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Beim Radverkehr ist Nachahmen erwünscht

Der 8. Nationale Radverkehrskongress hat in Frankfurt von der Verzahnung mit der Eurobike profitiert. Rund 700 Radverkehrsakteur*innen kamen ins Kap Europa. Der gastgebende Verkehrsminister Dr. Volker Wissing begrüßte sie allerdings nur digital. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 03/2023, September 2023)


„Es ist nicht immer einfach, aber es lohnt sich“, fasste Frankfurts Bürgermeister Mike Josef die Arbeit der Radverkehrsplanung beim Eröffnungsplenum des NRVK zusammen. Die gastgebende Stadt sei auf dem Weg zur Fahrradstadt bereits mit großen Schritten vorangekommen, dennoch bleibe besonders im Gebäude- und Verkehrssektor viel zu tun. Das betrifft vor allem die Politik, die den Planer*innen Rückendeckung geben muss. In dieser Hinsicht wurden besonders Aussagen hinsichtlich des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) beziehungsweise der ihr nachge-
lagerten Straßenverkehrsordnung (StVO) vom rund 700-köpfigen Plenum mit Applaus untermalt. MdB Mathias Stein von der SPD betonte in einer Diskussion des Parlamentskreises Fahrrad, dass die kommende StVG-Novelle das Präventionsprinzip beinhalten sollte, nach dem Schutzmaßnahmen auch ohne bereits geschehene Unfälle leichter angebracht werden sollen. Der Parlamentskreis wurde in der letzten Wahlperiode gegründet, um parteiübergreifend Querschnittsthemen wie Industrie oder Tourismus zu besprechen.

Mehr Handlungsspielraum für Kommunen

Der parlamentarische Staatssekretär Oliver Luksic freute sich über die Frankfurter Woche des Radverkehrs und kündigte an, dass es zeitnah einen Gesetzesentwurf geben soll. Zu erwarten ist in diesem, dass gemäß dem Subsidiaritätsprinzip mehr Handlungsspielraum für Kommunen entsteht. „Das Thema des Kongresses ist gut gewählt – schneller mehr, besserer und sichererer Radverkehr. Denn die schnelle Umsetzung von Maßnahmen ist das Gebot der Stunde. Die Fördermittel für den Radverkehr stehen im Haushalt des Bundes bereit. Wir haben in dieser Legislatur Finanzierungs‐ und Planungssicherheit für die Kommunen geschaffen. Wir fördern den Radverkehr mit zahlreichen Programmen und unterstützen die zuständigen Länder und Kommunen unter anderem dabei, ihre Radinfrastruktur sicherer und komfortabler zu machen“, so Luksic. Er plädierte außerdem dafür, die Mittel zu nutzen, die der Bund zur Verfügung stellt. Luksic vertrat den Minister Volker Wissing als Gastgeber. Wissing sei in Berlin im Rahmen der deutsch-chinesischen Konsultationen vom Bundeskanzler einbestellt worden. Neben Luksic und Josef trat der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir als Eröffnungsredner auf: „Besonders freut es mich, dass der Nationale Radverkehrskongress erstmals im Zusammenhang mit der Eurobike durchgeführt wird. Das zeigt die wirtschaftliche Bedeutung des Radverkehrs und verstärkt den Austausch zwischen den unterschiedlichen Akteuren.“ Al-Wazir plädierte dafür, die positive Wirkung des Radverkehrs auf die Lebensqualität zu kommunizieren. „Die Kopie ist die höchste Form der Anerkennung“, zitierte er weiterhin Oscar Wilde. Das Land Hessen fördert aktuell zum Beispiel Nahmobilitätskoordinatoren und -koordinatorinnen, die kleinen Kommunen beratend zur Seite stehen.

Frankfurts Oberbürgermeister Mike Josef war zum NRVK gerade noch frisch im Amt, hier bei der Radtour zur Eurobike mit Hessens Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir und PStS Oliver Luksic.

Branchenverbände zeigen Präsenz

Nachdem die zweijährlich stattfindende Veranstaltung 2021 digital durchgeführt wurde, war sie 2023 zum ersten Mal an die Eurobike angegliedert. Auch die Fahrradbranche war auf dem NRVK durchaus präsent. Der Zweirad-Industrie-Verband, der Verbund Service und Fahrrad sowie Zukunft Fahrrad suchten an ihren Ständen den Austausch und waren inhaltlich in das Vortragsprogramm involviert. Die zwei Kongresstage boten 16 Fachforen, sieben Side-Events und 14 Exkursionen. Im Zentrum steht, den Nationalen Radverkehrsplan 3.0 umzusetzen. Auf der großen Bühne kamen namhafte Experten und Expertinnen zu Wort, darunter Patrick Döring von Wertgarantie, die Paracycling-Weltmeisterin Denise Schindler und Fairnamic-Chef Stefan Reisinger sowie Madeleine Brüse, Geschäftsführerin des Fahrradherstellers Müsing Bikes. Am zweiten Konferenztag fanden elf Exkursionen statt, die interessante Beispiele für Infrastruktur, Kampagnen und Projekte in Frankfurt und anderen Orten in Hessen besuchten. Auch Führungen über das Eurobike-Gelände waren Teil des Programms.
Die Sieger des Deutschen Fahrradpreises wurden in Frankfurt ebenfalls geehrt. In der Kategorie Infrastruktur konnte sich die Stadt Münster mit der Kanalpromenade durchsetzen. Auf einem Betriebsweg entstanden dort 27 Kilometer kreuzungsfreier Radweg. In der Rubrik Service & Kommunikation übergab Christine Fuchs von der Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte, Gemeinden und Kreise in NRW e.V. den 1. Preis an die Kölner Verkehrsbetriebe. Im dortigen Pilotprojekt können ÖPNV-Nutzer*innen kostenlos Lastenräder ausleihen. Zur fahrradfreundlichsten Persönlichkeit wurde in diesem Jahr nicht ein Mensch, sondern mit dem Freiburger SC gleich ein ganzer Verein ernannt.


Bilder: Bernd Roselieb, Dirk Michael Deckbar