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Mit der Studie „Ich entlaste Städte“ hat das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt ein großes Reallabor für Cargobikes im Unternehmensalltag geschaffen. Mit dem Abschluss des Projekts haben Lastenräder ihr großes Potenzial für gewerbliche Anwender unter Beweis gestellt. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 01/2022, März 2022)


„Ich ersetze ein Auto.“ Dieses Statement trifft zumindest auf etwa zwei Drittel der 30.000 Fahrten zu, die in Europas größtem Lastenradtest getätigt wurden.

Der Verkehr ist mit 160 Millionen Tonnen jährlich die drittgrößte Emissionsquelle von CO2 in Deutschland. Gewerbliche Transporte haben daran einen nicht unwesentlichen Anteil, sie machen ein Drittel der Kfz-Fahrten aus. Dieser Sektor hat aber nicht nur, wenn es um Klimaziele geht, noch Verbesserungspotenzial. Transport-Pkw nehmen viel Platz ein, verursachen Lärm und verschlechtern die Luft. In den genannten Punkten sind Lastenräder eine bessere Alternative. So zumindest lautet der Grundtenor des Projekts „Ich entlaste Städte“, das über einen mehrjährigen Zeitraum das Potenzial von Lastenrädern für gewerblichen und dienstlichen Einsatz evaluierte. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat nach dem Ende der Projektlaufzeit nun die Ergebnisse vorgestellt.

Projekt mit großem Umfang

Europas größter Lastenradtest sorgte für 300.000 Testkilometer bei 30.000 Fahrten. 755 Unternehmen durften Räder aus der 152 Stück großen Flotte des DLR testen. Aber auch NGOs und Vereine, öffentliche Einrichtungen und Soloselbstständige sowie Freibe-rufler*innen nahmen teil. Am häufigsten vertreten waren die Wirtschaftszweige Dienstleistungen, Verarbeitendes Gewerbe und Baugewerbe. Insgesamt waren die Nutzungsbereiche divers: von der Filmproduktionsfirma übers Architekturbüro bis zur Radiomanufaktur. „Es gibt nicht die eine Branche, die für den Lastenradeinsatz prädestiniert ist. Denn es ist für Organisationen aller Couleur und Größe sinnvoll, zu überlegen, welche Warentransporte und betrieblichen Dienstleistungen mit dem Lastenrad abgewickelt werden könnten“, so das Resümee im Projektabschlussbericht.

Long John, Trike, Longtail, Lieferbike und Schwertransporter (v. l.). Die Teilnehmer*innen des großen Lastenradtests konnten alle Bauformen für ihre Zwecke testen.
Getränkelieferung per Lastenrad? Unter den 755 Unternehmen im Projekt „Ich entlaste Städte“ befanden sich auch ein Brauhaus, zwei Brauereien und zwei Getränkehändler.

Große Nachfrage – nicht nur in Großstädten

2000 Betriebe hatten sich auf die Projektteilnahme beworben. Überproportional groß war die Nachfrage in den Stadtstaaten – aber auch in Landgemeinden bis 20.000 Einwohner*innen. Relativ zur Bevölkerungsverteilung waren diese im Test sogar überrepräsentiert.
Die meisten Standorte der Testbetriebe lagen mit weniger als vier Kilometern relativ nahe an den Stadt- und Ortszentren. Das ist nicht verwunderlich, spielt das Lastenrad doch insbesondere auf kurzen Strecken seine Stärken aus. Das bestätigen auch die Studienergebnisse: Bei gefahrenen Strecken bis zu drei Kilometern Länge sind Pkw und E-Lastenrad weitgehend gleich schnell. Und auch auf Distanzen bis zu 20 Kilometern dauerte die Hälfte aller Cargobike-Fahrten nur zwei bis zehn Minuten länger als mit dem Pkw. In der Realität dürften die Unterschiede noch etwas kleiner ausfallen. Die Parkplatzsuche der Verbrenner wurde in die Vergleichswerte nicht einkalkuliert. Im Mittel betrug der Radius vom Betriebsstandort, in dem die Räder eingesetzt wurden, 2,4 Kilometer.

Für jede Anwendung das richtige Modell

Fünf Lastenradtypen konnten die Betriebe testen. Diese unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Bauweise. Ein Lastenrad der Klasse Trike hat drei Räder und bringt die Last vor dem Fahrer oder der Fahrerin unter. Die gleiche Reihenfolge aus Last und Fahrersitz haben die einspurigen Long Johns. Umgekehrt ist es bei der Bauart Longtail, die auch mit zwei Rädern auskommt und dadurch wendiger ist. Dann gibt es noch die Schwertransporter und Lieferbikes, die an
gewöhnliche Fahrräder mit viel Transportkapazität erinnern. Das Förderprogramm vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) schließt letzteren Typ bei ihrem Förderprogramm aus. Alle anderen gewerblich genutzten Lastenräder können sich auf bis zu 25 Prozent Förderung auf den Kaufpreis freuen. Dass es diese Prämie gibt, ist ein großer Vorteil für Interessierte. Im DLR-Test waren es die hohen Implementierungskosten, die die Teilnehmenden am meisten bei der Anschaffung hemmen.

78,2 %

der Teilnehmenden sehen
Verbesserungspotenzial bei den Cargobikes.
Die meisten von ihnen kritisierten
Cargobox oder Ladefläche.

Fast 80 Prozent sehen Optimierungsbedarf

Das Reallabor hat gezeigt, dass 78,2 Prozent der Teilnehmenden Verbesserungswünsche am getesteten Modell sehen. Besonders oft kritisiert, nämlich von 63 Prozent der Testerinnen, wurden Cargobox und Ladefläche. 43 Prozent wünschen sich mehr Komfort. Auch verbesserungswürdig sind die Komponenten (36 Prozent) sowie der E-Antrieb und der Akku (35 Prozent). Die Testimonials der Teilnehmerinnen auf der Projektwebsite lesen sich trotzdem weitgehend positiv. „Der Lastenradtest war für uns ein Erfolg mit Anspruch – wir möchten uns demnächst ein eigenes Lastenrad mit
E-Motor anschaffen. Wir konnten durch den Einsatz des Lastenrades bei unseren Kunden mit ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten trumpfen“, sagt zum Beispiel Oskar K. L. Wolf vom Solarbüro Fischbach. Luft nach oben gibt es auch beim Wartungsangebot für Lastenräder. Das Geschäft mit den Wartungen müsse sich erst noch richtig entwickeln, bestätigt Martin Seißler vom Thinktank Cargobike.jetzt, der beratend am Projekt beteiligt war. „Das ist eine sehr zerklüftete Landschaft ohne Qualitätskontrollen und Standards“, so Seißler. Der Bereich muss als Geschäftsfeld erkannt werden. Mit zunehmenden Lastenrad-Zahlen dürfte sich der Fokus einiger Fahrrad-Fachhändler*innen auf den neuen Service-Markt verschieben. Neben dem Service-Netzwerk müsse sich auch die Verkehrsin-frastruktur verbessern.

Mehr als Umweltvorteile

400 Kilogramm CO₂ könnte jedes Lastenrad, das im Anschluss an den Test angeschafft wurde, jährlich einsparen. Bei einigen dürfte es sogar eine Tonne pro Jahr sein. Aber die Vorteile für Umwelt und Klima sind nur ein Faktor von vielen. Die Teilnehmerinnen rechneten auch mit gesünderen, zufriedeneren Mitarbeiterinnen und einem Imagegewinn für ihre Organisation. Gerade in Innenstädten bieten die Lastenräder gegenüber Autos mehr Flexibilität und ersparen die Parkplatzsuche. Die Zuverlässigkeit, die dadurch entsteht, beeinflusst auch die Arbeitsabläufe. 43 Prozent der Testbetriebe gaben an, dass sich diese durch das neue Vehikel verbesserten.
„Ich entlaste Städte“ hat mit viel Praxisnähe gezeigt, dass der Projektname passend gewählt ist. Rund zwei Drittel der 300.000 im Test zurückgelegten Fahrtenkilometer wären sonst mit dem Pkw zurückgelegt worden. Wer auf den Trend und das Lastenrad aufsteigen möchte, findet die detaillierten Ergebnisse unter lastenradtest.de. Außerdem gibt es dort eine Übersicht über die genutzten Modelle sowie ein Handout mit Praxistipps für die Anschaffung von Lastenrädern. Weil die Nachfrage so hoch war, hat das Unternehmen Cargobike.jetzt eine Verstetigung der Testmöglichkeiten ins Leben gerufen. Unter dem Namen „Flottes Gewerbe“ soll es ab April dieses Jahres wieder unkomplizierte Testmöglichkeiten geben, zunächst in Karlsruhe und Stuttgart. Dabei stellt das Unternehmen potenziell interessierten Betrieben die richtigen Räder für einen Test zur Verfügung. Sie kooperieren dafür mit Herstellern, Wartungspartnern und Städten.


Bilder: ich-entlaste-staedte – Amac Garbe

Für den gewerblichen Dauereinsatz unter härtesten Bedingungen wurde das zweispurige E-Cargobike A-N.T. in enger Zusammenarbeit zwischen der ZEG Zweirad-Einkaufsgenossenschaft und der b&p engineering mobility GmbH entwickelt. Das Besondere: Viele der eingesetzten Komponenten des „Heavy Duty“-Bikes stammen aus dem Fahrzeugbau und sind damit für höhere Grundlasten und eine geringe Verschleißanfälligkeit ausgelegt. Der modulare Aufbau kann nach Herstellerangaben je nach Anforderung an die unterschiedlichsten Aufgaben adaptiert werden. Zum Beispiel für die Post- und Paketzustellung, für Handwerker, als Servicefahrzeug bei Abfallwirtschaftsbetrieben, als Muldenkipper etc. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 02/2020, Juni 2020)


In dem stabilen und flexiblen Kraftpaket mit einem zulässigen Gesamtgewicht von 280 kg kommen ein drehmomentstarker Mittelmotor in Kombination mit einem dreistufigen Getriebe und einer hydraulischen Dreischeiben-Bremsanlage zum Einsatz. Um den Service zu erleichtern, wurde die Konstruktion so ausgelegt, dass Verschleißteile wie Bremsen und Reifen einfach ausgewechselt werden können.

Durch die Einbindung in das Netz der 960 unabhängigen Fahrrad-Fachhändler im Verbund der ZEG soll deutschlandweit ein schneller Service gewährleistet sein.


Bilder: b&p engineering mobility GmbH

Rund 200 Vertreter der jungen Lastenradbranche trafen sich mit Experten, Verbänden, Politikern und Journalisten. Darunter politische Prominenz wie Berlins Senatorin für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, Regine Günther, Staatssekretär Steffen Bilger vom BMVI und Professor Ralf Bogdanski von der Technischen Hochschule Nürnberg. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 01/2019, Dezember 2019)


Mit einer groß angelegten Konferenz hat der im letzten Jahr gegründete Radlogistik Verband Deutschland e.V. (RLVD) Ende Oktober in Berlin ein Ausrufezeichen gesetzt.
Die gelungene dreitägige Konferenz in Berlin inklusive vielfältigem Rahmenprogramm und der Möglichkeit, sich mit den Anbietern und verschiedenen Beteiligten auszutauschen und die neuesten Cargo-Bike-Modelle auch direkt vor Ort zu testen, zeigte eines sehr klar: Der Bedarf ist da und auch bei den Lösungsangeboten geht es mit großen Schritten voran. Die Radkurierszene nutzt ihre langjährige Erfahrung, beste Ortskenntnisse und bestehende Kundenbeziehungen und entwickelt sich mit Logistik-Know-how weiter. Dazu kommen neue Hard- und Software-Anbieter, auch aus der Automobilzulieferbranche, die genau das liefern, was die aufstrebende junge Branche braucht: Leistungsstarke E-Bike-Antriebe, neue Fahrzeugkonzepte und verschiedene Aufbauten für unterschiedliche Einsatzzwecke, hochbelastbare und weniger wartungsintensive Komponenten, Software für GPS-optimierte Tourenplanung und -Steuerung, automatische Buchungssysteme und vieles mehr.

Neue Lösungen für mehr als 4,4 Mrd. Sendungen gesucht

„Der Kurier-, Express- und Paketmarkt wächst weiter stabil – schwächelnden Konjunkturprognosen zum Trotz.“ Diese Überschrift zu einer aktuellen Studie des Bundesverband Paket- und Express-Logistik (BIEK) wird viele Unternehmen und Investoren freuen. Kommunen, Stadtbewohner, Rad- und Autofahrer dürften vom anhaltenden Wachstum der KEP-Branche weniger begeistert sein. Denn die negativen Begleiterscheinungen sind in den Städten immer deutlicher sichtbar. Ohne Veränderungen und neue Konzepte werden die Probleme vor allem in den Städten von Jahr zu Jahr immer größer – und das nicht mehr nur zur Weihnachtszeit.
Allein im Jahr 2018 wurden laut BIEK erstmals mehr als 3,5 Milliarden Sendungen transportiert – mehr als doppelt so viele wie im Jahr 2000 (+108 %). Für das Jahr 2023 erwartet der Verband bundesweit 4,4 Milliarden Sendungen. Getrieben vor allem vom B2C-Sektor und hier unter anderem auch vom stark wachsenden Bereich der Lebensmittellieferung. Wie diese Menge in den Städten verteilt werden soll, ohne, dass es zu enormen Problemen kommt? Dieser Aufgabe werden sich Politik, Verwaltung und Kommunen künftig zusammen mit den Unternehmen stellen müssen.

Dringender Bedarf für neue Ansätze

Die umfassende Digitalisierung, neue Geschäftsmodelle und neue Kundenerwartungen führen zu einer immer weiteren Zunahme des Lieferverkehrs in den Kommunen. Mit allen negativen Begleiterscheinungen. Allen voran die steigende Zahl an Lieferwagen, die Straßen verstopfen und zu Behinderungen und Gefahrensituationen führen, wie Experten auf dem Kongress einhellig betonten. Neue Ansätze und Lösungen sind damit gefragt, sowohl von den Verantwortlichen in den Kommunen, wie den Unternehmen der KEP-Branche (Kurier – Express – Paket) und immer stärker auch von den Einwohnern und den Bestellern selbst, so das Feedback der beteiligten Unternehmen.
Wie solche Lösungen aussehen können, zeigte unter anderem die Konferenzbegleitende Radtour zu Radlogistik-Hotspots, wie dem bislang einmaligen Forschungsprojekt „KoMoDo Berlin“, an dem sich die fünf größten nationalen Paketdienstleister DPD, DHL, GLS, UPS und Hermes auf der letzten Meile zusammen beteiligen. Dabei steht die „kooperative Nutzung von Mikro-Depots durch die Kurier-, Express-, Paket-Branche für den nachhaltigen Einsatz von Lastenrädern in Berlin“, so der Volltext, im Mittelpunkt. Ein echtes Novum in der sonst von strikter Abgrenzung und Konkurrenzkampf geprägten Branche, wie unter anderem Martin Schmidt, Geschäftsführer der Cycle Logistics CL GmbH und Vorsitzender Vorstand des Radlogistik Verband Deutschland e.V. erläuterte.

Der KEP-Markt wächst ungebremst und stärker als alle anderen Bereiche im Güterverkehrsmarkt (Straße, Schiene und Luft).

Praxistests erfolgreich, Cargobikes ready to run

Berlins Senatorin für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz, Regine Günther betonte, dass die Praxistests in Berlin gezeigt hätten, wie moderner, umwelt- und klimafreundlicher Lieferverkehr funktionieren kann. Die Berliner Senatorin hält Cargobikes für einen wichtigen Baustein, wenn es um die Neuorganisation des innerstädtischen Verkehrs geht. Noch ist die Radlogistik überschaubar. Aber die Dynamik bei Produkten, Services und Rahmenbedingungen beeindruckt. Was die neue Branche sicher auszeichnet, ist ihr Selbstverständnis, in einem hochdynamischen Markt am besten durch Kooperationen agieren und wachsen zu können. Das zeigt sich zum Beispiel bei neuen Coworking-Formen wie im „MotionLab.Berlin“, einem laut Eigenbeschreibung „Prototyping-Space für Mobilität von morgen“. Hier haben unter anderem innovative Logistik-Bike-Hersteller wie Citkar oder Ono eine Heimat gefunden haben. In der riesigen Halle, in der zur Abendveranstaltung geladen wurde, wird getüftelt, entwickelt, geschraubt und sich ausgetauscht. Mit einigem Erfolg, wie die fahrfertigen Prototypen, die vor Ort ausprobiert werden konnten, zeigten.

Lastenräder als Lösung für
die City-Logistik

„Auf der letzten Meile macht das Lastenfahrrad das Rennen“, so Prof. Dr.-Ing. Ralf Bogdanski, der an der Technischen Hochschule Nürnberg im Fachbereich Betriebswirtschaft zu Logistik und Umweltmanagement forscht.
Die Staubelastung und Verfügbarkeit von Parkplätzen für Lieferanten und potenzielle Kunden, der vielfach drohende Verkehrsinfarkt in den Städten und eine sich verschärfende Umweltproblematik stelle die Logistik vor neue Herausforderungen. Die letzte Meile müsse ökonomisch, ökologisch und sozial nachhaltig bewältigt werden.
Hier setze das Konzept der Lastenfahrräder an, insbesondere das der zweispurigen Pedelec-Lastenfahrräder. In Kombination mit dem Micro-Depot-Konzept und der Einbindung von Lkw/Transportern ergäben sich für den Einsatz von sogenannten Light Electric Vehicles (LEV) in multimodalen Konzepten für eine nachhaltige Stadtlogistik hoch interessante Einsatzmöglichkeiten – nicht nur für die KEP-Logistik.
In seinem 2019 dazu erschienen Buch thematisiert Professor Bogdanski unter anderem Rahmenbedingungen der urbanen Verkehrsinfrastruktur für Fahrräder und LEV aus Sicht der kommunalen Verkehrsplanung.

Probleme: Infrastruktur, Gesetzgebung…

Große Hoffnung auf einen dynamisch wachsenden Markt weckte auch Professor Ralf Bogdanski, Fachbuchautor und Lehrbeauftragter an der Technischen Hochschule Nürnberg, um sie dann gleich wieder zu dämpfen: „Die Lastenrad-Logistik könnte perspektivisch etwa 30 Prozent des urbanen Lieferverkehrs abdecken“, betonte er in seinem Vortrag. Unabdingbar sei dafür aber nicht nur der Ausbau der Radwege-Infrastruktur, auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen müssten sich rasch ändern. Damit sprach er unter anderem die Radwegebenutzungspflicht für Lastenräder sowie das derzeitige Verbot an, am Fahrbahnrand parken zu dürfen. Zumindest beim zweiten Punkt kündigte der anwesende BMVI-Staatssekretär Steffen Bilger auf dem Podium eine schnelle Reform im Rahmen der anstehenden StVO-Novelle an. Problematisch sieht Professor Bogdanski aber auch Punkte wie bislang nicht definierte Fahrzeugabmessungen, Maximalgewichte, allgemein die Sicherheit im Straßenverkehr oder die bislang auf 250 Watt Dauerleistung beschränkte Tretkraftunterstützung. Hier sollte möglichst schnell der rechtliche Rahmen auf nationaler und europäischer Ebene gesetzt bzw. erweitert werden.

Lastenrad 2.0: Gefährte wie der „Loadster“ der Berliner citkar GmbH oder das „Ono“ (Bild oben) wollen die Logistik auf der letzten Meile revolutionieren.

Falsche Prioritäten bei der Förderung

Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Förderungen der Automobilindustrie in Milliardenhöhe erscheinen die bisherigen Förderprogramme für Cargobikes und Radlogistik bislang äußerst zaghaft. Abgesehen vom Geld zeigen auch hier andere Städte, dass es und wie es geht. Zum Beispiel indem Kommunen Logistiker in der Innenstadt zur Zusammenarbeit untereinander verpflichten, Auslieferungen in der City per Lkw drastisch einschränken und wichtige Flächen als Hubs für Mikro-Logistik bereitstellen. Auch wenn erste Ansätze, wie KoMoDo, in die richtige Richtung weisen: Von ganzheitlichen Lösungen ist man hierzulande bislang noch ziemlich weit entfernt.

Weitere Aussichten? Trotz allem sehr gut!

Die Unternehmen und viele Experten hoffen, dass das Berliner Beispiel Schule macht und sich mehr und mehr Verantwortliche für eine aktive Förderung entscheiden und sich dafür auch auf Bundesebene stark machen. Der Druck in den Kommunen wächst, die Produkte und die Technik sind da und alte und neue Markteilnehmer professionalisieren sich. Die Rahmenbedingungen scheinen also insgesamt günstig und manche Experten prognostizieren bereits einen neuen Milliardenmarkt. Und wenn der vielzitierte Satz stimmt, dass sich der Mobilitätsmarkt aktuell in fünf Jahren so schnell bewegt, wie früher in 30 Jahren, dann könnten tatsächlich auch bei der (Rad-)Logistik disruptive Veränderungen bevorstehen.

Zum Vertiefen: Informationen und Argumente

Buchtipp:
Ralf Bogdanski: „Nachhaltige Stadtlogistik: Warum das Lastenfahrrad die letzte Meile gewinnt“ Huss-Verlag, 2019

Studie:
KEP-Studie 2019 – Bundesverband Paket und Expresslogistik (BIEK)

Download unter:
www.biek.de/presse/meldung/kep-studie-2019.html


Bilder: Sven Buschmeier, Reiner Kolberg