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Mit der Studie „Ich entlaste Städte“ hat das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt ein großes Reallabor für Cargobikes im Unternehmensalltag geschaffen. Mit dem Abschluss des Projekts haben Lastenräder ihr großes Potenzial für gewerbliche Anwender unter Beweis gestellt. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 01/2022, März 2022)


„Ich ersetze ein Auto.“ Dieses Statement trifft zumindest auf etwa zwei Drittel der 30.000 Fahrten zu, die in Europas größtem Lastenradtest getätigt wurden.

Der Verkehr ist mit 160 Millionen Tonnen jährlich die drittgrößte Emissionsquelle von CO2 in Deutschland. Gewerbliche Transporte haben daran einen nicht unwesentlichen Anteil, sie machen ein Drittel der Kfz-Fahrten aus. Dieser Sektor hat aber nicht nur, wenn es um Klimaziele geht, noch Verbesserungspotenzial. Transport-Pkw nehmen viel Platz ein, verursachen Lärm und verschlechtern die Luft. In den genannten Punkten sind Lastenräder eine bessere Alternative. So zumindest lautet der Grundtenor des Projekts „Ich entlaste Städte“, das über einen mehrjährigen Zeitraum das Potenzial von Lastenrädern für gewerblichen und dienstlichen Einsatz evaluierte. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat nach dem Ende der Projektlaufzeit nun die Ergebnisse vorgestellt.

Projekt mit großem Umfang

Europas größter Lastenradtest sorgte für 300.000 Testkilometer bei 30.000 Fahrten. 755 Unternehmen durften Räder aus der 152 Stück großen Flotte des DLR testen. Aber auch NGOs und Vereine, öffentliche Einrichtungen und Soloselbstständige sowie Freibe-rufler*innen nahmen teil. Am häufigsten vertreten waren die Wirtschaftszweige Dienstleistungen, Verarbeitendes Gewerbe und Baugewerbe. Insgesamt waren die Nutzungsbereiche divers: von der Filmproduktionsfirma übers Architekturbüro bis zur Radiomanufaktur. „Es gibt nicht die eine Branche, die für den Lastenradeinsatz prädestiniert ist. Denn es ist für Organisationen aller Couleur und Größe sinnvoll, zu überlegen, welche Warentransporte und betrieblichen Dienstleistungen mit dem Lastenrad abgewickelt werden könnten“, so das Resümee im Projektabschlussbericht.

Long John, Trike, Longtail, Lieferbike und Schwertransporter (v. l.). Die Teilnehmer*innen des großen Lastenradtests konnten alle Bauformen für ihre Zwecke testen.
Getränkelieferung per Lastenrad? Unter den 755 Unternehmen im Projekt „Ich entlaste Städte“ befanden sich auch ein Brauhaus, zwei Brauereien und zwei Getränkehändler.

Große Nachfrage – nicht nur in Großstädten

2000 Betriebe hatten sich auf die Projektteilnahme beworben. Überproportional groß war die Nachfrage in den Stadtstaaten – aber auch in Landgemeinden bis 20.000 Einwohner*innen. Relativ zur Bevölkerungsverteilung waren diese im Test sogar überrepräsentiert.
Die meisten Standorte der Testbetriebe lagen mit weniger als vier Kilometern relativ nahe an den Stadt- und Ortszentren. Das ist nicht verwunderlich, spielt das Lastenrad doch insbesondere auf kurzen Strecken seine Stärken aus. Das bestätigen auch die Studienergebnisse: Bei gefahrenen Strecken bis zu drei Kilometern Länge sind Pkw und E-Lastenrad weitgehend gleich schnell. Und auch auf Distanzen bis zu 20 Kilometern dauerte die Hälfte aller Cargobike-Fahrten nur zwei bis zehn Minuten länger als mit dem Pkw. In der Realität dürften die Unterschiede noch etwas kleiner ausfallen. Die Parkplatzsuche der Verbrenner wurde in die Vergleichswerte nicht einkalkuliert. Im Mittel betrug der Radius vom Betriebsstandort, in dem die Räder eingesetzt wurden, 2,4 Kilometer.

Für jede Anwendung das richtige Modell

Fünf Lastenradtypen konnten die Betriebe testen. Diese unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Bauweise. Ein Lastenrad der Klasse Trike hat drei Räder und bringt die Last vor dem Fahrer oder der Fahrerin unter. Die gleiche Reihenfolge aus Last und Fahrersitz haben die einspurigen Long Johns. Umgekehrt ist es bei der Bauart Longtail, die auch mit zwei Rädern auskommt und dadurch wendiger ist. Dann gibt es noch die Schwertransporter und Lieferbikes, die an
gewöhnliche Fahrräder mit viel Transportkapazität erinnern. Das Förderprogramm vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) schließt letzteren Typ bei ihrem Förderprogramm aus. Alle anderen gewerblich genutzten Lastenräder können sich auf bis zu 25 Prozent Förderung auf den Kaufpreis freuen. Dass es diese Prämie gibt, ist ein großer Vorteil für Interessierte. Im DLR-Test waren es die hohen Implementierungskosten, die die Teilnehmenden am meisten bei der Anschaffung hemmen.

78,2 %

der Teilnehmenden sehen
Verbesserungspotenzial bei den Cargobikes.
Die meisten von ihnen kritisierten
Cargobox oder Ladefläche.

Fast 80 Prozent sehen Optimierungsbedarf

Das Reallabor hat gezeigt, dass 78,2 Prozent der Teilnehmenden Verbesserungswünsche am getesteten Modell sehen. Besonders oft kritisiert, nämlich von 63 Prozent der Testerinnen, wurden Cargobox und Ladefläche. 43 Prozent wünschen sich mehr Komfort. Auch verbesserungswürdig sind die Komponenten (36 Prozent) sowie der E-Antrieb und der Akku (35 Prozent). Die Testimonials der Teilnehmerinnen auf der Projektwebsite lesen sich trotzdem weitgehend positiv. „Der Lastenradtest war für uns ein Erfolg mit Anspruch – wir möchten uns demnächst ein eigenes Lastenrad mit
E-Motor anschaffen. Wir konnten durch den Einsatz des Lastenrades bei unseren Kunden mit ökologischen und ökonomischen Gesichtspunkten trumpfen“, sagt zum Beispiel Oskar K. L. Wolf vom Solarbüro Fischbach. Luft nach oben gibt es auch beim Wartungsangebot für Lastenräder. Das Geschäft mit den Wartungen müsse sich erst noch richtig entwickeln, bestätigt Martin Seißler vom Thinktank Cargobike.jetzt, der beratend am Projekt beteiligt war. „Das ist eine sehr zerklüftete Landschaft ohne Qualitätskontrollen und Standards“, so Seißler. Der Bereich muss als Geschäftsfeld erkannt werden. Mit zunehmenden Lastenrad-Zahlen dürfte sich der Fokus einiger Fahrrad-Fachhändler*innen auf den neuen Service-Markt verschieben. Neben dem Service-Netzwerk müsse sich auch die Verkehrsin-frastruktur verbessern.

Mehr als Umweltvorteile

400 Kilogramm CO₂ könnte jedes Lastenrad, das im Anschluss an den Test angeschafft wurde, jährlich einsparen. Bei einigen dürfte es sogar eine Tonne pro Jahr sein. Aber die Vorteile für Umwelt und Klima sind nur ein Faktor von vielen. Die Teilnehmerinnen rechneten auch mit gesünderen, zufriedeneren Mitarbeiterinnen und einem Imagegewinn für ihre Organisation. Gerade in Innenstädten bieten die Lastenräder gegenüber Autos mehr Flexibilität und ersparen die Parkplatzsuche. Die Zuverlässigkeit, die dadurch entsteht, beeinflusst auch die Arbeitsabläufe. 43 Prozent der Testbetriebe gaben an, dass sich diese durch das neue Vehikel verbesserten.
„Ich entlaste Städte“ hat mit viel Praxisnähe gezeigt, dass der Projektname passend gewählt ist. Rund zwei Drittel der 300.000 im Test zurückgelegten Fahrtenkilometer wären sonst mit dem Pkw zurückgelegt worden. Wer auf den Trend und das Lastenrad aufsteigen möchte, findet die detaillierten Ergebnisse unter lastenradtest.de. Außerdem gibt es dort eine Übersicht über die genutzten Modelle sowie ein Handout mit Praxistipps für die Anschaffung von Lastenrädern. Weil die Nachfrage so hoch war, hat das Unternehmen Cargobike.jetzt eine Verstetigung der Testmöglichkeiten ins Leben gerufen. Unter dem Namen „Flottes Gewerbe“ soll es ab April dieses Jahres wieder unkomplizierte Testmöglichkeiten geben, zunächst in Karlsruhe und Stuttgart. Dabei stellt das Unternehmen potenziell interessierten Betrieben die richtigen Räder für einen Test zur Verfügung. Sie kooperieren dafür mit Herstellern, Wartungspartnern und Städten.


Bilder: ich-entlaste-staedte – Amac Garbe

Dr. Uwe Schneidewind ist seit Anfang November 2020 neuer Oberbürgermeister der bergischen Großstadt Wuppertal und hat dafür die Leitung des renommierten Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie aufgegeben. Was es für ihn braucht, ist „Zukunftskunst“. Also die Fähigkeit, kulturellen Wandel, kluge Politik, neues Wirtschaften und innovative Technologien miteinander zu verbinden. Was treibt den hoch angesehenen Vordenker und Transformationsforscher an und was sind seine Ziele im Bereich Verkehrswende? (erschienen in VELOPLAN, Nr. 04/2020, Dezember 2020)


Herr Dr. Schneidewind, wie geht es weiter in Wuppertal? Sie vertreten ja die grundsätzliche Auffassung, dass man Verkehr vermeiden, verlagern und verbessern müsste.

Das ist ja ein jahrzehntealtes verkehrspolitisches Paradigma im Sinne der grundlegenden Herangehensweise bei einem veränderten Verkehr. In der aktuellen Diskussion geht es vor allem um Verbesserungen, also vor allem Schadstoffe in den Innenstädten und Elektroautos. Aber das Thema ist ja viel grundsätzlicher.

Wo sehen Sie aktuell die eigentlichen Herausforderungen?
Es gilt eine umfassendere Perspektive einzunehmen. Dann werden die Diskussionen schwieriger, aber die Ergebnisse wirkungsmächtiger. Gerade das Thema „Verlagern“ vom Auto hin zu ÖPNV und Radverkehr mit einer anderen Verteilung des Straßenraums führt zu sehr kontroversen Diskussionen, die man aber führen muss. Die Debatte über Vermeidung berührt städtebauliche Strukturen und grundlegende Fragen des Wirtschaftswachstums. Sie ist damit noch langfristiger. Man kann sagen, je grundsätzlicher, aber am Ende auch wirkungsmächtiger, desto schwieriger wird die Diskussion.

Waren die schwierigen Diskussionen ein Grund, warum Sie von der Theorie in die Praxis, sprich in die Politik gewechselt sind?
Ich komme aus der Transformationsforschung, die verstehen will, wie Veränderungsprozesse im politischen und gesellschaftlichen Bereich möglich sind. Dazu gibt es viele Theorien, aber ich habe immer wieder gesehen, wie wenig sich da draußen tatsächlich bewegt. Jetzt die Chance zu haben, in dieses Gefüge einzutauchen und zu sehen, was möglich ist, das war für mich eine große Motivation.

Die mit großem Aufwand erbaute und im Jahr 1901 eröffnete Wuppertaler „Schwebebahn“ ist nicht nur das Wahrzeichen der Stadt, sondern auch die wichtigste Verkehrsverbindung. Auf 13,3 Kilometern führt die denkmalgeschützte Hängebahn, dem Flusslauf der Wupper folgend, durch das Tal.

Die auf der stillgelegten Rheinischen Bahnstrecke errichtete „Nordbahntrasse“ ist ein Magnet für Radfahrer und Fußgänger. Im und am alten Bahnhof Mirke befindet sich heute die „Utopiastadt“ als Ort für kreative Stadtentwicklung.

Spüren Sie aktuell Rückenwind für das Thema Verkehrswende?
Wir merken in der Bevölkerung, dass sich Wertvorstellungen verschieben. Es gibt ein neues Verständnis von qualitätsvollen Innenstädten und von neuen Anforderungen an den städtischen Verkehr. Deutlich wurde das zum Beispiel bei den Wahlen in Hannover, bei denen ein Oberbürgermeister (Anm. d. Red.: Belit Onay, Grüne) ins Amt gewählt wurde, der den Wahlkampf mit dem Versprechen einer autofreien Innenstadt geführt hat. Ähnliches hat sich in diesem November bei den Kommunalwahlen in Aachen und Bonn gezeigt. Wir kennen ja eigentlich seit dreißig Jahren die Konzepte, wie nachhaltiger Verkehr aussehen müsste. Mit der neuen Legitimation werden Ergebnisse plötzlich greifbar.

Eine Ihrer Leitlinien in Bezug auf den Verkehr ist ja, dass Sie die Grabenkämpfe zwischen Autofahrern und Radfahrern oder Radfahrern und Fußgängern beenden wollen.
Wir haben derzeit eine Diskussion, die eine falsche Rahmung hat: Die einen gegen die anderen. Das ist eine schwierige Rahmung für die politische Debatte. Insbesondere, weil eine so geführte Diskussion weit über die sachliche Ebene hinausgeht. Die Beteiligten nehmen das schnell als Kritik am eigenen Lebenskonzept, an eigenen Wertvorstellungen wahr. Immer wenn solche Sachkonflikte zu tiefen Wertkonflikten werden, dann sind sie politisch viel schwerer aufzulösen.

Wie sollte man aus Ihrer Sicht mit tief sitzenden Konflikten umgehen?
Es ist wichtig, eine gemeinsame Wertebasis zu finden, die auch in der Breite geteilt werden kann. Die kristallisiert sich aktuell immer mehr heraus: Lebensqualität in der unmittelbaren Wohnumgebung von Innenstädten. Darauf aufbauend müssen wir uns fragen, was heißt denn das jetzt für die Organisation der unterschiedlichen Mobilitätsformen in einer solchen Stadt? Das kann, so meine feste Überzeugung, den einen oder anderen Konflikt auflösen.

„Es ist wichtig, eine gemeinsame Wertebasis zu finden, die auch in der Breite geteilt werden kann.“

Es tut sich ja gerade international sehr viel. Was kann man aus anderen Städten lernen und wie beeinflussen diese uns hier in Deutschland?
Die Entwicklung in den anderen Städten ist auf unterschiedlichen Ebenen wichtig. Erstens: Es etablieren sich neue Leitbilder für die zukunftsfähige Stadtentwicklung, wie beispielsweise die Formel der „15-Minuten-Stadt“ durch die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo. Damit entstehen kraftvolle Bilder, die die neue Stadt beschreiben. Zweitens: Viele positive Beispiele anderer Städte stärken die Erfahrung mit erfolgreichen Transformationslogiken und -pfaden. Sie sensibilisieren aber auch für die Zeitspannen, die es dafür braucht. Beispiele wie Kopenhagen, wo sich die Veränderungen über 25 Jahre vollzogen haben, zeigen, dass wir einen langfristigen Kompass brauchen, viel, viel Ausdauer und konsequente Umsetzungsstrategien.

Wie schaut die Radverkehrssituation heute in Wuppertal aus? Was können andere Kommunen potenziell künftig von der Stadt lernen?
Wuppertal ist ja in vielerlei Hinsicht besonders, da es eine besonders autogerechte und fahrradungerechte Stadt ist. Der Fahrradanteil im Modal Split liegt hier, vor allem wegen der engen Bebauung und der schwierigen Topografie mit vielen Hanglagen, bislang im niedrigen einstelligen Bereich. Auf den ersten Blick scheint Wuppertal für eine Verkehrswende komplett ungeeignet. Insofern ist es gut, wenn sich eine Stadt wie Wuppertal jetzt aufmacht und selbst unter widrigsten Bedingungen Veränderungen anstößt. Das ist das Lernexempel, das Wuppertal setzen kann.

Was wollen Sie in Wuppertal im Bereich Verkehr erreicht haben, wenn Sie auf Ihre Amtszeit zurückblicken?
Um die Verhältnisse zu verändern, müssen wir erst einmal neue Angebote schaffen. Es gilt eine grundlegende Fahrradtrassen-Infrastruktur aufzubauen inklusive geeigneter Zuwegungen. Was wir aufbauen, sind Längsachsen entlang der Wupper im Tal und auf den Hängen inklusive Verbindungswegen. Damit entsteht eine Fahrrad-Grundstruktur, die man dann schrittweise ergänzen kann.

„Auf den ersten Blick scheint Wuppertal für eine Verkehrswende komplett ungeeignet. Das ist das Lernexempel, das Wuppertal setzen kann.“

Dr. Uwe Schneidewind, Oberbürgermeister von Wuppertal

Die Topografie ist bei Ihnen im Bergischen Land ja eine ganz besondere Herausforderung.
Deshalb muss es unsere Ambition sein, eine E-Bike-Hauptstadt zu werden. Wenn wir auf die Möglichkeiten des E-Bikes setzen, dann lassen sich relevante Teile der Bevölkerung aufs Rad bekommen. Niemand fährt, selbst wenn er trainiert ist, mit dem Anzug einen Hang mit zehn Prozent Steigung 300 oder 400 Meter hoch und kommt dann komplett durchgeschwitzt ins Büro. Und die meisten haben am Morgen oder nach der Arbeit auch einfach nicht die Lust und die Kraft dazu. So müssen wir aus der Not, was den Fahrradverkehr angeht, eine Tugend machen. Nach Corona lade ich gerne alle Beteiligten aus der Fahrradbranche auf einen E-Bike-Gipfel nach Wuppertal ein.

Wuppertal liegt rund 30 Kilometer östlich von Düsseldorf mitten im Bergischen Land und ist mit rund 350.000 Einwohnern die größte Stadt bzw. Verbindung von ehemals selbstständigen Städten entlang der Wupper. Mit den industriell geprägten Stadtkernen und den bewaldeten Hügeln ringsum gibt es hier ganz besondere Herausforderungen.

Wie wollen Sie Wuppertal mit seinen vielen Unterzentren zu einer weniger autodominierten Stadt machen?
Ich habe in meinem Wahlprogramm deutlich gemacht, dass ich nicht von oben anordnen werde, dieser oder jener Stadtteil wird autoarm. Sondern ich möchte in unserer autogerechten Stadt, wo das Thema bislang emotional sehr aufgeladen ist, „Inseln des Gelingens“ schaffen. Mein Angebot an die Bezirke ist: Wenn ihr mit der Unterstützung aus der Bevölkerung sagt, ihr wollt in eurem Umfeld eine höhere Innenstadtqualität und auch eine andere Form von Mobilität schaffen, dann bekommt ihr die volle Unterstützung aus der Verwaltung. Wir werden das eher als produktiven Wettbewerb ausgestalten mit der Frage, wer von euch hat schon am besten verstanden, was da eigentlich passiert im Hinblick auf neue urbane Qualität; und die, die es gut verstanden haben, haben unsere Unterstützung. Ich bin guter Dinge, dass sich Stadtbezirke finden, die unser Angebot gerne annehmen, und dass man damit eine produktive Dynamik und Spill-Over-Effekte auslöst.

Was machen Sie mit den Stadtteilen, die hier nicht mitziehen?
Wir haben alles Verständnis für die, die noch nicht so weit sind. Aber natürlich laufen sie Gefahr, dass ihre Quartiere künftig nicht mehr in die Zeit passen, weil sie sich der Veränderung verweigern.

Welche Rolle spielt künftig der auch in Wuppertal chronisch defizitäre ÖPNV?
Wie gesagt, bevor man an eine weitergehende Regulierung geht, müssen die Alternativangebote aufgebaut sein und in Wuppertal heißt das, im Modal Split einen noch besseren ÖPNV und seine langfristige finanzielle Stabilisierung. Wir brauchen andere Formen der Nahverkehrsfinanzierung. Wir werden uns zusammen mit den Stadtwerken bemühen, nach der kommenden Bundestagswahl, wenn es neue Finanzierungsinstrumente und Möglichkeiten gibt, dort mit Vorreiter zu sein.

Erwarten Sie Rückenwind durch die große Bürgerbeteiligung für das Fahrradgesetz in Nordrhein-Westfalen?
Der Weg zum Fahrradgesetz ist ja ein enorm wichtiger institutioneller Innovationsprozess gewesen. Die Tatsache, dass wir bürgerschaftliches Engagement nicht nur mobilisieren für Einzelprojekte, sondern für einen gesamten Gesetzgebungsprozess, der dann einen Rahmen schafft. Das ist der große Sprung, den der Berliner Radverkehrsentscheid gebracht hat. Das ist für alle, die in den Städten eine Verkehrswende befördern wollen, ein wichtiger Rückenwind, weil sich Landespolitik dazu verhalten muss, weil sich Akteure über einzelne Städte hinaus vernetzen und man damit einen Raum hat, die Verkehrswende-Diskussion anders zu führen.

Was sind Ihre Forderungen an den Bund?
Mehrere Punkte spielen eine Rolle: Es geht es um Ressourcen und Umschichtungen im Verkehrsetat, um alternative Formen von Mobilität auszubauen. Gerade für stark verschuldete Kommunen, wie beispielsweise Wuppertal, ist das wichtig. Daneben geht es auch um Anpassungen in der Straßenverkehrsordnung, zum Beispiel in Bezug auf Geschwindigkeitsbeschränkungen in den Städten. Wir sind hier ja durch die nationalen Rahmenbedingungen sehr limitiert. Hilfreich wären Experimentierklauseln, Lust auf neue Konzepte und ein gemeinsames Lernen zwischen Kommunen, um Veränderungsprozessen noch mal einen neuen Antrieb zu geben.

Dr. Uwe Schneidewind

ist 1966 in Köln geboren, leitete zehn Jahre das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie als Präsident und wissenschaftlicher Geschäftsführer und zählt nach einem Ranking der FAZ zu den einflussreichsten Ökonomen Deutschlands. Als Mitglied der Grünen trat er bei den Kommunalwahlen in Wuppertal unter dem Motto „Schneidewind verbindet“ für Grüne und CDU an und ist seit dem 1.11.2020 neuer Wuppertaler Oberbürgermeister.

Nach seinem Studium der Betriebswirtschaftslehre war er als Berater bei Roland Berger Consulting tätig, promovierte an der Universität St. Gallen am Institut für Wirtschaft und Ökologie und wurde ab 1998 zum Professor für Produktionswirtschaft und Umwelt an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg berufen, die er von 2004 bis 2008 auch als Präsident leitete. Für sein „herausragendes wissenschaftliches Engagement und seine Impulse zur Weiterentwicklung der Nachhaltigkeits- und Transformationsforschung“ wurde er im Juli 2020 mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt.
Schneidewind ist seit 2011 Mitglied im Club of Rome, Vorstandsmitglied der Vereinigung für ökologische Wirtschaftsforschung und war bis Februar 2020 Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung für globale Umweltveränderungen.

In seinem Buch “Die große Transformation. Eine Einführung in die Kunst gesellschaftlichen Wandels.” beschreibt er seine Vorstellung von „Zukunftskunst“. Damit ist die Fähigkeit gemeint, kulturellen Wandel, kluge Politik, neues Wirtschaften und innovative Technologien miteinander zu verbinden. So würden Energie- und Mobilitätswende, die Ernährungswende oder der nachhaltige Wandel in unseren Städten möglich. Das Buch ermuntert Politik, Zivilgesellschaft, Unternehmen und jeden Einzelnen von uns, zu Zukunftskünstlern zu werden.


Bilder: Wolf Sondermann, Jan (stock.adobe.com) M. Tausch (stock.adobe.com), Martin Randelhoff (Qimby), S. Fischer Verlage

Wie geht es weiter mit dem Thema Mobilität und Verkehr? Worauf müssen wir uns einrichten, wenn wir langfristig strategisch planen wollen und wohl auch müssen?
Prof. Stephan Rammler gehört in Deutschland zu den profiliertesten Experten für Mobilitäts- und Zukunftsforschung und schlägt im Gespräch den großen Bogen. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 04/2020, Dezember 2020)


Herr Professor Rammler, manche Experten sehen mit Corona eine Aufbruchstimmung, andere wenig echte Veränderungen und viele wollen wieder zurück in die gute alte Zeit. Wie sehen Sie die aktuelle Lage?

Wenn ich im Augenblick gefragt werde, wie sieht die Zukunft aus, dann sage ich, dass es gute Gründe gibt, die Zeiten vor und nach Corona zu unterscheiden. Vor Corona war es so, dass die globalen Megatrends wie Urbanisierung, demografisches Wachstum, Nachhaltigkeitstransformation, Individualisierung und die digitale Transformation in ihrem synergetischen Zusammenwirken einen großen Handlungsdruck erzeugt haben, in Richtung Klimaneutralität, Schutz der ökologischen Vielfalt und Schutz der Lebensgrundlagen zu gehen. Allen voran das große fanalhafte Thema Klimawandel und Forderung der Klimaneutralität.

Die Diskussion hat ja auch Kontroversen um die Mobilitäts- und Verkehrswende mit angestoßen.
Das hat insbesondere für die Mobilität Auswirkungen gehabt, weil sie hochgradig fossil gebunden ist. Es gibt eine hohe Transformationsnotwendigkeit, gleichzeitig aber auch große Schwierigkeiten, weil eben so viel davon abhängt und die Mobilität so tief in die lebenspraktischen Notwendigkeiten moderner Alltagskultur eingebettet ist. Wir hatten auch eine starke Dynamik im Sinne von mehr Bewusstheit für das Thema und eine starke Bewegung auf der kommunalen Ebene.

Viele erleben gerade engagierte Bürger und Kommunen als starke Treiber.
In den Kommunen haben viele verstanden, dass es keinen Sinn macht, auf die Landes- oder Bundespolitik zu warten, weil die Menschen vor Ort ihre Probleme erleben und vor Ort auch Lösungen von den lokalen Entscheidern geliefert bekommen möchten. Deswegen ist für mich nach wie vor die kommunale und lokale Ebene der wichtigste Ort für die Verkehrs-politik.

Und die Zeit nach Corona? Was hat sich verändert und wo sehen Sie eine Zäsur?
Die Pandemie hat vor allem die grundsätzliche Frage nach Resilienz aufgerufen. Wenn wir fragen, was hat Corona eigentlich an Veränderungen gebracht, dann können wir als Zwischenfazit sicher sagen: Homeoffice, Telependeln, Restabilisierung des Automobils sowie ein starker Impuls für den Bereich der Lieferlogistik und die Themen Radverkehr und Mikromobilität. Gleichzeitig sehen wir zunehmende Starkwetterereignisse, Brände und Dürren.

Sie sehen uns verschiedenen Krisen ausgesetzt, in unsicheren Zeiten und fordern Strategien, damit umzugehen. Was meinen Sie damit?
Ich arbeitete dabei immer mit dem Begriff der transformativen Resilienz, den wir im IZT (Anm. d. Red.: Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung) geprägt haben. Was ich damit meine, das ist eine Doppelfigur: Wir haben ja in den letzten 30 Jahren ein Narrativ genutzt, dass wir politisch und ökonomisch alles tun müssen, damit wir 1,5 bis 2 Grad mehr als Stabilisierungsziel bis 2050 erreichen und dann ist alles gut. Jetzt sehen wir zwei Dinge: Erstens, dass dieses Versprechen womöglich obsolet wird, je mehr wir verstehen über Kipppunkte und Dynamiken, die, wenn sie erst einmal eintreten, nicht mehr bewältigbar sind. Und zum Zweiten müssen wir festhalten und akzeptieren, dass der Klimawandel bereits hier und heute eintritt.


Prof. Dr. Stephan Rammler

“Die Politik muss den Menschen ehrlich sagen, dass wir den Klimawandel in einem gewissen Grad nicht mehr aufhalten können.”

Was ist aus Ihrer Sicht konkret nötig, um mit diesen enormen Herausforderungen umzugehen?
Wir müssen alles dafür tun, damit der Klimawandel eingehegt und nicht dynamischer wird und gleichzeitig müssen wir strategische Maßnahmen entwickeln, mit den Klimafolgen umzugehen, und Infrastrukturen so umbauen, dass sie resilient werden.

Wo sehen Sie mit Blick auf den Klimawandel wichtige Handlungsfelder?

Die Politik muss den Menschen ehrlich sagen, dass wir den Klimawandel in einem gewissen Grad nicht mehr aufhalten können. Wir müssen versuchen klimaresiliente Landwirtschaftssysteme und Städte zu bauen, die mit Hitzestress und Wasserknappheit umgehen können. Wir müssen an den Küsten neue Infrastrukturen aufbauen, die mit den Anforderungen klarkommen. Und wir brauchen Verkehrssysteme, die Starkwetterereignissen gegenüber resilient und widerstandsfähig sind.

Für viele Menschen klingt das sicher erst einmal eher theoretisch.
Ganz im Gegenteil. Der Klimawandel passiert jetzt schon und wir sind mitten in der Situation, damit umzugehen. Er kommt nicht erst auf uns zu. Die Hitze wird in vielen Häusern unerträglich, das heißt, man braucht eigentlich eine Klimaanlage. Die Bäume, die kürzlich noch Schatten gespendet haben, sind vertrocknet und müssen gefällt werden. Die Solaranlage wird vom Dach geweht, der Keller durch Starkregen geflutet und die Zugverbindungen werden bei Stürmen komplett eingestellt. All das sind Effekte und Folgewirkungen des Klimawandels die ich, wie viele andere, unmittelbar erlebe.

Wie beeinflusst der Klimawandel unsere Mobilität konkret? Was müssen wir tun?
Wir müssen das Verkehrssystem widerstandsfähig machen und grundsätzlich klimaneutral. Wir brauchen eine Gestaltungsstrategie bei der Infrastruktur, dem politischen Rahmen etc., die diese Resilienzanforderungen jetzt schon mitdenkt und umsetzbar macht.

Extremwetterereignisse wie sintflutartige Regenfälle, orkanartige Stürme, Hitzewellen, Dürren oder extremer Schneefall nehmen mit dem Klimawandel deutlich zu. (Bilder: Adobe Stock)

In Bezug auf eine Mobilitätswende herrschte ja eher jahrelang Stillstand. Hat die Pandemie hier Veränderungsimpulse gegeben?
Bei aller Neigung zum Optimismus bin ich der Meinung, dass auch eine Pandemie wie diese nicht einen hinreichenden Impuls gesetzt hat, damit sich alles grundlegend ändert. Als Innovationsökonom arbeitet man gerne mit dem Begriff der Pfadabhängigkeit. All das, was wir in der Vergangenheit entschieden und geschaffen haben, wirkt fort für jede weitere Entwicklung. Die Zukunft und auch wir sind in einem viel größeren Maße, als wir uns das im Allgemeinen vorstellen, durch die Vergangenheit determiniert. Trotzdem hat es durch die Pandemie wichtige Veränderungen gegeben, die meiner Einschätzung nach auch bleiben werden.

Wo sehen Sie Beispiele für Veränderungen durch die Pandemie? Was bleibt und was würden Sie Verkehrsplanern empfehlen?
Im Wesentlichen drei Dinge. Erstens: Setzt auf das Thema Radverkehr und Mikromobilität und macht das auf eine kluge Art und Weise. Nutzt den Impuls von Corona, zum Beispiel mit temporären Radspuren. Mit der Pandemie haben Menschen tatsächlich Veränderungen und Gewohnheitsbrüche erlebt, an die man anschließen kann. Das Ziel: Radverkehr schnell, dynamisch, kommunikativ, konstruktiv und symbolisch überlagert mit guten Geschichten für den Personen-, Privat- und Güterverkehr.
Zum Zweiten sollten sie stark auf das Telependeln setzen, denn auch dieses Thema wird aus ökonomischen Gründen und weil jetzt die Infrastruktur und die Hardware da ist, nicht mehr weggehen. Ich kann damit sehr viel Verkehr und viele Emissionen vermeiden, brauche dafür allerdings auch ein neues Zusammenwirken unterschiedlicher Bereiche und unter anderem neue Immobilien- und Wohnraumkonzepte, für Familien, für Singles oder für Ältere.
Drittens kommt es wesentlich auf die intermodale Vernetzung von Mikromobilität, Zweirad und öffentlichem Verkehr an. Auch der öffentliche Verkehr muss dabei im Hinblick auf Pandemien, aber auch Hitze und Starkwetterereignisse resilient gestaltet werden.

Wie kann der öffentliche Verkehr resilienter werden?
Schon vor 17 Jahren haben wir zum Beispiel im Auftrag eines Verkehrsunternehmens darüber nachgedacht, wie wir Innenräume von Bussen und Bahnen entsprechend gestalten können, zum Beispiel mit besseren Belüftungs- und Klimasystemen, antibakteriellen Oberflächen etc. Es kann und darf auch nicht sein, dass Stürme oder niedrige Temperaturen den Bahnverkehr im ganzen Land lahmlegen.

„Das Eigenheim ist so stark mit dem Auto verknüpft, dass man von einer Eigenheim-Automobilkultur sprechen kann. Suburbia macht ohne Auto auch gar keinen Sinn.“

Prof. Dr. Stephan Rammler

Ist die Bevölkerung aus Ihrer Sicht bereit für eine Mobilitätswende?
Sie ist in den Städten auf jeden Fall weiter als die Bevölkerung auf dem Land. Vor allem aufgrund der strukturellen Zwänge, durch die Angebotsvielfalt, die sich in den letzten zehn Jahren enorm differenziert und digitalisiert hat, und durch innovative lokale Regulierungspolitik in Richtung einer postfossilen und postautomobilen Mobilität. Aber das muss man auch differenziert betrachten und die Lagen und die Milieus berücksichtigen. Außerhalb des S-Bahn-Rings ist die Situation schnell eine völlig andere und je weiter man rausgeht, desto höher wird der Grad der Automobilität und desto geringer ist die soziokulturelle Adressierbarkeit der Milieus, mit denen Sie es zu tun haben. Jede Stadt und jeder Stadtteil ist zudem anders und nicht gleichermaßen progressiv.

Was ist mit der Mobilität auf dem Land? Wie sehen Sie dort mögliche Veränderungen?
Wir haben eine sehr dynamische Suburbanisierungs- und Eigenheimkultur gehabt in der Nachkriegszeit. Das private Auto ist hier mit all seinen Vorteilen nicht zu ersetzen. Wir müssen auf dem Land eine ganz andere Verkehrspolitik betreiben als in den Städten. Das Eigenheim ist so stark mit dem Auto verknüpft, dass man von einer Eigenheim-Automobilkultur sprechen kann. Suburbia macht ohne Auto auch gar keinen Sinn.

Eine Verkehrspolitik für die Städte, eine für das Land? Warum genau? Und wie könnte das aussehen?
Wir haben in den urbanen Kommunen die raumökonomische Debatte und Diskurse über soziale Gerechtigkeit der Mobilität zusammen mit Umweltgerechtigkeit als Treiber. Das ist wichtig. Über die ländliche Mobilität zu reden, ist aber auch sehr wichtig, weil die Hauptemissionen auf dem Land und durch die längeren Distanzen der Berufspendler erzeugt werden. Es ist überhaupt nicht erkennbar, wie finanzschwache Kommunen funktional äquivalente Angebote im Bereich Verkehr anbieten könnten. Zudem sehen wir ja, dass die Pfadabhängigkeit hier weiter gegeben ist und sogar weiter wächst, zum Beispiel durch die Eigenheimpauschale, die Pendlerpauschale und Dieselsubventionen. Das ist natürlich auch in den Köpfen der Babyboomer drin, die jetzt ca. 60 Jahre alt sind. Die haben Zeit, Geld und sind eine in der Wolle gefärbte automobile Generation wie keine vor ihnen und keine nach ihnen.

Ist diese Babyboomer-Generation nicht gleichzeitig auch offen für klimaneutrale Mobilitätsformen wie E-Bikes?
Die Babyboomer können in meinen Augen eine der Pioniergruppen in der weiteren Verbreitung der Pedelec-Kultur sein. Das Pedelec hält die Leute länger auf dem Fahrrad, die es sonst aus Altersgründen nicht mehr tun würden, und es ist sehr wirksam in den Regionen, in denen man aufgrund von Gegenwind oder topografischen Gegebenheiten sonst nicht gerne Fahrrad fährt. Das Pedelec ist in ländlichen Regionen durchaus eine verlässliche und hoffnungsvoll stimmende Verhaltensalternative. Wir gehen ja auch aufgrund des Klimawandels in Zeiten hinein, wo wir fahrradfreundliches warmes und trockenes Wetter haben. Sieben bis acht Monate ist es überwiegend regenfrei. Ich glaube, dass man mit dem Ausbau von Schnellradwegen im ländlichen Raum durchaus attraktive Verhaltensalternativen anbieten kann.

Könnten E-Bikes das Auto ersetzen?
Ich denke die Babyboomer werden sich ein Pedelec eher zusätzlich zum Auto und ein Elektroauto als Zweitwagen anschaffen und für Langdistanzfahrten den fossilen Verbrenner behalten. Wir müssen uns auch klarmachen, dass das ganze Transformieren im Mobilitätsbereich nicht funktioniert, wenn wir nur auf die Freiwilligkeit moralisch hinterlegter Konsumentscheidungen setzen. Es braucht Regulierung und politische Entscheidung, die dazu führen, dass das fossile Auto unattraktiver und teurer wird. Nur so kommen wir aus den Pfadabhängigkeiten raus.

Was müssten Politik und Verkehrsplaner aus Ihrer Sicht ändern, um die alten Pfade zu verlassen und zu einer klimaneutralen Mobilität zu kommen?
Was die Citylagen angeht, würde ich auf das Thema erste und letzte Meile setzen. Das hat im Bereich Ride Hailing beispielsweise mit Moia oder Berlkönig sehr gut funktioniert. Allerdings haben die Systeme ihre Leistungsfähigkeit im Zuge der Pandemie noch gar nicht wirklich zeigen können. Verkehrsplanerisch geht es weiterhin um die Elektrifizierung, unter anderem mit Brennstoffzellen, und wir müssen auch die regulative Praxis mit Blick auf die planerischen Ansätze neu denken. Citymaut-Konzepte sind aus meiner Sicht zum Beispiel der beste Weg, externe Kosten in Sachen Umweltgerechtigkeit, Zugangs- und Verteilungsgerechtigkeit moderner Mobilitätssysteme zu minimieren und gleichzeitig finanzielle Spielräume zur Ertüchtigung von Alternativen zum eigenen Automobil zu erzeugen. Seit diesem Jahr steht auch die Forderung nach einer resilienten Mobilitätspolitik der Zukunft mit auf der Agenda.

Was sind Ihre konkreten Empfehlungen für ländliche Regionen?
Alle Konzepte, die wir für die Städte entwickeln, sollten und werden eigentlich auch auf dem Land funktionieren, mit dem Unterschied, dass wir hier eine starke Dominanz des Automobils haben. Ich würde dort empfehlen, den öffentlichen Verkehr nicht als echte Alternative zum Auto als Strategie zu verfolgen, sondern sagen, wir akzeptieren hier den Bedarf des Autos und setzen auf Elektroautos mit Range Extender, also einem kleinen fossil betriebenen Motor, der unterwegs bei Bedarf Strom produziert und die Reichweite verlängert. Das ist in meinen Augen die beste Technologie, die wir im Moment hätten in ländlichen Regionen.

Wenn Sie von Pfadabhängigkeit sprechen: Kommen wir mit Überlegungen zu einer wieder menschengerechten Stadt nicht auch wieder zurück auf einen bestehenden Pfad?
Dieser Pfad ist verschüttet. Wir haben die Städte ja nach dem Zweiten Weltkrieg autogerecht umgebaut und dort, wo keine Bombenschäden waren, hat die Umorientierung den Städten zum Teil den Rest gegeben, indem Schneisen für Autostraßen geschaffen wurden. Aktuell haben wir durch den Trend der Urbanisierung ein Raumproblem in den Städten und führen damit eine Debatte, die wir früher nicht führen mussten. Die verschiedensten Branchen greifen ja auf die immer knapper werdende Ressource urbaner Raum zu. Das ist auch ein wichtiger Treiber, warum sich die Debatte um automobile Mobilität ein Stück weit geöffnet hat vor Corona. Insofern ja, vielleicht kann man wieder an die alte europäische Funktion der Stadt anschließen.

„Seit diesem Jahr steht auch die Forderung nach einer resilienten Mobilitätspolitik der Zukunft mit auf der Agenda.“

Prof. Dr. Stephan Rammler

Wie sicher sehen Sie Ihre Annahmen in Bezug auf die Zukunft?
Ich denke mit dem skizzierten Setting hätten wir für die Zukunft alle Bestandteile einer zeitgemäßen, ökonomisch durchaus verlässlichen und dennoch nachhaltigen Verkehrspolitik. Wir „sogenannten“ Zukunftsforscher müssen ja immer Aussagen über die Validität unserer Annahmen treffen können. Wir können nur spekulieren auf der bestmöglichen Güte der Daten, aber wir können natürlich keine sicheren Aussagen treffen. Wir dürfen als Zukunftsforscher auch nicht mit sogenannten Wildcards rechnen. Wenn wir Szenarien bauen und Antworten auf die Frage geben wollen, wie wir von A nach B kommen, also welche Transformationspfade es gibt, dann ist es nicht zulässig, mit sogenannten Wildcards zu operieren. Trotzdem müssen wir sie als mögliche Option mitdenken. Die Pandemie hat als Wildcard gewirkt. Sie hat in der Fachwelt einiges an intellektuellen Diskursen fokussiert, dynamisiert und einiges an Einsichten mit sich gebracht.

Trotz aller angesprochener Probleme blicken Sie optimistisch in die Zukunft.
Resilienz bedeutet nicht zurückfedern in einen alten funktional stabilen Zustand, sondern auf sich permanent verändernde Rahmenbedingungen ausgerichtet und eingerichtet zu sein und die krisenhafte Veränderung als normal zu leben. Dazu müssen wir uns klarmachen, dass die Widerstandsfähigkeit der Menschen, mit Krisen umzugehen, Menschen zu dem gemacht hat, was Menschen sind. Die permanente Fähigkeit, auf Krisen zu reagieren und zu innovieren, ist ja in der Geschichte oft genug durch Krisen angetrieben worden. Deshalb bin ich für die Zukunft optimistisch. Wir müssen es nur auch so klar formulieren. Veränderung, Dynamik und Veränderungsbereitschaft sind, so glaube ich, die Mindsets der kommenden Jahrzehnte und Jahrhunderte.

Prof. Dr. Stephan Rammler

ist einer der renommiertesten Vordenker, wenn es um die Mobilität der Zukunft und große Zusammenhänge geht. Der Politikwissenschaftler, Soziologe und Ökonom ist seit 2018 wissenschaftlicher Direktor des IZT – Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung, einer außeruniversitären Forschungseinrichtung für Zukunftsforschung und Technologiebewertung in Berlin. Er arbeitet in der Mobilitäts- und Zukunftsforschung und forscht insbesondere zu Verkehrs-, Energie- und Innovationspolitik sowie Fragen kultureller Transformation und zukunftsfähiger Umwelt- und Gesellschaftspolitik. Zuvor war er Gründungsdirektor des Instituts für Transportation Design und Professor für Transportation Design & Social Sciences an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig. Zu aktuellen Fragen bezieht er regelmäßig sehr dezidiert in Interviews und Podcasts Stellung. Viele seiner Grundgedanken findet man auch in seinen Büchern „Schubumkehr – die Zukunft der Mobilität“ (2014) und „Volk ohne Wagen: Streitschrift für eine neue Mobilität“ (2017). Darin entwickelt er Bilder einer Zukunft mit innovativen Technologien, klugen ökonomischen Strategien und einer veränderten politischen Kultur.


Bilder: Armin Akhtar, Adobe Stock, Rolf Schulten, S. Fischer Verlage

Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit in den Städten könnte die Mobilität grundsätzlich verändern. Neue Perspektiven bieten innovative Fahrzeuge: schick, modern, günstig und vor allem schon im jungen Alter zu fahren. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 04/2020, Dezember 2020)


Aus dem Misserfolg des elektrischen Zweisitzers Renault Twizy, der u. a. ohne Fenster und nur mit einem Notsitz für Beifahrer kam, hat der PSA-Konzern gelernt und macht mit dem Citroën Ami einen neuen Anlauf Richtung urbane Mobilität der Zukunft. Der Ami ist zudem prädestiniert für Mobilität on demand: Der Wagen soll künftig per Smartphone geöffnet, per App vernetzt und nahtlos an verschiedene Carsharing-, Abo- und Service-Portale (zum Beispiel Laden, Parkplatzsuche) angedockt werden können. Ein großer Vorteil für Sharing-Anbieter wie Cambio. Laut Cambio-Pressesprecher Arne Frank hat das Unternehmen den Ami für die Erweiterung der Flotte auf dem Plan.

In Frankreich werden großräumige Tempo-30-Zonen gerade Realität. Ein Bürgerrat hat Präsident Emmanuel Macron empfohlen, in allen Städten Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit einzuführen. Paris macht ab 2021 damit ernst und wird zum Reallabor für neue Mobilitätskonzepte. Für das neue Zeitalter kann mal wohl mit einem Boom leichter Fahrzeuge der 45- km/h-Klasse rechnen. Neben neuen E-Motorrollern und schnellen S-Pedelecs (E-Bike 45) könnten auch Microcars eine Renaissance erleben. Aktuell will sich der französische Automobilkonzern PSA mit dem Citroën Ami als Vorreiter positionieren. Der kastenförmige Elektro-Zweisitzer Ami (frz. Freund) ist mit einer Länge von 2,40 Meter und einer Breite von 1,39 Metern noch kleiner als ein Smart Fortwo (2,70 × 1,70 m) und damit ein echtes Mikromobil. Der spartanisch ausgestattete Wagen wiegt 425 kg und soll eine Reichweite von 100 Kilometern bieten. Angetrieben wird er von einem Elektromotor mit sechs Kilowatt, der ihn in zehn Sekunden auf 45 km/h beschleunigt. Dann ist Schluss, denn der Ami ist kein Auto, sondern laut EU-Verordnung ein „Leichtes Vierradmobil für Personenbeförderung der Klasse L6e-BP“. Christopher Rux, Leiter Kommunikation von Citroën, drückt es so aus: „Der Ami ist kein Auto, sondern eine Mobilitätslösung für jeden“. Er darf in Frankreich ab 14 Jahren und in Deutschland mit der Führerscheinklasse AM, je nach Bundesland entweder ab 15 oder 16 Jahren gefahren werden. In Frankreich ist er schon ab 6.000 Euro zu haben oder bei etwas mehr als 2.000 Euro Anzahlung für eine monatliche Leasingrate von 19,99 Euro. „Das ist weniger als ein Handyvertrag“, sagt Rux. Citroën habe das Fahrzeug für alle entwickelt, die in der Stadt leben und eigentlich kein Auto brauchen, die multimodal, also auch per Fahrrad oder E-Scooter unterwegs sind, aber je nach Wetter und Bedarf, zum Beispiel für den Großeinkauf oder das Fahren zu zweit, mehr wollen. Und natürlich für all diejenigen, „für die Busse und Bahnen nicht mehr das präferierte Transportmittel sind“.

„Die ‚autogerecht‘ geplante Stadt macht es den Bewohnern unmöglich, die öffentlichen Räume frei und in Sicherheit zu nutzen und so die Stadt zu beleben.“

Jan Gehl, „Städte für Menschen“

45 km/h reichen aus – eigentlich

Bei ersten Testfahrten in Berlin zeigten sich die Ami-Tester begeistert. Trotz der 45-km/h-Beschränkung fühlten sie sich immer ausreichend schnell, gerade weil in vielen Straßen sowieso häufig langsamer gefahren wird, und auch nie als Verkehrshindernis. Die für ein Kleinstfahrzeug hohe Sitzposition (5 cm höher als ein aktueller VW Golf) ermöglicht einen guten Blickkontakt zu anderen Verkehrsteilnehmern und das sympathische Äußere erhöht die Akzeptanz. Trotzdem bereitet die bestehende Infrastruktur dem Ami und anderen Microcars, die sich anschicken, die Märkte zu erobern, Probleme. Die kennt man auch von anderen Fahrzeugen der 45-km/h-Klasse, wie den beliebten E-Rollern, die es vermehrt als Sharing-Modelle gibt, sowie schnellen S-Pedelecs (E-Bike 45). Hauptproblem sind Kraftfahrstraßen/Schnellstraßen. Sie werden von Navigations-Apps bislang nicht auf Wunsch gefiltert und vielfach gibt es auch keine Alternativen, wie zum Beispiel bei Brücken.

Die EU-Fahrzeugklassen bis 45 km/h

Motorisierte Fahrzeuge mit einer Höchstgeschwindigkeit von 45 km/h fallen gemäß EU-Verordnung in die EG- Fahrzeugklasse L1e bis L6e. Sie sind zulassungs- und steuerfrei und müssen nicht zur Hauptuntersuchung. Nur ein Versicherungskennzeichen ist vorgeschrieben. Fahren darf man sie mit dem Führerschein der Klasse AM oder dem Autoführerschein, Klasse B. Das Mindestalter ist in Europa unterschiedlich, in Frankreich darf man die Klasse bereits mit 14 Jahren fahren.

Smarte 45-km/h-Roller erobern die Städte

Einen einfachen Zugang zu smarter Mobilität, mit der man bequem im Stadtverkehr der Zukunft mitschwimmen kann, versprechen auch die mit Führerschein AM fahrbaren elektrischen Motorroller. Zu den meistverkauften Modellen gehört der Smart Scooter von NIU, der mit Preisen ab 1.800 Euro Keyless Go, GSM-Ortung, eine Wegfahrsperre per App und eine Reichweite von circa 50 Kilometern bietet. Ein Erfolgsmodell in Taiwan, wo Roller das Straßenbild bestimmen, ist das Start-up Gogoro mit der Kombination von Scooter und einem landesweiten Netzwerk aus rund 2.000 systemoffenen Akkuwechselstationen. Bezahlt wird dabei monatlich nach Verbrauch. Solch ein System gibt es in Deutschland bislang noch nicht, aber die Gogoro-Roller gehören inzwischen beim Sharing-Anbieter Tier mit zum Angebot. Auch andere Anbieter, wie lokale Stromversorger, mischen mittlerweile beim E-Roller-Sharing mit. In Köln etwa sind die „Rhingo“-Roller des städtischen Energieversorgers Rheinenergie sehr beliebt. Diesen Sommer wurde die Flotte von 200 auf 400 Roller aufgestockt und das Geschäftsgebiet in Köln erweitert. Die Roller verfügen über zwei Sitze und zwei Helme und kommen damit den Anforderungen gerade von jungen Nutzern entgegen.

Mit moderner Ausrüstung ist die Fahrt auf dem Roller auch bei Kälte und Regen problemlos machbar. Im regenreichen Taiwan, in Italien oder in Frankreich hilft man sich neben wetterfester Kleidung mit großen Windschutzscheiben, fest montierten Decken, Handstulpen oder beheizten Griffen. Bewegung und Wärme von innen bekommt man auf einem schnellen E-Bike 45 (S-Pedelec), bei dem die Reisegeschwindigkeit meist zwischen 30 und 35 km/h liegt.

Tauschen statt laden: In Taiwan, wo Roller das Straßenbild bestimmen, ist die Kombination von Scootern und einem Netzwerk mit systemoffenen Akkuwechselstationen ein Erfolgsmodell.

Tempo 50 zu hoch für eine menschengerechte Stadt

Das Gute an einer niedrig festgelegten maximalen Geschwindigkeit ist, dass sie eine Stadt nach menschlichem Maß ermöglicht. In seinem Buch „Städte für Menschen“ beschreibt der Stadtplaner Jan Gehl, welche Geschwindigkeiten und welche Entfernungen der Wahrnehmung des Menschen entsprechen. Denn im Gegensatz zur Technik habe sich die Wahrnehmungsfähigkeit der Menschen nicht weiterentwickelt. Am besten funktioniere sie beim Zufußgehen. Auch bei Lauf- oder langsamen Fahrradgeschwindigkeiten von circa 12 km/h sei eine realistische Verarbeitung der Eindrücke noch möglich. Bei höheren Geschwindigkeiten reduzierten sich unsere Sehkapazität und unser Verständnis des Gesehenen erheblich. Auch Verkehrsforscher fordern mit Blick auf Vision Zero seit Langem eine Reduktion der Geschwindigkeiten: Nicht nur aufgrund der drastischen Reduzierung der Unfallfolgen, sondern weil sich bei höherer Geschwindigkeit zum Beispiel auch das Sehfeld verkleinert. Dabei werden periphere Informationen, wie zum Beispiel Fußgänger am Straßenrand, Radfahrer, die überholt werden, oder vorbeifahrende andere motorisierte Verkehrsteilnehmer schlicht ausgeblendet.

Microcars in anderen Ländern

Während in Deutschland die Klasse der Microcars mit unbekannten Herstellern wie Ligier oder Aixam bislang ein Nischendasein fristet, sind sie in Frankreich deutlich populärer. Extrem beliebt sind langsame Elektroautos mit bis zu vier Plätzen in China. Bei Alibaba kann man einfache Modelle schon für unter 1000 Dollar bestellen. Allein im Jahr 2017 sind in China laut Bericht des Wall Street Journal ungefähr 1,75 Millionen dieser Mikroautos, für die man hier keinen Führerschein benötigt, verkauft worden. Vor allem in ländlichen Provinzen.


Bilder: Citroën, Bild: Uber, Klever Mobility, Rheinenergie – Rhingo, Alibaba, Gogoro Network

Die an der niederländischen Grenze gelegene Kleinstadt Nordhorn hat sich hohe Ziele gesetzt. Für 40 Prozent aller Wege nehmen die Menschen hier bereits das Fahrrad. Aber das reicht den Politikern längst nicht mehr. Sie wollen mehr Radverkehr in Nordhorn, viel mehr. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 04/2020, Dezember 2020)


Nordhorns „grünes Radnetz“ verläuft entlang der vielen Kanäle und dem Fluss Vechte. Hier ist Radfahren sicher und komfortabel. Weiterhin verbessert die Stadt fortwährend die Bedingungen für Radler auf dieser Strecke.

Die Nähe zur Radfahrnation hat die Stadt und ihre Bewohner geprägt. „Fietsen“ ist hier selbstverständlich. Noch mehr Radverkehr ist aber gar nicht so einfach. In der 50.000-Einwohner-Stadt gibt es bereits an nahezu allen Hauptverkehrsstraßen straßenbegleitende Radwege und nicht nur ein lückenloses Radwegenetz, sondern gleich zwei. Trotzdem ist das Potenzial an Umsteigern weiterhin hoch. Während die einen Rad fahren, fahren die anderen Auto: immerhin 49 Prozent. Um die Klimaziele zu erreichen und die Luftqualität in der Stadt zu verbessern, sollen zukünftig möglichst viele Autofahrer zum Radfahren verführt werden. Dafür hat sich die Stadt Hilfe geholt. Ein Planungsbüro aus Köln hat 2017 ein Radverkehrskonzept erstellt, das die Verwaltung jetzt nach und nach umsetzt. Dabei zeigt sich: Wer einen Radverkehrsanteil von „40 Prozent plus x“ will, muss in vielen Bereichen umdenken.

„Der Radverkehr wird bei jeder Planung immer mitgedacht.“

Anne Kampert, Klimaschutzmanagerin der Stadt Nordhorn

Kurze Wege für Radfahrer

Eine fahrradfreundliche Infrastruktur beginnt bei der Planung von Wohngebieten. In der Regel entscheide man sich am Morgen für das Verkehrsmittel, das man den Tag über nutzen werde, sagt die Klimaschutzmanagerin Nordhorns, Anne Kampert, die für nachhaltige Mobilität zuständig ist. Für eine Fahrradstadt heißt das: Der Weg von der Wohnung in die Innenstadt muss per Rad unschlagbar schnell sein. Deshalb werden neue Wohngebiete in Nordhorn inzwischen so geplant, dass Radfahrer und Fußgänger Vorrang haben. Während Autofahrer lange Umwege fahren müssen, sind für Radfahrer die kurzen Wege reserviert – zu allen wichtigen Punkten der Stadt. Im Idealfall verlaufen die Routen abseits des Autoverkehrs. Die Ausgangslage dafür ist günstig. Die Strecken vom Stadtrand ins Zentrum sind kaum länger als fünf Kilometer. Die neuen Wohngebiete müssen nur auf dem direkten Weg ans Radwegenetz angeschlossen werden. Davon hat die Wasserstadt gleich zwei. Das grüne Netz verläuft entlang der vielen Kanäle und dem Fluss Vechte, das rote Netz entlang der Hauptverkehrsstraßen. Bevor die Wege entlang der Gewässer zu Radwegen wurden, waren es alte Treidelpfade. Auf ihnen zogen Arbeitspferde schwere Lastkähne über die Kanäle. Seit Jahrzehnten sind hier nun Radfahrer und Fußgänger unterwegs. Jetzt will die Stadt den Standard der Strecken steigern. Das lohnt sich.

Nordhorn hat zwei Kreisverkehre umgebaut. Bodenschwellen bremsen nun den Autoverkehr und Poller zwingen die Fahrer dazu, im rechten Winkel abzubiegen. Seit dem Umbau sind beide Knotenpunkte unauffällig.

Breite Verbindungen und Vorfahrt

Der Radweg „Am Verbindungskanal“ verbindet mehrere Stadtteile und den Norden mit dem Süden der Stadt. Er ist eine der Hauptrouten. Allerdings reichte die Breite von 1,80 Metern für die stetig wachsende Zahl an Radlern kaum noch aus. Weil die angrenzende Lindenallee denkmalgeschützt ist, baute die Stadt einen parallel verlaufenden zweiten Radweg. Außerdem wurden die beiden Kreuzungen auf der Strecke pro Rad umgestaltet. „Zuvor mussten die Radfahrer hier absteigen, die Autofahrer hatten Vorfahrt“, sagt Kampert. Jetzt ist es umgekehrt. Damit die Pkw-Fahrer tatsächlich bremsen, wurde unter anderem die Straßenbreite für Autos an den Kreuzungen mit Blumenbeeten auf die Hälfte verjüngt und rot markiert. Das Vorhaben kam im Vorfeld nicht gut an. „Viele fanden den Umbau für die Radfahrer zu gefährlich“, erinnert sich Anne Kampert. Das ist inzwischen vergessen. Jetzt haben die Radfahrer auf der sieben Kilometer langen Strecke Vorfahrt. Unfälle gab es dort laut Anne Kampert keine und die Rückmeldungen sind positiv.

Duales Netz und Aufklärungskampagnen

Wie alle anderen Städte hat Nordhorn aber auch ein zentrales Problem: Es fehlt der Platz. Breite geschützte Radwege, auf denen selbst Lastenräder einander überholen können, sind kaum machbar. Trotzdem will die Stadt ein Wegenetz schaffen, auf dem sportliche und ungeübte Radfahrer sicher und im eigenen Tempo nebeneinander unterwegs sein können. Eigentlich gibt es das bereits. Anne Kampert erklärt: „Viele der Radwege, die Hauptstraßen begleiten, sind nicht mehr benutzungspflichtig.“ Schnelle Alltagsradler und E-Bike-Fahrer radeln hier im Mischverkehr mit, während Kinder und langsamere Erwachsene gemütlich über den Radweg rollen. Also ist das Problem bereits gelöst? Mitnichten. „Viele Verkehrsteilnehmer kennen die Regeln nicht“, sagt die Klimaschutzmanagerin. Die Folgen sind Streit und Stress zwischen Radfahrern und Autofahrern. Nordhorn will mit einer Aufklärungskampagne gegensteuern. „Wir haben Fahrrad-Piktogramme auf Hauptstraßen aufgebracht, um den Autofahrern zu zeigen: Radfahren auf der Fahrbahn ist hier erlaubt“, sagt sie. Sie nennt das „duales Netz“. Es ist Nordhorns Kniff, die Verkehrsregeln sichtbarer zu machen. Das versucht Anne Kampert auch in Fahrradstraßen. Seit August wird in der Wasserstadt der Asphalt in Fahrradstraßen an ihrer Ein- und Ausfahrt in einem hellen, leuchtenden Grün markiert. Das Signal an alle ist deutlich: „Das Fahrrad ist hier das Verkehrsmittel, für das die Straße da ist“, sagt Anne Kampert. Sie dürfen hier plaudernd nebeneinander fahren. Autofahrer müssen sich ihrer Geschwindigkeit anpassen oder dürfen maximal 30 km/h fahren. Auch diese Regeln sind nicht neu. Damit sich aber alle daran erinnern, hat die Verwaltung ein Banner mit den Regeln neben der neuen Grünmarkierung aufgestellt. Das Fahrradstraßenschild direkt daneben geht dabei fast unter. Überflüssig ist es dennoch nicht. „Die Markierungen auf der Straße werden erst rechtskräftig durch das Verkehrsschild“, sagt Anne Kampert.

Auch in der Fahrradstadt fehlen im Zentrum mancherorts gute Abstellanlagen. Anne Kampert und ihr Team sind dabei, nachzubessern, und haben Parkplätze in Einkaufsstraßen in Parkraum für Fahrräder umgewandelt.

Radverkehr wird von allen getragen

In Nordhorn ist es wie in Holland. Alle fahren Fahrrad. Der Bürgermeister, die Politiker, die Lehrer und die Schüler. Die Politiker nehmen den Ausbau der Infrastruktur ernst. Sie geben Anne Kampert immer wieder Tipps, was man noch besser machen könnte, und beteiligen sich an Aktionen pro Fahrrad. Dafür stehen sie im Winter auch schon mal morgens um 6.30 Uhr an den Hauptradrouten und verteilen Schokoherzen an Radfahrer. „Allerdings nur an die, die mit Licht unterwegs waren“, sagt Anne Kampert. Die „Lichtaktion“ war keine Ausnahme. Auch beim jährlichen Stadtradeln bieten der Bürgermeister, der Stadtbaurat und viele andere bekannte Personen aus der Stadt Radtouren zu ihren Themenschwerpunkten an. Beim Ziel Radverkehrsanteil 40 plus x ziehen Politik und Verwaltung konsequent an einem Strang. Das spiegelt auch das nächste Projekt, dessen Vorplanung gerade anläuft. Auf einer vierspurigen Hauptstraße soll der Platz neu verteilt werden. „Zwei Fahrspuren reichen für den Autoverkehr dort inzwischen aus“, sagt Anne Kampert. Jetzt sollen auf den ehemaligen Pkw-Spuren großzügige Radwege entstehen. Die Planung übernimmt das Straßenbauamt. Einen Radverkehrsplaner hat Nordhorn nicht. „Der Radverkehr wird bei jeder Planung immer mitgedacht“, sagt Anne Kampert. Das gilt für Straßen, Gebäude, Plätze und Wohngebiete. Das hat hier Tradition – wie in den Niederlanden.

Zahlen und Fakten

Die ehemalige Textilstadt Nordhorn liegt westlich von Osnabrück in Niedersachsen, direkt an der Grenze zu den Niederlanden. 2017 wurden in der Stadt 42 Prozent aller Wege mit dem Rad zurückgelegt und 9 Prozent zu Fuß. Der Anteil der Bus- und Bahnfahrer betrug gerade mal 2 Prozent. Das kann sich aber zukünftig ändern. Seit 2019 ist Nordhorn wieder per Bahn erreichbar. Die Bahntrasse soll über die Landesgrenze hinweg in die Niederlande verlängert werden. Nordhorn fördert den Kauf von Lastenrädern mit und ohne Motor mit bis zu 500 Euro. 2020 und 2021 mit insgesamt 20.000 Euro. Die Stadt stellt regelmäßig weitere Fahrradabstellanlagen auf, außerdem sind alle Einbahnstraßen in Gegenrichtung für Radfahrer freigegeben. Auch ein Winterdienst für Radwege ist selbstverständlich. Seit Jahren gibt es einen Plan, der genau festlegt, bis wann die Radwege freigeräumt und gestreut sein müssen. Im Landkreis werden auch die Radwege zwischen den Städten gestreut.


Bilder: Stadt Nordhorn

Mit dem letzten Tarifabschluss profitieren 1,5 Millionen kommunale Beschäftigte jetzt ebenfalls von steuerlich gefördertem Fahrrad-Leasing. Eine Win-win-Situation für alle Beteiligten und eine gute Gelegenheit, sich neu mit dem Thema Gesundheit zu befassen. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 04/2020, Dezember 2020)


Früher mussten Mitarbeiter Diensträder, die ihnen das Unternehmen zur Verfügung stellte, in voller Höhe als geldwerten Vorteil versteuern. Erst ab dem Jahr 2012 wurden Fahrräder und E-Bikes von den Finanzbehörden Dienstwagen steuerlich gleichgestellt, fielen also unter das Dienstwagenprivileg. In der Praxis ergaben sich damit für die Mitarbeiter, aber auch die Unternehmen selbst viele Vorteile, was in den Folgejahren zusammen mit der Nachfrage nach hochwertigen und entsprechend teuren E-Bikes einen regelrechten Run auf das Thema Dienstrad-Leasing auslöste. Heute sind bereits mehrere Millionen Kunden mit Diensträdern und Dienst-E-Bikes unterwegs. Die meisten größeren Arbeitgeber haben sich auf die zunehmende Nachfrage eingerichtet und fördern das Thema innerbetrieblich nach Kräften, und einige Fahrradgeschäfte machen inzwischen über die Hälfte ihres Umsatzes mit dem Leasing-Geschäft.

Wie gesund sind E-Bikes?

Diese Frage will die Medizinische Hochschule Hannover in Zusammenarbeit mit der Leibniz Universität Hannover und der Zweirad-Einkaufsgenossenschaft (ZEG) in einer groß angelegten Studie beantworten. Gefördert wird das Projekt „Pedelec und Gesundheit“ aus Mitteln zur Umsetzung des Nationalen Radverkehrsplans 2020 durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI). Erste Ergebnisse wurden im Juli im „International Journal of Environmental Research and Public Health“ veröffentlicht. Die erste wichtige Erkenntnis: Die Motorunterstützung hat die Gewohnheiten der Probandinnen und Probanden verändert: Im Allgemeinen fuhren sie häufiger mit E-Bikes, im Durchschnitt etwa fünf Fahrten pro Woche, gegenüber drei Fahrten pro Woche mit normalen Fahrrädern. Im Allgemeinen waren die Herzfrequenzen der Probanden um etwa acht Prozent niedriger, wenn sie mit dem E-Bike unterwegs waren. Sie bewegten sich damit immer noch im Bereich eines moderaten Trainings. Damit erfüllten sie die Standardempfehlung der WHO von 150 Minuten mäßiger Aktivität pro Woche. Mit normalen Fahrrädern erreichten sie dieses Ziel hingegen nicht. Bei den Testfahrten wurden die Probanden umfassend beobachtet. Die Ergebnisse der medizinischen Studie sollen in nächster Zeit in Gänze verfügbar sein.

Win-win-Situation für Angestellte und Arbeitgeber

„Das Dienstrad-Leasing eröffnet im Rahmen der vier Megatrends Mobilität, Gesundheit, Umweltschutz und Wirtschaftlichkeit völlig neue Perspektiven“, so Franz Tepe, Geschäftsführer des Zweiradleasing-Spezialisten Eurorad, einer 100-prozentigen Tochter der ZEG Zweirad-Einkaufs-Genossenschaft mit bundesweit 2.500 angeschlossenen Fachhändlern. Arbeitgeber profitieren unter anderem von einem positiven Image und, im öffentlichen Dienst besonders wichtig, sie erhalten eine weitere Trumpfkarte zur Mitarbeitergewinnung. Dazu kommt, dass Untersuchungen immer wieder feststellen, dass Mitarbeiter, die mit dem Fahrrad oder E-Bike ins Büro kommen, körperlich und mental gesünder, motivierter und ausgeglichener sind und im Schnitt weniger Krankheitstage haben. Eine immer wichtigere Rolle spielt neben der Gesundheitsförderung auch der aktive Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz, den Arbeitgeber damit leisten. Nicht zu unterschätzen ist auch die Vorbildfunktion, gerade bei den Kommunen.
Ein ganzes Bündel positiver Aspekte ergibt sich auch für die Mitarbeiter. „Viele unserer Kunden entdecken das Fahrradfahren wieder ganz neu“, so Franz Tepe zu den Erfahrungen aus der Praxis. „Denn Fahrräder auf dem neuesten Stand der Technik bieten, mit und ohne Motor, ein völlig neues Fahrerlebnis.“ Gerade im Kreis derjenigen, die bislang wenig mit dem Rad unterwegs waren, kommt es hier nach den Erfahrungen von Fachhändlern angesichts ergonomisch optimaler Komponenten, leicht laufender pannensicherer Reifen oder LED-Scheinwerfern, mit denen man die Wegstrecke inklusive Fernlicht hell ausleuchtet, zu regelrechter Begeisterung. Die wächst weiter, sobald dann noch eine Motorunterstützung dazukommt. Besonders attraktiv wird das Ganze, wenn man die finanziellen Aspekte näher beleuchtet: Dienstrad-Leasing über die Gehaltsumwandlung ist besonders attraktiv, da sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer durch reduzierte Lohnnebenkosten und den Abzug der Mehrwertsteuer von einem erheblichen Sparpotenzial profitieren. Durch steuerliche Vorteile lassen sich nach Angaben der Leasinganbieter bis zu 40 Prozent gegenüber dem Direktkauf sparen. Dazu kommt die Bezahlung in überschaubaren monatlichen Raten über das Gehalt, womit Investitionen von zum Teil mehreren Tausend Euro vermieden werden und ein gutes E-Bike plötzlich auch für Auszubildende, Berufsanfänger oder Familien hochattraktiv wird.

Arbeitgeber können das gesunde Pendeln mit dem Fahrrad oder E-Bike innerbetrieblich auf vielfältige Weise unterstützen.

Roll-out-ready

Während der vergangenen Jahre sind sowohl die Leasinganbieter wie auch die Fachhändler immer professioneller im Umgang mit dem Thema Dienstrad-Leasing geworden. So erstellen die großen Anbieter, zu denen neben Eurorad auch der Bike-Leasing-Pionier Jobrad gehört, zum Beispiel auf Wunsch eine unternehmenseigene Microsite mit Informationen zum Thema Leasing, Service und E-Bike-Technologie. In einem integrierten Leasingrechner haben Mitarbeiter die Möglichkeit, die Leasingrate anhand ihrer individuellen Einkommensdaten selbst ausrechnen zu lassen. „Wir haben es uns zum Ziel gemacht, die Personalabteilung zu entlasten und den administrativen Aufwand im Unternehmen oder der kommunalen Verwaltung auf ein Mindestmaß zu reduzieren“, betont Franz Tepe. Der gesamte Prozess sei dabei arbeitgeberfreundlich, kostenneutral und für alle Beteiligten transparent gestaltet. Die Erfahrung ist also da und das Feedback enorm. „Mittlerweile setzen mehr als 30.000 Arbeitgeber mit über drei Millionen Beschäftigten auf Jobrad als nachhaltiges Mobilitätskonzept“, heißt es beispielsweise beim Pionier der Branche, der 2008 in Freiburg unter dem Namen Leaserad an den Start ging und für den heute 350 Mitarbeiter in ganz Deutschland tätig sind.

Vorteile durchgerechnet

Bei einem Bruttogehalt von 3.000 Euro bleibt Arbeitnehmern in der Steuerklasse 1 ein Nettogehalt von 1.932 Euro. Kommt über die Lohnumwandlung ein Dienst-E-Bike im Wert von 2.800 Euro hinzu, bleiben dem Arbeitnehmer 36 Monate lang 1.890 Euro netto, von denen noch 0,25% geldwerter Vorteil (= 7 Euro) abgezogen werden. Ausgezahlt werden also 1.883 Euro. Konkret ergibt sich damit Folgendes:

Monatliche Nettobelastung
inkl. Rundumschutz: 48,93 Euro Gesamtsumme über 36 Monate: 1.761,48 Euro

Quelle: Eurorad 2020 (Basis NRW, unverheiratet, keine Kinder. kirchensteuerpflichtig, GKV, inkl. Arbeitgeberzuschuss 3,33 Euro/Monat)

Mehr als nur ein neues Fahrrad oder E-Bike

Damit Radfahren zu einem sicheren und unbeschwerten Vergnügen wird, bietet Eurorad neben den Rädern auch einen Rundumschutz. Abgedeckt ist damit die Versicherung gegen Diebstahl, der Austausch von Verschleißteilen, die Beseitigung von Unfallschäden und ein Pickup-Service. Überhaupt wird Sicherheit beim Dienstrad-Leasing großgeschrieben. Dazu hat Eurorad zum Beispiel in Zusammenarbeit mit der DGUV (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung) einen UVV Prüfungsstandard erarbeitet, der sinnvolle Wartungsintervalle und den Wartungsumfang durch einen Fachhändler abstimmt und so garantiert, dass das Rad im Rahmen der kostenlosen jährlichen Prüfung wirklich sicher und in einem guten Zustand ist. Interessant wird das Dienstrad-Leasing zudem aus einem weiteren Grund: Nach den Vorgaben des Tarifabschlusses muss es sich beim Dienstrad um ein Fahrrad oder ein dem Fahrrad gleichgestelltes Pedelec/E-Bike 25 handeln. Aber es kann, solange es sich um ein gemäß StVO für den Straßenverkehr zugelassenes Rad handelt, selbstverständlich auch ein Sportrad, wie zum Beispiel ein (E-)Mountainbike oder aber auch ein (E-)Cargobike sein. Gerade bei Letzteren spielt auch der Anschaffungspreis, der schnell über 5.000 Euro liegen kann und der hohe Freizeitwert- und Alltagswert eine große Rolle. Der Vorteil: Die Raten sind überschaubar und weitere Kosten im Unterhalt entstehen so gut wie nicht. Damit werden Cargobikes zum Beispiel zu idealen Zweitwagen für Familien.

Sondereffekte in der Corona-Zeit

Die Corona-Pandemie hat in den vergangenen Monaten zu einem regelrechten Fahrrad- und E-Bike-Boom geführt. Entsprechend schnell sollte man jetzt sein, denn obwohl die Hersteller und Zulieferer alles tun, kommt es bereits jetzt und nach Branchenmeinung künftig wohl noch verstärkt zu Lieferengpässen. Die Gründe für die nicht nur in Deutschland und Europa stark gestiegene Nachfrage liegen dabei auf der Hand: Wer Rad fährt, betreibt aktive Gesundheitsförderung und mindert das Infektionsrisiko. Renommierte Virologen, Gesundheitsexperten und Politiker wie Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil empfehlen das Radfahren als gesündeste Alternative für notwendige Alltagsfahrten. Wer Fahrrad fährt, bringt den eigenen Kreislauf in Schwung, durchlüftet die Lunge und stärkt so das Immunsystem. „Sie atmen intensiver, das heißt, Sie reinigen Ihre Lunge gut. Und das ist in puncto Virusprotektion optimal“, so der Ulmer Pneumologe Michael Barczok vom Bundesverband der Pneumologen, Schlaf- und Beatmungsmediziner (BdV) in einem Interview mit dem Spiegel. Die Chance, sich beim Radeln etwas einzufangen, läge praktisch bei null. Zudem ermöglicht Radfahren Freizeitaktivität an der frischen Luft, ohne sich zu dabei zu nahe zu kommen, und hilft damit gegen den psychologisch problematischen „Lagerkoller“, den viele inzwischen bei sich feststellen.

Häufig gestellte Fragen

Muss das Fahrrad oder E-Bike den Vorschriften der StVZO entsprechen?
Wenn das Fahrrad auf öffentliche Straßen für den Weg zur Arbeit benutzt werden soll, dann natürlich ja.

Wie teuer darf das Rad oder E-Bike sein?
Hier kommt es auf die Vereinbarungen mit den Arbeitgebern an. Eurorad begrenzt den Händlerverkaufspreis im Leasing auf 12.000 Euro brutto.

Wie hoch ist die Besteuerung des geldwerten Vorteils?
Mit der Besteuerung des geldwerten Vorteils darf das Fahrrad oder E-Bike in vollem Umfang privat genutzt werden. Im Laufe der Jahre wurde der Anteil von der ursprünglichen 1-Prozent-Regel auf inzwischen 0,25 Prozent reduziert.

Wie lange läuft der Leasing-Vertrag?
Die Laufzeit beträgt 36 Monate. Über den Überlassungsvertrag verpflichtet sich der Arbeitnehmer dazu, das Dienstrad nach der Leasinglaufzeit beim zuständigen Fachhändler zurückzugeben.

Was spart der Arbeitgeber?
Durch das Einsparen der Sozialabgaben entsteht über eine Laufzeit von drei Jahren ohne Kapitalaufwand eine Kostenreduktion von oftmals 500 Euro je Angestellten.

Kann Zubehör in den Leasingvertrag aufgenommen werden?
Alles, was fest mit dem Fahrrad verbunden ist, zählt in der Regel zur Ausstattung und wird daher als Bestandteil der Anschaffungskosten betrachtet.


Bilder: www.flyer-bikes.com | pd-f, Brose, www.pd-f.de – Kay Tkatzik, stock.adobe.com – Halfpoint

Viele ländliche Regionen mit Höhenunterschieden, wie Stolberg in der Städteregion Aachen, haben keine Fahrrad-DNA. Wie bringt man die Bürger trotzdem aufs Rad? Politik, Verwaltung und die Menschen vor Ort gehen in der Kupferstadt gemeinsam neue Wege. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 03/2020, September 2020)


Die Einladung zur Bürgerbeteiligung per Fahrrad im Jahr 2017 war ein Testballon. Aber dann standen 40 Frauen und Männer vor Georg Trocha, dem Mobilitätsmanager der 57.000-Einwohner-Stadt Stolberg, und warteten auf sein Startsignal. Sie wollten ihm die Stellen zeigen, die aus Radfahrersicht dringend verbessert werden mussten. Zu der Zeit arbeitete der Geograf bereits zwei Jahre in Stolberg. Die Politik hatte ihn ins Rathaus geholt, damit er das Leben, das Wohnen und die Mobilität in der Stadt klimafreundlicher gestaltet. Damit ist es der Stadt und den Bürgern ernst. Klar ist aber auch: In Bezug auf die Mobilität steht die Stadt vor einer großen Aufgabe.

Mehr Komfort und mehr Sicherheit: Moderne Abstellanlagen, auch an den Schulen, zeigen die Wertschätzung, die man man Radfahrenden in Stolberg entgegenbringt.

Ausgangsbasis: zwei Prozent Radfahrer

In der alten Kupfer- und Messingstadt ist das Auto das Verkehrsmittel Nummer eins. Bei der letzten Zählung kamen Radfahrer gerade mal auf einen Anteil von zwei Prozent am Gesamtverkehr. Radwege gibt es innerorts nur wenige und die, die es gibt, sind veraltet. Hinzu kommt die schwierige Topografie: Das Zentrum liegt in einem engen, lang gestreckten Tal und dehnt sich über die umgebenden Höhenrücken bis weit in den Naturpark Nord-eifel aus. Für Alltagsradler heißt das: Sie müssen immer mal wieder Steigungen von 10 bis 15 Prozent bewältigen. Früher beschwerlich oder unmöglich, aber heute gibt es ja E-Bikes. Trotzdem, wer hier den Menschen das Radfahren und das Zu-Fuß-Gehen schmackhaft machen will, braucht Fantasie und muss ungewöhnliche Wege gehen. Die Rad-Exkursion im Sommer 2017 war deshalb ein wichtiger Beginn auf Augenhöhe: Die Mitarbeiter aus der Verwaltung stellten den Bürgern ihre Ideen zum Ausbau des Wegenetzes vor. Im Gegenzug zeigten diese ihnen die Schwächen im Netz und wo sie sich im Alltag von Autofahrern bedrängt fühlten. Die Tour habe die Sichtweise der Politiker auf das Thema verändert. „Ihr Blick auf Radverkehrsplanung ist nun deutlich komplexer“, sagt Georg Trocha. Er gehe weit über die rein technischen Elemente hinaus, die beispielsweise Wegebreiten festlegt. Jetzt wissen alle: Sollen Schüler und Erwerbstätige das Rad anstelle des Autos oder des Elterntaxis für ihre Alltagswege nutzen, müssen sie entspannt, sicher und gesund am Ziel ankommen. „Die Planungsphilosophie muss sich ändern, wenn man fahrradfreundlich werden will“, betont der Mobilitätsmanager.

Bürger und Politik wollen Klimaschutz, Bildung und neue Mobilität

Der amtierende Bürgermeister Patrick Haas (SPD) hat die Wahl 2019 mit den Themen Klimaschutz, Bildung und Mobilität gewonnen. Im zweiten Wahlgang erhielt er 60 Prozent der Stimmen. Allerdings steht die Kupferstadt auch unter Zugzwang. Mehr Klimaschutz macht hier nur Sinn, wenn die Mobilität deutlich nachhaltiger wird. Der Mobilitätsmanager der Stadt Georg Trocha hat ein Konzept erstellt, das mit einer Reihe von kurz-, mittel- und langfristigen Maßnahmen die Menschen motivieren soll, ihre Autos stehenzulassen. Das Konzept haben die Politiker zunächst mit Trocha unter Ausschluss der Öffentlichkeit diskutiert und dann einstimmig angenommen. Entsprechend groß ist seitdem der Rückhalt für den Umbau der Stadt aus dem Rathaus. Vorgelebt wird das unter anderem von dem sportlichen 39-jährigen Bürgermeister der Stadt, der auch zu offiziellen Terminen regelmäßig per E-Bike erscheint.

Keine Zeit für jahrelange Umgestaltung

Eine allgemeine Annahme ist, dass eine Stadt über Jahre umgebaut werden muss, damit sich gravierende Verbesserungen für Radfahrer einstellen. Doch so viel Zeit hat Stolberg nicht. Hier produziert allein der Verkehr rund ein Drittel der Treibhausemissionen. Das ist deutlich mehr als im Bundesdurchschnitt, wo der Anteil bei einem Fünftel liegt. Die Menschen hier müssen zügig umsteigen. Radfahren im Alltag muss schnell sicherer und komfortabler werden. Deshalb hat Trocha in seinem Konzept Ziele benannt, die kurz-, mittel- und langfristig umgesetzt werden können. Bereits jetzt werden Radwege regelmäßig von Sträuchern freigeschnitten, Bordsteine abgesenkt oder auf manchen Routen eine Beleuchtung installiert. Hinweise und Tipps holt er sich dafür regelmäßig von Alltagsradlern und Radaktivisten vom ADFC.

Erfolgskritisch: Routinen ändern

Mobilitätsexperten betonen immer wieder die Notwendigkeit, Routinen zu verändern, wenn man zu anderen Mobilitätsmustern gelangen will. Bei Kindern und Jugendlichen ist das leichter, weil sie noch nicht festgelegt sind. Da sie zudem viel Bewegung brauchen, um ihre motorischen und kognitiven Fähigkeiten zu entwickeln, suchte Trocha Schulen als Partner. Das Goethe-Gymnasium in der Stadt hatte bereits einiges an Vorarbeit geleistet. Seit Jahren gibt es dort eine Fahrrad-AG für Fünft- und Sechstklässler und eine Flotte von Leihrädern. „60 bis 80 der rund 800 Schüler kommen hier mit dem Rad“, sagt Trocha. Das sei wenig, aber an der angrenzenden Gesamtschule mit 500 Schülern wären es gerade mal eine Handvoll. Statt selbst zu laufen oder zu radeln, werden viele Schüler mit dem Auto bis vor das Schultor gebracht. Entsprechend groß ist in dem Quartier vor und nach Schulbeginn das Gedränge auf den Straßen.

„Wenn wir es mit einem Langstreckenlauf vergleichen, sind wir gerade erst aus dem Startblock herausgelaufen. Wir wollen aber mehr – viel mehr“

Georg Trocha, Mobilitätsmanager in Stolberg

Schüler entwickeln Schulwegeplan

Die Lehrer und Trocha wollten das Chaos abstellen. Ihre Idee: Die Bildungseinrichtung sollte „Fahrradfreundliche Schule“ werden. Um das Label zu erhalten, brauchte sie einen Schulwegeplan. Das Besondere an ihrem Vorhaben war, dass die Jugendlichen den Plan erstellten und nicht die Lehrer. Allerdings konnten die Schüler das nicht allein, sondern brauchten dazu professionelle Hilfe. Im Rahmen einer Förderung vom Zukunftsnetz Mobilität NRW unterstützt jetzt der Verkehrsplaner Jan Leven vom Wuppertaler „Büro für Forschung, Entwicklung und Evaluation“ (Bueffee) die Projektgruppe. Etwa zehn Schüler der elften Jahrgangsstufe erarbeiten mit seiner Unterstützung den Wegeplan. Dabei gehen sie vor wie Verkehrsplaner. „Die Jugendlichen analysierten zunächst ihr eigenes schulisches Umfeld“, erläutert Jan Leven. Die Grundlage dafür ist eine Online-Befragung aller 800 Schüler des Goethe-Gymnasiums. Anhand ihrer Antworten identifizieren die Jugendlichen dann die Hauptrouten sowie mögliche Gefahrenstellen entlang der Strecken. Nach den Sommerferien werden sie die Strecken zu Fuß und per Rad abfahren und mögliche Gefahrenstellen fotografieren. Aus den momentan üblichen Routen, ihren Erkenntnissen und ihren Zielen zur nachhaltigen Mobilität an der Goethe-Schule entwickeln die Jugendlichen dann ihr eigenes Wegenetz. Das wird Routen bereithalten für Radfahrer, E-Tretroller-Fahrer und Kinder, die zu Fuß gehen. Damit die Empfehlungen rechtlich abgesichert sind, übernimmt Leven die Feinjustierung. „Das Ziel ist es, ein Radschulnetz zu entwickeln, das sicher befahren werden kann“, sagt Leven.

Auto sollen für sichere Wege Platz machen

Neben den bereits üblichen Routen markieren die Schüler unter anderem auch Haltestellen für Elterntaxis, mehrere Hundert Meter vom Schultor entfernt. Hier sollen Mütter und Väter zukünftig ihre Kinder verabschieden. Wie gut die Bring- und Hol-Zonen bei den Eltern ankommen, kann wahrscheinlich bereits im September getestet werden. Im Rahmen der europäischen Mobilitätswoche will Georg Trocha in Kooperation mit der Schule autofreie Tage im Wohngebiet der Goethe-Schule organisieren. Geht es nach ihm, werden dann einige der Hauptstraßen für kurze Zeit zu Fahrradstraßen. Bislang gibt es noch keine in Stolberg. Für Planer und Radfahrer wäre das die Gelegenheit, die Fahrradstraße als weiteres Planungselement zu testen. Für sein Vorhaben sucht der Mobilitätsmanager nun Verbündete. Vor allem die Anwohner müssen die Entscheidungen mittragen, denn sie werden während dieser Zeit ihre Routinen ändern müssen. „Sie müssen ihre Autos in der Garage oder in ihrer Einfahrt parken und nicht mehr auf der Straße“, sagt Trocha. Ohne die Reihen an parkenden Wagen überblicken die Kinder beim Queren besser die Straße und sind auch als Radfahrer deutlich sicherer unterwegs. Aber auch die Anlieger würden von der Projektwoche profitieren. „Sie erleben, wie ruhig ihr Viertel ohne den Bring- und Holdienst sein kann“, sagt Trocha. Den Bürgermeister Stolbergs hat er dabei voll auf seiner Seite. Der oberste Entscheider der Stadt sieht in dem Wohngebiet rund um die Goethe-Schule einen möglichen Vorreiter für ein autoarmes Quartier in seiner Stadt.

Stolberg will noch viel mehr

Mit dem Projekt will sich die Schule das Label „fahrradfreundlich“ verdienen und den Radanteil an ihrem Gymnasium verändern. Aber das ist nicht alles. Nach den Erfahrungen von Verkehrsplaner Jan Leven haben solche Projekte auch eine hohe Strahlkraft. „Sie wirken immer auch in die Stadtverwaltung“, betont er. Dort ist der Wandel längst angekommen. Bereits 2017 hat eine Umfrage zur Mobilität in der Verwaltung gezeigt, dass viele Verwaltungsmitarbeiter gerne zu Fuß, per Bahn, Fahrrad oder E-Bike ins Rathaus kommen würden. Aber es gab noch Knackpunkte: So brauchten sie zum Beispiel ihre Privatwagen für Dienstfahrten. Außerdem fehlten sichere Fahrradabstellanlagen am Rathaus. Die Verwaltung hat auf die Umfrage inzwischen reagiert und mithilfe von Förderprogrammen einen eigenen Fuhrpark aufgebaut. Jetzt gibt es drei E-Dienstwagen und fünf Dienst-E-Bikes. Das zeigt Wirkung. Mehr als 20 Mitarbeiter kommen inzwischen per Rad. Zuvor waren es nur drei. Der neue Fahrradkeller ist für sie bereits zu klein geworden. Jetzt muss angebaut werden. Für Trocha sind das gute Signale und er hat mit breiter Unterstützung aus der Bevölkerung und der Politik noch viel vor. „Wenn wir es mit einem Langstreckenlauf vergleichen, sind wir gerade erst aus dem Startblock herausgelaufen. Das, was wir jetzt machen, sind unsere Anfangsschritte. Wir wollen aber mehr – viel mehr.“

Schritte auf dem Weg zur Fahrradstadt

Zu einer guten Radinfrastruktur gehören auch gute Abstellmöglichkeiten für Fahr-räder. Das schätzen besonders Pendler. Am Stolberger Bahnhof wurde die Zahl der abschließbaren Fahrradboxen von 16 auf 36 erhöht. Außerdem werden in diesem Jahr neue Radabstellanlagen an den weiterführenden Schulen aufgestellt. Als Nächstes sollen nun die Grundschüler überdachte Fahrradstellplätze bekommen. Für den Außendienst der Mitarbeiter hat die Stadt E-Bikes angeschafft. Bald können die Stolberger auch mit „Moritz“, dem ersten „freien E-Lastenrad“ der Stadt, ihren Einkauf erledigen oder mit ihren Kindern auf Tour gehen. Das Rad wird über die Touristeninformation kostenlos verliehen. 2019 hat die Stadt erstmals beim „Stadtradeln“ mitgemacht. Während im vergangenen Jahr rund 40 Teilnehmer dabei waren, waren es in diesem Jahr bereits fast 170. Außerdem veranstaltet die Stadt seit vergangenem Jahr einen Rad-Kulturtag mit Fahrradflohmarkt, Schrauberwerkstatt, Parcours und vielen weiteren Angeboten.


Bilder: Georg Trocha

Mit zu den Pionieren bei professionellen Cargobikes zählt das Unternehmen Radkutsche mit seinem dreirädrigen „Musketier“. So wurde das multifunktionale Lastenrad bereits im Jahr 2014 vom ExtraEnergy e. V. als bestes Cargobike ausgezeichnet. Heute gehört es bei Radlieferdiensten mit zum Standard. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 01/2020, März 2020)


Fahrbar und mit wenig Grenzen für Kreativität auf drei Rädern: mobiler Marktstand, Crêperie, Espresso- oder Saftbar etc.

Das rund 2,60 m lange und nur knapp einen Meter breite Cargobike mit handgeschweißtem Stahlrohrrahmen und optisch auffälliger Doppelbrückengabel ist für ein maximales Gesamtgewicht von 300 Kilogramm ausgelegt und kann mit verschiedensten Aufbauten ausgerüstet werden. Von der großvolumigen Transportbox, die eine Europalette aufnimmt und optional auch mit Thermoeinsatz geliefert wird, über ein Gestell für Besen, Abfallkörbe etc. bis hin zu Pritschen, vorkonfigurierten Gastronomieaufbauten oder Rikscha-Lösung.
Einer der Vorteile des Radkutsche-Teams aus Nehren im Kreis Tübingen besteht darin, bei den modaleren Aufbauten mit Handarbeit und jahrelanger Erfahrungen auf individuelle Kundenwünsche einzugehen. Bis hin zu Beschriftungen oder LED-Werbeflächen. Die Cargobikes selbst werden in verschiedenen Ausstattungsvarianten in allen RAL-Farben angeboten – mit oder ohne Motor und mit vielfältigem Zubehör, wie Blinkern und Regenverdeck.


Bilder: Radkutsche

Berlin hat als erste Stadt Deutschlands ein Mobilitätsgesetz. Radfahren soll so komfortabel und sicher werden wie Autofahren. Wie schaut es nach der Verabschiedung des Gesetzes im Juni 2018 aus? Ein Zwischenstand. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 01/2020, März 2020)


Die Holzmarktstraße in Berlin-Mitte kennt in der Hauptstadt fast jeder, der Fahrrad fährt. 2018 wurde dort die erste Protected Bike Lane eröffnet – ein breiter grüner Radstreifen auf der Fahrbahn, der mit rot-weißen Pollern die Radfahrer vor dem schnellen Autoverkehr schützen soll. Für Politik und Verwaltung war das der Auftakt zum Umbau ihrer Stadt. Berlin soll Fahrradstadt werden. Noch ist auf den Straßen der Hauptstadt wenig von der Verkehrswende zu sehen. Trotzdem ist Berlin bundesweit ein Impulsgeber. Der Richtungswechsel zu mehr nachhaltiger Mobilität steht allen Städten und Kommunen bevor. Oft fehlt der Politik und somit der Verwaltung jedoch ein Leitbild, eine klare Vision für die nachhaltige Stadt von morgen. In Berlin ist das anders. Dort hat die rot-rot-grüne Koalition 2018 die Rahmenbedingungen für den Umbau im Mobilitätsgesetz festgesetzt. Zukünftig gilt: Der Umweltverbund, also der Rad-, Fuß-, Bus- und Bahnverkehr hat in Berlin Vorrang. Diese Entscheidung traf die Politik nicht freiwillig, sondern auf Druck der Bevölkerung. Und die wollte vor allem eines: sicher Radfahren.

Mehr Sicherheit für Radfahrer: Der Senat testet neue Maßnahmen wie Poller, grüne Farbe oder aufgepinselte Sicherheitssperren.

Mehr Geld, Personal und neue Strukturen auf Landesebene

Die Radverkehrsplanung war über Jahrzehnte ein Randthema in der Hauptstadt. 2016 waren gerade mal dreieinhalb Radverkehrsexperten für das Land und die zwölf Berliner Bezirke zuständig. Als das Mobilitätsgesetz Mitte 2018 in Kraft trat, änderte sich das schlagartig. Das Budget wurde auf 200 Millionen Euro für die Legislaturperiode erhöht und bis Ende 2019 wurden über 50 Radverkehrsexperten eingestellt. Aber weiterhin fehlt Personal. In den Bezirken sind nur 16 der 24 Stellen besetzt. „Wir spüren, wie alle Branchen, den Fachkräftemangel“, sagt Jan Thomsen, Sprecher der Verkehrsverwaltung. Allerdings setzen auch nicht alle Bezirke den Richtungswechsel der Politik um. Der Bezirk Reinickendorf hat beispielsweise die beiden freien Planerstellen noch nicht ausgeschrieben. „Die Bezirke sind politisch autark“, erklärt Thomsen. Der Ausbau der Infrastruktur liege allein in ihrer Hand. Für die bezirksübergreifenden Routen dagegen ist das Land zuständig – in Absprache mit den Bezirken.
Auf Landesebene hat sich der Berliner Senat viel vorgenommen. Bis 2030 sollen 100 Kilometer Radschnellwege geplant und gebaut werden. Das neue Radverkehrsnetz soll modernen Standards entsprechen und über zentrale Achsen alle wichtigen Punkte der Hauptstadt miteinander verbinden. Für die Fahrräder, die bislang kreuz und quer an den S- und U-Bahn-Haltestellen angeschlossen werden, soll es eigene Radstationen oder Parkhäuser geben, mit Schließfächern und sicheren Boxen für E-Bikes.
Ein zentrales Thema in der ganzen Planung ist die Sicherheit. Mit dem Mobilitätsgesetz hat die Politik Vision Zero zu ihrem neuen Leitbild erklärt – also null Verkehrstote und Schwerverletzte. Um das umzusetzen, sollen Kreuzungen komplett neu gestaltet und umgebaut werden. Viele der geplanten Vorhaben sind Neuland für die Planer und die Verwaltungen. Oftmals brauchen sie auch neue Regelwerke, Richtlinien oder Standards. Dafür ist unter anderem das Unternehmen Infravelo wichtig.

Mobilitätsgesetz aus bürgerschaftlichem Engagement

Das Berliner Mobilitätsgesetz ist ein Novum in Deutschland. Es steht für die Verkehrswende in der Hauptstadt und ist aus dem Protest der Zivilgesellschaft hervorgegangen. Ohne den „Volksentscheid Fahrrad“ würde es das Gesetz wohl nicht geben. Die 2016 gegründete Initiative forderte sichere und moderne Radwege für 8- bis 80-Jährige. Anfangs wurden die Aktivisten von Planern und Politikern noch belächelt. Auf unzähligen Infoveranstaltungen warben sie jedoch für ihre Idee und demonstrierten an Unfallorten für mehr Verkehrssicherheit oder an viel befahrenen Straßen für Protected Bike Lanes. Ihr Anliegen traf einen Nerv. Während des Wahlkampfes 2017 zum Berliner Abgeordnetenhaus sammelten sie innerhalb weniger Wochen rund 100.000 Unterschriften für ihre Sache. Damit machten sie Radverkehr zum Wahlkampfthema. Ihr Engagement mündete 2018 im Mobilitätsgesetz, dessen Rahmenbedingungen die Mitglieder vom Volksentscheid Fahrrad gemeinsam mit Verbänden, Experten und der rot-rot-grünen Landesregierung ausgehandelt haben.

Infravelo baut Berlin um

Das landeseigene Unternehmen Infravelo wurde 2017 gegründet und soll den Prozess hin zu einer besseren Radverkehrsinfrastruktur strukturieren und koordinieren. Die Bauingenieurin Katja Krause leitet Infravelo. Als gebürtige Berlinerin kennt sie die Probleme ihrer Stadt genau. Sie hat in der Hauptstadt studiert und anschließend in Berlin und Köln als ausgewiesene Tunnelspezialistin Tiefbau-Projekte betreut. Nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs war sie dort fünf Jahre lang für die darunterliegende U-Bahn-Baustelle zuständig. Da brauchte sie einen kühlen Kopf als Planerin und Krisenmanagerin. Seit 2017 sorgt sie dafür, dass der Richtungswechsel in der Verkehrspolitik auf Berlins Straßen Gestalt annimmt. Rund 30 Mitarbeiter helfen ihr zurzeit dabei. Zusammen mit ihrem Team ist sie für die bezirksübergreifenden Radverkehrsprojekte zuständig. Dazu gehört unter anderem der Bau von Radschnellwegen und Fahrradparkhäusern. Allerdings planen sie selten selbst. Stattdessen halten sie die Fäden in der Hand, vergeben Aufträge für Projekte und Machbarkeitsstudien, entwerfen Pilotprojekte und diskutieren mit den Anwohnern ihre Pläne. „Wir sind Bauherren, Planer und Kommunikatoren“, sagt Katja Krause.

„Wie sieht der Radweg der Zukunft aus?“

Grundlagenarbeit für Beschleunigung braucht Zeit

Ein großer Teil der Arbeit von Infravelo ist Neuland, und aktuell leisten sie vor allem wichtige Aufbauarbeit. Dazu gehört auch die neue Projektdatenbank für das landesweite Radwegenetz. Diese Plattform ist ein Novum. Erstmals sehen die Radverkehrsplaner auf einen Blick, was ihre Kollegen in den Nachbarbezirken aktuell planen, bauen oder bereits abgeschlossen haben. Das erleichtert allen Beteiligten, die Projekte gemeinsam zu koordinieren. Zuvor endete jede Planung an der Bezirksgrenze. Außerdem werden Vorhaben, die die Pläne des Senats vorantreiben, automatisch markiert und gebündelt. Auf diesem Weg werden beispielsweise Unfallschwerpunkte schneller umgebaut. Zeit ist ein wichtiger Faktor in Berlin. Der Bau eines Radwegs dauert hier momentan rund vier Jahre. Ingmar Streese, Staatssekretär für Verkehr, ist das zu lang, er will den Prozess verkürzen. „Die Verwaltung arbeitet teilweise seit 100 Jahren auf derselben Grundlage“, sagt er. Anhand eines fiktiven Radwegs analysiert er zurzeit mit Mitarbeitern der Infravelo und fünf Berliner Bezirken die einzelnen Arbeitsschritte. Schlussendlich wollen sie mit einer eigenen Vorlage zum Radwegebau den gesamten Prozess beschleunigen.

FixmyBerlin: Online-Plattform schafft Transparenz

Bei den Bürgern kommt von der Aufbauarbeit bislang nur wenig an. Was sie sehen, ist: Auf der Straße passiert kaum etwas. Das soll sich ändern. Im Auftrag der Senatskanzlei und des Bundesverkehrsministeriums hat das Start-up FixmyBerlin eine interaktive Karte entworfen, die sämtliche Bauvorhaben für den Radverkehr nebst Projektstand in der Hauptstadt anzeigt. Über die gleichnamige Plattform können sich interessierte Bürger nun jederzeit über die verschiedenen Bauprojekte genau informieren. „Anfangs fürchteten die Verwaltungen, dass die Beschwerden zunehmen“, sagt Heiko Rintelen, Geschäftsführer von FixmyBerlin. Aber das Gegenteil sei der Fall. Die Plattform entlastet die Behörden spürbar: „30 bis 50 Prozent ihrer Arbeitszeit haben die Mitarbeiter früher für das Beantworten von Bürgeranfragen verwendet“, sagt er. Seit es die Karte gibt, seien die Anfragen deutlich zurückgegangen.

Anhand von Bildern können Bewohner entscheiden, ob sie auf den abgebildeten Radwegen Fahrrad gerne fahren würden oder nicht. Die digitalen Lösungen dafür existieren.

Bedarfsabfrage per Mausklick

Mittlerweile nutzen die ersten Bezirke die Plattform konkret für ihre Radverkehrsplanung. Friedrichshain-Kreuzberg hat im vergangenen September die Anwohner gefragt, an welchen Stellen im Bezirk Fahrradbügel fehlten. Die Resonanz war riesig. Über 1200 Wunschstandorte gingen innerhalb von vier Wochen auf FixmyBerlin ein. Sie werden jetzt geprüft und nach und nach umgesetzt. Dialogveranstaltungen mit den Bürgern zum Bau von Radwegen findet Rintelen weiterhin wichtig. „Aber in diesem Fall reichte eine einfache Abfrage völlig aus und sprach eine viel breitere Gruppe in der Bevölkerung an.“ Momentan testet das Team eine neue Methode im Vorfeld der Radverkehrsplanung. Mit dem Berliner Tagesspiegel haben die Daten-, Kommunikations- und Verkehrsexperten eine Umfrage gestartet, die anhand von 3D-Visualisierungen sämtliche Typen an Radinfrastruktur zeigt und abfragt, auf welcher Art von Radwegen sich die Menschen am sichersten fühlen. „Einen ernsthaften Dialog kann ich digital nicht abbilden“, so Rintelen. Aber die Stadtbewohner könnten anhand der Bilder durchaus entscheiden, ob sie auf den abgebildeten Radwegen Fahrrad fahren würden oder nicht. Mit dieser Umfrage betritt das Team Neuland. Bislang gibt es kaum Untersuchungen über Menschen, die nicht Rad fahren. Damit Stadtbewohner aber zukünftig tatsächlich mehr Alltagswege auf zwei statt auf vier Rädern zurücklegen, muss man die Beweggründe kennen, die einen Umstieg verhindern. Die Ergebnisse stehen noch aus. Das Team von FixmyBerlin erhofft sich von der Umfrage ein klares Stimmungsbild, das den Planern bei ihren Entscheidungen hilft. Wenn die Ergebnisse beispielsweise zeigten, dass das Sicherheitsgefühl der Radfahrer bei einer Radwegbreite von unter 2,3 Metern problematisch sei, brauche man diese Maßnahme gar nicht erst zu bauen, sagt Rintelen. Mit der Plattform beschreitet FixmyBerlin einen neuen Weg in der Infrastrukturplanung. Auf diesem Weg kann die Verwaltung die Bevölkerung direkt fragen, was für einen Typ Infrastruktur sie sich wünscht. Das ist ein komplett neuer Ansatz. Die Bevölkerung kann an der Entwicklung neuer Standards mitwirken. Bislang ist das allerdings noch Zukunftsmusik.

Heiko Rintelen ist jeden Tag mit dem Rad in Berlin unterwegs. Mit dem FixmyBerlin-Team liefert er digitale Lösungen, die den Austausch mit den Bürgern erleichtern und den Umbau zur Fahrradstadt beschleunigen.

Lasten auf die Räder

Eine Verkehrswende ist mehr als nur der Umbau von Straßen. Um Autofahrern den Umstieg aufs Fahrrad zu erleichtern, fördert die Senatsverwaltung deshalb unter anderem auf vielen Ebenen den Einsatz von Cargobikes – beispielsweise über Kaufprämien. 200.000 Euro waren 2018 im Fördertopf. Privatleute und Gewerbetreibende konnten bis zu 1000 Euro pro Rad beantragen. Die Nachfrage war riesig. Innerhalb weniger Stunden nach dem Start der Kampagne war das Kontingent aufgebraucht. Im Folgejahr wurde das Budget dann auf 500.000 Euro aufgestockt. Aber mit den Lastenrädern ist es in der Stadt ähnlich wie mit den Autos: Eigentlich braucht man sie nur selten. In vielen Großstädten kann man deshalb inzwischen sogenannte Freie Lastenräder über Organisationen, Vereine oder den ADFC kostenlos mieten. Berlin hat mit rund 120 Cargobikes die größte Flotte bundesweit. Sie stehen vor Cafés, Vereinen, Bürgerhäusern oder bei Privatleuten. Der Ortsverband des ADFC organisiert den Verleih und kümmert sich um die Wartung. Die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz hat im vergangenen Jahr 40 Räder gespendet. „Von der sauberen, platzsparenden und leisen Mobilität profitiert der ganze Kiez“, erklärt Regine Günther, Senatorin für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz das Engagement. Sie hofft, dass damit der Pkw-Verkehr reduziert wird. Eine Umfrage des Berliner ADFC zeigt: Das funktioniert. „40 bis 50 Prozent unserer Nutzer sagen, dass sie damit Autofahrten ersetzen“, erklärt Thomas Bürmann vom Berliner Ortsverband.
Wenn es nach der Senatorin geht, ist auch der Wirtschaftsverkehr bald deutlich klimafreundlicher unterwegs. Das zentrale Problem ist, dass der Online-Handel weiter boomt. In einem Pilotprojekt testete der Senat deshalb mit den fünf Großen der Paketdienstbranche Alternativen zum Sprinter. Am Mauerpark, am Rande des Prenzlauer Bergs, starten seit Frühjahr DHL, DPD, GLS, UPS und Hermes ihre morgendliche Fahrt zum Kunden mit dem Lastenrad statt mit dem Dieseltransporter. Damit das überhaupt funktioniert, brauchen die Dienstleister kleine Zwischendepots im Zustellbezirk. Am Mauerpark hat jeder Lieferdienst zwar eigene Container, aber die Zusteller teilen sich die Lagerfläche. Das gibt dem Projekt auch seinen Namen: Kooperative Nutzung von Mikro-Depots, kurz Komodo. Die Bilanz nach den ersten zwölf Monaten war positiv. Mit ihren elf Cargobikes haben die Fahrer 38.000 Kilometer mit Dieselfahrzeugen ersetzt und damit effektiv elf Tonnen des Treibhausgases CO2 eingespart. Eigentlich war das Projekt nur auf ein Jahr ausgelegt. Aber die Laufzeit wurde immer wieder verlängert, zuletzt bis März 2020. Laut Christian Kaden, der Komodo für die LogisticNetwork Consultants GmbH betreut, soll es noch weitergehen. Allerdings müsse das Container-Dorf umziehen, da der Standort gebraucht wird.

Vision Zero: Safety first

Neben dem Aufbau der Infrastruktur ist „Vision Zero“ ein zentraler Pfeiler des Mobilitätsgesetzes. Das gilt auch für den Rad- und Fußverkehr. Von diesem Ziel ist Berlin bislang allerdings noch weit entfernt. Zwar sind die Zahlen der Verkehrsopfer 2019 leicht zurückgegangen, aber bereits in den ersten sechs Wochen des Jahres sind in der Metropole fünf Radfahrer gestorben. Drei von ihnen wurden von einem abbiegenden Bus beziehungsweise abbiegenden Lkws übersehen, überrollt und getötet, einer von einem Raser. In der Vergangenheit hatten tödliche Unfälle bezogen auf die Infrastruktur selten Konsequenzen. Der Flüssigkeit des Autoverkehrs wurde Priorität vor der Sicherheit zugebilligt. Laut Staatssekretär Streese gilt das in Berlin nicht mehr. „Verkehrssicherheit geht vor Schnelligkeit“, sagt er. Gleich am Tag nach dem tödlichen Unfall am Kottbusser Tor, wo eine 68-jährige Radfahrerin von einem rechtsabbiegenden Lkw-Fahrer mit seinem Fahrzeug überrollt und getötet wurde, prüfte eine Kommission der Berliner Verkehrsbehörde die Verkehrssituation vor Ort. „Infolgedessen haben die Vertreter an dieser Kreuzung Tempo 30 angeordnet“, sagt Streese. Außerdem sollen künftig die Grünphasen für Radfahrer und Kraftfahrzeuge an dieser Ampel getrennt werden. Damit sollen Rechtsabbiegeunfälle komplett ausgeschlossen werden.

Druck aus der Zivilgesellschaft u. a. mit Blumen und Ghostbikes sowie gezielten Aktionen, wie von Changing Cities.

Ziel: neuer Berlin-Standard für sichere Kreuzungen

Viele Kreuzungen sind in der Me­tropole mit dem zunehmenden Auto- und Radverkehr überlastet. Allerdings fehlten bislang Ideen zum Umbau. Deshalb haben sich die Berliner im vergangenen Jahr Rat aus den Niederlanden geholt. Dort werden seit Jahren die sogenannten sicheren Kreuzungen nach einem speziellen Design gebaut. In einem Workshop haben die Planer die verschiedenen Entwürfe diskutiert und eigene Muster-Kreuzungen für die 3,7-Millionen-Einwohner-Metropole entwickelt. Drei bis vier der Entwürfe sollen weiter ausgearbeitet und dann als Pilotprojekte umgesetzt werden. Ziel ist es, mittelfristig neue Standards für sichere Kreuzungen in der Hauptstadt zu entwickeln.

Austausch mit Bürgern: Infravelo stellt jedes Vorhaben in den Bezirken zur Diskussion.

Konflikte zwischen Radaktivisten und Verkehrsplanern

Vielen Radfahrern und Radaktivisten in der Hauptstadt dauern die aktuellen Prozesse zu lange. Ihnen fehlen sichtbare Ergebnisse auf der Straße. Insbesondere den Radaktivisten von Changing Cities. Ohne die Nachfolgeorganisation des Volksentscheids Fahrrad würde es das Mobilitätsgesetz nicht geben. Ihre zehn Forderungen sind das Fundament für den Teil zum Radverkehr. Ihre Sprecherin Ragnhild Sørensen äußert deutlich Kritik: „Was bislang gebaut wurde, schafft ein Planer in einem Jahr“, sagt sie. Tatsächlich erscheint die Ergebnisliste bislang von außen betrachtet relativ kurz: Es gibt gerade mal eine Handvoll Protected Bike Lanes in der Stadt, 21 Kilometer neue grün markierte Radwege und 13.500 neue Fahrradbügel. „Punktuell hat sich etwas verbessert”, sagt sie, doch die meisten Radfahrer auf Berlins Straßen spürten davon kaum etwas.
„Wir sind in der Hochlaufphase, in fünf Jahren sieht die Stadt ganz anders aus“, betont dagegen Jan Thomsen, Sprecher der Verkehrssenatorin Regine Günther. Neben der Planung müssten viele Gespräche geführt werden mit Vereinen, Behörden, Verbänden und Anwohnern. „Für einen sieben Kilometer langen Radfernweg haben wir für die Grundlagenermittlung und Vorbereitungen rund 50 Gespräche organisiert“, erläutert sie. Der Naturschutz, aber auch Verbände wie der Fuß e.V. oder Behördenvertreter, beispielsweise der Denkmalschutz, müssten informiert und gehört werden. „Wir haben in Deutschland geregelte Verfahren, wo alle angehört werden. Das ist ein wertvolles Gut.“

Berliner Initiativen bleiben eine Erfolgsgeschichte

Trotz des verzögerten Starts in Richtung Fahrradstadt sind das Mobilitätsgesetz und die Bewegung Volksentscheid Fahrrad Erfolgsgeschichten. Der neue Verein Changing Cities berät als politisch unabhängige Kampagnenorganisation inzwischen bundesweit über 20 Initiativen, die nach ihrem Vorbild ebenfalls per Volksbegehren die Politik dazu drängen, den Radverkehr auszubauen. Berlin ist in Deutschland aktuell Vorbild und Vorreiter. Hier werden die Grundlagen und Standards für eine moderne Radverkehrsplanung geschaffen. Auch wenn der Weg zur Fahrradstadt noch weit ist.

Tipps und Erfahrungen

von Katja Krause, Leiterin der Berliner Infravelo GmbH

Was raten Sie Ihren Kollegen?
Haben Sie keine Scheu vor komplexen, langwierigen Projekten, sondern starten Sie mit diesen. Wir haben mit der Planung der Radschnellwege begonnen. Inzwischen liegen erste Ergebnisse der Machbarkeitsstudien vor und wir stellen unsere Vorhaben den Anwohnern in den Bezirken vor. So dauert der Planungsprozess am Anfang zwar länger, sichtbare Radinfrastruktur auf die Straße zu bringen, aber im Ergebnis schaffen wir langfristig verbesserte Bedingungen.

Wie kann der Ausbau des Radwegenetzes beschleunigt werden?
In Berlin fehlt uns immer noch Personal. Wir brauchen dringend qualifizierte Bewerber. Gerne auch aus anderen Infrastrukturbereichen wie dem Autobahn- und dem Flughafenbau. Außerdem brauchen wir Planungssicherheit. Das heißt: Die Investitionen sollten kontinuierlich auf einem hohen Niveau bleiben, damit wir Tempo beim Bau der Radinfrastruktur sicherstellen können. Momentan befindet sich ein Großteil unserer Projekte in Planung.

Wie reagiert die Bevölkerung auf den Umbau vor ihrer Haustür?
Das Interesse an den Bürgerveranstaltungen in den einzelnen Bezirken ist stets sehr groß. In der Regel kommen 120 Bürgerinnen und Bürger – die zu Fuß, mit Fahrrad und anderen Verkehrsmitteln unterwegs sind. Sie haben großes Interesse daran, was sich in ihrem Bezirk verändern wird. Die Atmosphäre ist sehr konstruktiv. Wir informieren bereits im Vorfeld, wo zum Beispiel die Radschnellverbindung welchen Verlauf nehmen könnte, und fordern die Bewohnerinnen und Bewohner auf, uns ihre Fragen und Anmerkungen zu geben. Alle Hinweise werden aufgenommen und von den Fachplanungsteams kommentiert und in der Planung berücksichtigt. Außerdem veranschaulichen wir anhand von Schaubildern die Umgestaltung des Straßenraums. Wir wollen den Anwohnern zeigen, dass der Umbau der Straße oder die Umverteilung der Flächen attraktiv sein kann. Das funktioniert gut. Berlin hat ein neues Leitbild zur Mobilität und wir helfen dabei, es umzusetzen.


Bilder: Infravelo, FixmyBerlin, Andrea Reidl, Changing Cities

Nach der Winterpause startet in Deutschland die zweite E-Scooter-Saison. Zeit, den Stand der Dinge zu prüfen. Wie sieht es mit der Nutzung aus, wie mit der Technik und wo geht es künftig hin? Erster Eindruck: Mit neuen Ideen, Gestaltungswillen und Hightech-Einsatz lassen sich viele Probleme lösen. (erschienen in VELOPLAN, Nr. 01/2020, März 2020)


Bewegen sich Menschen nur noch auf elektrischen Rollern durch die Stadt? Beim Start der E-Scooter befürchteten viele, dass sie vor allem Fußwege und öffentliche Verkehrsmittel ersetzen würden. Danach sieht es allerdings nicht aus. Die Agora Verkehrswende hatte schon im Herbst 2019 Zahlen aus den USA und Frankreich veröffentlicht, die das nicht bestätigten.

Studie aus Paris: keine Verdrängung durch E-Scooter

Eine aktuellere Studie aus Paris für den Anbieter Dott zeigt ähnliche Ergebnisse: Demnach gaben 37 Prozent der Befragten an, dass sie zu Fuß gegangen wären, wenn kein Roller zur Verfügung gestanden hätte. Allerdings sagten nur sechs Prozent der Befragten, dass sie weniger zu Fuß gingen, seit es E-Scooter gibt. Beim ÖPNV sind die Zahlen ähnlich: 18 Prozent der E-Scooter-Fahrten fanden in Kombination mit dem ÖPNV statt, wobei in fast der Hälfte der Fälle der Roller nur für eine Strecke, also den Hin- oder Rückweg genutzt wurde. Bevorzugt wurden die E-Scooter für kurze Strecken unter drei Kilometern mit einer durchschnittlichen Dauer von 13 Minuten eingesetzt; fast zwei Drittel der Fahrten dauerten weniger als eine Viertelstunde. Dabei wurden sie für notwendige Fahrten nach Hause oder zum Studium/der Arbeitsstelle genutzt, häufig aber auch in der Freizeit. Der Roller scheint sich aktuell zudem zu einer beliebten Form der gemeinschaftlichen Mobilität zu entwickeln. So wurden rund ein Fünftel der Fahrten von mehreren Personen unternommen. Viele Fahrten fanden zwischen 17 und 21 Uhr und noch spät in der Nacht statt, wenn keine Bahnen oder Busse mehr fuhren.

Stuttgart: Zusatzverkehr mit Entlastungspotenzial

Die Pariser Studie deckt sich mit Erfahrungen aus Stuttgart. Ralf Maier-Geißler ist Leiter des Referats „Strategische Planung und nachhaltige Mobilität“ in Stuttgart. Er bekommt die Analysen der Anbieter und kann von seinem Büro in der Innenstadt aus die Entwicklung auch direkt beobachten. Den Daten zufolge ist der Großteil der Nutzer unter 30 Jahre alt. Die Strecken, die mit E-Scootern zurückgelegt werden, sind hier kürzer als in Paris. Im Schnitt 1,2 Kilometer beziehungsweise acht Minuten. Kein Vergleich auch zum RegioRad, dem Leihradangebot der Stadt. „Dort sind wir beim fast Zwanzigfachen“, so Maier-Geißler. Anhand der Auswertung der Bewegungsdaten, die die Stadt von den Anbietern bekommt, prüft er die These, ob damit die sogenannte Anschlussmobilität gefördert wird. Im Moment sieht es in Stuttgart aber eher so aus, als ob es sich um zusätzliche Fahrten handelt, die nicht den Autoverkehr, sondern eher den Fußweg oder eine ÖPNV-Strecke ersetzen. Letzteres findet Maier-Geißer nicht schlimm, wenn sie in den Stoßzeiten stattfinden und damit den ÖPNV entlasten.

Potenzial zur Ergänzung des Umweltverbunds

Trotz des rasanten Wachstums macht die Mikromobilität bislang in der Summe nur einen sehr kleinen Teil der städtischen Mobilität aus. So erreichten die E-Scooter in Paris einen Anteil am Gesamtverkehr von 0,8 bis 2,2 Prozent. In der Reihenfolge der Gründe, den Roller zu nehmen, steht dabei an erster Stelle die Geschwindigkeit, gefolgt von der Bequemlichkeit und der Möglichkeit, von Tür zu Tür zu kommen. Die Agora sieht in ihrer Studie die Verknüpfung mit dem ÖPNV als große Chance für den Umstieg vom Auto, dazu müsse aber der gesamte Umweltbund attraktiver gemacht werden. E-Scooter-Anbieter, Kommunen und ÖPNV müssten vor allem an drei Punkten anpacken: Bei der Tarifgestaltung, der Verfügbarkeit und der digitalen Integration. Tatsächlich gibt es in hier inzwischen Bewegung: Lime und Circ haben bereits Sparpakete eingeführt: Bei Lime gibt es einen Wochenpass, der für knapp sieben Euro die Kosten für das Entsperren enthält, bei Circ gibt es eine ganze Reihe von Optionen, vom Einstundenpass für 3,99 Euro, über den Wochenpass bis zum Monatsplan mit 30 Tagen Gratisentsperrungen und 120 Minuten Guthaben. Daneben arbeiten die Anbieter mit Algorithmen und Kommunen mit Abstellplätzen in ÖPNV-Nähe daran, sicherzustellen, dass ausreichend E-Scooter für Anschlussfahrten vorhanden sind. Und Vorreiterstädte integrieren E-Scooter-Angebote inzwischen in ihre digitalen Navigations- und Buchungssysteme. Am weitesten ist dabei die Stadt Berlin mit der BVG-App Jelbi. Sie ermöglicht es, Fahrten mit verschiedenen Mobilitätsformen über eine Oberfläche zu planen und zu bezahlen.

Klare Ansagen auf dem Display bei Lime

Zweite Wachstumsphase bei E-Scooter-Anbietern

In der ersten Wachstumsphase ging es den Anbietern zufolge hauptsächlich darum, sichtbar zu sein und Marktanteile zu gewinnen. Das erfolgte häufig auf Kosten der Nachhaltigkeit. Dieses Jahr geht es nach den Aussagen vieler Anbieter darum, wirtschaftlich zu arbeiten – und das fängt bei den Rollern an. So gehören die aktuellen E-Scooter in Stuttgart seit dem Start im Januar 2019 schon zur dritten Generation. Die Modelle von Tier und Cirq kommen jetzt zum Beispiel mit einem Wechselakku, sodass zum Laden nicht mehr die kompletten Scooter eingesammelt werden müssen. Die neuen Modelle sollen im harten Verleihbetrieb außerdem wesentlich länger halten. Bis zu 18 Monate Laufzeit gegenüber drei bis vier Monaten bei der ersten Generation verspricht beispielsweise Tier.

Lösbares Problem: Abstellflächen

Größere Probleme gibt es bislang noch beim Abstellen. Aber auch hier sind Lösungen in Sicht: In Berlin hat der Senat für die Bezirke die Möglichkeit geschaffen, Kfz-Stellflächen in Parkzonen für Tretroller und Fahrräder umzuwandeln. Hunderte Parkplätze sollen so Platz für die bis zu 16.000 E-Scooter in der Stadt schaffen. Außerdem sollen in Fünf-Meter-Bereichen von Kreuzungen, an denen Autos nicht parken dürfen, Abstellplätze für Fahrräder und Scooter entstehen. Auch in Köln richtet man demnächst gesonderte Abstellflächen ein. Christian Leitow, Mitarbeiter im Team des Kölner Fahrradbeauftragten, vertraut dabei auf die „Macht der Linien“ und eine „Incentivierung“, sprich Belohnung, oder Bestrafung durch die Scooter-Anbieter. In Paris funktioniert das bereits beim Unternehmen Bird. Der Anbieter hat legale Abstellplätze in der App markiert und überprüft, ob die Nutzer ihre Roller auch dort abstellen. Tun sie es, werden sie anfangs noch belohnt. Tun sie es nicht, werden sie später bestraft. Für die Anbieter selbst hat das in Bezug auf die Verfügbarkeit Nachteile, andererseits aber wiederum Vorteile beim Servicen der Flotte.

Hightech-Einsatz hilft Anbietern und Kommunen

Wenn es Probleme gibt, setzen Start-ups auf Technik – und sie sind dabei sehr kreativ. So kann der kalifornische Anbieter Lime inzwischen erkennen, ob sein E-Scooter auf dem Bürgersteig gefahren wird. Dazu filtern die Entwickler aus den Daten der Beschleunigungssensoren Vibrationen heraus und ordnen diese dem jeweiligen Untergrund zu. Eigenen Aussagen zufolge erkennt man in San José Gehwegfahrer mit 95-prozentiger Sicherheit. In der App folgt dann prompt eine Mahnung. Da mit E-Scootern häufig dann auf Gehwegen gefahren wird, wenn es keine Radwege gibt, sind diese Daten aber auch für Städte interessant. So können sie erkennen, wo Bedarf für eine bessere Infrastruktur besteht. Das ITF schlägt vor, ähnliche Techniken zu nutzen, um etwa schlechte Straßenbeläge zu dokumentieren oder aus Beinahe-Unfällen (erkennbar zum Beispiel durch Bremsen und Schlingern), gefährliche Straßenabschnitte zu ermitteln. Das Tracking der Fahrten bietet auch für Polizei und Kommunen Ansatzpunkte, um die Sicherheit zu verbessern. So berichtet Ralf Maier-Geißer, dass die Stadt Stuttgart aus den Daten der Anbieter ablesen kann, an welchen Stellen besonders häufig die gesperrte Fußgängerzone gequert wird. Dort könne dann ganz gezielt kon­trolliert werden.

Weniger Unfälle als angenommen

Auch das Thema Sicherheit ging immer wieder durch die Medien: unvorsichtige junge Menschen, die, alkoholisiert oder zu zweit, auf dem Bürgersteig führen und sich bei Stürzen schwer verletzten. Ist das wirklich so? Anfang des Jahres überraschte der Versicherer DEVK, indem er die Preise für die Versicherung privater E-Scooter für Fahrer ab 18 Jahren um bis zu 42 Prozent senkte. Die Begründung: Sie seien weniger in Unfälle verwickelt als erwartet. Nur die Jüngeren zahlen weiterhin den vollen Betrag. Auch bei Leihrollern scheint die Situation nicht so dramatisch zu sein, wie ursprünglich angenommen. Im Fe­bruar veröffentlichte das International Transport Forum (ITF) eine Studie zur Sicherheit der Mikromobilität. Zusammenfassend heißt es hier:

  • Die Gefahr eines tödlichen Unfalls oder einer schweren Verletzung ist auf einem Leih-E-Scooter nicht größer als auf einem Fahrrad.
  • In 80 Prozent der tödlichen Unfälle sind motorisierte Fahrzeuge beteiligt.
  • Der Verkehr wird für alle sicherer, wenn E-Scooter oder Fahrräder die Fahrten von Autos und Motorrädern ersetzen.

Wie sicher oder gefährlich das Fahren mit E-Scootern in Deutschland tatsächlich ist, wird sich künftig gut prüfen lassen. Denn das Statistische Bundesamt nimmt die Zahlen als eigenen Eintrag mit in die Unfallstatistik auf.

Mehr Sicherheit ist machbar

Um die Sicherheit zu erhöhen und schwere Unfälle zu verhindern, gibt das International Transport Forum eine Reihe von Empfehlungen. Die reichen von geschützten Wegen über Tempo 30 bis hin zu Design-Verbesserungen bei den Scootern – unter anderem mit größeren Rädern und veränderten Geometrien, um die Fahreigenschaften auf schlechten Straßen und Radwegen zu verbessern. Außerdem sollten Blinker vorgeschrieben werden, denn im Gegensatz zum Fahrrad ist es auf dem Roller schwierig, beim Abbiegen Handzeichen zu geben. Das schlägt auch der Verkehrsgerichtstag vor, dessen Empfehlungen in der Vergangenheit schon häufiger von der Politik aufgegriffen wurden. Er empfiehlt außerdem mehr Aufklärung über die Verkehrsregeln durch die Anbieter und setzt sich ein für eine „Prüfbescheinigung zum Führen eines Elektrokleinstfahrzeuges“. Ob die wirklich notwendig ist? Christian Leitow vom Team des Fahrradbeauftragten in Köln berichtet, dass es immer noch Beschwerden über das Fahrverhalten mancher Nutzer gäbe, diese aber deutlich abgenommen hätten. Erstens, weil im Winter defensiver gefahren werdem, und zweitens, weil die Ausprobierphase des Sommers wohl vorbei sei und sich zudem ein gewisser Lerneffekt eingestellt habe.


Bilder: Mack Male, Creative Commons, Lime, René Mentschke, Creative Commons