Wie man Radler richtig lenkt
Radrouten sind für die touristische Erkundung einer Region bestens geeignet, sie helfen aber auch beim Alltagsverkehr, vor allem in der Stadt. Das Kölner Planungsbüro Via erläutert, warum eine gute Wegweisung auch in Zeiten von Apps unverzichtbar ist. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 03/2020, September 2020)
„Natürlich sind die bekannten Wegweiser auch Werbung für den Radverkehr“, sagt Michael Schulze vom Kölner Planungsbüro Via. Eigentlich sind sie aber viel mehr. Bei Via werden unter anderem Fahrrad-Wegweisesysteme für Städte geplant und entwickelt. Die vor weißem Hintergrund rot oder grün bedruckten Schilder in 20 mal 80 Zentimetern Größe kennen wir alle. Aber sind diese Leitsysteme in Zeiten von Smartphones am Lenker und Software wie Komoot oder Google Maps überhaupt noch wichtig?
Schilder werben und lenken
In der City finden sich auf den langen Schildern für den Alltags-, aber auch den touristischen Verkehr Hinweise auf wichtige Orte wie Bahnhöfe, Kirchen oder wichtige Plätze mit Sehenswürdigkeitscharakter. Außerhalb leiten die Schilder in die nächsten Orte, zum Badesee, zu kulturellen Stätten oder Aussichtspunkten. Gelegentlich zeigen Piktogramme neben diesen Orten auch besonders steile Wegabschnitte, einen Park-and-Ride-Parkplatz oder auch eine Geschäftsstelle des ADFC. Viele Informationen für den Radfahrer auf kleiner Fläche also. Unterschieden wird deshalb zwischen dem genannten Vollwegweiser und dem Zwischenwegweiser – also der kleine Pfeil mit dem Fahrrad-Symbol darunter auf quadratischen Flächen. Die ersten Funktionen sind damit klar: Sie erleichtern den Weg, lenken die Radler, zeigen Entfernungen und werben gleichzeitig für interessante Ziele.
Große Unterschiede zur GPS-Navigation
Wer den Weg per Fahrradnavigation und Wegweisung vergleicht, kann oft einen deutlichen Unterschied feststellen: Die Wegweiser-Route ist gelegentlich etwas länger, dafür aber ruhiger und bietet meist mehr Erlebnischarakter; sei es aufgrund der Landschaft, durch die sie führt, oder wegen der Points of Interest, die dort vorbeigleiten. Zumindest dann, wenn es sich um touristisch relevante Regionen handelt. Natürlich funktioniert das auch für Einheimische, die so potenziell komfortabler und sicherer unterwegs sind. Tipp: Einfach ausprobieren. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Planungs-Auftraggeber haben eigene Schwerpunkte in Sachen Qualität, Direktheit der Verbindungen und Gefälligkeit der Strecke. „Das wichtigste Kriterium für die Qualität einer Route ist natürlich die Fahrradinfrastruktur beziehungsweise die Eignung der Wege für den Fahrradverkehr“, betont der Geograf Michael Schulze. Beim Planungsbüro Via werden auch Radverkehrskonzepte erstellt und klassische Radweganlagen geplant und entwickelt, „was teilweise eher schon in den Ingenieurbereich geht“, erklärt Schulze. Aber es gibt eben auch die Fahrrad-Wegweisung als Aufgabengebiet, eine Kernkompetenz von Via. Zudem müsse man natürlich berücksichtigen, dass nur wenige Radler ein Navi oder das Handy mit GPS-Wegweisung ständig am Lenker hätten.
Die Standorte der Schilder werden nach Gesichtspunkten wie Sichtachsen, Auffälligkeit in der Umgebung etc. penibel geplant. Dafür gibt es Empfehlungen der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen.
Wechselwirkung mit anderen Verkehrsträgern
Bedarf gibt es überall dort, wo in den letzten Jahren nichts oder wenig in Richtung Radrouten getan wurde, so sehen es die Planer. Selten gibt es Aufträge, wo von Grund auf ein neues Netz erstellt werden soll. Meist ist schon ein Radroutennetz vorhanden, und es soll überarbeitet werden. Und das aus guten Gründen. „Wenn einmal 15 Jahre lang nichts am System verändert worden ist, dann kommt das fast einer Neuplanung gleich“, erläutert Schulze. Verkehr sei dynamisch und Veränderungen im Auto- oder Fußgängerverkehr wirkten sich oft direkt auf den Radverkehr aus. Alles hängt mit allem zusammen. Das ist oft auch der Grund, weshalb manche Routen in der Praxis plötzlich nicht mehr funktionieren: So wird aus einer Straße eine Einbahnstraße und der Radweg endet damit plötzlich im Nichts. Oder eine Straße wird zur Fußgängerzone und für die Fahrradfahrer heißt es plötzlich „draußen bleiben“. Es gelte viele Ansprüche zu befriedigen, sagt Schulze. Ein Punkt, den viele aus ihrer eigenen, fixen Perspektive, zum Beispiel als Radler, Autofahrer oder Wanderer, oft vergessen. Dazu käme, „dass Kompromisse eben dauern“. Das geht so weit, dass bei manchen Projekten vor der Fertigstellung die Grundvoraussetzungen plötzlich andere sind. Denn leider sei es immer noch in den wenigsten Städten und Regionen so, dass die Radverkehrs-Infrastruktur an erster Stelle stehe.
Von der Idee zur Umsetzung
Wie kommt man eigentlich vom Bedarf bis zur fertig ausgeschilderten Radwegweisung? „Der gängigste Weg, wie Behörden Kontakt mit dem Planer aufnehmen, ist die Angebotsaufforderung“, sagt Schulze. Allerdings nur, solange keine Ausschreibung stattfinden muss, was beispielsweise ein bestimmtes Kostenvolumen für das Projekt vorschreibt. Diese Summe kann von Bundesland zu Bundesland variieren. Meist ist zudem ab 250.000 Euro eine europaweite Ausschreibung fällig. Der Großteil der Aufträge für die Radrouten-Wegweisung läge allerdings ohnehin unter dieser Summe. Die eigentliche Arbeit beginnt dann mit der Sichtung und Prüfung vorhandener Strukturen: Wo gibt es Lücken in einem Routennetz, wo will man weiterleiten? Neu in Auftrag gegebene Routen werden ins vorhandene Netz eingepflegt. Zu beachten sind dabei bundeseinheitliche Richtlinien und die Vorgaben der Gemeinden. So geht es zum Beispiel bei einem Auftraggeber um eine möglichst schnelle Führung zu den anvisierten Punkten, bei einem anderen um möglichst ruhige Strecken oder darum, möglichst viele Netzschnittpunkte zu erreichen. Andere Kriterien sind „steigungsarm“ oder „alltagstauglich“, was in der Praxis unter anderem „beleuchtet“ heißt. Die Planung liefe auch politisch nicht immer reibungslos: Nicht immer zögen beispielsweise die einzelnen Gemeinden und deren Behörden mit dem Bundesland an einem Strang. Überhaupt hänge eine fahrradoptimierte Planung oft mit einzelnen Personen bei der auftraggebenden Behörde zusammen. Auftraggeber ist meist das Straßenbauamt, das Amt für Straßenverkehrswesen oder das Verkehrsmanagement einer Kommune.
„Eine fahrradoptimierte Planung hängt oft mit einzelnen Personen bei der auftraggebenden Behörde zusammen.“
Michael Schulze, Planungsbüro Via
Ringen um den optimalen Weg
Der Entwurf der Wegweisung wird mit den Auftraggebern besprochen, gegebenenfalls Änderungsvorschlägen nachgegangen. Denn die optimale Wegweisung ist nicht immer das, was der Auftraggeber wünscht, wenn dadurch Einschränkungen oder besondere Kosten entstehen. Bei alledem helfen Erfahrung, Fingerspitzengefühl – und der Computer. So ist bei Via über die Jahre zusammen mit einem IT-Partner ein spezielles Computerprogramm für die Konzeption und das Management von Leitsystemen entstanden. Es ist laut Via nicht nur für Fahrradleitsysteme, sondern auch für Kfz- oder Mountainbike-Leitsysteme nutzbar und unterstützt die Planung: Standortwahl, Zielauswahl, Themenroutenauswahl, relevante Entfernungen, Steigungen, alles ist über Datenbanken integriert. Mit ihm werden zwar keine Kriterien zur Routenwahl erarbeitet, aber es erleichtert die Arbeit der Planer deutlich.
Ein Stück Fahrradkultur entsteht
Die Standorte der einzelnen Schilder werden nach Gesichtspunkten wie Sichtachsen, Auffälligkeit in der Umgebung etc. penibel geplant. Dazu sind Mitarbeiter wie Schulze zur Sichtung der tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort. Dazu kommt: Nicht überall dürfen Schilder aufgestellt werden. Oft braucht es dazu privaten Grund, was zusätzlich Zeit und Geld kostet. Für die Wegweiser selbst und deren Aufstellung gibt es Empfehlungen, die von der Forschungsgesellschaft für Straßen und Verkehrswesen entwickelt wurden. Aber nicht alle Gemeinden halten sich daran, oft aus finanziellen Erwägungen. Lohnenswert ist es allerdings schon, denn bei solider Planung und guten Ausführung entsteht so ein echtes Stück sichtbarer Fahrradkultur für die Öffentlichkeit.
Bilder: stock.adobe.com – hkama, Georg Bleicher