Stadt ist eine wichtige Gesprächspartnerin. Überall hat er Ansprechpersonen, und teils ist er eingebunden in entsprechende Abläufe. So hat er beispielsweise zwei Jahre intensiv an einem neuen Radverkehrskonzept der Stadt mitgearbeitet.
Rechtlich zu belangen ist der ehrenamtliche Radverkehrsbeauftragte übrigens nicht – eine von ihm vorgeschlagene bauliche Änderung ist also nicht in seiner Verantwortung, sondern in jener der Stadt. Sie fällt ja auch die Entscheidung für jede Veränderung.

Jenseits der Kommune gibt es noch viele Partner und Institutionen, mit denen er in Sachen Verkehr und In-frastruktur zusammenarbeitet und regen Austausch hat: Allen voran ist die Zusammenarbeit mit dem ADFC und dem VCD für Rücker unerlässlich. Da zieht man oft am gleichen Strang, und die Öffentlichwirksamkeit eines großen Vereins ist nicht zu überschätzen. Intensiven Kontakt gibt es auch zur Radbeauftragten des Kreises und zu Institutionen wie Hessen Mobil, der maßgeblichen Behörde für Planung und das Straßen- und Verkehrsmanagement in Hessen.
Die Kommunikationslust des Radverkehrsbeauftragten geht aber noch weiter: Rücker möchte die Menschen an die Regeln erinnern, die unseren täglichen Verkehr bestimmen sollten. Eine Fernsehsendung wie „Der Siebte Sinn“ in den Siebzigerjahren wäre sein Traum, wenn auch ohne den erhobenen Zeigefinger, eben eher so wie ein unterhaltsamer Wetterbericht. Viele hielten sich nicht mehr an die Verkehrsregeln – zum Teil weil sie diese nicht mehr kennen oder neu hinzugekommene Regeln nicht gelernt haben, ist der Radbeauftragte sicher. Da könnte man doch medial Abhilfe schaffen …

Komplexe Themen und ein langer Atem

Radverkehrsbeauftragter wird man sicher nur mit dem Vertrauen auf das Rad als eines der wesentlichen Verkehrsmittel der neuen Mobilität. Aber es braucht sicher noch etwas mehr: „Kommunikationsstärke ist absolutes Muss“, erklärt Rücker. Keine Angst vor komplexen Zusammenhängen zu haben, wäre auch wichtig. Außerdem sollte man sich gern in umfangreiche Lektüre der Fachliteratur einarbeiten. Fortbildungen sind selbstverständlich.
Und langen Atem und damit eine hohe Frustrationsschwelle brauche es ebenso. „Auch wenn Erfolge manchmal dann doch schneller kommen, als man denkt“, erinnert er sich, und erzählt die Geschichte von einem Kelsterbacher Wohnviertel und dem Weg von dort zum Supermarkt, der über einen neu gebauten Kreisel führte. „Mir war klar, dass viele Menschen den neuen Kreisel per Fahrrad zu gefährlich finden und sich daher lieber doch wieder ins Auto setzen, um zum wenige Hundert Meter entfernten Supermarkt zu kommen.“ Vor allem aber die Kinder radelten damit gefährlicher als vorher, wo die Ampel für Wartezeiten, aber auch sichere Überquerung sorgte.
Rücker konnte der Stadtverwaltung das Problem gut deutlich machen. Und die wurde tätig. Innerhalb einiger Wochen wurde eine Radwegfurt angelgt, die den Weg für die Radler*innen sicherer machte, und zwar mit Vorrang für sie.

Ein Kreisverkehr in Kelsterbach. Hier konnte durch eine Anregung von Rücker eine Radweg-Furt angelegt werden, die den Radfahrer*innen Vorrang gewährt. Eine große Verbesserung der Sicherheit.

Ein Job mit Spaß- wie Frustrationspotenzial

Man müsse sich immer klar sein, meint Rücker: „Wenn es nicht klappt, etwa mit einer kurzfristigen baulichen Veränderung, kann es viele Gründe haben. Das geht beim mangelnden Budget los.” Er hat Verständnis dafür, dass manche Dinge in der Stadt noch wichtiger sind als die Optimierung von Radverkehrsanlagen, wenn das Geld knapp ist. Auch begrenzte Kapazitäten im Rathaus oder bei den ausführenden Unternehmen können bremsen. Die andere Seite – und hier herrscht wohl das höhere Frustrationspotenzial – sind Bürger und Bürgerinnen, die das Auto priorisieren. „Der Radverkehr soll nicht zulasten von Parkplätzen gehen”, so laut Rücker deren Hauptargumentation. „Das ist ein heißes Eisen, und in solche Diskussionen gehe ich nur bis zu einem gewissen Punkt”, erklärt er direkt. Da müsse man ruhig bleiben, und im Hinterkopf haben, dass man ein Vertreter der Behörden sei.

„Meine Motivation war anfangs zu 100 Prozent von der Aufgabe selbst geprägt. Mittlerweile machen 50 Prozent davon die Menschen aus, mit denen ich zu tun habe.“

Roland Rücker, Radverkehrsbeauftragter

Ehrenamt als Lebenselixier

„Mein Ehrenamt ist extrem befriedigend!”, schwärmt der Radverkehrsbeauftragte. Man zweifelt keine Sekunde daran, so enthusiastisch erzählt der umtriebige Mann von seiner Arbeit, aber auch den Erfolgen in Kelsterbach und den spannenden Erfahrungen auf den vielen Terminen wie dem Nationalen Radverkehrskongress und Netzwerktreffen, ADFC-Sitzungen und, und, und.
Nicht nur viel lernen, sondern auch viele fantastische Menschen kennenlernen kann er mit dieser Aufgabe. „Meine Motivation war anfangs zu 100 Prozent von der Aufgabe selbst geprägt. Mittlerweile machen 50 Prozent davon die Menschen aus, mit denen ich zu tun habe”, so Rücker. Nach einem erfüllten Arbeitsleben ist das Ehrenamt für ihn „eine Chance, voll im Leben zu bleiben. Die Menschen geben dir das Gefühl, wirklich gebraucht zu werden.“
Die Aufgabe ist tatsächlich absolut ehrenamtlich: Rücker bekommt ein Handy gestellt und einen Ausweis, der seine Mitarbeit in der Stadtverwaltung Kelsterbach dokumentiert. Er vergünstigt, wie in anderen Städten üblich, den Eintritt in verschiedenen öffentlichen Einrichtungen der Stadt wie dem Hallenbad. Auch Auslagen für seine beruflichen Reisen oder Bücher und Medien zum Thema bekommt er ersetzt. Honorar oder Gehalt erhält er nicht.
Für den Vorruheständler, der völlig in seiner Mission aufgeht, sicher kein Manko. Der Erfolg und die Beschäftigung mit einer Sache, die ihn ausfüllt, sind Honorar genug.

Ehrenamt: vielschichtige Lebensbereicherung

Sich einbringen, der Gesellschaft etwas zurückgeben oder einfach mehr das Gefühl haben, etwas Sinnvolles für alle zu tun:
Ehrenamt kann man in Deutschland in den unterschiedlichsten Bereichen und mit jedem Alter ausüben, von der Hausaufgabenbetreuung bis zur Freiwilligen Feuerwehr. Grundlegende Infos dazu gibt es auf der Seite des DSEE: www.deutsche-stiftung-engagement-und-ehrenamt.de. Meist werden Ehrenämter von eingetragenen Vereinen vergeben, aber gelegentlich arbeitet man auch im Auftrag einer Kommune. Die Möglichkeiten sind ungemein breit angelegt – auch zeitlich. Viele Ehrenämter sind auch für Menschen geeignet, die neben dem Beruf nur wenig Zeit aufbringen können. Bei Interesse kann man direkt mit dem Verein oder der Institution Kontakt aufnehmen.


Bilder: Roland Rücker

Fahrradparkhäuser und andere große Abstellanlagen zu planen, ist ein komplexes Unterfangen. Für Kommunen kann die spezielle fachliche Kompetenz zur Herausforderung werden. Die Infostelle Fahrradparken soll im Auftrag des Bundes Licht ins Dunkel bringen.

(erschienen in VELOPLAN, Nr. 01/2025, März 2025)


Das Risiko von Diebstählen und Vandalismus kann gerade Besitzer*innen hochpreisiger Räder davon abhalten, Bahn und Fahrrad auf ihren täglichen Wegen zu verbinden. Ein Fahrradparkhaus könnte diese Probleme beheben. Doch nicht jede Abstellanlage schafft es in der Realität, mit einem attraktiven Angebot eine gute Auslastung und somit einen Schritt in Richtung Verkehrswende zu erzielen.
Hier kommt die Infostelle Fahrradparken bei der DB InfraGO AG ins Spiel. Das Tochterunternehmen der Deutschen Bahn hat bereits 2021 eine Ausschreibung des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) im Sonderprogramm Stadt und Land gewonnen. Mit der Ausschreibung, die inzwischen in der zweiten Periode umgesetzt wird, verfolgte das Ministerium das Ziel, deutsche Kommunen bei Fahrradparkhäusern und großen Abstellanlagen zu beraten. Jörg Welke, Leiter der Infostelle, erklärt den Hintergrund des Fördervorhabens und des kostenlosen Angebots: „Bei der Fahrradinfrastruktur denken immer alle an Fahrradwege und deren Ausbau. Das Thema Fahrradparken fällt ein bisschen hinten runter.“ Die Infostelle werde seitens der Kommunen gut angenommen, sagt Welke. Das lässt sich mitunter damit erklären, dass insbesondere Parkhäuser alles andere als alltägliche Planungsgegenstände für die Verantwortlichen sind. „Ein Fahrradparkhaus baut man in einer Kommune in der Regel ein Mal“, erläutert Welke.

Positivbeispiele für Fahrradparkhäuser finden sich zum Beispiel in Bad Kreuznach und Tübingen. Wer eine Werkstatt oder Gastronomie mit dem Parkhaus kombiniert, sorgt für soziale Sicherheit.

Wiederkehrende Fehler vermeiden

Die Infostelle bietet eine Kompetenztiefe mit Blick auf das Fahrradparken, die sich vor allem in kleinen Kommunen nicht darstellen lässt. So lassen sich wiederkehrende Fehler vermeiden. „Es gibt sehr viele Fahrradparkhäuser, die gut gemeint sind, aber nicht gut gemacht“, mahnt Welke. „Sie sind darauf ausgelegt, möglichst viele Fahrräder unterzubringen.“ Parkhäuser dieser Art würden oft nicht gut angenommen, so Welke. Doppelstockparker, bei denen es eine zusätzliche Parkebene gibt, seien zwar platzsparend, aber etwa mit einem E-Bike mit Kindersitz und Korb kaum händelbar. „Das wird dann oft nicht angenommen, dafür haben wir viele Beispiele. Es sollten für alle Nutzenden verschiedene Abstellanlagen dabei sein. Vom Doppelstockparker bis hin zu Anlehnbügeln.“
Moderne Fahrradparkhäuser müssen selbstverständlich für moderne Fahrräder und E-Bikes geeignet sein. Breite Lenker oder Reifen dürfen nicht zum Problem werden. Immerhin würden Lastenräder vielerorts bereits gut mitgedacht werden, ordnet der Leiter der Infostelle ein. Waschmöglichkeiten, eine komfortable Zugangskontrolle, Videoüberwachung oder Schließfächer können das Angebot abrunden.
Neben der Ausstattung gilt es insbesondere, die Lage und städtebauliche Gestaltung (innen und außen) zu bedenken. Um einen ganzheitlich nachhaltigen Beitrag leisten zu können, empfiehlt es sich, auf Holz zu setzen und weitgehend auf Beton zu verzichten. Wer gute Beleuchtung verbaut, kann dunkle Ecken vermeiden und so dafür sorgen, dass keine Angsträume entstehen.
Für ein erhöhtes Sicherheitsgefühl und Diebstahlprävention dienlich ist zudem, eine Werkstatt oder ein Café baulich mit dem Fahrradparkhaus zu verbinden. Dazu Jörg Welke: „Eine gastronomische Einrichtung am Fahrradparkhaus zu haben, ist für viele Menschen wegen der sozialen Sicherheit ein gewichtiger Vorteil.“
Für den Leiter der Infostelle ist derzeit das Fahrradparkhaus in Tübingen ein Vorzeigeprojekt in Deutschland. Das dortige Parkhaus ist mit einem Radladen und einer Gastronomie verbunden, lässt sich unterirdisch vom Bahnhof aus betreten und kombiniert einen zugangsgesicherten mit einem offenen Abstellbereich. Lobende Worte findet Welke auch für das Parkhaus in Bad Kreuznach, welches zusätzliche Service-Räume für Verkehrsunternehmen und eine Werkstatt bereithält, in nachhaltiger Konstruktion mit Stahl-Holz-Bauweise und Photovoltaik gehalten und wenige Meter von den Gleisen entfernt ist.

„Ein Fahrradparkhaus baut man in einer Kommune in der Regel ein Mal.“

Jörg Welke, Infostelle Fahrradparken

Ein Gefühl für den Standort bekommen

Was vor Ort möglich ist, hängt mitunter nicht nur vom Geld ab. Hier kann die Infostelle helfen, um die Möglichkeiten in der „Planungsphase 0“, wie Welke sie nennt, besser zu überblicken. „Der Planungsstand in den Kommunen ist fast immer unterschiedlich.“
Welke und seine Kolleg*innen unternehmen Ortsbesuche, um die jeweilige Planungssituation genau zu verstehen. „Man muss ein Gefühl bekommen für den Standort“, meint Welke. Hinzu käme, dass sich die mitunter komplexen Akteurskonstellationen und Interessenlagen einer Kommune vor Ort besser begreifen lassen.
Ausschlaggebend für die jeweiligen Möglichkeiten vor Ort ist laut Welke oft, zu klären, wem welche Flächen gehören. Oft sind Bahnhofsnebenflächen im Besitz der Deutschen Bahn. Doch das ist nicht immer der Fall. „Ich war, als ich angefangen habe, erstaunt, wie viele Flächen direkt am Bahnhof nicht der DB gehören“, sagt Welke. Um die Jahrtausendwende hat die Bahn einige Flächen rund um Deutschlands Bahnhöfe verkauft. Inzwischen herrscht dagegen ein Moratorium. Der Idealfall für die Kommune ist, wenn sie das fragliche Grundstück selbst bestimmt. Die Bahn zeige sich aber grundsätzlich auch sehr aufgeschlossen für die Nutzung ihrer Flächen für Fahrradparkhäuser. Bei privaten Grundstückseigentümern sähe das manchmal anders aus.

Die Infostelle Fahrradparken verleiht Modelle von Fahrradparkhäusern als Anschauungsbeispiele an Kommunen.

Infostelle bietet Werkzeuge und Wissen

Auf der Website der Infostelle Fahrradparken finden sich neben diversen Gestaltungstipps einige praktische Werkzeuge für Kommunen. Wer die geparkten Räder am Bahnhof zählt, erhält über das Bedarfs- und Kostenberechnungs-Tool eine Empfehlung, wie groß das Parkhaus sein sollte, und eine grobe Orientierung, welche Kosten mit Planung und Bau verbunden wären. Auch die emissionsreduzierende Wirkung lässt sich online berechnen. Das Informationsangebot, so der Plan von Welke, soll sukzessive weiter ausgebaut werden. Aktuell veröffentlicht die Infostelle jedes halbe Jahr ein Whitepaper in Kooperation mit einem Planungsbüro aus Hannover.
Die Infostelle arbeitet stetig daran, die Kompetenz der Kommunen zu erhöhen und das Angebot auszubauen. In einem weiteren aktuellen Projekt werden derzeit die Planungshindernisse in den Kommunen systematisch untersucht und Handlungsempfehlungen erarbeitet. An anderer Stelle entstehen Musterpakete für Marketing-Maßnahmen. Dafür wurden unterausgelastete Fahrradparkhäuser, unter anderem in Leverkusen-Opladen, Wolfenbüttel und Norderstedt, identifiziert, die nun durch Kampagnen gestärkt werden und mehr Nutzer*innen bekommen sollen. Für das eigene Angebot zu werben, dürfte aber auch für weniger unterbesetzte Fahrradparkhäuser von Interesse sein. Schließlich sind jene Menschen eine wichtige Zielgruppe, die bisher nicht mit dem Rad zum Bahnhof fahren, sondern sich im Pkw hinters Steuer setzen.
Auch aufseiten der Kommunen arbeiten Welke und sein Team daran, neue Menschen zu erreichen. Da bei Exkursionen in der Vergangenheit vermehrt Menschen dabei waren, die bereits Interesse hatten, lässt das Team digitale Zwillinge erstellen, ähnlich zu virtuellen Rundgängen, wie man sie von Hotels oder Immobilien-Websites kennt. Ganz unvirtuell bietet die Infostelle außerdem Modelle von einigen Fahrradparkhäusern an, die Kommunen sich ausleihen können.
Die Infostelle zeigt mit Vorhaben wie diesen, wie komplex sich so ein spezifisches Handlungsfeld wie das Fahrradparken bearbeiten lässt. Wenn Expertenwissen so strukturiert geteilt wird, können am Ende nicht nur die Kommunen von vielen neuen Fahrradparkhäusern profitieren.

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Bilder: stock.adobe.com – adragan, Infostelle Fahrradparken

Mit den Brücken in Deutschland liegt vieles im Argen: zu wenige Neubauten, baufällig, einsturzgefährdet, nicht auf der Höhe der Anforderungen unserer Zeit. Die Liste an Mängeln und Nachholbedarf für Autos, Züge und ÖPNV sowie insbesondere für Zufußgehende und Radfahrende scheint in den letzten Jahren nicht sukzessive abgearbeitet, sondern im Gegenteil immer länger geworden zu sein. Vernachlässigt scheint auch die kulturelle und soziale Komponente.

(erschienen in VELOPLAN, Nr. 01/2025, März 2025)


Vier neue Fahrradbrücken in Tübingen: die beheizte Oberfläche sorgt für Diskussionen.

Brücken sind weit mehr als nur Verkehrsbauwerke. Sie verkörpern kulturelle und geschichtliche Werte, fördern soziale Interaktionen und bereichern die Stadt- und Landschaftsarchitektur. In vielerlei Weise stehen sie auch symbolkräftig für ein Zeitalter oder die Kultur, die sich mit ihr verbindet. Die eigentlichen Fragen gehen damit nicht in die Richtung „wie viel Meter Brücke“ oder „wie viele Nutzer pro Tag“ für welchen Geldbetrag, sondern hin zum erweiterten Sinn und Zweck, der Ingenieurkunst, Ästhetik, kulturelle Identität und Geschichte verbindet.

Brücken stiften Identität

Die Liste berühmter Brückenbauwerke der letzten Jahrhunderte ist lang. Zu vielen Brücken fällt uns sofort die dazugehörige Stadt ein. Sie prägen die Städte nicht nur als beliebtes Fotomotiv, wir interessieren uns auch für ihre Symbolik. So steht etwa die berühmte Pont Neuf aus dem 17. Jahrhundert nicht nur für die Verbindung der Seine-Ufer, sondern auch den Fortschritt im Paris der Renaissance. Sie war die erste Brücke in Paris, die Bürgersteige für Fußgänger hatte und nicht mit Gebäuden überbaut wurde. Die Golden Gate Bridge, eine Ikone San Franciscos, symbolisiert wiederum den Pioniergeist und technische Errungenschaften des 20. Jahrhunderts. Ein ebenfalls viel beachtetes identitätsstiftendes Symbol – dieses Mal für den Radverkehr – ist die um ein Vielfaches kleinere Cykelslangen-(Fahrradschlangen-)Brücke in Kopenhagen, die 2014 gebaut wurde. Sie prägte den Aufbruch hin zu mehr Radverkehr in Kopenhagen wesentlich mit und diente anderen Städten als Vorbild. Ganz neu und wohl ebenfalls identitätsstiftend sind auch die innovativen Fahrradbrücken in Tübingen, die Teil eines umfassenden Mobilitätskonzepts sind, mit dem die Stadt nicht nur in Fachkreisen hohe Bekanntheit und Anerkennung genießt.

„16 Millionen Euro für 365 Meter. Boris Palmer eröffnet Deutschlands teuerste Radbrücke. Sie wird im Winter sogar beheizt.“

Schlagzeile Bild-Zeitung, Oktober 2024

Schwieriges Verhältnis zur Brückenkultur

In aktuellen Diskussionen lässt sich hierzulande der Eindruck gewinnen, dass die Brückenkultur mehr und mehr verloren geht. Gerade bei Ausbau- oder Neubauprojekten für Zufußgehende und Radfahrende kann man meinen, dass sie im Generalverdacht stehen, primär aus ideologischen Gründen geplant oder gebaut zu werden. „16 Millionen Euro für 365 Meter: Boris Palmer eröffnet Deutschlands teuerste Radbrücke. Sie wird im Winter sogar beheizt“, heißt es zum Beispiel reißerisch in der Bild-Zeitung zum 2024 eröffneten Brückenprojekt in Tübingen. Fast automatisch angeheftet scheint heute zudem das Prädikat „umstritten“. Dass die hier kritisierte Brücke als wichtiger Teil des verabschiedeten Tübinger Mobilitätsplans dient – geschenkt. Und dass die Bodenheizung nicht nur klimaneutral ist, sondern auch die Fahrbahn sicherer macht und zudem bauwerkschädigendes Streusalz im Winter verzichtbar wird, was die Standzeit auf geschätzte 100 Jahre verlängern kann – ebenfalls geschenkt. Vielfach scheint es, als ob die zugegeben knappen Ressourcen an Personal, Geld und Zeit zusammen mit Bedenken zu Denkmal- und Landschaftsschutz und Anderem Veränderungen für mehr Fuß- und Radverkehr behindern und damit gewollt oder ungewollt dazu beitragen, Bestehendes zu konservieren. Es wird zudem oft primär an Verbesserungen für den Autoverkehr gedacht – auch wenn das im Einzelfall verkehrstechnisch längst überholt ist.
Kulturell sind Brücken im metaphorischen Sinn Symbole menschlicher Sehnsucht und Willensstärke. Man bricht zu neuen Ufern auf und erschließt nicht nur neue Stadtviertel. Die neuen Fahrradbrücken in Tübingen haben nicht nur praktischen Nutzwert, sie signalisieren auch „Radverkehr ist uns etwas wert“ oder „Radfahrende sind uns etwas wert – und ihre Gesundheit“. Geschickt kommuniziert die Stadt gleichzeitig: Mehr Radfahrende bedeuten weniger Autos in der Stadt. Also weniger Staus und mehr Platz für alle, die mit dem Auto fahren.

Alte Pläne und Restauration vor Innovation

Viel diskutiert und allgemein bekannt ist der Investitionsstau der letzten Jahrzehnte zugunsten eines ausgeglichenen Haushalts. Der zeigt sich auch bei den Brücken. Allein die Autobahnen und Bundesstraßen führen in Deutschland über gut 40.000 Brücken. Seit dem Teil-einsturz der Dresdener Carolabrücke im September 2024 steht der schlechte Zustand der Brücken nach langer Zeit wieder im Fokus der Öffentlichkeit. Dabei gelten Tausende Bauwerke schon seit Langem als sanierungsbedürftig. Über 2300 Brücken und Teilbrücken allein auf den Fernstraßen fallen nach Bewertung der Straßenbaubehörden aktuell in die Zustandskategorien „nicht ausreichend“ und „ungenügend“. Brückenbauexperte Prof. Martin Mertens vom Fachbereich Bau- und Umweltingenieurwesen der Hochschule Bochum schätzt, dass es mindestens 15 Jahre dauern könnte, um die anstehenden Sanierungen abzuschließen. Sorgen machen dabei vor allem Bauwerke, die vor den 1980er-Jahren erstellt und, aus heutiger Sicht, mit unzureichenden verkehrlichen Grundlasten berechnet wurden.
Voraussetzung für den Zeitplan sei, dass ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt würden und die Politik mitspiele. Dabei ginge es unter anderem um Baurecht, Ausschreibungsverfahren und das Planungsrecht. „Wenn ich beispielsweise eine Brücke neu bauen möchte und nur einen Radweg ergänzen will, bin ich schon außerhalb meines Baurechts und muss ganz von vorn anfangen. Das kann doch nicht sein. Nicht in dieser digitalen Welt“, so Prof. Mertens. Seine Einschätzung zeigt dabei anschaulich, warum eine Angleichung bestehender Pläne an die verkehrlichen Anforderungen mit Blick auf modernen und komfortablen Radverkehr eben alles andere als einfach umzusetzen ist. Tatsächlich werden aktuell bereits vor langer Zeit genehmigte Pläne aus den Schubladen geholt und umgesetzt, auch wenn sie schon jetzt nicht mehr den Bedürfnissen entsprechen. Betoniert wird damit der Zeitgeist von gestern und vorgestern für die nächsten Jahrzehnte. Echte Innovationen werden dagegen „aus Sachzwängen“ verhindert.

Der Wesersprung Mitte ist eine von drei Fahrrad- und Fußgängerbrücken, die in Bremen künftig über die Weser führen sollen.

Zeit der Visionen vorbei?

Angesichts des starken politischen und mitunter populistischen Gegenwinds sowie der schwierigen personellen und gesamtwirtschaftlichen Situation fällt es schwer, an bestehenden Masterplänen festzuhalten oder neue Visionen zu entwickeln. Berlin ist dafür aktuell ein Beispiel. Auf der anderen Seite stehen die Städte und Kommunen im Wettbewerb um Unternehmen und gut ausgebildete Fachkräfte, verbunden mit der Notwendigkeit die Funktionsfähigkeit und das Miteinander zu erhalten und zu verbessern, zum Beispiel durch neue, gut angebundene Wohnquartiere, ausreichende Grünanlagen und Bewegungsmöglichkeiten.
Wenn man genauer auf aktuelle Projekte bei der Brückenplanung und Umsetzung für Radfahrende und Zufußgehende schaut, dann fällt ein Missverhältnis zwischen Anspruch, Notwendigkeiten und der Wirklichkeit ins Auge. Konkrete Äußerungen erhält man selten und wenn, dann hinter vorgehaltener Hand. Allein in der Rheinmetropole Köln schätzen Sachkundige den Bedarf auf rund fünf neue oder erweiterte Brücken. Besprochen wurde während der letzten 10 bis 15 Jahre viel – unter anderem zwei Fahrradbrücken. Konkret geplant oder umgesetzt? Bislang nichts.
Ganz so negativ sind die Aussichten allerdings auch nicht: So hat das Land Nordrhein-Westfalen beispielsweise ein umfangreiches Brückenertüchtigungsprogramm aufgelegt, das auch den Rad- und Fußverkehr berücksichtigt. Auch in Rheinland-Pfalz und Hessen beschäftigt man sich mit Projekten zur Ertüchtigung von Autobahnbrücken, mit innovativen Methoden wie Carbon-Beton, was auch dem Rad- und Fußverkehr zugutekommen soll. Die Stadt Bremen plant mehrere neue Brücken, die sogenannten Wesersprünge, speziell für Fußgänger und Radfahrer als Teil eines größeren Plans zur Förderung der Nahmobilität. In Rostock wird die neue Warnowbrücke gebaut, die speziell für den Rad- und Fußverkehr konzipiert ist. In Bonn soll eine Rheinbrücke als Verbindung für Zufußgehende und Radfahrende geschaffen werden. Weitere Projekte sind die oben angesprochene „Radbrücke West“ in Tübingen, die kürzlich eröffnet wurde, der Franklin-Steg in Mannheim, der als Teil eines nachhaltigen städtebaulichen Projekts die barrierefreie Überquerung der B38 bietet, die im Oktober 2024 eingeweihte Lange Brücke in Uelzen oder der 2021 eröffnete Golda-Meir-Steg in Berlin, der die Stadtteile Moabit und Mitte verbindet. Bei unseren Nachbarn aus den Niederlanden stößt das Ausbautempo auf Unverständnis. Hier wird, auch dank standardisierter modularer Bauweise, sehr erfolgreich gänzlich anders für Radfahrende geplant und gebaut.

Fahrradfreundlich = zukunftsfähig

Eine gute Anbindung stärkt die Attraktivität und Vitalität von Stadtvierteln, während Hindernisse oder Isolation negative soziale und wirtschaftliche Folgen nach sich ziehen können. Insgesamt betrachtet gibt es dementsprechend wohl etliche Gründe, deutlich mehr Radrouten und Brücken für Radfahrende und Zufußgehende zu bauen oder bestehende Brücken auszubauen oder aufzuwerten – auch angesichts knapper Kassen und gegen oftmals populistische Widerstände. „Radverkehr bleibt der schnellste, günstigste und wirksamste Hebel für nachhaltige kommunale Verkehrspolitik“, betont Heinrich Strößenreuther, NGO-Gründer (u. a. Volksentscheid Fahrrad, Changing Cities e.V.), Buchautor und Keynote-Speaker. Der Radverkehr wachse schneller, als es die vorhandene In-frastruktur erlaube.
Visionen, Ideen und Masterpläne regelmäßig zu überprüfen ist sicher nicht falsch. Andererseits dürfen langfristige Entwicklungen, Ziele und gewünschte Veränderungen nicht aus den Augen verloren werden. Auch das ist eine Aufgabe von Politik und Verwaltung. Brücken für die Zukunft zu schaffen, ist dabei im eigentlichen und übertragenen Sinn ein Pflichtprogramm und eben keine Aufgabe, die nach Parteibuch, Mehrheiten oder der Kassenlage entschieden werden sollte.


Bilder: Universitätsstadt Tübingen, stock.adobe.com – ON-Photography, Freie Hansestadt Bremen