Grünes Moped-Sharing wächst
Können 45-km/h-Roller beziehungsweise -Mopeds im Sharing-Markt bestehen? Wächst der Markt und wenn ja, wo und wie? Und wie umweltfreundlich sind die Angebote eigentlich? Das Technologieunternehmen Invers hat dazu im November einen globalen Marktreport veröffentlicht. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 04/2021, Dezember 2021)
Schlecht sah es noch vor zwei Jahren aus mit der 2016 von der Bosch-Tochter Coup eingeführten 45-km/h- E-Roller-Flotte. Allein in Berlin wurden 1.500 Fahrzeuge des taiwanesischen Herstellers Gogoro erst einmal aus dem Verkehr gezogen. Europaweit waren es sogar 5.000 Roller. Übrig blieb der Anbieter Emmy mit einer Flotte von damals nur rund 2.000 Fahrzeugen und jede Menge frustrierter Kunden, die das Coup-Angebot gerne nutzten. Die Lehre, die Bosch und nachfolgende Anbieter, wie zum Beispiel der Kölner Energielieferant Rheinenergie mit dem kürzlich eingestellten Angebot „Rhingo“ zogen: Ohne eine ausreichend große Fahrzeugflotte und Synergieeffekte macht das Angebot wirtschaftlich kaum Sinn. Von diesen Misserfolgen aber auf das Produkt selbst zu schließen, wäre falsch. Die Fahrzeuge von Coup wurden im Mai 2020 nahtlos in das Portfolio von Tier Mobility übernommen, und auch insgesamt entwickelt sich der Markt für E-Mopeds und ähnliche Hybridfahrzeuge hervorragend.
Invers: Global Moped Sharing Market Report
Das Unternehmen Invers mit Hauptsitz in Siegen und Standorten in Köln und Vancouver, das den Marktreport seit fünf Jahren jährlich erstellt, ist kein Marktforscher, sondern ein hoch spezialisierter Technologieanbieter. Als unabhängiger Partner für Betreiber von Shared-Mobility-Lösungen kennt sich Invers bestens im Markt aus und ist auch international sehr gut vernetzt. Zu den Kunden zählen renommierte Namen wie Share Now, Clevershuttle, Miles, Getaround, Flinkster, Tier, Bounce und Emmy. „Die Studienergebnisse belegen mit Zahlen, was wir in der Zusammenarbeit mit unseren Kunden in der Praxis erleben: Der Markt wächst, weil die Nachfrage nach flexibler Mobilität im urbanen Raum steigt und Mopeds als nachhaltige Sharing-Lösung für mittlere Distanzen im Mobilitätsmix signifikantes Wachstum versprechen“, sagt Alexander Gmelin, Co-Autor der Studie und CPO bei Invers. Moped-Sharing sei der „Hidden Champion“ unter den Sharing-Angeboten und wachse seit der ersten Erhebung im Jahr 2012 kontinuierlich. Rückenwind bekomme der Markt aktuell auch durch die Kapitalgeber. Weltweit seien derzeit rund 110.000 Mopeds als Sharing-Fahrzeuge im Einsatz und 12 Millionen Nutzer registriert. Besonders interessant: Die Zahl der Städte, in denen Moped-Sharing angeboten wird, stieg innerhalb des letzten Jahres um 43 Prozent von 122 auf 175 und die Zahl der Betreiber von Moped-Sharing-Diensten um 13 Prozent auf insgesamt 87 Anbieter.
Deutsche Moped-Sharing-Hotspots 2021. In deutschen Städten boomt das Angebot.
Spanien führt vor Taiwan, Deutschland und den Niederlanden
Spanien ist nach den Ergebnissen der Studie nach wie vor weltweit der größte Markt, gefolgt von Taiwan, Deutschland, den Niederlanden sowie Indien und Frankreich. Neu hinzugekommen sind Zypern und Georgien. Das größte Wachstum verzeichnen aktuell Deutschland, die Niederlande und Frankreich. Drei große niederländische Anbieter – GO Sharing, felyx und CHECK – expandierten im letzten Jahr nach Deutschland und trugen so dazu bei, dass der deutsche Markt im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um satte 86 Prozent auf aktuell 13.000 Mopeds im Sharing-Angebot wuchs. Insgesamt ist Westeuropa mit mehr als 36.500 Mopeds im Sharing-Angebot der stärkste Wachstumstreiber der Branche. Beigetragen dazu hat auch Paris. Die Stadt ist Vorreiter bei der Verkehrswende und hat sich zu einem wichtigen Hotspot des europäischen Moped-Sharings entwickelt.
Einen bemerkenswerten Turn-around gibt es bei den Antrieben: 97 Prozent sind inzwischen batterieelektrische Fahrzeuge. Große neue OEMs hätten laut Invers im vergangenen Jahr begonnen zusammenzuarbeiten, um das Laden für Nutzer weiter zu vereinfachen und die Fahrzeuge damit attraktiver zu machen, mit Batterieladenetzwerken und Angeboten zu Akku-Tauschsystemen, die im „Roller-Land“ Taiwan beispielsweise schon länger enorm erfolgreich sind.
Die vollständige Studie gibt es zum Download unter invers.com
Interessante Fakten
Aktuell besitzen fünf Betreiber bis zu 40 Prozent der weltweiten Flotte, vier davon sind in Europa ansässig. Die weltweit größten Anbieter sind GO Sharing, Acciona Mobility, Cooltra, Cityscoot und WeMo. Neben den in Europa üblichen 45-km/h-Rollern gibt es verschiedene Moped-/Fahrrad-Hybride, die die Autoren mit einbezogen haben und die weltweit auf dem Vormarsch sind. Beliebt sind sie primär in Regionen wie Indien (Yulu) oder Pakistan (ezBike) in denen viele Menschen keinen Führerschein besitzen. Die meisten Modelle fahren elektrisch wie Mofas mit ein oder zwei Sitzen und etwa 25 km/h. Die Autoren gehen davon aus, dass Hybridfahrzeuge das Potenzial haben, zu einem neuen, relevanten Fahrzeugtyp für Shared Mobility zu werden. Auch die Öko-Bilanz wird nach den Studienautoren immer besser: Fast alle Fahrzeuge werden inzwischen elektrisch betrieben (97%), die Nutzungsraten steigen und auch die Qualität und die Lebensdauer der Fahrzeuge habe sich in den letzten Jahren deutlich erhöht.
Bilder: Yulu, Invers/mopedsharing.com