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Ein umfassender Werkzeugkasten für Städte und Gemeinden

von Thiemo Graf

Eine Lösung gegen Hilflosigkeit ist das Buch „Fahrradstadt“ von Thiemo Graf. Der Autor möchte Radwege in jeder Stadt und Gemeinde als „gebaute Einladungen“ verstehen können. Und er ist überzeugt, dass jede Kommune das Potenzial besitzt, Fahrradstadt zu werden. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 01/2023, März 2023)


Adressiert ist das Buch explizit an Bürgermeisterinnen, Landräte und kommunale Führungskräfte. Diesen stellt Graf auf jeder Doppelseite ein Werkzeug für Fahrradstädte vor, textlich prägnant erklärt und bildlich veranschaulicht. Damit verfolgt er das Ziel, die Entscheiderinnen zu überzeugen, Radverkehr zur Priorität zu machen. Aus Verhindern soll Ermöglichen werden. Seine Definition einer Fahrradstadt bezeichnet der Autor selbst als unspektakulär und baut damit vielleicht innere Hürden ab, die den Wandel abbremsen könnten. „In einer Fahrradstadt sitzt der Querschnitt der Bevölkerung im Sattel“, sagt er. 12-Jährige und 80-Jährige sollen gleichsam entspannt und selbstverständlich mit dem Fahrrad unterwegs sein können.
Das Buch eignet sich zum Lesen oder Durchblättern. Es soll wirkungsvoll informieren und die Entscheidungsträger zum Handeln inspirieren. Bevor es an die Maßnahmen geht, bricht der Autor den Erfolg vorbildhafter Fahrradstädte auf vier Faktoren herunter. Er ermutigt die Leserinnen und zeigt, dass auch die großen Sterne am Radverkehrshimmel früher einmal Autostädte waren. Der Autor unterscheidet in seinem Werkzeugkasten zwischen strategischen und operativen Maßnahmen. Laut Graf handelt es sich sicher nicht um alle, aber um die wichtigsten Handlungsempfehlungen. Zu den strategischen Maßnahmen zählt etwa, dass Verwaltungen konkrete Ziele formulieren oder den Faktor Reisegeschwindigkeit mitdenken sollen. Sie perforieren also die Herangehensweise auf dem Weg zur Fahrradstadt. Die operativen Maßnahmen, also die tatsächlichen Eingriffe in den Raum und die Stadtkultur, sind unterteilt entlang der „Vier Säulen der Radverkehrsförderung“, Infrastruktur, Information, Service und Kommunikation. Ein paar Minuten auf einer Doppelseite reichen aus, um zu verstehen, welchen Effekt Ampeltrittbretter haben oder warum die richtige Beleuchtung von Fahrradwegen essenziell ist. Wer also als Radverkehrsplanerin in der eigenen Kommune einen schweren Stand hat, könnte dieses Buch sehr interessant finden. Auch Bürgermeister*innen haben schließlich mal Geburtstag.

Thiemo Graf hat das Hygge-Modell für Radwege entwickelt und das i.n.s. – Institut für innovative Städte gegründet. Er berät und begleitet Kommunen, Ministerien und Behörden bei allem, was mit dem Radverkehr zu tun hat. Graf moderiert auch Fachveranstaltungen und hält Vorträge. Seit 2016 hat er mehrere Fachbücher geschrieben und mit dem Thiemo Graf Verlag verlegt.


Fahrradstadt. Ein umfassender Werkzeugkasten für Städte und Gemeinden | von Thiemo Graf | Herausgeber i.n.s. – Institut für innovative Städte | Thiemo Graf Verlag | 1. Auflage 2020 | ca. 200 Seiten | ISBN: 978-3-940217-31-8 | 25 Euro


Bilder: Thiemo Graf

Planungsideen für den urbanen Alltag

von David Sim

Hygge für die Stadt, so lässt sich David Sims Vision vielleicht zusammenfassen. Das dänische Wort hat denselben Wortstamm wie to hug, der englische Begriff fürs Umarmen. Eine sanfte Stadt ist also eine, die umarmt und sich den menschlichen Bedürfnissen unterordnet. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 04/2022, Dezember 2022)


Stadtplanung sollte das Leben erleichtern und auf verschiedenen Ebenen sanfter werden lassen. Langsam, kleinteilig und leise soll die Stadt sein, dann entsteht das gute Leben in den Nachbarschaften. David Sim wendet sich von einer funktionalistischen Quartierseinteilung ab und fordert stattdessen ein Gleichgewicht zwischen Dichte und Vielfalt. Stattdessen geht es in seinem Stadtkonzept darum, dass Bürger*innen sich begegnen und vernetzen können. Das Konzept mag zunächst allgemein wirken und schwer zu fassen sein. Das große Ganze zu betrachten ist aber sehr wichtig, da sich spezifische Planungsfelder der Stadtentwicklung nur sehr begrenzt voneinander trennen lassen.
Wie müssen Häuser, Innenhöfe, Straßen und Plätze gestaltet sein, um den menschlichen Alltagsbedürfnissen gerecht zu werden? Die Lösung sieht der Autor darin, Städte kleinteiliger und dichter zu organisieren. Außerdem braucht es Nähe und Vielfalt von Gebäudetypen und Nutzungen.
Das erlaubt dann eine gemischte Nutzung, die komfortabel ist, Kosten spart, Ruhe und Einladendes ausstrahlt. „Es geht um Leichtigkeit, Komfort und Fürsorge im täglichen Leben“, sagt David Sim selbst. Auch Mobilität sieht der Autor durch diese Brille und widmet sich ihr in einem großen Kapitel. Sie beginnt für ihn nicht erst auf der Straße, sondern schon auf dem Weg vom Wohnzimmer zum Balkon oder von der Wohnungstür zur Straße. Mobilität muss die alltäglichen Situationen nahtlos miteinander verbinden können und entsprechend kleinteilig eingeplant sein. Das erklärt Sim anhand von Beispielen aus Australien, der Schweiz oder Dänemark. Das Fahrrad spielt neben dem Zufußgehen und dem ÖPNV eine wichtige Rolle.
Zwischen den Zeilen voller praktischer Planungsansätze lässt sich viel über Städtebau im Allgemeinen und die Sicht des ehemaligen Kreativdirektors auf Design und Gestaltung lernen. Inspiration gibt es aber schon beim Durchblättern. Die Seiten sind gespickt mit hilfreichen Illustrationen und unzähligen Fotos, die reale Beispiele für David Sims Vision zeigen.

Mit 19 Jahren hörte David Sim in Schottland zum ersten Mal Vorlesungen von dem Architekten und Bestseller-Autor Jan Gehl (Städte für Menschen). Es ist also nicht verwunderlich, dass er auch sein Konzept der Sanften Stadt nach dem menschlichen Maßstab entworfen hat. Zu verstecken braucht er sich hinter Gehl aber nicht, Sims Buch wurde bereits in 20 Sprachen übersetzt, weitere fremdsprachige Versionen befinden sich in der Mache. Er arbeitete rund zwei Jahrzehnte im global agierenden Architekt*innenteam Gehls und hat inzwischen ein eigenes Büro eröffnet.


Sanfte Stadt Planungsideen für den urbanen Alltag | von David Sim | Jovis Verlag | 1. Auflage 2022 | 256 Seiten, farbige Abbildungen | ISBN: 978-3-86859-747-9 | 42 Euro


Wie wir nachhaltig in die Gänge kommen: Ein Rad-Geber

von Alexandra Hildebrandt & Claudia Silber

Mikromobilität ist als Sammelbecken für verschiedene Fortbewegungsmittel ein sehr breiter Begriff. Gemein ist vielen dieser Verkehrsmittel, vor allem aber verschiedenen Fahrradsegmenten, dass sie gerade einen Boom erleben. Und dass sie viele Vorteile gegenüber Pkws mitbringen. Die Herausgeberinnen von Zukunft Mikromobilität nehmen den Status quo auf und zeigen gemeinsam mit zahlreichen Autor*innen aktuelle Trends auf. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 04/2022, Dezember 2022)


E-Bikes, Lastenräder oder E-Scooter sind, zumindest nach Auffassung von Claudia Silber und Alexandra Hildebrandt, den Herausgeberinnen dieses Buchs, die Zukunft der urbanen Fortbewegung. Auf dem Weg zu dieser wichtigen Rolle hat die Mikromobilität in den vergangenen Jahren einiges in Bewegung gesetzt – und wird das auch in der nahen Zukunft tun.
Zukunft Mikromobilität enthält Beiträge aus der Mobilitätsforschung und der Wirtschaft. Die verschiedenen Autorinnen sind reich an Expertise und besetzen in diesen Bereichen und der Verbandsarbeit teils führende Positionen. Konkret erklären sie verschiedene Fahrradtypen und die Historie des Verkehrsmittels, entwickeln eine Cradle-to-Cradle-Vision der Fahrradindustrie und beleuchten die Rolle der E-Scooter. Nicht alle Beiträge besitzen inhaltliche Schwere, die Autorinnen erzählen auch anekdotisch oder geben praktische Tipps. Die Bandbreite ist so groß wie die Klammer der Mikromobilität. Es geht um die die Mobilität von Mitarbeiter*innen, nachhaltigen Tourismus oder Radlogistik.
Auch wenn wohl niemand, der in der Mobilitätsbranche oder Stadtentwicklung arbeitet, in diesem Buch nur Neues lesen wird, so ist es trotzdem ein Stück Verkehrswende im Taschenbuchformat. Und es vermag vielleicht, die verschiedenen Akteure in diesem Feld ein Stückchen näher zusammenzubringen. Ein gutes Beispiel sind die Kapitel am Ende des Buches. Auf zehn Thesen, wie der Verkehr der Zukunft aussehen wird, folgt ein Glossar, das Netzwerke für eine nachhaltige Verkehrswende vorstellt. Dazu zählen Industrieverbände, Kampagnen-Bündnisse und Thinktanks. Die Botschaft, die vermutlich dahinter steht, lautet: „Verkehrswende geht nur zusammen. Vernetzt und unterstützt euch!“

Claudia Silber leitet die Unternehmenskommunikation beim Versandhändler Memo AG und ist an deren Nachhaltigkeitsberichten beteiligt. Sie ist studierte Germanistin.

Dr. Alexandra Hildebrandt studierte Psychologie sowie Literatur- und Buchwissenschaft und hatte Führungspositionen in der Wirtschaft inne. Sie gibt als freie Publizistin Bücher zu Themen wie unternehmerischer Verantwortung, Digitalisierung und der Energiewirtschaft heraus.


Zukunft Mikromobilität Wie wir nachhaltig in die Gänge kommen: Ein Rad-Geber | von Alexandra Hildebrandt & Claudia Silber (Hg.) | Büchner Verlag | 1. Auflage 2022 | ca. 300 Seiten | ISBN: 978-3-96317-313-4 | 25 Euro


Bilder: Carina Koch, Nicole Simon

Ein Plädoyer für mehr Verkehrsgerechtigkeit

von Peter Hennicke, Thorsten Koska, Jana Rasch et al.

Die Zeit ist reif für mehr Klimaschutz und dieses Buch kommt damit genau richtig. Die neue Veröffentlichung des Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie bringt alles mit, was es für ein grundsätzliches Neudenken im Verkehr braucht. Die fast 400 Textseiten sind dicht mit wertvollen Informationen gespickt. Zielgerichtet und handlungsorientiert wird hier gezeigt, warum die Mobilitätswende kommen muss, und noch wichtiger: wie der Wandel vonstattengehen kann. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 02/2021, Juni 2021)


Es erstaunt zu sehen, wie einfach faktenbasiertes Handeln sein kann. Das vielschichtige Thema Verkehrsgerechtigkeit, das alle Lebensbereiche buchstäblich miteinander verbindet, wird von den Autorinnen erläutert und konstruktiv angegangen. Dabei werden zahlreiche wichtige Fragen nach aktuellem wissenschaftlichem Kenntnisstand beantwortet. Welche Rolle spielt beispielsweise der kommunale Strukturwandel bei der Verkehrswende? Welche politischen Entscheidungen sind wirkungsvoll und welche haben schwerwiegende Schlupflöcher? „Die Grenzen des Verkehrswachstums sind erreicht. Klimaschutz und Lebensqualität sind wichtiger als hochgerüstete Autoflotten, die für Millionen Menschen ohne Auto Belastungen und Mobilitätsnachteile bedeuten. Notwendig ist eine radikale sozial-ökologische Transformation des Verkehrssystems: Ausbau und Förderung des Umweltverbundes aus ÖPNV, Schiene, Sharing-Systemen, Rad- und Fußverkehr – das sind bekannte Strategieelemente, die aber durch die herrschende Privilegierung des Autos ausgebremst werden.“ Das Buch liefert Kritik an historischen und aktuellen Entwicklungen. In „Nachhaltige Mobilität für alle“ ist diese nicht oberflächlich und plakativ, sondern wird mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und genauen Beobachtungen und Analysen unterfüttert. Mit Blick auf die Zukunft sind die Autorinnen zwiegespalten: „Ob diese Zeit all jene schon vor der Corona-Pandemie wirkenden multiplen Krisen auf die Spitze treibt oder ob Einsichten in allen Ländern gewachsen sind und weltweite Aktionsprogramme für eine wirkliche Wende zur Nachhaltigkeit aufgelegt werden, wird sich in wenigen Jahren zeigen.“ Wir bleiben ebenso gespannt, ob und wie sich die Wende entwickeln wird, und empfehlen bis dahin die Lektüre des Buches, die Probleme, Lösungsansätze und Entwicklungspfade aufzeigt.

Peter Hennicke war Präsident des Wuppertal Instituts. Er ist Träger des deutschen Umweltpreises und Mitglied des Club of Rome. Er gilt als einer der Vordenker der deutschen Energiewende.


Nachhaltige Mobilität für alle Ein Plädoyer für mehr Verkehrsgerechtigkeit | Oekom Verlag | 1. Auflage, Mai 2021 | 432 Seiten (farbig), Softcover/E-Book | ISBN: 978-3-96238-279-7 | 28,00 Euro


Bilder: Wuppertal Institut, VisLab, Sabine Michaelis

Der ultimative Weg zur urbanen Fahrradkultur

von Mikael Colville-Andersen

Fast drei Jahre nach dem Erscheinen der englischsprachigen Ausgabe ist jetzt die deutsche Version von „Copenhagenize“ des kanadisch-dänischen Urbanisten, Designers, Autors und Speakers Mikael Colville-Andersen erschienen. Ein Muss im Bücherregal, denn anders, als es der Untertitel suggeriert, geht es hier nicht um Fahrradkultur, sondern um eine menschengerechte Stadt, durch und mit Fahrrädern. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 01/2021, März 2021)


„Nach einem Jahrhundert der urbanen Verwirrungen, fehlgeleiteten Anstrengungen und der Verführung durch unnötig komplizierte Technologien“ sei der Zeitpunkt gekommen, Klarheit zu schaffen, schreibt Mikael Colville-Andersen, der weltweit als Berater tätig ist, in seinem Vorwort. „Wir müssen handeln, um unsere Städte – und uns – vor uns selbst zu retten.“ Das Fahrrad sei das wichtigste Mittel, um Städte lebenswert zu machen und sie wieder am menschlichen Maß auszurichten. Vor mehr als einem Jahrhundert nahm das Fahrrad in unseren Städten die Hauptrolle ein. Jetzt sei es an der Zeit, es für immer in unseren Städten zu verankern. Copenhagenize inspiriert mit Geschichten, wie dem Elefanten im Porzellanladen (das Auto in der Stadt), Best-Practice-Beispielen (z.B. Infrastruktur und Kostenbeispiele), Toolboxen (u.a. grüne Welle für Radfahrende, geneigte Mülleimer und Fußstützen), oder einer Sammlung von Mythen rund ums Radfahren. So vermittelt das Buch nicht nur eine Vielzahl von Detailinformationen und interessanten Geschichten, es gibt Planern und Entscheidern auch das notwendige Handwerkszeug, um, so der Klappentext, „das Autozeitalter hinter uns zu lassen und die Skeptiker vom Mehrwert menschengerechter Städte zu überzeugen“. Dabei kämen die Städte, die fahrradfreundlich werden wollten, heute viel schneller voran als die großen Vorbilder Kopenhagen oder Amsterdam, „da die Blaupausen für erfolgreiche Infrastruktur bereits für Copy-and-paste verfügbar sind“.

Mikael Colville-Andersen war rund ein Jahrzehnt lang Geschäftsführer der Copenhagenize Design Company und verfügt über langjährige Erfahrung in der Beratung von Städten und Regierungen auf der ganzen Welt. Der gefragte Keynote-Speaker, Autor und Moderator der Fernsehserie „The Life-Sized City“ ist bekannt für seinen inspirierenden Enthusiasmus, mit dem er die Rolle des Fahrrads als Schlüssel für menschengerechte Städte propagiert.


Copenhagenize: Der ultimative Weg zur urbanen Fahrradkultur | von Mikael Colville-Andersen | Thiemo Graf Verlag | 1. Auflage 2020 (Deutsche Erstausgabe) | ca. 360 Seiten (farbig, bebildert), Softcover | ISBN: 978-3-940217-29-5 | 32,00 Euro


Bilder: Thiemo Graf Verlag, Copenhagenize, Felix Modler-Andersen

von Prof. Dr. Claudia Kemfert

„Wir sind an einem Wendepunkt“, meint Prof. Dr. Claudia Kemfert. Die mehrfach ausgezeichnete Spitzenforscherin und gefragte Expertin sieht aktuell ein Momentum für einen echten Wandel. Dafür sei es höchste Zeit und wir alle seien gefordert, unseren Beitrag zu leisten. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 04/2020, Dezember 2020)


„Freitag demonstrieren, am Wochenende diskutieren und ab Montag anpacken und umsetzen.“ So lautet der appellierende Untertitel des im April dieses Jahres erschienenen Buchs von Dr. Claudia Kemfert. Die renommierte Professorin für Energieökonomie und Nachhaltigkeit leitet seit 2004 die Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) und liefert in ihrem Buch eine Fülle von belegten Informationen und eine Vielzahl praktischer Handlungsanleitungen. Für diejenigen, die Zahlen, Daten und Fakten, Orientierung und Argumentationshilfen suchen, ist das Buch eine wunderbare Anleitung. In rund 120 Fragen und Antworten werden Zusammenhänge erläutert und immer wiederkehrende Vorurteile und Frames aufgegriffen. Online gibt es zusätzlich eine umfangreiche Sammlung von Quellenangaben. „Welche Vision 2050 könnte uns antreiben?“, fragt Claudia Kemfert und liefert dazu inspirierende Ideen und 53 Handlungsempfehlungen oder besser gesagt Aufgaben für den praktischen Alltag sowie das soziale und berufliche Umfeld. In ihrem Credo zitiert sie den Generalsekretär der Vereinten Nationen Ban Ki-Moon aus dem Jahr 2015: „Wir sind die erste Generation, die globale Armut abschaffen, und wir sind die letzte Generation, die den Klimawandel aufhalten kann.“ Ihre persönliche Aufforderung: „Packen wir’s an! Fang klein an, aber fang an!“

Es sei Zeit „aufzuräumen und ein paar Spielregeln aufzustellen“, schreibt die Klimaökonomin Dr. Claudia Kemfert in ihrem Buch und arbeitet dazu mit einer Vielzahl von Daten und leicht verständlichen Bildern. „Mit einem schicken Tuning der SUVs und ein bisschen Runterdrehen der Ölheizung ist es nicht getan.“ Zur einfachen Wahrheit gehöre, dass die Sektoren Energiewirtschaft, Gebäude und Verkehr „vollständig dekarbonisiert“ werden müssen.


Mondays for Future: Freitag demonstrieren, am Wochenende diskutieren und ab Montag anpacken und umsetzen. | von Prof. Dr. Claudia Kemfert | Murmann Publishers GmbH | 1. Auflage April 2020 | 195 Seiten | ISBN 978-3-86774-644-1| 18,00 Euro


Bilder: Murmann Publishers, Christian Frey

Alles für Microadventure und Bikepacking

von Gunnar Fehlau

Ein Abenteuer muss nicht groß sein – und schon gar nicht teuer, weiß Gunnar Fehlau aus vielfältiger eigener Erfahrung. Der Gründer vom Pressedienst-Fahrrad lebt das mit dem Rad und teilt in der handlichen Fibel sein Wissen und seine Begeisterung. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 03/2020, September 2020)


„Abenteuer erlebt, wer sich auf sie einlässt“, schreibt der als Komiker bekannte Rad- und Outdoor-Enthusiast Wigald Boning im Vorwort und empfiehlt, die Freizeit nicht vor Bildschirmen, sondern „im wahren Leben“ zu verbringen. Damit trifft er ein allgemeines Lebensgefühl in unserem allzu durchorganisierten, serviceverwöhnten und wohltemperierten Umfeld. Aber wie und womit anfangen?
Gunnar Fehlau kennt als begeisterter Querfeldeinradler und Outdoor-Overnighter die Glücksgefühle aus der Praxis, genauso aber auch die inneren und äußeren Hemmschuhe, technische Tücken und sonstige Fallstricke. Sein Tipp: „Raus aus dem Büro, rauf aufs Rad und für die Nacht oder ein Wochenende in die Natur. Das Erlebnis beginnt direkt vor der eigenen Haustür.“ Damit nicht jeder die gleiche, oftmals anstrengende Lernkurve wie er selbst machen muss, hat er das handliche Buch geschrieben, in dem wirklich alles behandelt wird. Von der Vorbereitung und Eigenmotivation „Jetzt! Gegen alle Widerstände“ über Anfängerfehler „Niemals ohne …“ bis hin zu Tipps für Outdoor-Routiniers „Die Sache mit dem Schmerz“. Weitere Themen im Überblick: alles Wissenswerte zum richtigen Material und zur richtigen Ausrüstung; Survival-Know-how und Wissenswertes zu Übernachtungen in der Natur; Tipps zur Tour-Planung.
Angesichts der Aussicht wie einfach und schön das Leben eigentlich sein kann, und des Frusts, der sich schnell einstellt, sobald man merkt, dass man eine eiserne Kalorienration, eine Notfalldecke oder Kabelbinder doch sehr gut hätte brauchen können, eine sehr gute Investition. Unser Tipp: Beschenken Sie sich selbst, Freunde oder ihre Familie mit dem Buch – und einer gemeinsamen Tour.

Auszug Klappentext

Man braucht nicht viel für eine Kurzreise mit dem Fahrrad inklusive Übernachtung. Was man benötigt, lässt sich leicht am Rad unterbringen – und schon kann das „Feierabenteuer“ beginnen. Eine Radtour, ein Lagerfeuer, eine Übernachtung unterm Himmelszelt.


Rad und Raus: Alles für Microadventure und Bikepacking | von Gunnar Fehlau | Verlag Delius Klasing | 2. Auflage 2018 | 160 Seiten | Taschenformat 12,7 × 18,6 cm | ISBN 978-3-667-10929-3 | 16,90 Euro


Bilder: Verlag Delius Klasing, Gunnar Fehlau

Die Geschichte einer Zerstörung

Hermann Knoflacher

Das Auto sei uns Menschen näher als unsere eigenen Kinder, behauptet der bekannte Wiener Verkehrsplaner und emeritierte Professor Hermann Knoflacher. In seinem provokanten Buch sucht der geistige Vater der autofreien Wiener Innenstadt Ursachen für dieses Phänomen. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 02/2020, Juni 2020)


„Am Anfang stand das Auto für freie Fahrt, für Mobilität und für Freiheit“, heißt es im Klappentext. „Doch was ist aus diesen Träumen geworden?“ Hermann Knoflacher analysiert in dem 2013 erschienenen Buch unser Umfeld und unser Verhalten. Dabei kommt er zu Erkenntnissen, die heute, nach rund vier Millionen zusätzlichen Autos in Deutschland, aktueller denn je erscheinen.
„Ein normaler Mensch würde unseren derzeitigen Lebensraum als total verrückt bezeichnen“, so der Verkehrswissenschaftler in einem Interview mit der Zeit. Im Laufe der Jahrzehnte sei es zu einer „völligen Werteumkehr“ gekommen, die die uns nicht einmal mehr auffiele. „Das Auto ist wie ein Virus, das sich im Gehirn festsetzt und Verhaltenskodex, Wertesystem und Wahrnehmung total umkehrt.“ Unsere Lebenswelt sei auf das Auto ausgelegt, womit alle anderen Mobilitätsbedürfnisse unterdrückt würden. „In einer solchen Umgebung ist es natürlich logisch, dass jeder Mensch mehr oder weniger zum Autofahren gedrängt wird.“
Auf der Suche nach psychologischen Erklärungsmustern findet der 1940 geborene Raum- und Stadtplaner, der weiter mit Artikeln, Vorträgen und Buchprojekten aktiv ist, klare Worte für gängige Verhaltensmuster: „Alle Lebewesen versuchen die Sicherheit und Gesundheit ihrer Nachkommen selbst unter Einsatz ihres Lebens zu verteidigen und zu schützen. Auto fahrende Eltern zerstören die Lebensräume ihrer Nachkommen im unmittelbaren und weiteren Umfeld aus Rücksichtslosigkeit, Bequemlichkeit und Blindheit gegenüber den Bedürfnissen ihrer Kinder.“

Sichtbare Platzverschwendung. Hermann Knoflacher mit seinem berühmten „Gehzeug“.

Weitere Fachbücher von Hermann Knoflacher:

„Stehzeuge: Der Stau ist kein Verkehrsproblem“

„Verkehr ist kein Schicksal: Der öffentliche Verkehr in Wien“

„Zurück zur Mobilität! Anstöße zum Umdenken“

„Grundlagen der Verkehrssiedlungsplanung (Band 1 u. 2)“

„Fußgeher und Fahrradverkehr: Planungsprinzipien“


Virus Auto: Die Geschichte einer Zerstörung | von Hermann Knoflacher | Wirtschaftsverlag Ueberreuter | 2013 | 236 Seiten | ISBN-10: 3800074389 | nur noch digital erhältlich


Bilder: Wirtschaftsverlag Ueberreuter, Wikipedia / creativecommons

von Jan Gehl

Wer mehr wissen möchte über lebenswerte prosperierende Städte, für den empfehlen wir den Klassiker des dänischen Architekten und weltweit bekannten Stadtplaners Jan Gehl. Sein wichtigster Grundsatz: das menschliche Maß. Eine Philosophie, die heute wichtiger scheint denn je. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 01/2020, März 2020)


Aus dem Vorwort von Richard Rogers:

„Kein anderer hat die Morphologie und Nutzung des öffentlichen Raums so eingehend untersucht wie Jan Gehl. Jeder Leser dieses Buchs wird wertvolle Einblicke in sein erstaunlich einfühlsames und zugleich scharfsinniges Verständnis der Beziehungen zwischen öffentlichem Raum und Bürgern und deren unauflöslicher Vernetzung gewinnen.“

Sein ganzes Leben hat sich Jan Gehl mit dem Thema der Neu- oder Umgestaltung von Plätzen, Straßen und Städten zum Wohle ihrer Bewohner befasst. Dabei kann er auf Erfolge blicken, wie die Entwicklung seiner Heimatstadt Kopenhagen zum viel zitierten Vorbild, den Umbau Moskaus und die Wiederbelebung Manhattans. Seine einfachen Fragen, die aktuell gerade weltweit in den Mittelpunkt rücken: „Wie wollen wir leben?“ Und „Was macht eine gute Stadt eigentlich aus?“ Dabei geht es ihm zentral um die Wechselwirkung zwischen öffentlichem Raum und Bürgern. Die Stadt ist für ihn ein wichtiger Ort der Begegnung, und urbane Ballungsgebiete böten dafür die Kulissen – oder auch nicht. „Zuerst gestalten wir die Stadt – dann prägt sie uns.“
Der Stadtraum müsse mit der Geschwindigkeit eines Fußgängers oder Radfahrers erlebt werden, statt aus einem Fahrzeug heraus. Nur so könne es gelingen, sowohl traditionelle Metropolen als auch schnell wachsende Städte zu „Städten für Menschen“ zu machen.
Das Buch präsentiert laut Klappentext Gehls jahrzehntelange Erfahrungen im Bereich Neubau sowie Umgestaltung städtischer Räume und Verkehrsflächen. Darstellungen seiner Planungsmodelle in Text und Bildern sowie Planungsprinzipien und Methoden veranschaulichen, wie einfach lebendige, sichere, nachhaltige und gesunde Städte in Zukunft entstehen können.
Zielgruppen für dieses Grundlagenwerk sind aus unserer Sicht nicht nur Stadt- und Verkehrsplaner, Architekten und Soziologen, sondern auch Verwaltung, Politik, lokale Entscheidungsträger, Einzelhandelsverbände, IHKs und natürlich alle interessierte Stadtbewohner und -bewohnerinnen.


Städte für Menschen | von Jan Gehl | Jovis Verlag | ISBN 978-3-86859-356-3 | 304 Seiten, zahlr. farb. Abb., Hardcover | Preis: 32 Euro | 02/2015