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Innovation bei Produkten: viel mehr als nur E-Kickscooter

Spezialisierte Messen wie die micromobility expo bieten sowohl für Aussteller als auch wie für Besucher wohl die beste Gelegenheit für Information und Austausch. Wir sind gespannt und werden berichten. Aber auch auf anderen Messen und beim Blick über den deutschen Tellerrand lässt sich einiges entdecken. Hier einige Hersteller und Produkte, die uns besonders aufgefallen sind. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 04/2021, Dezember 2021)


Segway-Ninebot: hochmoderne Produktpalette

Das amerikanisch-chinesische Unternehmen Segway-Ninebot bietet als einer der Marktführer inzwischen eine komplette Palette ausgereifter Mikromobilitätslösungen an. Neben E-Kickscootern von preisgünstig bis High End (für Sharing und Privatkunden) auch schicke E-Scooter und neu E-Mofas. In den Niederlanden sind E-Mofas aktuell ein Renner, wohl auch, weil sie bislang ohne Helm gefahren werden dürfen. Die Innovationskraft ist enorm, vor allem, wenn man sich das „IOT-Innenleben“ anschaut: 100 % Smartphone-Integration mit App-Steuerung, Keyless Go, Antitheft mit GPRS, automatische Sicherheitserkennung, smart Dashboard etc. Dazu bei den E-Scootern LED-Matrix-Scheinwerfer, ein extrem niedriger Akku-Schwerpunkt und genug Platz für Integralhelme oder Einkäufe unter dem Sitz.

Mehr: segway.com

Vässla: Kreuzung aus E-Bike und E-Kickscooter

Das junge schwedische Unternehmen Vässla Micromobility (Vässle steht für Wiesel) ist in seinem Heimatland Marktführer im E-Mobility-Sektor. Hier wird weitergedacht. Das Vässla-„Bike“ soll eine Lücke schließen: Sicherer als ein Kick-scooter, bequemer als ein Fahrrad und mit den Fahreigenschaften eines E-Rollers. Ergänzt wird das Angebot durch einen klassischen E-Roller: Der Vässla 2 kommt mit einem Powermotor von Bosch und spielt in der 45-km/h-Klasse. Mit zwei Akkus sollen bis zu 120 km Reichweite möglich sein.

Mehr: vassla.de

Brekr: E-Moped mit Coolness-Faktor

Bislang gelingt es kaum, die praktischen und umweltfreundlichen Komponenten der E-Mobilität mit dem Coolness-Faktor eines richtigen Motorrads zu verbinden. Eine Ausnahme ist das junge niederländische Brekr. Der einfache Grund: Auch große Jungs bekommen bei dem Anblick, der an Retro-Motorräder der Café-Racer oder Scrambler-Klasse erinnert, leuchtende Augen. Der Auftritt auf der IAA Mobility bewies, dass Mann (Frau natürlich auch) selbst ohne Lederoutfit schnell zu einem Hingucker wird. Weiteres Ergebnis der Testfahrt: Die Akkus bilden einen niedrigen Schwerpunkt; zusammen mit den breiten Reifen, der gut abgestimmten Federung und einer guten Sitzposition macht das Fahren richtig Spaß. Dank zuschaltbarem Sound wird das Bike per Knopfdruck auch für Fußgänger hörbar. Technisch ebenfalls gut gelöst sind die entnehmbaren Akkus. Großes Lächeln bei den Tester*innen und den Zuschauern. E-Mobilität mit Style, der nach mehr ruft.

Mehr: brekr.com

Microcars: ein unterschätzter Markt

Während der Markt für leichte, kleine und umweltfreundliche Microcars hierzulande bislang noch eine Nische ist und viele davon ausgehen, dass es auch so bleiben wird, werden in China gerade Ansätze einer möglichen Mobilitätsrevolution sichtbar. Zu den meistverkauften E-Fahrzeugen zählt hier der Hongguang Mini EV der neuen Marke Wuling. Die ist ein chinesisches Joint Venture von SAIC und General Motors. Die Markteinführung des 2,92 Meter kurzen und rund 100 km/h schnellen viersitzigen Fahrzeugs (der zweisitzige Smart fortwo misst 2,69 Meter) begann im Juli 2020. Innerhalb kurzer Zeit löste das Fahrzeug den Tesla Model 3 als meistverkauftes Elektroauto ab und führt seit Monaten die Verkaufsstatistiken an. Nochmals kleiner ist das neue Modell Wuling Nano EV mit einer Länge von 2,50 Metern und einer Breite von 1,53 Metern. 30.000 Fahrzeuge des Mini EVs werden nach Presseberichten aktuell jeden Monat verkauft, bei einem Preis von umgerechnet ca. 3.700 bis 5.000 Euro, abhängig von der Akkugröße. Laut Geschäftsbericht beträgt der Verkaufsgewinn eines Mini EV laut SAIC/GM nur etwa 12 Euro. Trotzdem lohnt sich das Geschäft. Analog zu den USA erhalten chinesische Autohersteller für die von ihnen verkauften CO₂-freundlichen Autos Gutschriften über ein Punktesystem. Bis zum Ende des Jahres gesammelte Punkte können dann an andere Hersteller mit umweltschädlicher Bilanz verkauft werden. Die Zeitschrift Auto Motor Sport errechnet beim prognostizierten Verkauf von 400.000 Fahrzeugen in diesem Jahr zusätzlich zum erwartenden Verkaufsgewinn von mageren 4,6 Millionen Euro weitere 390 Millionen Euro aus dem Punktesystem. Also ein lohnendes Geschäftsmodell, das sich prinzipiell jederzeit auch in Europa verwirklichen ließe.

WULING, City One, Microlino und Rocks-e:
Namen zum Merken

Auch auf der IAA Mobility wurden unter großem Zuspruch zwei Microcar-Modelle aus Europa vorgestellt. Professionell gemachte, originelle, leichte und umweltfreundliche elektrische Fahrzeuge für die Stadt. Der ACM City One (acm.city/home) bietet einen modularen Innenraum mit bis zu vier Sitzen. Unter dem Kofferraum verstecken sich vier Wechselakkus, die mit einem kleinen Handwagen transportiert werden können und eine Reichweite von 240 Kilometern bieten sollen. Ideal zum Beispiel für Gewerbetreibende mit überschaubaren Radien. Der Prototyp auf dem Messestand hatte ein hochauflösendes LED-Panel als Werbefläche in der Heckklappe integriert.
Ein von vielen sehnlich erwartetes Highlight ist auch die Retro-Knutschkugel Microlino 2.0 (microlino-car.com), die sehr an BMWs Rollermobil Isetta aus den 1950er-Jahren erinnert. Ein echter Hingucker und mit einem erstaunlich guten Raumgefühl für zwei Personen. Laut Hersteller Micro Mobility Systems soll der Produktionsstart für das 90 km/h schnelle Fahrzeug mit einer Reichweite von bis zu 230 Kilometern in Kürze beginnen. 24.000 Bestellungen sollen Medienberichten zufolge schon vorliegen.
Neu auf den deutschen Markt kommt auch das 45-km/h-Microcar Opel Rocks-e (opel-rockse.de), ein Bruder des Citroën Ami, der bereits in Frankreich, Italien, Spanien, Portugal und Belgien konfigurierbar ist. Der 2,41 Meter lange Zweisitzer ist, so Opel, Vorreiter der „SUM“-Kategorie (Sustainable Urban Mobility) und wird rechtlich gemäß EU-Norm mit 471 Kilogramm Gewicht und maximal 45 km/h als Leichtkraftfahrzeug eingestuft. Wie das Schwestermodell Citroën Ami kann der Rocks-e so schon ab 15 Jahren mit dem Führerschein der Klasse AM gefahren werden. Zielgruppe sind neben jungen Menschen in den Städten auch Sharing-Anbieter, für die die PSA-Gruppe als Mutter bereits spezielle Softwarelösungen entwickelt hat.


Bilder: Opel, Reiner Kolberg, Wikicommons