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Abfahrt ins Grüne

Das Klima ist im Umbruch und mit ihm der alpine Tourismus. Neben dem Wintersport rücken Sommeraktivitäten, wie Wandern und Mountainbiken, immer stärker in den Fokus. Wie man damit umgeht, zeigen die Region Leogang und die „Bike Republic Sölden“. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 03/2020, September 2020)


Katrin blickt zu ihrem Mann. Sie hat ein Glas Hugo in der Hand, er greift zu seinem Bier. Im Hintergrund flutet die Mittagssonne die Leoganger Steinberge. Verliebt schauen sich die beiden Fünfziger in die Augen. Er im rosa Poloshirt mit beiger Chino, sie im farbenfrohen Sommerkleid. Fehlt eigentlich nur noch ein Oberklasse-Cabrio, das vor dem Biergarten geparkt steht, um die Szene aus einer Alpen-Romanze perfekt zu machen. Stattdessen schnoddert ein Teenie „Hey Papa, ich brauche noch Geld“. Der Sohn der beiden ist mächtig dreckverkrustet und seine Protektoren an Knien, Ellenbogen und Brust zeugen von einigen Stürzen. Klaus öffnet sein Portemonnaie und 50 Euro gehen an die nächste Generation über. Nicht der erste Schein und nicht der letzte, den die Eltern ihrem bikenden Nachwuchs hier zustecken. Wir sind in der Steinadlerbar direkt neben der Mittelstation der Asitzbahn oberhalb von Leogang. Anfang Juli im Corona-Jahr 2020 lässt sich hier live erleben, wie moderner Mountainbike-Tourismus funktioniert.

Auf Flowtrails kann man sehr einfach die Schwierigkeitsstufe wählen. Zur Naturnähe gehört immer auch Staub und bei Regen manchmal auch Schlamm. Mit Service und dem richtigen Zubehör aber alles kein Problem.

Gemeinsamer Urlaub mit Erlebnischarakter

Der Zögling nimmt das Geld und sieht zu, schnell wieder zum anderen Tisch zu kommen. Dort sitzen acht Jungs. Alle zwischen 15 und 18 Jahren alt, alle in Mountainbike-Kluft und alle in „Spendierlaune“: Der hölzerne Außentisch biegt sich fast unter der Last von Getränken und Burgern. Es wird viel gelacht, lautstark über die tagesaktuelle Traktion der verschiedenen Lines/Abfahrten diskutiert und Energie für die zweite Hälfte des Bike-Tages in Leogang getankt. Derweil erzählt uns Katrin, dass sie selbst lieber ans Meer gefahren wäre, der Bikepark aber die einzige Chance gewesen sei, Paul, den Sohn, zu einem gemeinsamen Sommerurlaub zu bewegen. So sitzen die beiden in trauter Zweisamkeit bei einem Absacker-Kaffee, während Paul mit seinen Kumpels Richtung „Bongo Bongo“-Line aufgebrochen ist.

Von Sorgenkindern zu wichtigen Umsatzbringern

An den Mountainbikern hängt mittlerweile viel Umsatz, nicht nur bei den jungen Leuten, in deren Windschatten die Eltern für touristische Erträge sorgen, sondern im Gesamten. Davon berichtet Kornel Grundner, Geschäftsführer der Leoganger Bergbahnen, und fasst zusammen: „Das Sommergeschäft wird noch wichtiger werden.“ Mountainbiker hatten es lange schwer, touristisch ernst genommen zu werden. Ein starkes Wintergeschäft mit Skifahrern und Snowboardern ließ die involvierten Regionen florieren. Im Sommer sorgten Wanderer und gesetztes Klientel, laut Grundner früher „vor allem 60 Jahre und älter“, für einen Grundumsatz in den Pensionen und Hotels, die einen, wenn auch ruhigeren Betrieb jenseits der Hochsaison im Winter erlaubten. Die Rechnung ging im Jahresmittel für Gastronomie und Hotellerie auf.
Urlauber auf dem Mountainbike passten in dieses Idyll kaum hinein. Ihre touristischen Anforderungen fanden sich in den eingespielten Prozessen nicht wieder und das Fahren auf (Wander-)Wegen war in manchen Regionen schlicht illegal. Noch heute sind Waldwege in Österreich zumindest offiziell tabu, sofern der Eigner diese nicht freigibt. Dass Mountainbiker dennoch als touristische Gruppe erschlossen wurden, hat zwei Ursachen. Zum einen ist ihre Anzahl stetig gestiegen und konnte ab einem gewissen Moment in kaum einer alpinen Region mehr ignoriert werden: Organisieren, Kanalisieren und Monetisieren taten Not. Zum anderen boten die radelnden Gäste eine Möglichkeit, Ineffizienzen aus dem Wintergeschäft abzuschwächen. Denn die in Anschaffung und Unterhalt sehr kostspieligen und ressourcenintensiven Bergbahnanlagen stehen für eine starke Dysbalance zwischen winterlicher und sommerlicher Nutzung. Grundner spricht heute von 85 Prozent Wintergeschäft für seine Bahnen. 2001, im Jahr als der Bikepark in Leogang gebaut wurde, waren es 96 Prozent. Anders sieht es übrigens bei den Übernachtungen aus. Hier sei bereits Parität zwischen Sommer- und Wintersaison. Auch, wenn die Wertschöpfung im Winter bislang noch höher sei. Wichtig ist die höhere Auslastung in der „grünen Saison“ auch mit Blick auf den Personalbedarf. So können aus „weißen“ Saisonkräften, die nur während der Wintermonate beschäftigt sind, Vollzeitkräfte werden. Das gibt dem einzelnen Angestellten Planungssicherheit und erlaubt Spezialisierung und Fortbildung.

„Wir haben von Anfang an versucht, keine gemischten Wege zu machen, also Mountainbiker und Wanderer gehören für uns nicht auf den gleichen Weg. Weil einfach zu unterschiedliche Geschwindigkeit vorherrschen.“

Kornel Grundner, Geschäftsführer Leoganger Bergbahnen

Alpen und Tourismus im Klimawandel

Die Klimaerwärmung trifft die Gebirge Untersuchungen zufolge schneller und intensiver als anderswo. In den Alpen ist das mehr als deutlich sicht- und spürbar: Gletscher schmelzen, die Winter werden kürzer, wärmer und unsteter und die Pistenqualität leidet selbst in der Hauptsaison. Auch wenn man vor Ort alles tut, um dem kränkelnden Patienten „Wintertourismus“ durch immer mehr Kunstschnee-Anlagen und Ähnliches zu helfen: Die Tourismusindustrie muss sich anpassen. Deshalb richtet sich der Blick immer stärker auf das Sommerhalbjahr – unter anderem mit Mountainbikern und anderen, jüngeren Erlebnis- und Aktivtouristen.

Differenzierter Blick auf „die Mountainbiker“

Wenn man heute von Mountainbikern spricht, dann lohnt sich ein genauer Blick. Denn so unterschiedlich die Bikes inzwischen sind, so unterschiedlich sind auch die Fahrerinnen und Fahrer – wobei es viel Sinn macht, beide Geschlechter mit unterschiedlichen Ansprüchen im Blick zu haben und auch den Nachwuchs nicht zu vergessen. Ebenso ausdifferenziert sind auch die Produkte, seitdem Mitte der 1990er-Jahre Federungssysteme beim Mountainbike Einzug hielten. Inzwischen reicht das Spektrum vom leichten Cross-Country-MTB für schnelle Fahrten auf und ab durch gemäßigtes Gelände über Enduro- und Allmountainbikes, die sich akzeptabel bergauf und lustvoll bergab bewegen lassen, bis zu Freeride-/Downhill-Boliden, die gänzlich fürs Bergabfahren optimiert sind. Nicht zu vergessen sind zudem Tourenfahrer und Trail-Reisende aus der Gravel- und Bikepacking-Szene. Und als wäre das alles noch nicht genug, gibt es die allermeisten Räder inzwischen auch mit Motor – unter anderem auch für Kinder. Die konsequente Ausgestaltung auf spezifische Ansprüche und Anwendungen brachte optimierte Räder hervor, mit denen auch „normal-talentierte“ sportliche Menschen am Berg oder im Bikepark fahren können, und schafft darüber hinaus einen neuen Zugang und neue Nutzergruppen, in denen Männer, Frauen, Junge, Alte, Kinder, Sportskanonen und weniger sportliche gemeinsame Erlebnisse genießen können. Für Touristiker ergibt sich damit ein Füllhorn neuer Möglichkeiten und Sportgeschäfte vor Ort können den Markt mit neuen Verleihangeboten gezielt weiter anschieben.

Früh übt sich! Ähnlich dem „Ski-Kindergarten“ kümmern sich Fahrtechnik-Bikeschulen um kleinste Biker und vermitteleln ihnen spielerisch den Umgang mit dem Rad. Solche Kurse gibt es natürlich auch für die Großen. Sehr empfehlenswert übrigens.

Hochwertige Infrastruktur zieht Kunden

Der Fokus der lokalen Bergbahnenbetreiber, die neben den Hoteliers meist Motor hinter der Entwicklung sind, liegt in der Regel auf stationären Angeboten, die auf eine lange Verweildauer der Gäste am Ort abzielen. Radtouristische „Durchreise-Projekte“ wie etwa sogenannte Transalp-Touren quer oder längs über die Alpen werden dagegen meist von Radreiseveranstaltern forciert. Wie gelingt es, Biker anzulocken und diese an den Standort zu binden? Noch vor zehn oder 15 Jahren genügte die schlichte Existenz von ein paar ausgewiesenen Strecken. Heute sind die Biker anspruchsvoller und die Anbieter offener und mutiger geworden. Sie übersetzen die Idee vom Wintersport auf den Sommer: Statt einzelne Abfahrten oder Hotels zu bewerben, kommunizieren sie ein Paket aus perfekter Sport-Infrastruktur der kurzen Wege mit Strecken, Liften, Gastronomie, Hotellerie und Dienstleistungen. Wie das in der Praxis aussieht, lässt sich in Leogang oder Sölden erleben. Beide Regionen konkurrieren seit geraumer Zeit darum, zu zeigen, wie der perfekte Mountainbike-Urlaub aussieht – mit unterschiedlichen Ansätzen.
Leogang baute zu Anfang bewusst schwierige, selektive Bike-Strecken mit dem Ziel, neue Gäste anzulocken. Es ging nach Grundners Worten nicht darum, dem Gast vor Ort eine neue Attraktion in sein Urlaubsprogramm zu schreiben, sondern neue Gäste zu bekommen, die mit dem traditionellen Wander-Angebot nicht adressierbar waren. Auf Basis dieses Rufs, dass Leogang ein biketechnisch anspruchsvolles Terrain ist, wurden die neuen Gäste mit immer neuen Strecken weiter umgarnt. In der Sprache der Wintersportler gesagt: Erst wurden die schwarzen Pisten für mutige Könner gebaut und zuletzt der Anfängerhügel. Geradezu gegensätzlich ging Sölden in die Bike-Offensive. Viele natürliche Mountainbike Downhill-Strecken haben in Leogang ein Durchschnittsgefälle von 20 Prozent. Das ist für Anfänger deutlich zu steil. Sölden wollte es deshalb entspannter: Deshalb wurde hier das Durchschnittsgefälle der Strecken halbiert. Mit sogenannten Flowtrails, also gebauten Abfahrten, die ein flüssiges, fließendes Fahrerlebnis (daher der Name) ermöglichen. Die lassen sich mit Grundkenntnissen auf dem Mountainbike quasi von jedermann mit ein wenig Mut und adäquater Ausrüstung fahren und bieten gleichzeitig ein wunderbares Naturerlebnis. Könner fahren Kurvenaußenranderhöhungen („Anlieger“) aus oder nutzen Wellen und speziell gebaute Elemente für Sprünge, die von anderen entspannt umfahren werden können. So sind gut gemachte Flowtrails für alle, vom Anfänger bis zum ambitionierten Biker, ein attraktives Terrain. Berühmtes Beispiel ist die „Tiäre-Line“ in Sölden: Gebaut vom ehemaligen Profi-Fahrer Joscha Forstreuther bedeuten die 130 Kehren auf kaum 5,2 Kilometern puren Flow und Fahrspaß, der auch international für Furore sorgte. Wichtig für Interessierte: Die Baukosten für diese Art der Streckenführung sind zwar höher, als wenn man auf steilere Trails zurückgreift, dem gegenüber stehen aber geringere Erhaltungskosten, da der Boden weniger beschädigt wird, obwohl in Summe mehr Leute darauf fahren.

Basis für Marketing- und PR-Offensive

Als „Bike Republic Sölden“ wird die Destination inzwischen in einem Kommunikationskonzept aus einem Guss international erfolgreich vermarktet. Vor Ort besteht kaum eine Chance, mehr als ein paar Minuten auf dem Bike unterwegs zu sein, ohne ein BRS-Signet zu passieren. Leogang ist mit dem Eigenmarketing dezenter und räumt dafür Sponsoren prominente Flächen auf sogenannten Wallrides oder Rampen ein. Dafür formiert sich Leogang mit Nachbar-Bikeparks zu „Österreichs größter Bikeregion“, so der Eigenanspruch, den die Website unterstreicht: „Über 70 km Lines & Trails und 9 Bergbahnen – Saalbach, Hinterglemm, Leogang, Fieberbrunn: Sechs moderne Bergbahnen in Saalbach Hinterglemm, zwei in Leogang und eine in Fieberbrunn bringen Biker schnell und bequem auf die schönsten Gipfel und zu den Einstiegen der lässigsten Trails. Saalbach Hinter-glemm gilt schon seit vielen Jahren als führende Mountainbike-Region in Österreich. Ein enormes Wegenetz von 400 km aller Schwierigkeitsstufen für Tourenfahrer und E-Biker lässt keine Wünsche offen.“

„Der Weg geht für mich dahin, dass das ein ganzes Familienangebot wird wie im Winter.“

Kornel Grundner, Geschäftsführer Leoganger Bergbahnen

Rollenklischees im Umbruch

Zwischenzeitlich sind wir via „Flying Gangster“-Line talwärts gesaust und haben unterwegs einen bikenden Querschnitt der Gesellschaft getroffen. Nach Fahrtechnik und Radbudget durchaus divers, nach Herkunft und Geschlecht sicherlich nicht. Biken ist auch hier bislang noch „weiß und männlich“ dominiert. Hinsichtlich der Geschlechter ist ein Wandel aber deutlich spürbar. „In den Anfängen war es zu 90 bis 95 Prozent ein Männerthema“, sagt Grundner und ergänzt: Aber „auch Frauen haben absolut Spaß an Freeride und Downhill“. Das braucht Vorbilder und der Bike-Großraum von Saalbach und Leogang spielt hier eine Trumpfkarte in der Kommunikation. Die heißt Valentina „Vali“ Höll und ist ein Star in der Downhillszene. Bereits als Juniorin fuhr die gebürtige Saalbacherin Zeiten wie die Profidamen und ist nunmehr mehrfache Weltmeisterin. Sie ziert Plakatwände, Banner und Poster in der Region und fungiert auch als Aushängeschild für die MTB-Weltmeisterschaften, die im Oktober in Leogang stattfinden.

Zukunftsweisend: Spielplatz für alle

Unten angekommen, setzen wir uns auf die Terrasse des Hotel Bacher und beobachten die Szenerie. Aus verschiedenen Lines kommen die Biker an unterschiedlichen Stellen aus dem Wald auf den Hang heruntergesaust. Dort können sie aus einer Vielzahl von Ausläufen in variierenden Schwierigkeitsgraden wählen. Mancher nimmt den großen Drop, andere einen mehrere Meter messenden Gap und eine Familie rollt ohne „Airtime“ (Sprünge) zur Talstation aus. Direkt daneben übt eine Gruppe Männer mittleren Alters in der Drop Area mit unterschiedlichen Sprunghöhen. Zwei Förderbänder, Zauberteppiche genannt, wie man sie aus dem Skitourismus oder dem Transit der Flughäfen kennt, erlauben den schweißfreien Weg zurück zum Ausgangspunkt im sogenannten Riders Playground. Diese Spielwiese ist das reinste Paradies für Biker jeden Alters und jeder Könnerstufe. An unterschiedlichen Hindernissen kann sich jeder schrittweise an die eigene Grenze herantasten und Fahrtechnik und Selbstvertrauen auf- und ausbauen. Es ist Konzept, die Besucher hier – zusammen mit einer Bike-Technik-Schule – fahrtechnisch fit für die Region und die Lines des Bikeparks zu machen. Großes Familienvergnügen: Für die kleinsten Biker gibt es Strecken, die sich sogar mit dem Laufrad meistern lassen. Davon wird reichlich Gebrauch gemacht. Uns erinnert das an die Skateparks oder Golf-Übungszentren am Stadtrand. Nur viel unterhaltsamer anzuschauen für den Außenstehenden und natürlich die Familien oder Freundeskreise.

Eine gute Beschilderung ist ein wichtiger Baustein für ein reibungsloses Mit- bzw. Nebeneinander.

Blick aus der Gondel auf den Auslauf mit den Routenoptionen der verschiedenen Lines.

Kritik zeigt Bedarf nach Kommunikation und Planung

So entspannt und genussvoll sich der Besuch eines Bikeparks in Sölden oder Leogang gestaltet, so krampfig war deren Entstehung. Da waren zum einen die Widerstände vor Ort. Mancher Wintertourismusanbieter sah im vergleichsweise ruhigen Sommer den genau richtigen Gegenpol zum hektischen Winter. Die benötigten Flächen mussten gekauft oder gepachtet, gestaltet und dann unterhalten werden. So sind allein in Leogang zehn Mitarbeiter im Sommer für die „Trailpflege“ angestellt. Nutzungsrechte für Wege und Wiesen waren einzuholen und Vorbehalten des Naturschutzes und zur Störung anderer Touristen musste entgegnet werden. Ein ganz wichtiger Faktor sind auch die Bauern, die die Wiesen im Sommer für ihre Weidetiere beanspruchen. Sie von den Projekten zu überzeugen, sei teilweise eine Mammutaufgabe, wie Dominik Linser, Projektleiter der Bike Republic Sölden, erklärt. Einer seiner Ansätze: Die Köche im Ötztal nutzen gezielt Produkte aus der heimischen Landwirtschaft. So profitieren die Bauern vom wachsenden Sommertourismus. „Mittlerweile wollen einige Landwirte sogar lieber eine Mountainbike-Strecke auf ihrem Gebiet als einen Wanderweg“, erläutert Linser und liefert die Begründung: „Mountainbiker haben keine Hunde dabei, die die Tiere erschrecken können.“
Bei jeder neuen Line gehen die Verhandlungen jedoch von vorn los. Dabei ist die Zusammenarbeit mit den Landwirten sogar von Vorteil für die Trailbauer: Sie kennen die Untergründe durch jahrelange Erfahrung und wissen zum Beispiel, wo feuchte Stellen sind, die man besser umgehen sollte. Kritik an Bikeparks gibt es auch aus der Mountainbike-Szene selbst: Spezielle Parks seien Steigbügelhalter für die Argumentation, Bikeverbote in der Region auszusprechen mit dem Verweis, es seien doch extra Bikeparks eingerichtet worden. Auch hier sollte man immer daran denken, dass es eben keine homogene Kundengruppe gibt und die einen Biker überhaupt kein Interesse an den künstlichen Welten von Parks, andere kein Interesse an Liften haben und wieder andere genauso gerne auch den Uphill-Flow auf dem E-Mountainbike genießen.

Lukrativ und mit nachhaltigem Effekt

Mountainbiker sind eine attraktive Zielgruppe, die mit passend adressierten Angeboten sehr lukrativ für eine Region sein kann. Neben adäquaten Strecken braucht es auch ein komplettes Netz aus Ansprache, Strecken, Service, Gastronomie, Hotellerie und Rahmenprogramm mit alternativer Freizeitgestaltung. Anders als Ski-Touristen sind Mountainbiker auch deutlich anpassungsfähiger an Wetter und Witterung. Ihre Saison kann mit abgetautem Schnee beginnen und reicht, dank extra breiter Reifen, bis zur ersten geschlossenen Schneedecke. Es gibt bereits viele kleinere Bikeparks auch in deutschen Mittelgebirgen, die zeigen, dass auch ein kleineres Streckennetz sehr wohl konkurrenzfähig ist, besonders wenn es sich im Einzugsbereich größerer Metropolen befindet oder keine direkte Konkurrenz hat. So haben die Bikeparks im Harz ein Einzugsgebiet, das von Berlin über Hamburg bis nach Dänemark reicht. Dass Flowtrail im großen Stil auch ohne Lifte erfolgreich sein kann, zeigt der tschechische Park „Singltrek Pod Smrkem“. Er kombiniert rund ein Dutzend Flowtrail-Runden, die sich nahezu beliebig befahren lassen.
Die Effekte für die Destination sieht Bergbahnchef Grundner sehr positiv: „Wir bekommen eine zweite Saison, die nicht mehr nur dem Preiskampf ausgeliefert ist“, denn so sei das früher gewesen: Die Winterkapazitäten wurden im Sommer quasi verramscht. Dieses Prinzip kann man sich mit dem zunehmenden Abschmelzen der Wintersaison heute gar nicht mehr leisten. Statt Kapazitäten werden im Sommer deshalb verstärkt Erlebnisse vermarktet und so kann ein neuer Qualitätstourismus gedeihen: „Wir haben jetzt mehr Vier-Sterne-Hotels“, betont Grundner. Dazu kämen das Leihgeschäft und der Zusatzverkauf von Ausrüstung, Bekleidung und Ersatzteilen. Dominik Linser sieht in seiner Heimat Sölden inzwischen sogar einen prägenden Effekt für die Bewohner der Region: „Mountainbiken wird bei der Jugend immer beliebter. Unser Mountainbike-Club hat mittlerweile rund 140 junge Mitglieder.“ Durch den Sport lernen die Jugendlichen eine neue Heimatverbundenheit, Bergsportbegeisterung und bekommen erste Einblicke in den Tourismus – was wiederum langfristig für heimischen Nachwuchs bei Bergführern, Trainern, Guides oder auch Hoteliers sorgt und der Landflucht entgegenwirkt.

Unser Autor Gunnar Fehlau (links) war in der Vergangenheit mehrfach auf Einladung in der Bike Republic Sölden, um Reportagen zu realisieren, und wurde für diesen Artikel nach Leogang eingeladen. Eigene Erfahrungen und echte Begeisterung für den Bike- und Mountainbike-Tourismus in seinen unterschiedlichsten Facetten bringen aber alle im VELOPLAN-Team mit.


Bilder: Gunnar Fehlau, Tourismusverband Saalbach Hinterglemm, Felix Hens, Klemens König – Leogang