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Nachhaltige Logistik ist machbar

Im Zuge der Klima- und Verkehrswende muss auch die Zustellung von Waren und Paketen neu geregelt und auch auf Lastenräder verteilt werden. Pilotprojekte und Vorschläge aus der Branche gibt es genug, doch bislang scheitern sie meist an den Widerständen der Entscheider. Im Ausland ist man bereits weiter. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 02/2021, Juni 2021)


Es ist eng in den Innenstädten und es wird immer enger. Jedes Jahr wächst die Flotte der Privatwagen um 500.000 bis 700.000 Fahrzeuge. Der Anteil der Kurier-, Express- und Paketdienste (KEP) ist mit rund sechs Prozent am Gesamtverkehr in den Städten relativ gering. Trotzdem geraten die Zusteller zunehmend in die Kritik. Kein Wunder. Sie fallen auf, wenn sie in zweiter Reihe parken oder in schmalen Straßen die Wege versperren. Im Rahmen der Mobilitätswende sollen auch ihre Wege in der Stadt klimafreundlicher werden. Die Logistikexperten haben dafür eine Vielzahl von Konzepten in der Schublade. Ihre Vorschläge scheitern oft an den Entscheidern in den Städten, die keine Flächen zur Verfügung stellen oder in der Pilotprojektphase stecken bleiben. Einige Städte im Ausland sind deutlich weiter. Sie haben den Privat- und den Wirtschaftsverkehr längst neu geordnet.

Erfolgreiche Konzepte in Gent

Wie so etwas aussehen kann, macht die belgische Stadt Gent vor. Dort wurde 2017 ein ehrgeiziger Mobilitätsplan umgesetzt. Der sogenannte Circulatieplan (Umlauf oder Zirkulationsplan) sperrt den Autoverkehr aus einem Teil der Innenstadt aus. In die angrenzenden sechs Quartiere können Autos zwar weiterhin hineinfahren, aber nicht mehr in die Nachbarquartiere wechseln. Die Verbindungsstraßen sind nur noch frei für Radfahrer, Fußgänger, Busse, Handwerker und bestimmte Dienstleister. Autofahrer, die von einem Viertel ins andere wechseln wollen, müssen einen Umweg über die Ringstraße in Kauf nehmen. Mit dem „Circulatieplan“ wurde auch die Innenstadtlogistik neu geordnet. Bis elf Uhr morgens können die Zusteller ihre Waren in der Innenstadt selbst abliefern. Wer später in die Stadt muss, nutzt dafür die städtische Vertriebsplattform GentLevert (Gent liefert). Verschiedene Transport- und Logistikdienstleister für Straße, Schiene und Wasser liefern als Partner der Stadt rund um die Uhr Trocken- und Kühlwaren an die Gastronomie, Händler und Privatpersonen im Zentrum. Dafür werden die Waren, Pakete und Lebensmittel zunächst in Depots und Lagerhallen am Stadtrand gebracht, vorsortiert und dann multimodal und nachhaltig per Lastenrad, E-Transporter oder Schiff zum Bestimmungsort transportiert. Um die Zustellung weiter zu optimieren, testen die GentLevert-Partner zudem neue Zustellkonzepte. Beispielsweise wurden die Baumaterialien für eine neue Turnhalle per Schiff angeliefert, um die Straßen und die Anwohner entlasten.

„Hinter jeder Wohnungstür befindet sich inzwischen ein Einkaufscenter.“

Carsten Hansen, Bundesverband Paket & Expresslogistik (BIEK)

Lieferverkehr und Paketaufkommen steigen drastisch

Wie in Gent sind auch in vielen deutschen Städten und Quartieren die Straßen für den hohen Durchgangsverkehr und die vielen Pendlerverkehre nicht gemacht. Gerade zu den Stoßzeiten haben sie ihr Limit längst erreicht. Ein großes Problem ist, dass neben immer mehr fahrenden und parkenden Pkws auch immer mehr Lieferdienste und KEP-Dienstleister (Kurier-, Express- und Paketdienste) unterwegs sind. Der Online-Handel ist beliebter denn je und die Zahl der Zustellungen steigt enorm weiter. „Hinter jeder Wohnungstür befindet sich inzwischen ein Einkaufscenter und die Leute kaufen ein“, sagt Carsten Hansen, Leiter Grundsatzfragen/ Innenstadtlogistik beim Bundesverband Paket & Expresslogistik (BIEK). Seit 2000 hat sich die Menge von KEP-Sendungen von 1,69 Milliarden auf 3,65 Milliarden Sendungen im Jahr 2019 mehr als verdoppelt. Die Corona-Pandemie hat diesen Trend noch einmal beschleunigt. Allein im ersten Halbjahr 2020 ist das Sendungsvolumen laut einer Marktanalyse im Auftrag des BIEK um 7,4 Prozent gestiegen. Das sind täglich über 800.000 Sendungen mehr als im Vorjahr. Die Prognose für das gesamte Jahr 2020 ist noch deutlich höher und Experten gehen inzwischen davon aus, dass sich die mit der Pandemie deutlich beschleunigte Entwicklung weiter fortsetzen wird.

Hubs und nachhaltige Fahrzeugflotten für das drastisch steigende Transportaufkommen.
Ein Konzept, das funktioniert: In der Mariahilferstraße hat die Stadt Wien großzügige Ladezonen eingerichtet. Die Parkraumüberwachung kontrolliert hier regelmäßig.

Gewerbliche Ladezonen fehlen

Die zunehmenden Paket- und Warenlieferungen in der Innenstadt sehen Planer und Politiker oft als Problem an. Wenn Fahrzeuge in zweiter Reihe parken oder Rad- und Gehwege zustellen, sind beispielsweise Radfahrer gefährdet, wenn sie beim Umfahren die Spur wechseln. Die Logistikexperten haben dafür eine Vielzahl von Lösungen entwickelt. Eine einfache und schnelle Möglichkeit sind ausreichende gewerbliche Ladezonen für Zusteller und andere Lieferfahrzeuge. In der Stadt- und Verkehrsplanung wurden sie allerdings lange Zeit nicht mitgedacht oder nicht an den aktuellen Bedarf angepasst. Wien macht vor, dass Ladezonen selbst in autofreien Zonen gut funktionieren. Ein Beispiel ist die Mariahilferstraße. Lange Zeit war der rund 1,8 Kilometer lange Abschnitt der beliebten Einkaufsstraße die Hauptverkehrsader für Autofahrerinnen vom Westbahnhof in die Innenstadt. Links und rechts neben der zweispurigen Fahrbahn reihten sich parkende Pkw Stoßstange an Stoßstange. Die Fußgänger drängelten sich auf viel zu schmalen Gehwegen aneinander vorbei. 2015 wurde die Straße umgebaut. Seitdem sind hier alle gleichberechtigt – Auto-, Rad- und Rollerfahrer und die Fußgänger. Die großzügigen Ladezonen, die es in regelmäßigen Abständen auf beiden Seiten der Begegnungszone nun gibt, dürfen die Lieferdienste rund um die Uhr nutzen. „Die Lieferzonen werden durch die Parkraumüberwachung kontrolliert“, sagt eine Sprecherin der Stadt. Die regelmäßigen Stippvisiten zeigen: Die Ladezonen sind bis auf die Zeiten der Zustellung in der Regel frei. In Deutschland ist das anders. Hier sind die bestehenden Ladezonen auch für nicht-gewerbliche Ladetätigkeiten offen und werden so immer wieder von Falschparkern versperrt. Der Bundesverband hat deshalb vorgeschlagen, rein gewerbliche Ladezonen einzuführen und diese durch ein neues Verkehrszeichen für Privatwagen zum absoluten Halteverbot zu erklären. „Das Halteverbot kann zeitlich begrenzt sein“, sagt Hansen. Außerhalb der Zustellzeiten kann die Fläche dann von allen Verkehrsteilnehmern genutzt werden. Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) hat das schon vor Jahren vorgeschlagen. Im Zuge der Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO) hat der BIEK den Vorschlag eingereicht, aber das Bundesverkehrsministerium hat ihn abgelehnt.

„Der Fahrradzusteller schafft dieselbe Menge an Paketen wie der Zusteller mit dem Transporter.“

Rainer Kiehl, Projektmanager City Logistik UPS

Politik und Planer gefordert: Logistiker brauchen Flächen für Mikro-Depots als Zwischenlager für die Feinverteilung.

Förderung von Mikro-Depots notwendig

Eine Alternative zum rollenden Transporter als Depot sind stationäre Mikro-Depots. Das können Lagerräume sein oder Container, die morgens in einem Parkhaus, einer Tiefgarage oder auf einem Parkplatz in der Stadt abgestellt werden. Von dort beginnt dann die Feinverteilung der Pakete etwa mit Sackkarre oder E-Lastenrädern. Pionier der Branche ist UPS. Rainer Kiehl, Projektmanager der Abteilung City Logistik bei UPS, startete 2012 in Hamburgs schicker Flaniermeile zwischen Rathaus und Alster das erste Lastenradprojekt. Die Grundstückseigentümer hatten ihn damals um Hilfe gebeten, weil immer mehr Zusteller mit ihren Transportern die Gehwege versperrten oder in zweiter Reihe parkten. Das minderte das Kaufvergnügen. Um das Quartier zu verschönern und aufzuwerten, sollte Kiehl den Lieferverkehr reduzieren. Das hat geklappt. UPS stellte morgens vor zehn Uhr in einer Sackgasse auf ehemaligen Parkplätzen einen Lkw-Container als sogenanntes Mikro-Depot ab. Von dort brachten die Zusteller die Ware zu Fuß oder per Rad zum Kunden. „Der Fahrradzusteller schafft dieselbe Menge an Paketen wie der Zusteller mit dem Transporter“, sagt Rainer Kiehl. Das funktionierte bis vor ein paar Monaten. Da hat die Stadt die Sondergenehmigungen ohne Vorankündigungen und Begründungen gekündigt. Auf Nachfrage hat die Behörde für Wirtschaft und Innovation bis Redaktionsschluss nicht reagiert. Inzwischen hat Kiehl zwar Ausweichflächen in Parkhäusern gefunden, trotzdem ist die Kündigung für ihn ein herber Rückschlag. Mehr noch: Sie gefährdet das Konzept als Ganzes. Denn wenn ein eta-bliertes System wie in Hamburg ohne Begründung aufgekündigt werde, zögerten die Entscheider in den Logistikunternehmen, weitere Mikro-Depots einzurichten, sagt der Projektmanager, „einfach, weil ihnen die Planungssicherheit fehlt“. In 30 Städten gibt es bundesweit inzwischen Mikro-Depots von UPS. Viele weitere Städte würden das Modell gern kopieren, aber die Umsetzung scheitert immer wieder am Platz. „Es fehlen Stellflächen im öffentlichen Raum“, sagt Kiehl.
Dem Projektmanager fehlt eine klare Strategie von den Entscheidern, wie die Logistik in ihrer Stadt langfristig nachhaltig organisiert werden soll. Der Beweis, dass Mikro-Depots funktionieren, sei längst erbracht. In Berlin haben 2018 acht KEP-Dienstleister die gemeinsame Nutzung eines Mikro-Depots getestet. Ihr Fazit nach einem Jahr: Es hat sich bewährt. Ein Jahr später hat das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (IML) eine Studie dazu vorgelegt. Die Wissenschaftlerinnen haben in den Städten Mönchengladbach, Neuss und Krefeld untersucht, ob Mikro-Depots Sinn machen und wie sie aussehen müssten, um den Lkw-Verkehr und die Emissionen in der Stadt zu reduzieren. Das Ergebnis: Mikro-Depots funktionieren. Ihre Erkenntnisse, die Leitlinien und Rahmenbedingungen zum Aufbau von Depots haben sie in einem Handbuch für Kommunen festgehalten. Trotz aller Untersuchungen und positiven Ergebnisse bleibt es bislang aber bei Pilotprojekten. In Berlin startete im Herbst ein weiteres am Tempelhofer Damm, in Dortmund eins in der City am Ostwall und Hamburg eröffnete ein Reallabor für die Warenlogistik per Lastenrad. Kiehl organisiert seit zehn Jahren Mikro-Depots für UPS und meint „jetzt muss es in die Umsetzung gehen“. Weitere Pilotprojekte brauche es nicht. Was es vielmehr brauche, sei ein bundesweit gültiger Leitfaden zur Citylogistik der Zukunft, der auf nationaler Ebene von den Entscheiderinnen sowie den Expert*innen aus der Verwaltung und der Logistik gemeinsam entwickeln wird.

30 Prozent der Waren auf die Räder

Der Anteil der Waren, die vom Laster aufs Lastenrad verlagert werden können, ist groß. 2016 berechneten Forscher der Abteilung Verkehr vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in einer Studie, dass bis zu 23 Prozent der Sendungen per Cargobike zum Kunden gebracht werden können. Das Bundesverkehrsministerium geht im Nationalen Radverkehrsplan 3.0 sogar von 30 Prozent aus. Neben der Kombination von verschiedenen Systemen spielt allerdings auch die ständige Weiterentwicklung der Transporträder eine Rolle. Ihre Boxen und Container haben inzwischen ein Fassungsvermögen von bis zu zwei Kubikmeter. Mit speziellen Anhängern können die Fahrer*innen das Volumen auf vier Kubikmeter erweitern. Zudem macht die Standardisierung der Container auf Europalettenbreite die Kombination mit Transportern und anderen Verkehrsmitteln leicht möglich.

Logistik neu denken

Neben einer platzsparenden und klimafreundlichen Zustellung geht es den KEP-Dienstleistern auch stets darum, sogenannte Mehrfachzustellungen zu vermeiden. „Dafür muss man Logistik neu denken“, sagt Hansen. Die Zustellung kann ganz unterschiedlich aussehen: Privatempfänger können ihre Bestellungen in Paketshops, am Arbeitsplatz oder an Paketstationen in Empfang nehmen. Einen neuen Service hat Hamburg 2020 zusammen mit der Deutschen Bahn eingerichtet. Die „Hamburg Box“ bietet jeweils 100 Fächer an 22 S-, RE- und U-Bahnhöfen. Alle Paketdienste, Händler und Unternehmen können die Stationen nutzen und ihre Waren in die Boxen liefern. „Der kontinuierliche Anstieg der Sendungen in den letzten Monaten deutet darauf hin, dass offene Abholstationen an ÖPNV-Standorten einen wichtigen Beitrag zu einer effizienteren und nachhaltigeren logistischen letzten Meile leisten können“, sagt dazu eine Sprecherin der Bahn.
Ein großes Problem ist bislang, dass die Logistik bislang weder bei der Verkehrs- noch bei der Bauplanung von Straßen und Quartieren mitgedacht wurde. Das müsse sich aus der Sicht von Hansen dringend ändern. „Bei der Planung von Neubauquartieren können Flächen für logistische Zwecke von Beginn an berücksichtigt, beziehungsweise für Mehrfachnutzungen vorgesehen werden“, sagt Hansen. Sein Verband plädiert dafür, die Logistik ins Baugesetz zu integrieren.

Attraktivitätsgewinn für den ÖV: An 22 Bahnstationen gibt es die „Hamburg Box“.

Warenzustellung über Tunnelsysteme und Trams?

Manche Logistikexperten wollen die Warenzustellung in den Untergrund verlegen. In Hamburg soll die Idee Smart City Loop getestet werden. Dahinter verbirgt sich ein Tunnel, der vier Meter unter der Elbe den Stadtteil Hamburg Wilhelmsburg auf der linken Elbseite mit Altona auf der rechten Elbseite verbindet. Durch unterirdische Röhren sollen die Waren auf Paletten die fünf Kilometer lange Strecke in Minutenschnelle passieren. 1500 Lastwagen könnten auf diesem Weg im Zentrum eingespart werden und 21 Tonnen CO2. Das haben die Experten der Smart City Loop GmbH herausgefunden, die die Machbarkeitsstudie erstellt haben. Der Logis-tikexperte Hansen ist skeptisch. „Wenn die Gütermengen wieder oben ankommen, müssen sie verteilt werden“, sagt er. Der Platzbedarf dafür sei immens. Schließlich müssen die Waren von 1500 Lastwagen auf viele kleinere Transporter verteilt werden, die sie dann in die verschiedenen Stadtteile bringen, wo die Feinverteilung weitergeht. Laut Ingrid Janßen, Sprecherin von Smart City Loop, sollen größtenteils Lastenräder diesen Part übernehmen. Der Shared-City-Hub in Altona soll außerdem weit mehr werden als ein reiner Warenumschlagplatz. Dort soll ein City-Hub entstehen, der verschiedene Funktionen vereint. Dazu gehören Paket- und Click&Collect-Stationen sowie Aufenthaltsräume für die Fahrer der E-Autos und Transporträder. Außerdem sollen die Waren nicht nur in die Stadt hineingebracht werden, sondern das recycelbare Leergut über das Tunnelsystem auch wieder aus dem Zentrum zurück an den Stadtrand transportiert werden. Momentan sucht das Unternehmen Investoren. Wenn die Finanzierung steht, könne der Bau ganz schnell gehen. „Das Planfeststellungsverfahren dauert etwa ein Jahr“, sagt die Sprecherin. Die Bauzeit des Tunnels etwa ebenso lange. „2025 wollen wir die erste Palette durchschieben“, sagt sie. Die Stadt Hamburg selbst will sich bislang allerdings nicht an der Finanzierung beteiligen.
Eine andere Option ist die emissionsfreie Zustellung im Zentrum per Straßenbahn und Cargobike. In Hessen und Baden-Württemberg gab und gibt es dazu bereits verschiedene Pilotprojekte. Im Frühjahr haben außerdem der Berliner Cargobike-Hersteller Onomotion, die Frankfurter University of Applied Science mit einer Gruppe von Logistikexperten in einem Whitepaper gezeigt: Die Kombination aus Lkw, Tram und E-Transportrad ist günstiger als die Zustellung per Sprinter und reduziert zudem noch die Emissionen.

„Essen auf Rädern“ per Lastenrad im Zentrum die schnellste und günstigste Lösung.

Umsetzung liegt bei der Politik

Schlussendlich entscheidet immer die Politik, wie die Logistik in ihrer Stadt organisiert wird. Der Spielraum einzelner Unternehmen für eine klimafreundliche Zustellung auf der letzten Meile ist begrenzt. Dennoch finden sie immer wieder Alternativen, wenn der Wille da ist oder man mit dem Auto in der Stadt nicht mehr weiterkommt. So liefert beispielsweise in Wien der Samariterbund seit 2017 „Essen auf Rädern“ in den Innenstadtbezirken per E-Cargobike aus. „Der Parkplatzmangel ist dort groß und die Zustellung so einfach effizienter“, sagt Edina Imamovic, die den Bereich leitet. Aber in manchen Gebieten kommen inzwischen selbst die Transporträder an ihre Grenzen, so wie in Hamburg-Ottensen. „In den schmalen Straßen von Ottensen verursacht jeder Zusteller und jeder Pkw, der auf der Straße hält, einen Mi-krostau“, sagt Björn Fischer, Gründer und Vorstandsmitglied von Tricargo. Der Radlogistikverband beliefert seit 2016 unter anderem Hamburger Kindertagesstätten mit Essen oder leert Briefkästen im Auftrag der Post. In Ottensen steht Fischer mit seinem Lastenrad manchmal selbst im Stau. Dort gibt es keine Radwege und die Gehwege sind zu schmal, um das Rad während der Zustellung dort abzustellen. Für ihn ist das zentrale Pro-blem der motorisierte Individualverkehr (MIV). „Es stehen zu viele Autos rechts und links am Fahrbahnrand in den engen Straßen. Der Schlüssel ist, den MIV aus diesen Gebieten auszusperren“, sagt er. Das wurde 2019 mit dem Projekt „Ottensen macht Platz“ getestet. „Für uns war das ein Treiber des Geschäftsmodells“, sagt er. Apotheken, Bäckereien und Einzelhändler fragten, ob Tricargo ihre Waren per Lastenrad an- und ausliefern könne. Sie konnten, und Fischer ist sich sicher: Von autofreien Vierteln würden auch die KEP-Dienstleister profitieren. „Die 1.200 Transporter, die täglich in Hamburg unterwegs sind, fallen kaum auf“, sagt er. „Transporter sind kein Problem, wenn der MIV nicht länger die Straßen versperrt.“
Nachhaltige Lieferdienste und KEP-Dienstleister allein können das Verkehrsproblem in den Zentren nicht lösen. Sie sind ein wichtiger Teil der Mobilitätswende und können ihren Teil beitragen. Konzepte für eine deutlich umwelt- und klimafreundlichere Citylogistik haben sie. Die Umsetzung liegt nun bei der Politik. Im Bund, in den Ländern und vor Ort in den Kommunen.

Förderung von Mikro-Depots und Cargobikes

Das Bundesumweltministerium (BMU) fördert seit dem 1. März im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative Mikro-Depots und E-Lastenfahrräder. Der innerstädtische Verkehr soll dadurch entlastet, die Luftqualität verbessert und vor allem die CO2-Emissionen gemindert werden. Die Förderprogramme richten sich unter anderem an große Logistik-Unternehmen, Baumärkte, Möbelhäuser, mittelständische Unternehmen und Lieferdienste. Weitere Informationen auf der Webseite des BMU.


Bilder: SmartCity Loop, Tricargo, Andrea Reidl, UPS, Hamburger Hochbahn AG, Smart City-DB, Samariterbund, Urban Arrow