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„Es geht darum, dass wir zuhören“

Ob als Bestseller-Autorin oder vor fast 50.000 Twitter-Follower*innen, Katja Diehl setzt sich für die Lebensrealitäten jener Menschen ein, die in Mobilitätsdebatten zu selten zu Wort kommen. Im Veloplan-Interview erzählt sie, wie das System Auto so mächtig werden konnte, welche Eindrücke sie von ihrer Interrail-Reise mitnimmt und was sie sich von ihrem neuen Projekt erhofft. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 03/2022, Sept. 2022)


Sie sind im Sommer einige Wochen per Interrail durch Europa gereist. Was hat Sie unterwegs besonders inspiriert?
Die pragmatische Art, mit der manche Länder agieren. Die baltischen Staaten sind nicht bekannt dafür, dass sie superreich sind. Ich war in Vilnius und in Tallinn. Gerade in Tallinn roch es überall nach Farbe, weil sie Radspuren markieren und Parkspuren zu Radspuren machen. Die sind da auch schon relativ komfortabel, gerade im Vergleich zu manchen deutschen Radstreifen, wo ich mal ein Fragezeichen dran machen und fragen würde „Ist das überhaupt ein Radstreifen?“. Es ist ja schnell so, dass es eher gefährlicher für Radfahrer wird, wenn man Farbe aufbringt, weil Autopersonen sich dann an diese Linie halten und nicht denken, ab der Linie sind nochmal 1,50 Meter Abstand einzuhalten.
Gestartet habe ich meine Reise in Paris. Dort habe ich mitbekommen, dass die Menschen der Oberbürgermeisterin Anne Hidalgo nicht nur wohlgesonnen sind. Wenn ich aber ins Gespräch kam, gerade in Straßen, die vorher vier Autospuren hatten und jetzt zwei Spuren Auto, zwei Spuren fürs Fahrrad, dann erkannten die Leute: „Na ja, es ist schon leiser geworden.“ Dennoch: Du hast am Anfang vom Gespräch gemerkt, wenn der Name Hidalgo fiel, war die Reaktion nicht positiv. Paris ist auch eine Autostadt, hat aber eine Führungskraft, die eine ganz klare Vision hat. Ich muss gestehen, dass alle Städte, die ich besucht habe, mehr Aufbruchsschwung vermittelt haben, als jede deutsche Stadt. Ich habe in Paris gesehen, dass alle Menschen E-Scooter nutzen: alte Menschen, junge Menschen, Frauen, Männer, alle Ethnien. Während das hier in Deutschland eher eine weiße, männliche Mobilität ist und das liegt meiner Meinung nach an der Infrastruktur. Und es gab eine gewisse Lässigkeit dabei, diese Angebote zu nutzen.

Sie schreiben in Ihrem Buch Autokorrektur „Die Verkehrswende hat in Deutschland noch nicht mal begonnen.“ Würden Sie das also immer noch unterschreiben?
Ja, weil das Gefühl von „Ich werde gesehen“ fehlt, was ich in diesen Städten hatte. In Hamburg gibt es Radwege, aber es ist nicht so, dass es sofort losgehen kann, sondern du musst dich erstmal orientieren. In anderen Städten gibt es das Gefühl, dass ich eine Person bin, um deren Sicherheit man sich bemüht, weil ich nun mal die Schwächste bin im System, nach den Fußgängern, Menschen, die ein bisschen älter sind, und so weiter.
Ich finde, dass die aktuellen Debatten zeigen, dass die Verkehrswende überhaupt nicht angefangen hat. Dass ein Verkehrsminister mit seinen Nachbesserungen gegen das Gesetz verstößt und ein Expertenrat sagt, wir beschäftigen uns nicht mal damit. Ich hatte die letzten Tage einen Hänger deswegen und habe auch bei Twitter geschrieben, dass ich einfach nicht weiß, wie ich damit umgehen soll. Ich will nicht in die Konfrontation, das zeigt das Buch hoffentlich auch. Allmählich komme ich aber in die Situation, dass ich sage, wir knacken bald 49 Millionen private Pkw, davon werden aktuell zwei Drittel gewerblich zugelassen, also viele Dienstwagen, auch über Boni. Muss ich da nicht auch meine Strategie mal ändern, weil der Verkehr die Emissionen noch mal gesteigert hat? Wie komme ich an die Leute ran? Nach dieser Tour – ich habe ja bis auf Südeuropa fast alles gesehen– würde ich sagen, alle sind schon anders unterwegs, als wir das sind. Der Bürgermeister von London hat gesagt, in 2030 fahren in meiner Stadt fast 30 Prozent weniger Pkw. Das ist eine Messlatte, das ist etwas, das er erreichen muss. Und das sehe ich bei uns halt einfach nicht, wir haben gar keine Ziele.

Wieso ist das System Auto denn so mächtig in Deutschland?
Porschegate habe ich natürlich auch mitbekommen im Urlaub, dass da einfach mal so die Autoindustrie anruft und in die Koalitionsverhandlungen eingreift. Das Buch Lobbyland von Marco Bülow habe ich auch gelesen, was auf diese Drehtüreffekte zwischen Politik, Lobby und Wirtschaft eingeht.
Ich finde auch, Volker Wissing als Digital- und Verkehrsminister hat einen guten Antritt gehabt und gesagt: mit mir keine E-Fuels, Plugin-Hybride machen keinen Sinn. Dann war er einmal beim VDA und bei den Autoherstellern und ist komplett umgedreht.

Die systematische Dominanz des Autos haben Sie ja selbst auch nicht vom Kindesalter an hinterfragt. Was hat Ihnen da die Augen geöffnet?
Es waren neben dem schon immer vorhandenen persönlichen Interesse an Nachhaltigkeit und vor allem auch Gerechtigkeit unter anderem die Jobs, die ich gemacht habe, zum Beispiel für die Deutsche Bundesstiftung Umwelt mit Förderprojekten in der Richtung. Von da aus bin ich dann in die Logistik und in die Verkehrsunternehmen, da ging es dann auch viel um Barrierefreiheit. Ich habe gelernt, wie wichtig das Thema für Betroffene zu Recht ist. Es gab in dem Prozess jetzt nicht den Punkt Y, aber ich habe gelernt, den Status quo zu hinterfragen, und bekam immer mehr dieses Gefühl, da ist etwas ungerecht und die Welt ist nicht so, wie Verkehrspolitik und Autoindustrie sie uns vorgaukeln. Die Klimakatastrophe ist furchtbar, aber dass wir sie als Anlass brauchen, um mal auf die Mobilität zu schauen, ist schade. Denn ich hätte mir gewünscht, dass wir eher solidarisch auf Mobilität gucken, denn Automobilität ist keine Lösung. Sie ist dann eine Lösung, wenn sie eine von ganz vielen gleichberechtigten Angebotsformen ist. Das ist sie aber nicht, da bin ich dann immer tiefer rein und habe dann gemerkt „Boah, fuck“.

Diese solidarische Brille habenSie auch aufgehabt, als Sie weniger privilegierte Menschen für Ihr Buch interviewt haben. Welche Erkenntnisse haben Sie da überrascht?
Ich habe da viel gelernt. Daniela, die im Buch vorkommt, hat mir deutlich vor Augen geführt, dass Automobilität eine unklare Kostengröße ist, weil du ja beim Öffi-Ticket einen festen Betrag zahlst und dann hast du einen Monat deine Ruhe. Sie sagt, dass sie an Tag 31 nicht weiß, was die Kosten sind, weil sie ein altes Auto fährt: Spritkosten, Reparatur und Wartung. Auch das, was die alleinerziehende Anästhesistin gesagt hat: Dass sie sofort die Karre abschaffen würde, weil sie weiß, dass die Zukunft ihrer Tochter darunter leidet, dass sie ein Auto fährt. Das sind prägende Momente gewesen. Es war nicht von Anfang an geplant, diese Interviews zu machen, die Idee kam zu Beginn des Buches.
Auch die unterschiedlichen Facetten von Sicherheit, dass vielen Menschen ein roter Knopf nicht ausreicht, wenn sie sich bedroht fühlen. Sondern dass es um Personal geht, um Aufenthaltsräume und Aufenthaltsqualität. Dann kommt man auch zum Thema Barrierefreiheit, die für viele Menschen auch sehr unterschiedlich ist. Menschen, die kognitiv nicht die Fähigkeiten haben, die die Mehrheitsgesellschaft erwartet, die sind schon mit Fahrplänen manchmal überfordert. Freie Wahl des Verkehrsmittels, Sicherheit, Verfügbarkeit und Bezahlbarkeit, wenn diese Sachen da sind, dann kommt Klimagerechtigkeit ins Spiel.

Freie Wahl des Verkehrsmittels, Sicherheit, Verfügbarkeit und Bezahlbarkeit, wenn diese Sachen da sind, dann kommt Klimagerechtigkeit ins Spiel.

Katja Diehl zählt aktuell sicher zu den gefragteren Persönlichkeiten der Mobilitätsbranche. Entsprechend oft ist die Autorin unterwegs, ob als Speakerin auf Messen und Kongressen oder auf Lesereise mit ihrem Buch.

Das sind viele Lektionen aus weniger privilegierten Perspektiven, die oft untergehen. Was muss denn geschehen, damit sie mitgedacht werden?
Der größte Faktor ist überhaupt nicht technisch, sondern es geht darum, dass wir zuhören. Dass wir auch aushalten, wenn Leute zu uns sagen „Das passt euch, mir aber nicht“. Das ist auch was, worauf ich bei Volker Wissing noch warte. Er hat, glaub ich, den Expertenrat von Andi Scheuer auch übernommen. Wenn Sie sich die Gruppe anschauen, auf dem Foto stehen erstens alle, sind zumindest optisch ohne Behinderung, sind weiß und haben wohl auch ein gewisses Bildungsniveau, das nicht alle in Deutschland erreichen können. Ich habe bei Twitter gesagt „Kann nicht jemand von den weißen Herren zurücktreten und jemanden vorschlagen, der nicht sich selbst entspricht?“

Ein erstaunlich kleiner Anteil, weniger als fünf Prozent der Führungskräfte in der Mobilitätsbranche, ist weiblich. Wie sollten wir dem begegnen?
Ich denke, es geht ganz viel auch um Sichtbarkeit. Das versuche ich ja auch mit dem Podcast SheDrivesMobility, dass ich da Frauen und andere Menschen, die nicht der weißen Mehrheitsgesellschaft entsprechen, zeige und zu Wort kommen lasse. Es geht nicht nur um Frauenförderung, sondern weit darüber hinaus. 50 Prozent gesunde, weiße Frauen in die Führung zu bringen, ist nicht das Endziel, das wir haben sollten. Der Bundestag ist da auch nicht das beste Beispiel. Was wichtig wäre, ist auch mal in die NGOs und in die Zivilgesellschaft zu schauen, welche Verbände da unterwegs sind, und dieses Silo-Denken zu sprengen. Wir sind in der Veränderungs-Bubble immer ganz gut darin, gegeneinander zu schießen. Es gibt die Autoindustrie und uns. Und wir sind halt dieses zerfledderte, heterogene Geflecht. Da gibt es den Fuss e.V., hier den VCD, da den ADFC und so weiter.

Sie kritisieren auch regelmäßig, dass der Mobilitätsbewegung Fantasie für neue Lösungen fehlt.Was kann diese Fantasie fördern?
Ganz viel friedliche Guerilla, zum Beispiel der Parking-Day. Und dann so was wie Jan Kamensky, ein guter Kumpel von mir, der solche Visualisierungen macht von Utopien ohne Auto. Ganz viel mit Bildern arbeiten und mit Beispielen aus dem Ausland.

Welches Bild soll denn vermittelt werden? Welche Faktoren machen Städte lebenswert?
Dass alle sich bewegen, vor der Haustür. Dass ich alle, die in einem Viertel leben, auch wahrnehme. Und dass der Raum zwischen den Häusern, wie Jan Gehl so schön gesagt hat, wieder den Menschen gehört, dass da Bänke sind und viel Grün. Viel Ruhe und muskelbetriebene, wenn überhaupt elektrische Mobilität. Die Stadt wird wieder zum Begegnungsort.

Gibt es bei der Frage nach einer lebenswerten Stadt etwas, das noch zu wenig Beachtung findet?
Was mir gespiegelt wird, ist, dass die Frage „Musst du oder willst du Auto fahren?“ überhaupt nicht thematisiert wird. Leute denken, das Auto ist eine Lösung. Aber ist es eine Lösung, wenn man keine Wahl hat? Oder ist es nicht vielmehr eine fatale Abhängigkeit? Viele Menschen sind gar nicht aktiv autofahrend, das sind 13 Millionen Erwachsene ohne Führerschein und 13 Millionen Kinder. Das haben mir viele Leute zurückgespiegelt, dass sie an diese große Gruppe nie denken, oder aber denken: Kinder können doch gefahren werden. Nein! Kinder sollten selbst aktiv mobil sein dürfen – das entlastet letztlich auch den Kalender der Eltern. Viele Leute denken in ihrer eigenen Mobilität. Und übersehen dabei die Bedürfnisse der Menschen neben ihnen.

Wie kommen wir denn zu einer Mobilität, in der sich niemand zum Autofahren gezwungen fühlt?
Es braucht erst mal Angebote, aber es braucht auch, dass das Auto sich einreiht in die Möglichkeiten der Mobilität. Und seine Privilegien verliert.Dazu gehört, Parkraum in der Stadt zu verknappen und zu bepreisen. Dass die Leute in vorhandene Parkgaragen fahren, die es ja auch gibt. Dass Ladeinfrastruktur nicht auf Gehwege gebaut wird, sondern in Parkgaragen und auf Supermarktparkplätze. Der Raum in der Stadt darf nicht mehr als Abstellraum für Stehblech missbraucht werden. Dann braucht es auf jeden Fall, gerade wenn ich noch mal auf meine Interrail-Reise gucke, Entschleunigung, also auf 30 km/h und darunter. In dem Moment wirst du auch im Auto wieder zum Mensch, weil dich Leute auch erkennen, und es gibt einen anderen Verkehrsfluss. Außerdem braucht es eine bauliche Trennung, damit meine ich aber nicht den Bau von neuer Infrastruktur, sondern sich die Fläche vom Auto zu holen. Das Ganze, was da als Schmerz empfunden wird in der Auto-Bubble, das ist ja der Schmerz, den alle anderen schon seit Jahrzehnten erleiden. Da kann man, finde ich, auch mal wieder was zurückgeben.

Das Auto ist nicht erfolgreich, sondern es ist in einem System, das komplett privilegiert ist.

Wie hat das Auto es in der Straßenhierarchie ganz nach oben geschafft?
Ich fand es während der Recherche total erstaunlich, dass wir aus dem Zweiten Weltkrieg mit so vielen Autobahnen rausgegangen sind. Auch in den 40ern und 50ern wurden viele Autobahnen gebaut. Dabei gab es da noch gar nicht so viele Autos, alle sind eher Mopeds gefahren und Fahrräder, weil es billiger war und auch einfacher zu reparieren. Das fand ich echt krass, diesen vorauseilenden Gehorsam, weil Adolf Hitler ja auch den Kraft-durch-Freude-Wagen mit Volkswagen gebaut hat. Dass Wolfsburg sogar mal „Stadt des KdF-Wagens“ hieß. Uff. Das Auto ist nicht erfolgreich, sondern es ist in einem System, das komplett privilegiert ist und andere Mobilitätsformen unattraktiv gemacht hat.

Erfahren Sie zum Beispiel auf Ihrer Buch-Tour eigentlich viel Ablehnung, weil Sie dem Auto an den Kragen wollen? Wie sind die Reaktionen?
Es gibt ganz viele im Publikum, die schon aufgegeben haben. Die sagen, nur wegen dir fange ich jetzt noch mal an, mich da zu engagieren. Ich würde sagen, jede zweite Lesung kommt hinterher ein Mensch, der oder die weint, weil sie sagen, „Ich kann das nicht mehr ab, ich will nicht Auto fahren“ oder „Ich fühle mich auf dem Rad so unsicher“. Da entstehen dann auch so kleine Selbsthilfegruppen, an manchen Orten haben die Leute auch Mail-Adressen ausgetauscht und wollten in Kontakt bleiben. Aber viele sind auch so richtig am Ende ihrer aktivistischen Kraft, die sind müde. Das ist dann auch anstrengend für mich, weil es so emotional wird. An manchen Orten sind wir gar nicht zur Lesung gekommen, weil wir direkt losdiskutiert haben. Das ist schon interessant, was das Buch auslöst.

Wie nehmen Sie auf Twitter die Diskussionskultur wahr?
Ich habe noch nie so viele tolle Menschen kennengelernt wie über Twitter. Es ist schon so, dass bei Twitter die positiven Dinge überwiegen. Es gibt natürlich auch Eskalation, aber das ist normal, wenn man etwas verändern will. Ich werde da auch von links und rechts gebasht. Den Linken bin ich zu wenig Autofeindin und zu industriefreundlich, für die anderen bin ich die, die Autos und Menschen, die diese fahren, hasst. Das kommt vielleicht auch aus der Vielschichtigkeit des Themas heraus, weil ich intersektional arbeite und diesen Wunsch nach Gerechtigkeit in mir habe.

Sollten Menschen, die mit Radverkehr und Mobilität zu tun haben, beruflich Zeit auf Twitter verbringen?
Wenn man nur lesen will und gar nicht in die Interaktion gehen, ist das ein total gutes Informationsmedium, finde ich. Gerade wenn man auch bestimmte Hashtags verfolgt, sich bestimmte Listen macht mit Begriffen oder bestimmten Personen, die man auf dem Schirm behalten möchte, finde ich schon, dass man da auch mal ein bisschen Abseitigeres mitbekommt.

Autokorrektur erschien im Februar 2022 und landete schon in der ersten Woche auf der Bestseller-Liste des Spiegels. Diehl schreibt darin nicht über Menschen, sondern lässt von Armut betroffene Menschen, Menschen mit Einschränkungen oder Transpersonen selbst zu Wort kommen.

Was ist deine Sicht auf Partizipationsverfahren, die lokale Bedürfnisse und Themen aufzeigen sollen?
Ich bin der Meinung, dass man bei der Beteiligung nicht unbedingt von null anfangen sollte. Ich habe das bei den Superblocks in Barcelona zum Beispiel gelernt, dass die mit einer gewissen Vorstellung kommen, was sie machen wollen, und dann mit den Leuten, die vor Ort wohnen, in die konkrete Planung gehen: Wollt ihr Bänke, wollt ihr Sportgeräte, was wollt ihr? Weil das in deren Lebensbereich stattfindet. Da hat die Bürgermeisterin sehr positive Erfahrungen gemacht. In manchen Bereichen gibt es mehr Seniorinnen, in anderen mehr Kinder. Das finde ich zum Beispiel echt cool, weil da auch festgestellt wurde, dass zum Beispiel, wenn Parklets gebaut werden, sich auch drum gekümmert wird. Die verlottern nicht, sondern schaffen eine Identifikation. Bei U-Bahn- oder S-Bahn-Bauten bin ich mir nicht so sicher, ob das immer über Bürgerinnenentscheide gemacht werden kann, weil die nicht so die Kenntnisse haben. Aber fortwährende und transparente Information ist wichtig, denn meist machen Baustellen ja erst mal große Pro-bleme, deswegen ist es so wichtig, immer auch zu zeigen, was da gerade gebaut wird – was der Gewinn der anstrengenden Zeit ist.
Beispiel: Wenn man jetzt sagt, man macht ein halbes Jahr einen Versuch, wie jetzt im Graefekiez in Berlin. Da werden Parkplätze rausgenommen und der frei werdende Platz wird anderweitig genutzt. Das wird sowohl wissenschaftlich begleitet als auch durch die Anwohner*innen mitgestaltet. Es wäre sicher auch positiv, dass Menschen, die in anderen Stadtvierteln leben, sich so etwas mal ansehen können.

Sie moderieren seit Neustem für den Hamburger Verkehrsverbund die Serie „Your Turn“ auf Youtube. Worum geht es Ihnen und euch dabei?
Gerade haben wir das Format vorgestellt, mit dem Verkehrssenator von Hamburg und der Geschäftsführerin vom HVV. Morgen drehen wir die nächste Folge. Das sind immer Leute, die in Hamburg oder dem Hamburger Umland wohnen und aus ganz anderen Bereichen kommen. Die erste Gästin war eine Fitness-Influencerin, die auch als Model arbeitet und berichtet hat, dass sie viel StadtRad nutzt und auch viel durch Hamburg joggt. Sie hat ihre eigene Sicht, auch in die Zukunft.
Ich gehe sehr konkret mit denen in die Verkehrsmittel, unterhalte mich über verschiedene Bereiche von Hamburg. Die dritte Folge werden wir auch im Umland drehen, weil es um jemanden geht, der eher die umländische Mobilität von Hamburg kennt. Also es geht sehr stark natürlich ums konkrete Produkt, aber wir thematisieren auch, wo es eigentlich hingeht mit dem Nahverkehr in Hamburg. So eine Fitness-Influencerin oder ein Sänger oder andere, die wir besuchen werden, haben ja auch immer andere Leute, die sie kennen, sodass man da auch ein bisschen diese Verkehrs-Bubble verlässt.

Worauf kommt es an, wenn Mobilitätsfragen blasenübergreifend stattfinden?
Mir wäre es wichtig, dass wir uns nicht mit Verkehrsmitteln identifizieren, auch nicht übermäßig mit dem Fahrrad. Sondern dass wir unseren Blick weiten, auch immer im Sinne von Barrierefreiheit und im Sinne davon, die Bedürfnisse alter oder ganz junger Menschen mitzudenken. Und dass wir da, die wir alle eigentlich ja den Platz vom Auto wiederbekommen wollen, viel mehr zusammenarbeiten. Das zeigt uns die Autoindus-trie. Da gibt es keine Marken mehr, die arbeiten zusammen und das sollten wir auch tun.


Bilder: Amac Garbe